Anti-IS-Einsatz: Union und SPD einigen sich auf (begrenzte) Mandatsverlängerung
Die Koalitionspartner Union und SPD haben sich auf eine Verlängerung des Anti-IS-Einsatzes der Bundeswehr verständigt. Am kommenden Mittwoch soll das Bundeskabinett einen entsprechenden Mandatsentwurf beschließen, der dann vom Parlament gebilligt werden soll. Kernpunkt ist die Verlängerung des Luftwaffeneinsatzes zu Aufklärung und Luftbetankung bis Ende März 2020, wie Außenminister Heiko Maas und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer in einem gemeinsamen Brief an die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag mitteilten.
In ihrem Schreiben wiesen die beiden Ressortchefs am (heutigen)Montag darauf hin, dass sich die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auch nach dem Verlust der territorialen Kontrolle in Syrien und im Irak konsolidieren und funktionierende Untergrundstrukturen ausbauen konnte. Weiterhin verfüge die Organisation über mehrere Tausend Kämpfer und aktive Unterstützer und strebe die Wiedererrichtung eines territorialen Kalifats an: IS stellt damit noch immer eine Bedrohung für die Stabilität Iraks, der Region sowie für die internationale, europäische und deutsche Sicherheit dar.
Maas und Kramp-Karrenbauer warben deshalb dafür, nicht nur die Ausbildungsmission der Bundeswehr im Irak, sondern auch die Luftaufklärung mit Tornado-Kampfjets über Syrien und dem Irak sowie die Luftbetankung von Flugzeugen anderer Nationen in der Anti-IS-Koalition fortzusetzen:
Die Bereitstellung von luftgestützter Aufklärung sowie von Luftbetankung stellt einen elementaren, missionskritischen Bestandteil der internationalen Anti-IS-Koalition dar. Ein Ersatz dieser Fähigkeiten durch eine andere Nation konnte bislang nicht sichergestellt werden. Der Mandatsentwurf sieht daher eine Verlängerung dieser Fähigkeiten bis zum 31. März 2020 vor. Für die Bundesregierung wird das Bundesministerium der Verteidigung die Bemühungen um die Ablösung dieser Fähigkeiten durch andere Nationen intensivieren.
Vor allem der letzte Satz ist ein Entgegenkommen an die Sozialdemokraten, deren komissarischer Fraktionsvorsitzender Rolf Mützenich ursprünglich eine weitere Verlängerung dieser Luftwaffenmission ausgeschlossen hatte: Nach dem derzeit gültigen Mandat hätte dieser Teil des Einsatzes zu Ende Oktober dieses Jahres abgeschlossen werden müssen. Mützenich hatte dann allerdings deutlich gemacht, dass die SPD einer begrenzten Verlängerung zustimmen könne, weil aus SPD-Sicht das Verteidigungsministerium entgegen den vorherigen Zusagen nicht die Voraussetzungen für das Ende dieser Mission geschaffen habe.
Für die Ausbildungsmission im Irak, sowohl in Taji im Zentralirak als auch in Erbil in der kurdischen Autonomieregion im Norden, ist dagegen im Schreiben des Außenministers und der Verteidigungsministerin kein besonderes Enddatum genannt. Sie verweisen lediglich auf die übliche Laufzeit des Mandats von einem Jahr, also bis zum 31. Oktober 2020.
Mit dem neuen Mandat soll zudem die Obergrenze der bislang eingesetzten Soldatinnen und Soldaten von 800 auf 700 verrringert werden. Derzeit sind in der Mission Counter Daesh insgesamt rund 480 Soldaten eingesetzt, die meisten von ihnen auf der Luftwaffenbasis Al-Azraq in Jordanien. Zur Luftbetankung soll dort der bislang hautpsächlich genutzte Airbus A310MRTT ab Ende September dauerhaft durch einen Airbus A400M als fliegende Tankstelle abgelöst werden.
In ihrem Schreiben betonen Maas und Kramp-Karrenbauer auch den Vorrang ziviler Unterstützung: Kern des Ansatzes sei das deutsche zivile Engagement in den Bereichen humanitäre Hilfe, Stabilisierung und Schaffung der Grundlagen für den Wiederaufbau. Allerdings bleibe für das Wirken der zivilen Maßnahmen … die Bekämpfung des IS mit militärischen Mitteln erforderlich und der deutsche militärische Beitrag unverzichtbar.
(Archivbild: Ein Airbus AA400M landet am 5. Juli 2019 in Al-Asraq/Jordanien beim Einsatz Counter Daesh – Robin Göttsche/Bundeswehr)
Bis wann wird dann entschieden ob die Mission über den März hinaus fortgeführt wird? Bei nur sechs Monaten müßte jetzt schon mit der Planung der Rückverlegung begonnen werden (u.a. Buchung von Luftfrachtkapazitäten). Wie sieht das mit dem Personal (SBL, u.a.) aus? Wird da auch nur bis März ausgeplant (als rhetorische Frage)?
