Untersuchungsausschuss Berater: Letzte Sitzung vor der Sommerpause (Update: Statement Noetzel)
Mit den bislang hochrangigsten – und interessantesten – Zeugen der geht Untersuchungsausschuss zu den umstrittenen Beraterverträgen in Verteidigungsministerium und Bundeswehr in seine letzte Sitzung vor der Sommerpause. Vor dem Gremium sind unter anderem der frühere Leiter der Planungsabteilung im Verteidigungsministerium und heutige NATO-General Erhard Bühler sowie der Berater Timo Noetzel von der Firma Accenture geladen.
Die Zeugenbefragung am (heutigen) Donnerstag dürfte sich dabei auf einen der Kernvorwürfe konzentrieren, der zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses geführt hatte: Der Abteilungsleiter Bühler hatte sich, so haben seine Mitarbeiter in der vorangegangenen Anhörung ausgesagt, bei einem Projekt von vornherein für die Beauftragung des Unternehmens Accenture ausgesprochen.
Der General und der Accenture-Mitarbeiter und ehemalige Soldat Noetzel kannten sich schon seit Jahren persönlich kannten, unter anderem aus dem gemeinsamen Kosovo-Einsatz. Zudem hatte Bühler die Patenschaft für Noetzels Kinder übernommen. Deshalb steht ein Vorwurf im Raum: Den Auftrag habe das Unternehmen vor allem wegen dieses Kenn-Verhältnisses erhalten.
Bühler wie auch seine Mitarbeiter hatten diesen Vorwurf schon mehrfach zurückgewiesen. Accenture sei deswegen der Wunschkandidat für das Vorhaben, eine Daten-Analyse im so genannten Project Lifecycle Management (PLM) für das Transportflugzeug A400M gewesen, weil die Firma in diesem Bereich bereits Erfahrung gehabt habe.
Der General hatte sich bereits bei einer Anhörung im Verteidigungsausschuss im Dezember vergangenen Jahres, noch vor der Einsetzung des Untersuchungsausschusses, entsprechend geäußert – und nicht zuletzt darauf verwiesen, dass er auch als Abteilungsleiter Planung keineswegs allein über die Vergabe des Auftrags habe entscheiden können. Deshalb wird interessant zu hören sein, wie er den Ablauf jetzt vor dem Untersuchungsausschuss schildert. Und natürlich auch die Position Noetzels, der sich – wenn ich nichts übersehen habe – bislang nicht öffentlich zu dem Thema geäußert hat.
Interessant übrigens auch ein Zwischenfazit zur bisherigen Arbeit des Ausschusses bis zur Sommerpause – mit viel Kritik: Nicht etwa aus der Opposition, sondern vom Ausschussmitglied Dennis Rohde. Der gehört der Koalitionspartei SPD an.
Update: Das Eingangsstatement von Noetzel (oder Nötzel? Die Schreibweisen von Ausschuss und seinem Unternehmen sind unterschiedlich…) gibt es hier auch zum Nachlesen (der Text wurde von Accenture zur Verfügung gestellt):
20190627_UA_Berater_Statement_Timo_Noetzel
(Archivbild: Erste öffentliche Sitzung des Untersuchungsausschusses am 21.03.2019 – Felix Zahn/photothek.net)
„Accenture sei deswegen der Wunschkandidat für das Vorhaben, eine Daten-Analyse im so genannten Project Lifecycle Management (PLM) für das Transportflugzeug A400M gewesen, weil die Firma in diesem Bereich bereits Erfahrung gehabt habe.“
Wenn die Firma auch vorher mit ähnlichen Projekten beauftragt war, wäre eine vereinfachte Weiterführung prinzipiell möglich? Ich finde zwar, der Vorgang hat ein Geschmäckle, gerade für einen neuen Viersterner.
Andererseits: Angenommen, dem BMVg fällt auf dass es sinnvoll sein könnte, 50 KPz neu zu beschaffen. Kann man da direkt an KMW herantreten, wegen bisheriger guter Erfahrungen mit dem Leo, oder müsste man ergebnisoffen ein Projekt ausschreiben, für das sich auch nicht Hersteller von Leclerc, Abrams etc. bewerben könnten?
