Merkposten: Rüstungsexporte und absehbarer Ärger innen und außen

Die Haltung und vor allem die innenpolitische Debatte zu Rüstungsexporten, das ist kein Geheimnis, unterscheidet sich in Deutschland von Haltung und Debatte (so überhaupt vorhanden) in den wichtigen europäischen Partnerländern. Es ist deshalb absehbar, dass es sowohl mit Großbritannien als auch vor allem mit Frankreich Ärger bei bereits bestehenden wie auch bei künftigen gemeinsamen Rüstungsprojekten geben wird: Beide Länder exportieren auch dorthin, wohin Deutschland nicht exportieren will.

Im Falle Großbritanniens hatte sich der Ärger schon seit dem vergangenen Herbst abgezeichnet – die Briten wollen weitere Eurofighter-Kampfjets an Saudi-Arabien liefern, ein Land, das aus deutscher Sicht wegen des Jemen-Krieges als Empfängerland nicht infrage kommt. Deshalb gibt es für die deutschen Bauteile, ohne die kein Eurofighter abhebt, keine Exportgenehmigung. Das blockiere nicht nur diese Lieferung, sondern auch andere Vorhaben bis hin zu deutsch-franzöischen Gemeinschaftsprojekten, warnte der Chef von Airbus Defence&Space, Dirk Hoke, am vergangenen Wochenende.

Doch was die deutsch-französischen Projekte angeht, soll es einen Ausweg geben. Eine geheime Zusatzvereinbarung zum Aachener Vertrag beider Länder, so berichtete der Spiegel am Wochenende (Story hinter Paywall), ermögliche Frankreich einen weitgehenden Spielraum bei solchen Rüstungsexporten: Keine Seite werde den Export gemeinsam produzierter Rüstungsgüter blockieren, es sei denn in Ausnahmefällen wenn ihre direkten Interessen oder nationale Sicherheit gefährdet sind.

Das ist innenpolitisch eine heikle Geschichte – nicht nur aus Sicht von Oppositionsparteien wie der Linken und der Grünen, sondern ebenso mit dem Koalitionspartner SPD. Regierungssprecher Steffen Seibert war denn auch am (heutigen) Montag bemüht, den Stellenwert der Vereinbarung herunterzuspielen – dementieren wollte er sie nicht: es gebe eine erste politische Verständigung über gemeinsame Verfahren zu Rüstungsexporten im Kontext von deutsch-französischen Gemeinschaftsprojekten oder Zulieferungen. Die förmliche Vereinbarung stehe aber noch aus.

Der Streit in Deutschland, und vielleicht auch mit den beiden Partnern Frankreich und Großbritannien, dürfte also erst noch kommen.

Zur Dokumentation die Fragen und Antworten in der Bundespressekonferenz dazu; neben Seibert für das Bundeswirtschaftsministerium Philipp Jornitz:

Frage: Ich habe noch eine Frage zum Exportverbot für Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien: Die Firma Würth hat Widerspruch beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gegen die Aussetzung einer Ausfuhrgenehmigung eingelegt. Kann das Wirtschaftsministerium sagen, wie es dazu steht?

Jornitz: Das kann ich leider nicht; das ist mir erstens nicht bekannt, und zweitens wissen Sie ja, dass wir uns zu einzelnen Verfahren zu Genehmigungen beziehungsweise eventuellen Aufhebungen auch nicht äußern.

Frage: An Herrn Seibert und Herrn Jornitz: Die Kanzlerin hat ja in ihrer Rede auch gesagt, dass sie die Problematik sieht, dass man in diesem Bereich etwas machen muss, wenn man gemeinsame Rüstungsprojekte mit Frankreich entwickeln möchte. Können Sie uns vielleicht einen Zeitplan nennen, bis wann das geschehen sein soll? Dazu gibt es dann ja auch Gespräche mit dem Koalitionspartner.

Es steht auch noch die Antwort aus, wie der Wirtschaftsminister eigentlich zu diesen Themen steht. Die Verteidigungsministerin hat sich geäußert. Vielleicht können Sie uns sagen, ob er auch dafür ist, dass sich Deutschland bei künftigen Projekten – das ist ja wohl die deutsch-französische Absprache dann auch an französische Ausfuhrnormen hält?