Es ist fraglich, ob sich die kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem sogenannten „IS“ bis März 2020 erledigt haben und damit der Missionszweck entfällt, oder ob unsere Verbündeten sich bereit erklären, unsere Aufgaben ab März 2020 zu übernehmen. Alternativen technischer Art wären zu prüfen und mit den Verbündeten abzustimmen. Möglicherweise könnte so die Luftüberwachung in anderer Weise sichergestellt werden.
„Mützenich hatte dann allerdings deutlich gemacht, dass die SPD einer begrenzten Verlängerung zustimmen könne, weil aus SPD-Sicht das Verteidigungsministerium entgegen den vorherigen Zusagen nicht die Voraussetzungen für das Ende dieser Mission geschaffen habe.“
Wenn interessiert denn das? Wenn der Bundestag das Mandat nicht verlängert, endet der aktive Teil des Einsatzes und es geht ans Packen. Nach dieser dümmlichen Argumentation müsste Auslandseinsätze ja an einem Stichtag enden und die Soldaten inkl. Material zum Abend wieder in der Heimat sein.
@Thomas Melber
„Buchung von Luftfrachtkapazitäten“ bedeutet bei SALIS An-124 anzufordern und bereits bezahlte Flugstunden abzurufen. Wenn die nicht für den Abzug reichen, weiß ich auch nicht mehr.
Das kommt jetzt wenig überraschend, es war ja quasi vorangekündigt. Die Begründungen, um der SPD entgegenzukommen, halte ich mit den Begründungen „es sei kein Ersatz durch andere Nationen in Sicht“ und „das Verteidigungsministerium hätte nicht die Voraussetzungen für das Ende der Mission geschaffen“ doch an den Haaren herbeigezogen.
Diese Entscheidung wird der SPD nicht gut tun, ein weiteres Mal Rumeierei und Negierung eines zuvor festgelegten Standpunktes.
Der Termin März zeigt doch nur, dass man in Berlin keinen Plan hat. Man hangelt sich so durch. Ende März wird die Situtation nicht viel anders sein als heute.
Daesh wird die Atempause nutzen und versuchen neue Strukturen zu festigen.
@SvD
Zeitschiene Rückverlegung
Klar, das hatte ich bereits geschrieben: den aktiven Teil kann man nach Vorankündigung ggü. OIR sehr schnell einstellen und die fliegende Komponente zurückführen und die Infra dann abbauen. Die SPD ist allerdings der Ansicht, daß der Abzug komplett während der Laufzeit des Mandates abgeschlossen sein muß.
Das führt dann dazu, daß die Luftoperationen sehr wahrscheinlich früher eingestellt werden müssen.
SALIS
Keine Ahnung was gebucht wurde, allerdings brauchen wir sicher auch Kapa für andere Operationsgebiete.
Wenn ich zynisch wäre, würde ich da jetzt angesichts der vorherigen Geschichte rauslesen, dass in 6 Monaten erneut verlängert wird, falls (wenn) bis dato erneut kein anderes Land die Aufgabe übernimmt, oder?
Das SALIS Programm wird nur noch von „Antonov Airlines/UKR“ mit ihren Antonov AN-124-100 geflogen.
http://www.bundeswehr-journal.de/2019/salis-lufttransporte-nur-noch-mit-antonov-airlines/
Die SPD agiert als Wahlkämpferin zur Aktivierung und Befriedigung eigenen Wählerpotenzials folgerichtig, mehr aber nicht.
Aus staatspolitischer Sicht einer Partei in Regierungsverantwortung war schon das angesagte Ende zum Oktober unverantwortlich, der jetzige Termin Ende März ’20 kann nur mit Dilletantismus in Führungstriumvirat erklärt werden, in dem außenpolitische Kompetenz vergeblich gesucht wird.
Wenig verwunderlich wäre, sollte sich Ablösung weder für RECCE noch für Betankung ergeben, zumal diese Fähigkeiten nicht unbedingt breit gestreut sind. Als wesentlicher befürchte ich aber, dass generell der DEU Beitrag in den Augen Verbündeter Feigenblattfunktion hat und sich niemand nach vorn drängen wird.
Sollte es bis zum Jahreswechsel keine Zusagen geben, andere benötigen auch Vorbereitungszeit, bleibt der Job bei uns.
Ist ja nicht so, daß es in Syrien keine legitimen Akteure gäbe, die gewillt und fähig sind, dem IS den Garaus zu machen. Die syrische Armee scharrt schon mit den Hufen, um Idlib vom IS zu befreien, und wenn die USA (und wir als ihre Verbündeten quasi mit) nicht die Syrer und die Russen dran hindern würden, östlich des Euphrat zu operieren, wären die IS-Reste dort auch schon längst Geschichte. Einzig die Türkei könnte wegen ihrer Kurdenpolitik etwas hinderlich sein, aber sehr wahrscheinlich werden die gerade zwischen Rußland, Türkei und Iran laufenden Gespräche dort zu einer tragbaren Lösung führen.
