Langjährige Bundeswehr-Sozialstudie: Weniger Rechtsextremisten in der Truppe als in der Bevölkerung
Rechtsextremistische Haltungen sind in der Bundeswehr nicht weiter verbreitet als in der Bevölkerung. Zu diesem Ergebnis kommt eine aufwändige, mehrjährige Untersuchung eines Bundeswehr-Forschungsinstituts. Andererseits werden aber Verschwörungsmythen wie Politiker sind Marionetten unbekannter Mächte von fast einem Fünftel der befragten militärischen und zivilen Angehörigen der Bundeswehr geteilt. Und: Exakt die Hälfte der befragten Bundeswehrangehörigen ist mit Ausrüstung und Bewaffnung unzufrieden.
Die Studie Armee in der Demokratie – Ausmaß, Ursachen und Wirkungen von politischem Extremismus in der Bundeswehr wurde vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam erstellt – begonnen vor fast fünf Jahren. Im Zusammenhang mit – nicht nur – rechtsextremistischen Vorfällen beim Kommando Spezialkräfte (KSK) des Heeres hatte die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im Juni 2020 Umstrukturierungen in der Elitetruppe verfügt. Als Teil des Maßnahmenpakets war auch eine wissenschaftliche Studie zum politischen Extremismus in der Bundeswehr vorgesehen, mit der das ZMSBw im Juli 2020 beauftragt wurde. Die Studie wurde am (heutigen) Freitagnachmittag veröffentlicht.
Als wesentlichen Auftrag sollte die Untersuchung eine Antwort auf die Frage liefern, wie groß das Ausmaß und was die Ursachen extremistischer Einstellungen unter den Angehörigen der Bundeswehr sind, sowohl unter den Soldaten und Soldatinnen als auch unter den zivilen Beschäftigten. Dafür wurde in einer gewichten Stichprobe der Bundeswehrangehörigen ein umfangreicher Fragenkatalog abgearbeitet. Zur Gegenprüfung wurden die entsprechenden Fragen von zivilen Umfrageinstituten bei einer repräsentativ ausgewählten Bevölkerungsstichprobe gestellt.
Bei der Frage nach rechtsextremistischen Einstellungen neigten die Angehörigen der Bundeswehr, sowohl militärisch als auch zivil, deutlich weniger solchen Haltungen zu als die Bevölkerung insgesamt: Während der Anteil von Personen mit konsistent rechtsextremistischen Einstellungen in der Bevölkerung bei 5,4 Prozent lag, ergaben die Umfragen für Soldaten und Soldatinnen einen Wert von 0,4 und die zivilen Beschäftigten von 0,8.
Zwar räumten die Wissenschaftler des ZMSBw ein, dass bei der Frage nach rechtsextremistischen Einstellungen in der Bundeswehr von einer Tendenz zu sozial erwünschtem Antwortverhalten auszugehen ist. Das genaue Ausmaß sei deshalb nicht zu bestimmen. Die Ergebnisse der Studie – neben Datenerhebungen mit Umfragen auch Gruppengespräche und -Interviews – erlaubten aber den Schluss, dass der Anteil der Menschen mit rechtsextremistischem Weltbild auf keinen Fall höher liege als in der Gesamtbevölkerung, sondern darunter.
Unterschiede gab es zudem bei Detailfragen nach rechtsextremistischer Einstellung: Eher finden sich bei den Soldatinnen und Soldaten konsistente fremdenfeindliche (3,5 Prozent) oder chauvinistische Einstellungsmuster (6,4 Prozent), heißt es in der Studie. Allerdings könnten Aussagen, die in der Literatur als chauvinistisch gekennzeichnet sind, unter den Besonderheiten des Soldatenberufs eine andere Bedeutung haben.
Während diese höheren Werte dennoch deutlich unter den Werten für die entsprechenden Ansichten in der Bevölkerung liegen, sieht das bei einigen Antworten nach den Positionen der so genannten Reichsbürger und nach Verschwörungsmythen anders aus. In diesem Bereich ist auffällig, dass klassische Schwurbler-Themen (Der Klimawandel ist nicht wissenschaftlich erwiesen; Hinter der Corona-Pandemie stecken böse, verborgene Mächte; Die Bundesrepublik Deutschland ist kein legitimer Staat) nur von drei bis fünf Prozent der Bundeswehrangehörigen geteilt werden – in der Bevölkerung sind es zum Teil deutlich mehr als zehn Prozent.