„Accenture sei deswegen der Wunschkandidat für das Vorhaben, eine Daten-Analyse im so genannten Project Lifecycle Management (PLM) für das Transportflugzeug A400M gewesen, weil die Firma in diesem Bereich bereits Erfahrung gehabt habe.“
Vielleicht ist das ja das „System BMVg“. Die Elsfleth Werft hatte auch bereits viel Erfahrung mit der Instandsetzung der Gorch Fock gesammelt bevor der jetzige Instandsetzungsauftrag an sie vergeben wurde :-))
@ Hans und Pete, ich möchte zur Information folgendes sagen:
Eine Nachbeschaffung kann bei sauberer Begründung auch bei der gleichen Firma erfolgen, siehe K130. Aber aufmerksame Leser hier haben ja mitbekommen, dass diese Begründung im Falle der K130 nicht sehr einfach war. Bei einer Nachbeschaffung der K130 oder Ihrem Beispiel Panzer XY handelt es sich um Rü-Invest Geld aus dem Kapitel 1405
Die Vergabe eines Vertrages für das PLM an Accenture und der augenscheinliche Ablauf, dass im BMVg Interesse daran Bestand genau dieses eine Unternehmen zu beauftragen ist nicht mit dem bestehenden Instandsetzungs-Rahmenvertrag (Werk) – IRV ( Werk) – zur Instandsetzung der Gorch Fock bei der Elsflether Werft zu vergleichen. Ein Einzelauftrag für die Instandsetzung wird auf der Basis eines Rahmenvertrag geschlossen. Rahmenverträge werden in der Regel alle paar Jahre neu ausgeschrieben und verhandelt, inkl. Stundensätze, Materiallisten usw. Bei einer Instandsetzung handelt es sich um MatErhalt, Kapitel1406
Einhergehend mit den unterschiedlichen Kapiteln gibt es unterschiedliche Verfahrensweisen.
Der Aufbau des Verteidigungshaushalt mit der Trennung MatErhalt und RüInvest ist hier gut ersichtlich
https://www.bundeshaushalt.de/#/2019/soll/ausgaben/einzelplan/14.html
Nach dem Lesen des Statements von Herrn Noetzel würde ich den General Disziplinarrechtlich belangen, Frau Suder sofern noch möglich ebenso und die Ministerin würde ich auch zur Aufgabe des Amtes „anregen“.
Korruption muß es in diesem Fall noch gar nicht mal gewesen sein, aber alleine der Anschein das es möglicherweise zu Interessenkonflikten kommen könnte bei der Auftragsvergabe wäre schon Anlass genug das man sich selber hinterfragen sollte ob man in dem Vergabeprozeß eingebunden sein sollte. Das ganze dann noch in der Akte vermerken und gut ist. So einfach wäre es gewesen, stattdessen versuchen sich jetzt die Beteiligten zu rechtfertigen und rauszuwinden, was in meinen Augen auch noch die Frage aufwirft, kennen diese Leute überhaupt Schlagwörter wie Moral, Anstand, Verantwortung?
@Grashüpfer
„Ein Einzelauftrag für die Instandsetzung wird auf der Basis eines Rahmenvertrag geschlossen.“
– Vielen Dank für die Klarstellung
– Nachfrage: Bedeutet das, dass es keine Auschreibung für die Instandsetzung der Gorch Fock gegeben hat? Habe ich das richtig verstanden?
@Davidoffsmoker sagt: 27.06.2019 um 17:18 Uhr
„Nach dem Lesen des Statements von Herrn Noetzel würde ich den General Disziplinarrechtlich belangen, Frau Suder sofern noch möglich ebenso und die Ministerin würde ich auch zur Aufgabe des Amtes „anregen“.“
Sorry, aber nach dem lesen des Statements kann ich Ihre Aussage noch nicht einmal ansatzweise nachvollziehen.
Im Statement sind keinerlei Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen der beiden zu erkennen.
Ob das Statement die Realität abbildet ist natürlich eine andere Frage, aber das war ja nicht Ihre Aussage!
@Pete/Grashüpfer: Nein, nix Rahmenvertrag. Die GF2 wurde ausgeschrieben. Wie alle anderen Instandsetzungen auch (minus die Uboote, die immer beim Hersteller landen).
@ Pete, das kann ich nicht sagen. Was ich beschrieben habe ist das Regelverfahren bei Instandsetzungen. Es kann für ein Schiff/sonstiges Material auch mehrere mögliche Werften/Firmen mit einem entsprechenden Rahmenvertrag geben. Ein Rahmenvertrag oder Rahmenvereinbarung ist nur eine Absichtserklärung, einen möglichen Einzelauftrag zu schließen.
Es tut mir leid – ich bin auch Unternehmensberater und muss mich oft ob der Serioesitaet unseres Geschaeftes rechtfertigen (soll ja da das ein oder andere Vorurteil gegen Berater im Allgemeinen und Strategieberater im Besonderen geben) … aber die Selbstdarstellung von Herrn Noetzel in seinem Statement ist grotesk.
– Er nutzt allen Ernstes einen Untersuchungsausschuss, um eine Lobeshymne auf seine Firma zu singen. Stichwort „Weltmarktführer für digitale Transformation“. Und das als ersten Punkt seiner Einlassung.
