Bundestag verlängert Anti-IS-Mandat, erneut mit eingebauter Begrenzung
Die Beteiligung der Bundeswehr an der internationalen Anti-IS-Koalition in Syrien und im Irak wird verlängert – wenn auch mit eingebauter Begrenzung: Die Aufklärungs- und Betankungsflüge der Luftwaffe sollen zum 31. März 2020 enden. Für das neue Mandat stimmten 343 Abgeordnete, 274 votierten dagegen und drei enthielten sich.
Die Verlängerung wurde möglich, nachdem sich die Koalitionsfraktionen Union und SPD auf einen Kompromiss für das weitere militärische Engagement Deutschlands im Kampf gegen ISIS verständigt hatten: Bereits das vor einem Jahr gebilligte Mandat hatte eine Begrenzung für die Tornado-Aufklärungsflüge über Syrien und dem Irak und für die Luftbetankung mit deutschen Flugzeugen bis Ende Oktober dieses Jahres vorgesehen. Vor allem der neue SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte auf der Beendigung zu diesem Datum bestanden, dann aber eingelenkt und dem neuen Enddatum März 2020 zugestimmt.
Mit dem neuen Mandat (Bundestagsdrucksache 19/13290) kann die Bundeswehr weiterhin die Luftwaffe in dieser internationalen Koalition einsetzen und zudem weiterhin irakische und kurdische Sicherheitskräfte im Irak ausbilden. Größte Veränderung zum vorangegangenen Mandat – neben der neuen zeitlichen Begrenzung für die Luftwaffe – ist die Absenkung der Personalobergrenze von 800 auf 700 Soldatinnen und Soldaten.
Offen bleibt allerdings, ob und wie der Einsatz der Bundeswehr in dieser Region für den Kampf gegen den Islamischen Staat mit möglichen neuen Aufgaben verschränkt werden könnte – wenn es zum Beispiel, wie von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer angeregt, zu einer internationalen Sicherheitszone im Norden Syriens kommen sollte. Auf das aktuelle Mandat hatte diese Diskussion keinen Einfluss.
Nachtrag: Die Übersicht über das Abstimmungsverhalten – wie schon im Jahr zuvor haben die Oppositionsfraktionen einheitlich dagegen gestimmt. Aber auch in der SPD gab es Gegenstimmen; und die drei Enthaltungen.
(Archivbild April 2018: Tornados rollen zur Startbahn in Al-Azraq/Jordanien im Rahmen der Operation Counter Daesh – Jürgen Sickmann/Bundeswehr)
„drei enthielten sich“. Rätselhaft, welche Haltung dem zugrunde liegt.
Eigentlich enden die Operationen („Einsätze“) doch wohl schon Ende Januar wenn bis zum Ende des Mandates die Infrastruktur abgebaut und zurückverlegt sein muß (ich gehe ‚mal von einem Zeitansatz von acht bis zehn Wochen aus).
Davon ab: wäre es nicht vor dem Hintergrund eines möglichen Einsatzes in Syrien sinnvoll, die Kräfte zunächst vor Ort und einsatzbereit zu lassen?
Thomas Melber: „Eigentlich enden die Operationen („Einsätze“) doch wohl schon Ende Januar wenn bis zum Ende des Mandates die Infrastruktur abgebaut und zurückverlegt sein muß (ich gehe ‚mal von einem Zeitansatz von acht bis zehn Wochen aus).“
Der Zeitansatz dürfte in etwa passen. Es wird aber keine oder nur sehr wenig Infrastruktur zurückgebaut, da diese nur geleast ist. Es geht im Wesentlichen um Rückverlegung der Luftfahrzeuge (Zeitansatz wenige Tage) und dem dazugehörigen Werkzeug, BPS, Ersatzteile, Fahrzeuge, IT usw.
Dies kann jedoch nach meiner Einschätzung durchaus auch nach Ende des Mandats geschehen. Denn mit dem 01.04.2020 dürfen nur nicht mehr die im Mandat aufgeführten Tätigkeiten durchgeführt werden (Aufklärung, Luftbetankung usw.), darunter fällt eine
Rückverlegung jedoch nicht. Dazu reicht salopp gesagt eine kurze Frage an den jordanischen König, welcher uns sicher gerne auch noch viel länger in seinem Land behalten würde.
Umso lächerlicher wirkt die „Begründung“ der SPD im Vorfeld der Verlängerung, dass man ja ach so überrascht sei, die Rückverlegung gar nicht mehr bis Ende Oktober zu schaffen, also sei man ja geradezu gezwungen, das Mandat zu verlängern. Auch die SPD hat doch Verteidigungsexperten…
Zusätzlich sorgt die kurze Verlängerung um 5 Monate des Anteils in JOR dafür, dass alle Planungen für die Rückverlegung weiterverfolgt werden und bestehende Planungsanteile an den neuen Zeitraum angepasst werden müssen (teilweise kann man nicht einfach nur ein Datum ändern, sondern es muss neu geplant werden, wobei dies regelmäßig einen riesen Rattenschwanz nach sich zieht). Immer in der Möglichkeit, dass jegliche Planungen bei einer erneuten Verlängerung obsolet werden und das Spiel von vorne beginnt.
Weiterhin halte ich es für geradezu verantwortungslos von unserer politischen Führung, das Mandat sage und schreibe 7 Tage vor dessen Ende erst zu verlängern. Diese Abstände werden von Mal zu Mal kürzer, damit werden die Soldaten reichlich im Stich gelassen, was eine verlässliche Planung angeht. Ich kann mir aus meiner Froschperspektive nicht vorstellen, dass die für die Entscheidung notwendigen Informationen, Abstimmungen, Besprechungen und Fristen nicht auch Wochen vorher möglich wären.