Das gilt aber nicht für Positionen, die in der Studie auch zum Reichsbürger-Umfeld gezählt werden. So stimmten 20,5 Prozent der militärischen und 23,4 Prozent der zivilen Bundeswehrangehörigen der Aussage zu Es gibt geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben – in der Bevölkerung insgesamt waren es 17,5 Prozent. Für die Aussage Politiker und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte sprachen sich mit 17,5 Prozent der Soldaten und Soldatinnen und 19,2 Prozent der zivilen Mitarbeiter ungefähr ebensoviele Menschen aus wie in der Gesamtbevölkerung (20,8 Prozent). Auch die Ansicht Die Medien und die Politik stecken unter einer Decke fand bei 18,1 Prozent der befragten Soldaten und Soldatinnen Zustimmung, dagegen bei 15,1 Prozent der zivilen Angehörigen – und bei 21,6 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Auffällig ist, offenkundig unabhängig von extremistischen Einstellungen oder der Neigung dazu, die Wahrnehmung unter Soldaten und Soldatinnen im Hinblick auf gesellschaftliche Unterstützung. Aus der Studie:
Während unter den Soldatinnen und Soldaten lediglich 11,0 Prozent davon ausgehen, dass die Bevölkerung hinter der Bundeswehr steht, stimmen mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger (51,8 Prozent) dieser Aussage zu. Noch drastischer ist der Unterschied hinsichtlich der Unterstützung durch die Politik: 12,9 Prozent der Soldatinnen und Soldaten haben den Eindruck, dass die Politik hinter der Bundeswehr steht, in der Bevölkerung sind es 60,6 Prozent.
Dass dadurch rechtsextremistische Neigungen nicht verstärkt werden, wie es in der Untersuchung heißt, ist zwar einseits beruhigend – andererseits aber auch ein Besorgnis erregendes Anzeichen für einen Spalt zwischen den Staatsbürger in und ohne Uniform. Dazu gehört dann auch die – nur an die Bundeswehrangehörigen gestellte – Frage nach verschiedenen Aspekten der Zufriedenheit im Dienst. Auf die Frage Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie, alles in allem, mit … Ausrüstung und Bewaffnung Ihrer Einheit bzw. materielle Ausstattung Ihrer Dienststelle? fiel die Antwort recht eindeutig aus: 21,1 Prozent waren sehr unzufrieden, 28,9 Prozent eher unzufrieden: Zusamengenommen exakt die Hälfte.
Die komplette Studie steht hier zum Download (und hier als Sicherungskopie: 30-05-01-zmsbw-forschungsbericht-138-armee-in-der-demokratie-data). Das ZMSBw hat darüber hinaus weitere Materialien dazu online gestellt.
Diese Anerkennungsdiskussion kann ich nicht mehr hören. Das wird von jeder Generation Soldaten weitererzählt und einfach übernommen. Da hatte TdM Recht mit seinem Ausspruch vom „Gieren nach Anerkennung“.
Dass Politiker in den vergangenen Jahren sich betont distanziert oder ablehnend ggü ihrer eigenen Armee (Einer Verfassungsinstitution) verhielten, hatte aber entsprechende Effekte bei den Staatsbürgern in Uniform. Der gleiche Effekt ist bei der Polizei zu beobachten.
pi
@TW
„Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie, alles in allem, mit … Ausrüstung und Bewaffnung Ihrer Einheit bzw. materielle Ausstattung Ihrer Dienststelle? fiel die Antwort recht eindeutig aus: 21,1 Prozent waren sehr unzufrieden, 28,9 Prozent eher unzufrieden: Zusamengenommen exakt die Hälfte.“
Da gibt es wohl auch die Antwort „eher zufrieden“ ? Für mich würde dies bedeuten: „es ist besser geworden, früher war es (noch) schlimmer“ – das wäre ebenfalls eine negative Antwort.
