Deutscher Überwasserschiffbau: Länder machen Druck auf Berlin

Mehrere Bundesländer, in denen Schiffe und Zulieferteile für die Deutsche Marine gebaut werden, haben Bundeskanzlerin Angela Merkel dringend zu einem politischen Umsteuern aufgefordert: Wie bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, müsse der Marine Überwasserschiffbau nunmehr umgehend als Schlüsseltechnologie definiert werden, schrieb Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther auch im Namen von Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern an die Kanzlerin.

Mit dem Brief reagieren die Regierungschefs (und die Regierungschefin) sowohl aus unions- als auch SPD-geführten Landesregierungen darauf, dass eine eigentlich bereits für vergangenes Jahr vorgesehene Neufassung der Definition so genannter Schlüsseltechnologien bislang noch nicht vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Das ist unter anderem Voraussetzung dafür, dass nach einem inzwischen vom Bundestag beschlossenen Gesetz Aufträge für Rüstungsgüter nicht mehr EU-weit ausgeschrieben werden müssen, sondern nur noch national.

Diese Erweiterung um den Überwasserschiffbau sei für künftige Marineprojekte von höchster Bedeutung, schrieb Günther in dem Brief vom 4. Februar (über den zuerst dpa berichtet hatte):

Auch im Namen der Regierungschefin und der Regierungschefs der Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern wende ich mich mit dem dringenden Appell an die Bundesregierung, den Marinen Überwasserschiffbau wie im Koalitionsvertrag vereinbart nunmehr umgehend als Schlüsseltechnologie zu definieren. Diese Einstufung ist im Hinblick auf zukünftige Projekte der Deutschen Marine von höchster Bedeutung für den Marineschiffbau in Deutschland. (…)
Sollte hingegen unsere Schiffbauindustrie im militärischen Schiffbau weiterhin dem verzerrten europäischen Wettbewerb unterliegen und die Deutsche Marine als „parent navy“ ihre Aufträge nicht an unsere heimischen Werften vergeben, steht der deutsche Marineschiffbau vor einer düsteren Zukunft. Dies trifft im Übrigen nicht allein die Küstenländer, sondern in erheblichem Maß auch die in der Wertschöpfungskette maßgeblich beteiligte Zulieferindustrie im Westen und im Süden der Bundesrepublik.
Ziel der deutschen Rüstungsindustriepolitik muss es daher sein, dass Knowhow des deutschen Marineschiffbaus, die Technologieführerschaft und damit die nationale Souveränität zu erhalten. Diese Vorstellung teilt mit uns auch die Bundesregierung in ihrer nationalen Industriestrategie 2030.
Ebenso wie die Bundesregierung bekennen wir uns zum europäischen Wettbewerb. Ist dieser Wettbewerb allerdings eingeschränkt und verzerrt und beurteilen auch andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dies so und verzichten auf europaweite Ausschreibungen, besteht auch in Deutschland ein dringender Handlungsbedarf. (…)
Über diesen aus unserer Sicht dringenden Handlungsbedarf hinaus schlage ich vor, dass die Bundesregierung die Länder, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und die betroffenen Unternehmen einlädt, um die Herausforderungen und Perspektiven des deutschen Marineschiffbaus für die kommenden 15 bis 20 Jahre zu erörtern.

Nun ist diese Initiative über die Parteigrenzen hinweg sicherlich auch eine Reaktion auf die Entscheidung, den Auftrag für das neue Mehrzweckkampfschiff 180 (MKS180) an die niederländische Damen-Werft als Hauptauftragnehmer zu vergeben; die German Naval Yards in Kiel fielen nach einer europaweiten Ausschreibung heraus.

Da allerdings auch der Kieler Regierungschef von der Einstufung als Schlüsseltechnologie im Hinblick auf zukünftige Projekte der Deutschen Marine spricht, dürfte mit dem Vorstoß nicht zwingend die Erwartung verbunden sein, dass diese Ausschreibung neu aufgerollt wird. Obwohl die unterlegene Werft dagegen Einspruch eingelegt hat und die weitere Entwicklung offen ist.

(Archivbild Juli 2016: Zusammentreffen während der Erprobungsfahrt der Fregatte F 222 Baden-Württemberg (mi) mit den Fregatten F 215 Brandenburg (li) und F 216 Schleswig-Holstein im Skagerrak – Carsten Vennemann/Bundeswehr)