Verteidigungsministerin will internationale Schutzzone in Nord-Syrien

In die internationale wie deutsche Debatte über die Situation im Norden Syriens nach dem türkischen Einmarsch und den Angriffen auf Kurdenmilizen hat sich Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eingeschaltet: Die CDU-Politikerin schlug am Montag überraschend eine internationale Schutzzone, abgesichert auch von Deutschland, in dieser Region vor. Die Details sind allerdings noch unklar.

Kramp-Karrenbauer machte ihren Vorschlag zunächst in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) und dann auf der Webseite ihres Ministeriums:

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat eine international kontrollierte Sicherheitszone für Nordsyrien angeregt: „Wir müssen auf Dauer Strukturen schaffen, die eine Rückkehr der Flüchtlinge möglich macht und eine Lösung, die für Stabilität und Sicherheit in der Region steht.“
Kramp-Karrenbauer wirbt um die Unterstützung aller beteiligten Konfliktparteien in der umkämpften Region. Deutschland wolle mit Frankreich, Großbritannien, den USA sowie unter Einbeziehung der Türkei und Russlands, über eine Lösung für Nordsyrien beraten. Ziel müsse es sein, rasch eine dauerhafte Waffenruhe in der Region zu etablieren, um das Leid der betroffenen Zivilbevölkerung zu mindern und den Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat konsequent fortführen zu können.
Die international kontrollierte Sicherheitszone soll dazu dienen, die Lage zu deeskalieren, den Kampf gegen den Terrorismus fortzusetzen und ein stabiles Umfeld für den zivilen Aufbau und die Fortsetzung des Verfassungsprozesses zu sichern. „Zunächst ist es eine politische Frage, mit der wir uns hinsichtlich eines möglichen deutschen Beitrages im Bundestag befassen müssen“, so die Verteidigungsministerin. In den nächsten Tagen wolle man schnell in die politischen Gespräche mit den internationalen Partnern einsteigen, wie zum Beispiel beim bevorstehenden Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel.

In dem dpa-Interview sagte die Ministerin ergänzend, ihr Vorstoß sei mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgestimmt und westlichen Verbündeten vorgeschlagen. Laut ZDF wurde Außenminister Heiko Maas (SPD) per SMS informiert.

Zu den Details blieb Kramp-Karrenbauer allerdings vorerst vage – auch am Abend bei einem Interview im ZDF. Zunächst gehe es um eine politische und diplomatische Initiative, was dazu militärisch erforderlich sei, sei erst der zweite Schritt, sagte die Ministerin.

Damit bleibt auch völlig offen, ob und in welchem Umfang der Vorschlag der CDU-Politikerin auf eine militärische Beteiligung der Bundeswehr an der Sicherung einer solchen Zone abzielt. Merkwürdigerweise zog sich die Ministerin in dem ZDF-Interview immer darauf zurück, dass die Entscheidung über einen Bundeswehreinsatz Sache des Bundestages sei – das ist ebenso richtig wie banal, denn das Parlament entscheidet zwar, aber über ein Mandat, das zuvor von der Bundesregierung vorgeschlagen wird. Ob es einen solchen Vorschlag des Kabinetts geben wird und wie er aussehen könnte, erschließt sich nach den bisherigen Aussagen Kramp-Karrenbauers nicht.

Ebenso offen bleibt, in welchem Rahmen die angeregte Sicherheitszone umgesetzt werden soll. Für Syrien selbst gebe es bereits eine UN-Resolution, hier gehe es darum, gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien Vorschläge zu machen, sagte die Ministerin. Allerdings hatte sie zuvor schon angekündigt, die Initiative zunächst in der NATO vorzustellen. Welches System kollektiver Sicherheit, dass das Grundgesetz zur Voraussetzung für einen Bundeswehreinsatz macht, hier gelten soll, ist damit unklar.

Mit anderen Worten: Die medienwirksam verkündete Initiative der Verteidigungsministerin braucht noch einiges an Erklärung. Es ist ja noch nicht einmal klar, ob Kramp-Karrenbauer inhaltlich an den Vorschlag ihres Parteifreundes Roderich Kiesewetter anknüpfen will, der zuvor eine von EU-Truppen gesicherte Zone unter UN-Mandat ins Gespräch gebracht hatte.

Das Interview im ZDF (allerdings nur verfügbar bis 21. Oktober 2020):
https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/akk-will-loesung-fuer-nordsyrien-100.html

Das Interview in den Tagesthemen:
https://www.tagesschau.de/ausland/kramp-karrenbauer-syrien-101.html

Nachgetragen: Das Statement in der Deutschen Welle:
https://www.dw.com/de/kramp-karrenbauers-syrien-vorschlag-%C3%BCberrascht-politischen-partner/a-50923961

(Archivbild: Kramp-Karrenbauer im August 2019 in Erbil in der autonomen Kurdenregion im Nordirak – Jana Neumann/Bundeswehr)