@politisch inkorrekt (25.04.2025, 19:50 Uhr)
„Diese Anerkennungsdiskussion kann ich nicht mehr hören. Das wird von jeder Generation Soldaten weitererzählt und einfach übernommen. Da hatte TdM Recht mit seinem Ausspruch vom „Gieren nach Anerkennung“.“
Einspruch. Es gibt einen sehr großen Unterschied zwischen „ Gieren nach Anerkennung“ und „freundlichem Desinteresse“, wie es Bundespräsident Köhler in seiner Rede bei der Kommandeurtagung 2005 nannte. Diesen Unterschied hat TdM entweder nicht begriffen, oder gezielt ausgeblendet. Beides ist schlecht und eines Bundesministers unwürdig.
Noch viel schlimmer ist, dass TdM seiner durch Köhler aufgezeigten besonderen Verantwortung der Politik gegenüber der Bundeswehr (weder als Regierungsmitglied noch als IBUK) nicht im Ansatz gerecht wurde.
Das Problem dürfte sein, dass im echten Alltag sehr viele Soldaten und Reservisten erlebten bzw. erleben, dass über Jahrzehnte das Bekenntnis zur Bundeswehr eine Art Lippenbekenntnis blieb. Unterfinanzierung, sachfremde Strukturentscheidungen nach Wahlkreisinteressen, Bürokratisierung und grundsätzliches Misstrauen gegenüber (Berufs-)waffenträgern, angebliche Fachpolitiker, die in Talkshows mit seit zehn-zwanzig Jahren abgeschafften Begriffen diskutieren und im Detail nicht sprechfähig sind. Bau- und Renovierungsmaßnahmen dauern ein Jahrzehnt. Eine beinahe irrationale Argumentation von Teilen der Politik gegen die Wehrpflicht, die sehr oft Wehrpflichtige als „nutzloses Kanonenfutter“ verunglimpften. Vor einigen Jahren hat mir eine dem linken Flügel der SPD zuzuordnende Behördenleiterin ins Gesicht gesagt, dass jemand der heute bei der Bundeswehr sei, wohl „Narr oder Nazi sein müsste“. Angesichts solcher Umstände bzw. Erlebnisse, die sicherlich viele „Uniformträger“ haben, fällt es schwer, aus abstrakten Umfragen innere Stärke zu generieren. Man hat seine persönlichen Unterstützer und Freunde, man seine positiven Erlebnisse mit Bürgerinnen und Bürgern, aber strukturellen gesellschaftlichen Rückhalt oder Förderung oder gar ein „Vorschussvertrauen“ gibt es meiner Beobachtung in Politik oder Gesellschaft in Deutschland nicht gegenüber der Bundeswehr. Soldaten als notwendiges Übel aus einer anderen Welt dürfte die Sichtweise der großen Mehrheit der politisch-medialen Blase (mit guten Ausnahmen wie z.B. TW, Tim Deisinger oder Markus Lanz, einem ex-Alpini) und des großstädtischen Bürgertums sein. Wie nachhaltig die Zeitenwende (Hofreiter) in Teilen der Grünen bleibt, kann ich nicht einschätzen. Umfrageergebnisse sind eben Umfrageergebnisse und kein aktives Handeln oder Erleben im Alltag. Meine Einschätzung nach vielen Jahrzehnten an – teilweise sehr exponierten – Schnittstellen zwischen Armee und Zivilgesellschaft.
Aus meiner Sicht zahlt es sich aus, dass die Bundeswehr bei nachgewiesenem Extremismus, Reichsbürgertum und Fremdenfeindlichkeit kein Pardon mehr kennt.
Ob die Beteiligung einer parteinahen Stiftung den Grundsätzen wissenschaftlichen Arbeitens entspricht? Ich bin mir nicht sicher.
Nach eigener Erfahrung in der Bundeswehr haben die abzulehnenden Einstellungen sehr häufig mit der eigenen Bildung zu tun. Es weniger wahrscheinlich, dass der studierte Direktor einer WTD dem Reichsbürgermilieu zuzuordnen ist als der Kasernenwärter mit der Eingruppierung E3 in einem Materiallager.
Warum dauert so eine Studie eigentlich 5 Jahre?
@ Florian Staudte Mir sind in meiner Dienstzeit Offiziere über den Weg gelaufen, bei denen man genau wußte, woher der Wind weht. Die waren aber clever genug, um zu wissen, wo die Grenze ist.