– Die gesamte Einlassung zu „Beauftragung und Vertragsgestaltung“ strozt vor Naivitaet, die ich einer Person seiner Stellung nicht abnehme – gerade wenn er hauptverantwortlich fuer einen „oeffentlichen“ Kunden ist – da sollte man schon mal etwas von den Regeln zur Vergabe oeffentlicher Auftraege, Konformitaet (Compliance) des Vergabeverfahrens und Anforderungen eines ordentlichen Beschaffungsprozesses gehoert haben.
– „Uns ging es – wie allen Beteiligten – zunächst darum, schnellstmöglich mit den dringend erforderlichen Arbeiten zu beginnen. Hierbei haben wir auch darauf vertraut, dass ein Kunde wie die Bundeswehr unstreitig erbrachte und benötigte Leistungen bezahlen wird.“ – Siehe oben, dazu nur eine alte „Einkaeufer-Weisheit“: Kein Auftrag, keine Verguetung. Eines der Grundprinzipien im Einkauf, mit dem man unternehmensintern verhindern will, dass jemand Leistungen bezieht, der den Beschaffungsprozess nicht einhaelt und ggf. die Budgetverantwortlichen umgeht.
– Und auch mit der Einlassung zum Ende des Statemens: „An der Qualifikation von Accenture, dem weltweiten Marktführer in diesem Bereich, kann es aus meiner Sicht keinen Zweifel geben.“ vollkommen an der Sache vorbei argumentiert – es geht nicht um die Frage, ob die Firma grundsaetzlich qualifiziert ist oder nicht. Es geht darum, ob der Beschaffungs- / Vergabeprozess sauber war.
Ich hoffe die Abgeordneten haben diese offensichtliche Selbstdarstellung entsprechend gewuerdigt und argumentativ in seine Einzelteile zerlegt.
@Grashüpfer: mit Verlaub, aber das ist Quatsch. Es gibt keine Rahmenverträge in der Marineinstandsetzung (wie gesagt, abzüglich der Uboote).
Alles klar, danke für die Info!
Für das Verhältnis Bühler – Noe(ö)tzel gilt die Binsenweisheit dass nicht alles was juristisch legal igleichzeitig politisch bzw. sozial legitim ist.
Darüber hinaus ist mir schleierhaft wie jemand (General Bühler) mit so offensichtlichem Mangel an politischen Fingerspitzengefühl Abteilungsleiter im Ministerium werden kann. I.d.R. waren die zuvor Referent und Referatsleiter in dem Laden und sollten gelernt haben, dass in der dünnen ministerislen Höhenluft man sich besser nicht dem Verdacht der Kumpanei aussetzt.
Ehrlich, ich sehe das Problem nicht… gerade Bereich der strategischen Beratung ist ein enges Vertrauensverhältnis unabdingbar.
Und wenn Gen Bühler bei Mängeln die Berater in den Senkel gestellt hat, zeigt das nur umso mehr, dass er dienstliches von menschlichem Miteinander trennen konnte.
Das sind doch alles Nebelkerzen :(
Die einzig wirklich relevante Frage ist, ob gegen das Vergaberecht verstoßen wurde und wenn ja wer dafür verantwortlich ist.
Und für beides dürfte Gen Bühler in seiner damaligen Dienststellung als AL Planung nicht in Frage kommen.
Und für diejenigen, die hier über das Eigenlob von Accenture herziehen: auch wenn es im Privatleben sicherlich etwas unfein ist, sich selbst zu loben, so kann Nötzel im beruflichen glaube ich solche gesellschaftliche Zurückhaltung zu Recht fallen lassen. Accenture ist weltweit (!) im Bereich IT-Beratung sicherlich in der engeren/engsten Spitzenklasse.
Moin, vlt zur Erinnerung, welchen Auftrag der Untersuchungsausschuss hat: „Sein Auftrag ist es, den Umgang mit externer Beratung und Unterstützung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung aufzuklären. “ (Quelle: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a12_Verteidigung/a12_Untersuchungsausschuss ). Der UA hat sich nicht primär zur Aufgabe gemacht, strafrechtlich relevant zu ermitteln. Darum kümmert sich bereits eine Staatsanwaltschaft. Darum auch andere Fragen als im Gerichtssaal, darum ggf auch Fragen , die ein Staatsanwalt oder Richter in einem rechtsstaatlichen Verfahren zur Untersuchung von möglichen Verstößen gegen das Vergaberecht nicht stellen würde, weil in der Sache nicht relevant. Egal , mit welchem Ergebnis der UA auseinander geht, Wirkung im Ziel wurde bereits erreicht.
