18 Jahre Einsatz in Afghanistan: Der Krieg der falschen Versprechungen

Vor gut 18 Jahren begann der US-geführte Krieg in Afghanistan, eine direkte Folge der Terrorangriffe des 11. September 2001 in New York und Washington. Eines zog sich, vor allem in den USA, durch alle offiziellen Äußerungen zu diesem Konflikt: Die Einschätzung, dass Besserung in Sicht sei – bewusst falsch, wie aus Papieren hervorgeht, die der Washington Post vorliegen.

Die Zeitung hat in einem dreijährigen Verfahren nach dem Freedom of Information Act Unterlagen erstritten, die ein anderes Bild des Kriegsverlaufs am Hindukusch zeigen.

AT WAR WITH THE TRUTH

Aus der Einführung:

A confidential trove of government documents obtained by The Washington Post reveals that senior U.S. officials failed to tell the truth about the war in Afghanistan throughout the 18-year campaign, making rosy pronouncements they knew to be false and hiding unmistakable evidence the war had become unwinnable.
With a bluntness rarely expressed in public, the interviews lay bare pent-up complaints, frustrations and confessions, along with second-guessing and backbiting. (…)
“We were devoid of a fundamental understanding of Afghanistan — we didn’t know what we were doing,” Douglas Lute, a three-star Army general who served as the White House’s Afghan war czar during the Bush and Obama administrations, told government interviewers in 2015. He added: “What are we trying to do here? We didn’t have the foggiest notion of what we were undertaking.”

Die Papiere sind Ergebnis einer regierungsamtlichen Untersuchung durch den – auch hier schon öfter erwähntenSpecial Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR). Dieser Sonderermittler hat, ganz offiziell, verschiedene Regierungsvertreter und Militärs in den USA befragt, aber auch Beamte in verbündeten Ländern (darunter, so viel geht aus den Unterlagen hervor, auch deutsche Regierungsvertreter – die wie viele andere Zeugen allerdings aufgrund einer noch nicht abschließend geklärten gerichtlichen Auseinandersetzung nicht namentlich genannt werden).

Die Kernaussage: Mehrere US-Präsidenten und der ganze Apparat, in der Administration wie in den Streitkräften, haben mit ihrem Ansatz in Afghanistan versagt – beim Ziel Terrorbekämpfung ebenso wie beim Wiederaufbau des Landes. Die meisten von SIGAR befragten Regierungsmitarbeiter hätten sich sehr offen geäußert, merkt die Washington Post an: Sie seien davon ausgegangen, dass ihre Aussagen dauerhaft unter Verschluss blieben.

Die mehreren tausend Seiten, als Faksimile der Originaldokumente zum Nachlesen eingestellt, lohnen auch aus deutscher Sicht eine sorgfältige Lektüre, und das nicht nur, weil auch Vertreter der Bundesrepublik befragt wurden: Deutschland ist seit 2002 Teil der wesentlichen Militärpräsenz am Hindukusch. Und auch wenn die deutschen Ziele in etlichen Punkten deutlich von der Herangehensweise der USA abwichen und abweichen: Einen erheblichen Teil der Fehler dürften Bundesregierung und Bundeswehr ebenso gemacht haben. Entweder aus eigenem Entschluss oder als Teil der Kommandokette unter einem US-Befehlshaber.

(Das ist kein Urteil, das wäre ohne sorgfältige Auswertung der Unterlagen auch gar nicht möglich – aber eine begründete Annahme. Und ehe die Stimmen kommen, die sagen, das sei alles längst bekannt: Mag sein. Aber kaum belegt.)

(Archivbild: Deutsche Fallschirmjäger in Kabul 2002)