„Zwar räumten die Wissenschaftler des ZMSBw ein, dass bei der Frage nach rechtsextremistischen Einstellungen in der Bundeswehr von einer Tendenz zu sozial erwünschtem Antwortverhalten auszugehen ist. Das genaue Ausmaß sei deshalb nicht zu bestimmen.“
Es geht hier nicht nur um „sozial erwünschtes Antwortverhalten“, sondern bei „falschen“ Antworten um Job oder mindestens die Karriere, zumal die Anonymität der Antworten nach dem Studiendesign kaum gegeben war. Es ist m.E. mehr als fraglich, ob die 21,5% der Soldaten, die die Fragebögen überhaupt beantwortet haben, wirklich ihre Meinung kundgetan haben. Bitte beachten, die Befragungen fanden 2022 in einem Umfeld statt, wo der MAD sein Augenmerk auf rechtsextreme Auswüchse gerichtet hatte.
Fals die Zielstellung der Studie wirklich die Erfassung des Meinungsbildes der BW- Angehörigen war, war es herausgeschmissenes Geld.
Aber das war m.E. nicht das Ziel, es wurde ein Persilschein bestellt und der wurde geliefert.
„Die Ergebnisse der Studie – neben Datenerhebungen mit Umfragen auch Gruppengespräche und -Interviews – erlaubten aber den Schluss, dass der Anteil der Menschen mit rechtsextremistischem Weltbild auf keinen Fall höher liege als in der Gesamtbevölkerung, sondern darunter.“
„Zwar räumten die Wissenschaftler des ZMSBw ein, dass bei der Frage nach rechtsextremistischen Einstellungen in der Bundeswehr von einer Tendenz zu sozial erwünschtem Antwortverhalten auszugehen ist. Das genaue Ausmaß sei deshalb nicht zu bestimmen. Die Ergebnisse der Studie – neben Datenerhebungen mit Umfragen auch Gruppengespräche und -Interviews – erlaubten aber den Schluss, dass der Anteil der Menschen mit rechtsextremistischem Weltbild auf keinen Fall höher liege als in der Gesamtbevölkerung, sondern darunter.“
Für mich ist das nicht ganz nachvollziehbar. Es ist bekannt, was und in welcher Form wie geäußert werden kann – auf allen Ebenen! Wieso sollte jemand von der sozialen Erwünschtweit plötzlich in einem Gruppengespräch oder Interview abweichen? Das macht für mich keinen Sinn – die Ableitung, dass der Anteil der Menschen mit rechtsextremistischem Weltbild auf keinen Fall höher liege als in der Gesamtbevölkerung, sondern darunter, kann meiner Meinung nach so nicht getroffen werden.
Aus der Studie: „Die aus den Gruppendiskussionen zusammengetragenen Befunde liefern Einblicke in
zentrale Merkmale des soldatischen und politischen Selbstverständnisses von Soldatin-
nen und Soldaten der Bundeswehr“ – das kann man erstmal so behaupten. Ich würde annehmen, dass nur ein ganz kleiner Teil so dumm ist und in so einem Gespräch tatsächlich sagt was er glaubt.
Ich erinnere mich, wie kreativ die Antworten waren, wenn ich Soldaten gefragt habe was das denn für ein Hammer sei, der da um den Hals hänge, wieso jemand ein gewisses Kleidungsstück von gewissen Marken oder eine interessante Tattoowierung hatte… Von einer Ahnungslosigkeit oder sozialen Erwünschtweit wurde auch im „Gruppengespräch“ (Chef+Spieß+ZgFhr) oder Interview (Vernehmung) nicht von abgewichen.
Und wenn ich bedenke, dass ja erst mit dem Traditionserlass von Frau von der Leyen im Jahr 2018 die Bundeswehr tatsächlich frei von allen „tradtionellen“ denken rund um die Wehrmacht ist bzw sein soll – woher sollen denn die Lupenreinen Demokraten auf einmal alle hergekommen sein?
Lassen Sie mal die Dienstgradgruppen unter sich sein, da wird immer anders geredet als mit der Presse oder einem Forschungsteam – egal zu welchen Thema.
Insofern finde ich das schon bemerkenswert, dass die „saubere Bundeswehr“ wohl kein Spiegel der Gesellschaft sein soll.
Ich glaube da wird sich doch etwas in die Tasche gelogen mit diesen Aussagen – dass Studien kritisch gesehen werden sollten, zeigt ja auch beispielsweise die Wittchenstudie, wo die Zahlen ja auch offenbar etwas, ähm, kreativ waren.