Können wir jetzt endlich mal einen definierten, wissenschaftlich untermauerten ‚Endstate‘ festlegen?
Ich meine außer dem politischen Default ‚Erlahmen des öffentlichen/medialen Interesses‘.
Wann ist die Mission dort erfüllt, wann ist sie unrettbar gescheitert? Also: Was wollen wir dort und wann geht’s heim?
Mit einer solchen Definition müsste sich auch das Parlament nicht immer von Quartal zu Quartal durchhangeln, sondern Ziel/Auftrag und Abbruchkriterien festlegen und lediglich überwachen.
Ich hab da wohl etwas Probleme mit dem Leseverständnis:
Wird die Fähigkeit noch bis zum 31.03.2020 bereitgestellt und beginnt danach der Rückbau und Abzug?
Oder müssen bis zum 31.03.2020 Material und Personal wieder zurück in Deutschland sein?
Der Text liest sich eher wie ersteres.
Frage an die Rechtsexperten: Ist für den Rückbau überhaupt noch ein Mandat erforderlich?
@Funker:
Guter Punkt!
Für den Rückbau braucht es kein Mandat, wenn keine Verwicklung in bewaffnete Unternehmungen zu erwarten ist – s. Parlamentsbeteiligungsgesetz.
Deshalb: bzgl des Abbaus am Stationierungsort al Azraq in Jordanien nach derzeitigem Stand ein klares Nein, was eine Mandatierungspflicht angeht.
Insoweit also wohl eher ein schönes Scheinargument der SPD, um das Gesicht bei der Vereinbarung der Mandatsverlängerung mit dem Koa-Partner nicht zu verlieren?
@funker07: Ich würde mal vermuten(!), das steht nirgends aber nach 20 Verlängerungen Afghanistan würde Karlsruhe das als gelebte und einzig praktikable Praxis durchwinken. Zu Hochzeiten ISAF hätte man ja sonst jedes Mal nach der Mandatsverlängerung mit der Rückverlegung beginnen müssen.
Der ganze Anti-IS-Einsatz ist wieder eine weitere Episode aus der Fabel, Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.
@funker07
So wie ich die Position der SPD verstanden habe müssen „tear down“ und Rückverlegung innerhalb des Mandatszeitraumes erfolgen. Daß dies nicht erfolgt war wurde dem BMVg ja zum Vorwurf gemacht.
Aus meiner Sicht könnte man aber durchaus zwei Mandate erteilen: für die Operation und die Rückverlegung, z.B. Ops bis Ende März und Rückverlegung bis Ende Juni.
Allerdings müßte man sich dann tatsächlich auf ein „end of mission“ (EoM) festlegen.
Die Begründung liest sich wie das hilflose Eingeständnis, dass die Reibung vom über-den-Tisch-gezogen-werden als wohlige Bündniswärme interpretiert werden soll. „Weil kein anderer die Fähigkeiten bereitstellt, müssen wir verlängern.“ Dabei sollte es genau andersherum sein. „Weil wir nicht verlängern, muss ein anderer die Fähigkeiten bereitstellen.“ Kein Wort
Weder die Regierung gegenüber den Bündnispartnern, noch das Parlament gegenüber der Regierung kann offenbar „Nein“ sagen. Würde mich nicht wundern, wenn das Mandat mit der gleichen bräsigen Begründung auch im Jahr 2020 wieder verlängert werden „muss“, weil einfach niemand die „intensivierten Bemühungen der Bundesregierung um Ablösung“ ernst nimmt.
Glaubt jemand ernsthaft, dass nach den Luftangriffen auf Saudi Arabien, die höchstwahrscheinlich aus dem südlichen oder östlichen Irak von schiietischen Milizen gestartet wurden, das man die Luftaufklärungsfähigkeit genau an diesem Brennpunkt des Konflikts aufgeben wird ?
Die Anflugrichtung der Marschflugkörper OUD1 kam aus nordwestlichen Richtung vom Einschlagort her gesehen. Die Reichweite des OUD 1 liegt bei maximal 700 km aufgrund des verwendeten tschechischen Turbojet-Triebwerks, das ursprünglich als Hilfsantrieb für Segelflugzeuge entwickelt wurde.
Was liegt maximal 700 km in nordwestlicher Richtung vom Einschlagort ? Also Zirkel und Landkarte benutzen.
Aus meiner Sicht wird die Luftaufklärung von Al-Azraq aus nach dem 31. März 2020 fortgesetzt werden, egal mit welcher Begründung! So wie es momentan ausschaut von der deutschen Luftwaffe !
Sorry, Irrtum:
streiche: östlicher Irak
setze: westlicher Irak, syrisches Grenzgebiet