„Davon ab: wäre es nicht vor dem Hintergrund eines möglichen Einsatzes in Syrien sinnvoll, die Kräfte zunächst vor Ort und einsatzbereit zu lassen?“
Da stimme ich zu. Egal, wie es sich entwickelt und ob und wenn ja in welcher Form ein deutscher Beitrag zustande kommt, ist es sinnvoll, Kräfte in der Nähe zu haben. Sollte bspw. Luftaufklärung notwendig sein, wäre sogar genau diese Fähigkeit bereits vor Ort.
@S.H.
Der Gefechtsstand muß ja ebenfalls abgebaut und zurückgeführt werden:
Neuer Gefechtsstand für die Luftwaffe im Einsatz
Zudem war in der Tat das Problem beim aktuellen (letzten) Mandat, daß innerhalb des Mandatszeitraumes alle Arbeiten abzuschließen und die Soldaten zurückzuholen sind. D.h. Mandatsende: keine Soldaten mehr im Einsatz / vor Ort, auch keine Logistiker o.ä. Die Befehlsgebung für die Rückverlegung und die Buchung von Transportkapazität müßte bereits jetzt erfolgen.
[Habe den Link mal, äh, etwas komprimiert. T.W.]
@Klaus-Peter Kaikowsky sagt:24.10.2019 um 17:55 Uhr
„„drei enthielten sich“. Rätselhaft, welche Haltung dem zugrunde liegt.“
Die drei wollen eben niemanden weh tun. Die sehe ich auch nicht als erwähnenswert an. Mich überrascht die hohe Anzahl von 87 Parlamentariern, die nicht abgestimmt haben, davon alleine 42 aus der Regierungskoalition. Anscheinend gibt es Wichtigeres zu tun.
@S.H.
sehr treffend, danke, sehe ich genauso!
Ich finde den Mandatstext in Bezug auf die Einschränkung zum 31.03. ganz interessant.
Der Stab, Verbindungselemente und GefStd könnten theoretisch demnach sogar bis 31.10. in JOR bleiben und unterstützen, immerhin sitzt dort der Kopf der Operation und Rettung und Rückführung isolierten Personals, logistische, sanitätsdienstliche, MilNw und sonstige Unterstützung könnte weiter von dort erfolgen.
Text mit ORTSANGABE:
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5. Einzusetzende Fähigkeiten
Für die deutsche Beteiligung werden folgende militärische Fähigkeiten bereitge¬stellt:
Beratung und Ausbildung; IRK
Aufklärung; JOR
Führung; JOR
Führungsunterstützung; JOR/IRK
Militärisches Nachrichtenwesen; JOR/IRK
Sicherung und Schutz, ggf. Rettung und Rückführung isolierten Personals; JOR/IRK
logistische, sanitätsdienstliche und sonstige Unterstützung. JOR/IRK
…
Die deutschen Beiträge zur luftgestützten Aufklärung sowie zur Luftbetankung werden zum 31. März 2020 beendet.
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Auflage ist also nur, die TOR und A44M abzuziehen. das ist schnell gemacht. Was mit dem Rest ist, bleibt m.E. im Einzelnen zu bewerten…
@Lars Referent
Das ist interessant! Mit welchem BT-Mandat wäre denn das „Nachkommando“ vor Ort? Würde dann AVZ gezahlt werden können – es ist ja kein Einsatz mehr (wenn man nur die monetäre Seite betrachtet)?
Haben das die Parlamentarier ebenfalls so verstanden?
@Thomas M.
doch, das ist ja gerade der clou.
Sowohl der Abbau als auch die Aufgaben „Rettung und Rückführung isolierten Personals, logistische, sanitätsdienstliche, MilNw und sonstige Unterstützung“ sind aus JOR für den CBI Anteil im Irak möglich.
Einzige zeitliche Restriktion im Mandat ist, das die deutschen Beiträge zur luftgestützten Aufklärung sowie zur Luftbetankung zum 31. März 2020 beendet werden.
Alles andere ist nicht örtlich / zeitlich auf den 31.03.2020 beschränkt sondern bis Okt2020. Das BMVg könnte entscheiden, die Stabskomponente oder sonstige Ustg. für die Kr im Irak aus JOR heraus weiter zu unterstützen. Sie dürfen nur nicht mehr Aufklären und Betanken. Man könnte aber einen foodprint in theater erhalten und auch weiter in der coalition mit am Tisch sitzen.
Oder eine Basis für eine Mission in Syrien erhalten. Oder von wo aus soll die LuftUstg (Retten, Aufklärung, Log., CAS, ..) für eine Mission in Syrien kommen?
Vielen Dank für die schöne und aussagekräftige Darstellung des Abstimmverhaltens. Sicherlich auch interessant für die Truppe. Man fühlt sich doch bestimmt viel wohler so als Tornado-Pilot bei einem Aufklärungsflug in diesem Einsatz, wenn man weiß, dass etwa die Hälfte der Bundestagsmitglieder (343 Stimmen = 48,4 %) das voll mittragen was man da gerade macht und deshalb aus tiefster Überzeugung mit „ja“ gestimmt haben. Gut, – die andere Hälfte nicht, die mit „nein“ oder „nicht teilgenommen/ist mir egal“ (362 Stimmen = 51,1 %) , aber das muss einen ja nicht kümmern.
Übrigens, seit heute tagt in Genf das Verfsssungskommittee unter UN-Leitung, mit der Assad-Regierung auf Moskauer Druck, ohne die Kurden auf türkischen Druck hin.