Um das klarzustellen: Mir geht es nicht darum die Studie anzugreifen, aber ich finde mit Interpretationen, gerade bei diesem Studiendesgin, sollte man doch vorsichtig sein, das vermisse ich hier.
Die Autoren der Studie stochern aufgrund diverser methodischer Mängel im Nebel, Immerhin gestehen sie einzelne dieser Mängel selbst ein, etwa dass sie auf bestimmte Fragen seitens tatsächlicher Extremisten kaum mit ehrlichen Antworten zu rechnen hätten. Mit Fragen nach der Zustimmung zu Ansichten wie „Die Bundesrepublik Deutschland ist kein legitimer Staat“ kann man allenfalls den Anteil dummer Extremisten bestimmen, aber nicht den eigentlichen Extremistenanteil.
Noch gravierender ist m.E. aber, dass die Fragen des Fragenbogen kaum Rückschlüsse auf eventuelle Bestrebungen zur Beseitigung der FDGO oder zumindest zur Einordnung in bestimmte extremistische Strömungen zulassen.
Nur einige Beispiele:
– Ist jemand, der der Ansicht „Der Staat sollte Religionen nicht daran hindern, ihren Glauben zu verbreiten“ zustimmt, ein Liberaler, der solche Eingriffe grundsätzlich ablehnt, oder ein radikaler Islamist, der mit „Glauben“ seine politische Ideologie meint?
– Ist jemand, der der Ansicht „Es gibt geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben“ zustimmt ein Feind des Staates oder nur ein Historiker, der entsprechende Beispiele aus der Geschichte kennt und deshalb weiß, dass es gute Gründe z.B. für die Existenz des § 253 StGB, des Kartellrechts und des Lobbyregistergesetzes in Deutschland gibt?
– Ist jemand, der der Ansicht zustimmt „Die Juden arbeiten mehr als andere Menschen mit üblen Tricks, um das zu erreichen, was sie wollen“ ein rechtsextremer, ein linksextremer oder ein islamistischer Antisemit?
Die Studie stützt sich zudem teilweise auf undefinierte Konzepte wie „religiöser Fundamentalismus“, die so beliebig mit Inhalt gefüllt werden können, dass sie in sozialwissenschaftlichen Studien nichts zu suchen haben.
Insgesamt war die Studie so angelegt, dass hier kein aussagekräftiges Ergebnis herauskommen konnte.
Danke T.W. für die Information.
1)“Rechtsextremistische Haltungen sind in der Bundeswehr nicht weiter verbreitet als in der Bevölkerung.“
Schlimm genug.
Alledings:“Zwar räumten die Wissenschaftler des ZMSBw ein, dass bei der Frage nach rechtsextremistischen Einstellungen in der Bundeswehr von einer Tendenz zu sozial erwünschtem Antwortverhalten auszugehen ist.“
Hier stimme ich Segestes zu. Wenn auf die Äusserung von eindeutig rechtsextremen Ansichten der Rauswurf oder zumindest das Karriereende folgt, dann werden die intelligenteren unter den überzeugten Rechtsextremen vermutlich zur Selbstzensur greifen.
2)“….Verschwörungsmythen wie Politiker sind Marionetten unbekannter Mächte (werden) von fast einem Fünftel der befragten militärischen und zivilen Angehörigen der Bundeswehr geteilt.“
„Marionetten UNBEKANNTER Mächte“? Wieso „unbekannter“? Was ist denn an den Bilderbergern, der Atlantikbrücke und ähnlichen Institutionen unbekannt? Spaß beiseite.
Die Kritik von Politikwissenschaftler hinsichtlich der Befragungsstrategie der Studie teile ich.
Politiker aller politischen Parteien mit Sitz in Parlamenten sind einem hohen Druck von Seiten zahlreicher, sehr gut vernetzter Lobbyorganisationen ausgesetzt, deren Vertreter oft in Personalunion auch Parlamentsabgeordnete bzw. Regierungsmitglieder sein können. Windlicht beschreibt das auch gut in seinem Kommentar. Bei manchen Parteien hat man den Eindruck, dass deren gesamtes Führungspersonal aus Lobbyisten besteht. Schaut man sich den aktuellen Koalitionsvertrag an, dann findet sich deren Einfluss an vielen Stellen.