StS Seibert: Ihre Frage gibt mir die Gelegenheit, noch einmal Presseberichte vom Wochenende aufzunehmen, in denen die Rede war von einem „Geheimpakt“ zum Vertrag von Aachen oder einem Zusatzabkommen zum Vertrag von Aachen. Richtig ist, dass Deutschland und Frankreich zu Fragen des Rüstungsexports miteinander im Gespräch sind und dass es im Ergebnis dieser Gespräche auch eine erste politische Verständigung über gemeinsame Verfahren zu Rüstungsexporten im Kontext von deutsch-französischen Gemeinschaftsprojekten oder Zulieferungen gegeben hat. Diese politische Verständigung ist in einem Papier fixiert, das Mitte Januar zwischen den Regierungen ausgetauscht wurde. Auf Basis dieses Papiers werden nun die Gespräche weitergeführt, mit dem Ziel, daraus eine förmliche Vereinbarung zu machen.

Ich kann Ihnen leider keinen genauen Zeitplan nennen, wie Sie es gerne von mir hätten, aber das zunächst einmal zur Einordnung dessen, was da ist. Es ist ja auch richtig und notwendig, dass wir diese Gespräche führen, dass wir ein Papier haben und dass wir in Richtung einer förmlichen Vereinbarung gehen; denn 2017 haben sich Deutschland und Frankreich auf die gemeinsame Entwicklung militärischer Fähigkeiten geeinigt und haben konkret beschlossen, beim Bau eines gemeinsamen Nachfolgers der heutigen Kampfpanzer bei Artilleriesystemen zusammenzuarbeiten und gemeinsam ein künftiges Kampfflugzeug zu entwickeln. Wenn man das tut, dann liegt es auf der Hand, dass solche Entwicklungsprojekte nur dann sinnvoll angegangen werden können, wenn man zugleich eine gemeinsame Linie zur Frage des möglichen Exports erarbeitet. Das fordert von allen Seiten, auch von uns, Kompromisse. Aber wer eben – was wir ja eigentlich alle tun – der Verstärkung der europäischen Zusammenarbeit in der Verteidigung, im Verteidigungsbereich das Wort redet, der muss auch akzeptieren, dass man dann mit den Partnern gemeinsame Lösungen entwickeln muss – auch im Bereich des Rüstungsexports.

Jornitz: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, beabsichtigt die Bundesregierung, das Arbeitspapier, das Sie gerade angedeutet haben, zu veröffentlichen? Diese Forderung kommt ja aus den Reihen der Opposition.

Lernfrage an Herrn Jornitz: Hätten solche Widersprüche gegen Rüstungsexportverbote, wenn es sie gäbe, aufschiebende Wirkung oder nicht?

StS Seibert: Ich kann Ihnen zu einer Veröffentlichung jetzt nichts sagen. Ich kann Ihnen nur sagen: Es ist ein Papier, auf dessen Basis wir dann eine förmliche Vereinbarung herzustellen versuchen. In dieser Phase sind wir.

Zusatz: Das schließt aber eine Veröffentlichung nicht aus.

StS Seibert: Die ich Ihnen aber jetzt nicht ankündigen kann.

Jornitz: Die Frage, wie zukünftige Ausgestaltungen sich entwickeln werden, kann ich hier jetzt natürlich nicht beantworten.

Zusatzfrage: Nein, darauf zielt meine Frage nicht ab. Es ging um die Frage des Widerspruchs – Sie sagten, davon wüssten Sie nichts, und im Zweifelsfall nähmen Sie nicht zu einzelnen Unternehmen Stellung. Es ging um die grundsätzliche Frage: Hätte ein solcher Widerspruch eines betroffenen Unternehmens aufschiebende Wirkung, würde er also den Exportstopp, den die Regierung ja verfügt hat, aufheben?

Jornitz: Das kann ich Ihnen derzeit nicht beantworten.

Zusatzfrage: Können Sie es nachliefern?

Jornitz: Das müsste man nachgucken, ja.

Frage: Herr Seibert, zum Inhalt der Vereinbarung: Ist es richtig, dass diese deutsch-französische Vereinbarung auf künftige Projekte zielt, dass also bisherige Gemeinschaftsprojekte – die es ja schon gibt – davon nicht betroffen sind?

Zweitens: Frankreich hatte zu Saudi-Arabien ja eigentlich eine diametral andere Haltung als die Bundesregierung. Wird es auch einen Passus oder eine deutsch-französische Verständigung geben, wie man mit diesen Altfällen umgehen soll?

StS Seibert: Ich bitte um Verständnis, dass ich über diese Vereinbarung, die ja noch in Erarbeitung ist – die Gespräche werden ja noch geführt – hier nicht mehr sagen kann. Was ich gesagt habe, steht aber, nämlich dass, um zu einer solchen Vereinbarung zu kommen, alle Seiten auch eine gewisse Kompromissbereitschaft zeigen müssen.

(Foto: von der Leyen und ihre französische Kollegin Florence Parly am 26. April 2018 auf der ILA – Bundeswehr/Sönke Dwenger)