@Koffer
Ich persönlich würde da schon durchaus Disziplinarisch tätig werden, alleine der oberste Grundsatz von unparteiischer Amtsführung ist doch hier offensichtlich verletzt worden, deswegen hab ich ja auch geschrieben das Suder und Bühler einfach aktenkundig hätten machen sollen das sie mit dem Verfahren nix am Hut haben weil sie den Hauptansprechpartner privat kennen. Stattdessen haben sie sich ja aber erst recht eingemischt. Was an Absurdität schon fast nicht mehr zu übertreffen ist.
Und wie @Mariner schon festgestellt hat diese zur Schau getragene Naivität ist doch in der heutigen Zeit schon sehr fragwürdig. Erinnert mich an die Zeiten vor der Umgestaltung des Vergaberechts wo man die Aufträge halt an Leute vergeben hat die man kennt.
@Davidoffsmoker sagt: 28.06.2019 um 9:55 Uhr
„Ich persönlich würde da schon durchaus Disziplinarisch tätig werden, alleine der oberste Grundsatz von unparteiischer Amtsführung ist doch hier offensichtlich verletzt worden“
Dienstvergehen liegen nur vor, wenn gegen konkrete Dienstpflichten verstoßen wurde.
„Es sieht nicht gut aus auch wenn kein konkretes Fehlverhalten vorzuwerfen ist“, ist kein Dienstvergehen.
@Koffer
Ich halte fest, unsere Ansichten zum Beamtenrecht weichen doch sehr von einander ab.
Das es ein Vergabeverstoß war, ist mittlerweile klar. Das MÜSSEN Noetzel/Suder gewußt haben. Ein Rahmenvertrag für IBM-Softwarepflege ist nicht passend – Subunternehmer müssen vorher benannt werden.
Nur General Bühler glaubt immernoch, dass Beauftragung und Vertragsgestaltung völlig korrekt war. Das Konzept wurde von Accenture vorgeschlagen – vom BAAINBw sollte es geprüft, ob der Rahmenvertrag Anwendung finden kann – so einfach geht das. Vielleicht wird man deshalb so sauer, weil er diesen jungen, intelligenten, dynamischen Menschen mehr glaubt, als seinen Kameraden? Die eigenen Kameraden nicht fragen und dann einfach unter Druck setzen.
Herr Noetzel von Accenture (studierte Verwaltungs/Politikwissenschafter) hebt sich in seinem Statement in die Sphäre der IT-Experten empor – obwohl er keinerlei Zeit in der IT verbracht hat. Laut Stern-Recherche wurde er sogar einmal als „Software-Architekt“ abgerechnet. Ein Profil für einen studierten Informatiker mit 10 Jahren Software-Entwicklung und 5 Jahren Projektmanagement-Erfahrung.
Kann man auf die Aussage von Frau Suder (als ehemalige Beamtin) gespannt sein.
@Facepalm sagt: 30.06.2019 um 15:56 Uhr
„Das es ein Vergabeverstoß war, ist mittlerweile klar.“
Ist das so?
Und zusätzlich ist es auch klar, dass es zum Zeitpunkt der Vergabe klar war?
Und ist aus dem Vergabeverstoß (so es denn einer war) der Bundesrepublik auch tatsächlich ein Schaden entstanden?
Ich denke nicht, dass es so einfach ist…
@Koffer: Es kommt nicht darauf an, ob der Bundesrepublik aus einem Vergabeverstoß ein tatsächlicher Schaden entstanden ist. Der Schaden entsteht immer im Bereich der Wettbewerbskontrolle und der Rechtsbindung der Verwaltung. Ein Schaden entsteht auch allen potenziellen Mitbietern auf den Auftrag, dessen Vergabe unter Außerkraftsetzung des Vergaberechts erfolgt, und die auf die Einhaltung der Vergabevorschriften durch die Verwaltung vertrauen dürfen.
Die Ausrede „rechtswidrig, aber dafür billiger“ fliegt auch in der Rüstungsvergabe grundsätzlich nicht.
@Metallkopf sagt: 01.07.2019 um 9:33 Uhr
„Die Ausrede „rechtswidrig, aber dafür billiger“ fliegt auch in der Rüstungsvergabe grundsätzlich nicht.“
Zunächst einmal wäre es keine Ausrede, sondern eine Begründung ;)
Unabhängig davon ist es aber für das politische (!) Instrument des Untersuchungsausschusses natürlich sehr wohl ein Unterschied.
Der Untersuchungsausschuss ist weder für die disziplinarrechtliche noch eine mögliche strafrechtliche Würdigung zuständig. Er ist ein politisches Kontrollmittel der Legislative ggü. der Regierung. Und hier macht es natürlich deutliche Unterschiede ob der Bundesrepublik ein finanzieller Schaden entstanden ist.