Es gibt also tatsächlich einen Grund dafür, warum Regierungshandeln oft wie „gelenkt“ erscheint.
Generell habe ich ein Problem mit der allgemein negativen Konnotierung des Begriffs „Verschwörungstheorie“. Sicher, viele dieser Vorstellungen halte ich auch für Blödsinn. Aber manchmal stellen sich einst als Verschwörungstheorie diskreditierte Sachverhalte im Nachhinein als Wahrheit heraus. Ich denke da an die Abhörpraxis der US-Geheimdienste, die durch Edward Snowdon bekannt gemacht wurde. Gerade die USA haben eine nachgewiesene Historie dafür, wie mit der Absicht eines Politiwechsels oder sogar Regime Change in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten eingegriffen haben.
3) „Exakt die Hälfte der befragten Bundeswehrangehörigen ist mit Ausrüstung und Bewaffnung unzufrieden.“
Na das ist doch mal eine echte Überraschung. Nach all dem was ich hier im Forum über die Ausrüstungsprobleme der Bundeswehr schon gelesen habe, hätte ich mit einer größeren Unzufriedenheit gerechnet.
Florian Staudtes Kommentar erinnerte mich an politische Diskussionen, die zu meiner Zeit geführt wurden. Hierzu wurde auch offiziell im Kompanierahmen durch jeweils einen der Uffz ein aktuelles Thema vorgestellt, über das dann sehr offen und auch sehr kontrovers diskutiert wurde. Aber so lange wie wir den Wehrdienst noch hatten war von rechts bis zum Teil sehr weit links das gesamte politische Spektrum vertreten. Ich habe diese offenen Diskussionen immer sehr geschätzt.
@ McPotter
Ich würde auch mal davon ausgehen, dass eine Studie, die zum Beispiel von der Naumann Stiftung durchgeführt worden wäre, vielleicht zu einem anderen Bild geführt hätte. Aber auch das ZMSBw kommt ja zu dem Schluss, dass es noch Luft nach oben gibt und wenn dieser Studie entsprechende Konsequenzen folgen, dann war sie keine Zeitverschwendung.
Ich finde Inhouse-Studien per se problematisch, da sie immer „Geschmäckle“ haben – eine externe Stelle wäre hier ggf. die bessere Entscheidung gewesen. @Politikwissenschaftler hat zudem die methodischen Mängel treffend zusammengefasst.
Ein Amt für Militärgeschichte im Bereich BMVg ist ja durchaus nachvollziehbar, aber warum man sich noch immer an einer internen Stelle für Sozialwissenschaften festklammert, ist eine ganz andere Frage für sich…
Eine interne Stelle zu haben, die Daten erhebt, ist zunächst einmal eine gute Sache. Ob die Auswertung der Daten immer auch so sauber und untendenziös erfolgt, wie es wissenschaftlich aufrichtig wäre..? Auch die Methodik der Erhebung wäre sicherlich hinterfragenswert.
Wie früher bei den Visa-Waiver-Verfahren bei der Einreise in die USA: „Sind oder waren Sie jemals Mitglied einer terroristischen Vereinigung?“ oder so ähnlich. Muss man ja mit der Axt gescheitelt sein, um da wirklich „Ja“ anzukreuzen.
Wobei mir da noch die „Mitte“-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung einfällt, die bei 5,7% der 2.000 repräsentativ Befragten antisemitische Tendenzen feststellte. Das bedeutet theoretisch, dass eine offen judenfeindliche Partei möglicherweise weniger Probleme hätte, bei Wahlen zum deutschen Bundestag über die 5%-Hürde zu kommen, als beispielseise die FDP! Im Übrigen stützt das Studienbild übrigens auch nicht das verbreitete Märchen, dass Linke gar nicht rechts sein könnten. Im Gegenteil, die aktuelle „Mitte“-Studie stellt auch fest, dass Menschen, die sich selbst als „in der Mitte“ oder als „links“ definieren“, manifest rechtsextreme Ansichten oder Weltbilder haben können.
Was mich in Bezug auf die Bundeswehr ein wenig tröstet ist, dass manifest rechtsradikales Gedankengut doch immer noch invers proporzional mit dem Bildungsgrad, dem Einkommen und auch der Intelligenz korreliert. Jedenfalls in der Regel. Das wird auch durch Studien aus anderen Bereichen gestützt. Je größer die wirtschaftlich prekäre Lage, umso wahrscheinlicher verfangen rechtspopulistische, rechtsextreme und rechtsradikale Parolen. Weil sie einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen, mit denen bestimmte Schichten vermutlich auch ein Stück weit überfordert sind.
Das macht natürlich die wenigen, intelligenten Rechten aus Überzeugung, die als Ausnahme auch in der Bundeswehr sicher übrig bleiben, nicht minder gefährlich. Denn auf einen Agitator kommen oft mehrere Mitläufer. Die besondere Vorbildfunktion als Vorgesetzter und militärischer Führer brauche ich dem geneigten Publikum hier sicher auch nicht zu erklären. Und wie wir aus der Geschichte wissen, können überzeugte Nazis erst dann ihre menschenverachtende Politik umsetzen, wenn genügend andere zuschauen und nichts tun.
Von daher ist es für mich ein tendenziell eher gutes Zeichen, wenn überzeugte Nazis in der Bundeswehr die Klappe halten. Sobald Nazis das Gefühl bekommen, sie könnten die Klappe aufreißen, weil sie hierfür keine Konsequenzen zu fürchten haben, dann sehe ich das als ein sehr viel weitreichenderes Problem.
Ein Staat wie unserer kann es sich nicht leisten auf einem Auge blind zu sein. Weder auf dem rechten, noch auf dem linken.
@Metallkopf
„Wie früher bei den Visa-Waiver-Verfahren bei der Einreise in die USA: „Sind oder waren Sie jemals Mitglied einer terroristischen Vereinigung?“ “
OT, aber: die Frage hat den Hintergrund die betreffende Person wegen unwahrer Angaben im Antrag ausschaffen zu können auch wenn in den USA selbst nichts vorgefallen ist oder nichts gegen sie vorliegt (quasi: ein potentieller Gefährder von außerhalb).
Kann mich @Politikwissenschaftler nur anschließen…
@ McPotter Was haben Sie denn für ein Problem mit Mjöllnir, dem Hammer des Thor? Hatte ich als Namen auf dem Wiegendeckel meines Marders und als Zeichen am Turm. Meine eher linke Einstellung war in meiner Kompanie bekannt. Ich bin in der Mittelalter-, Metal- und Gothic-Szene unterwegs. Da tragen auch Linke den Hammer um den Hals oder auf dem T-Shirt. Es gibt zum Glück genug Dumpfbacken, die Selbststeller sind und ihre Einstellung nicht verbergen.
Da haben wir nun schwarz auf weiss was wir voher schon gewusst haben. Der Bürger in Uniform sieht genau so aus wie der Bürger selbst. Und, Überraschung , es sind genauso viele Rechte wie im Deutschen Bundestag.
Die Einstufung der gesamten AfD als gesichert rechtsextrem durch den Verfassungsschutz lässt kein business as usual zu.
Es ist zwar kein Urteil, sondern allein die Auffassung einer weisungsgebundenen Dienststelle des Innenministeriums, das noch Frau Faeser führt.
Kurz vor Ende ihrer Berufung kann diese Veröffentlichung schon zum Nachdenken anregen.
Dennoch: können Soldaten, namentlich Berufssoldaten mit AfD-Mitgliedschaft übernommen werden, hat diese Feststellung Auswirkung auf bestehende Dienstverhältnisse?
[Danke für den Hinweis – und vorsorglich bitte ich bei diesem Thema um Sachlichkeit (mal gucken, ob es einen gesonderten Eintrag dazu geben wird). T.W.]
https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2025/pressemitteilung-2025-05-02.html
Damit muss jedem klar sein, AfD Mitgliedschaft und Dienst in der Bundeswehr sowie auch in der Reserve schließen sich aus.
[Das bedarf eigentlich eines eigenen Eintrags – mit dem ich aber gerne warten würde, bis von Seiten des BMVg/der Bundesregierung eine Aussage kommt, wie sie damit umgehen. Ich befürchte, vor Montag werden die sich nicht dazu durchringen… An dieser Stelle ist eine Debatte dazu deshalb m.E. im Moment nicht besonders hilfreich. Das soll die Diskussion nicht stoppen, aber die Erwartungen im Moment ein wenig dämpfen. T.W.]