Stopp von Waffenexporten an die Saudis: Peene-Werft kündigt Kurzarbeit an

Der von der Bundesregierung angekündigte Stopp von Rüstungsexporten an Saudi-Arabien wirkt sich in Deutschland aus: Nachdem auch bereits genehmigte deutsche Lieferungen nach dem Tod des saudischen Journalisten Jamal Kashoggi in einem Konsulat des Landes offensichtlich vorerst nicht ausgeführt werden dürfen, kündigte der Schiffbauer Lürssen für seine Peene-Werft in Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern einen Produktionsstopp und Kurzarbeit an. Auf der Werft werden Patrouillenboote für das arabische Land gebaut. Unterdessen vereinbarten Saudi-Arabien und Spanien ein Joint Venture zum Bau von Korvetten für die saudische Marine.

Der regimekritische Journalist Kashoggi war nach den bisherigen Informationen im saudischen Konsulat in Istanbul von Regierungsbediensteten getötet worden. Die genauen Umstände und vor allem die Verantwortung für diese Tat sind noch unklar. So lange der Fall nicht geklärt sei, werde es keine Rüstungsexporte an Saudi-Arabien geben, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt. Das bezieht sich offensichtlich auch auf die genehmigten, aber noch ausstehenden Lieferungen von zwei Patrouillenbooten und vier Artillerieortungsradaren (Counter-Battery Radar, COBRA), an die saudischen Streitkräfte.

Aus der Mitteilung von Lürssen am (heutigen) Donnerstag:

Vor dem Hintergrund der politischen Unsicherheit hinsichtlich der Ausfuhr weiterer Boote für die saudi-arabische Küstenwache stoppt die Peene-Werft die Serienproduktion mit sofortiger Wirkung auf und wird Teile der Belegschaft in die Kurzarbeit versetzen müssen. Die unternehmerische Entscheidung ist Bestandteil eines Maßnahmenpaketes zur Schadensminimierung am Wolgaster Werft-Standort.
„Die Fertigung der Küstenwachboote aufzustoppen und als dessen unmittelbare Folge Kurzarbeit anmelden zu müssen, ist ein schwerer Schlag für uns“, sagte Harald Jaekel, Technischer Geschäftsführer der Peene-Werft, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Donnerstag im Rahmen einer außerordentlichen Mitarbeiterversammlung. Die Entscheidung sei angesichts der hohen und fortwährenden Unsicherheit hinsichtlich der Exportgenehmigung weiterer Boote und der damit nicht planbaren Auslastungssituation unausweichlich. Inwiefern die Aufstoppung wieder ausgesetzt und die Produktion fortgesetzt wird, sei derzeit nicht absehbar. „Selbstverständlich respektieren wir jede politische Entscheidung über die Ausfuhr der Patrouillenboote“, führte Jaekel aus. Die Produktion ohne Exportgenehmigung fortzuführen, führe allerdings zu einer enormen Planungsunsicherheit und damit zu einem sich ständig erhöhenden kaufmännischen Risiko für die Peene-Werft. Auch weitere geplante Neubauaufträge, darunter der Bau der Hinterschiffe der neuen Korvettenklasse K130, werden das zu erwartende Auslastungstief bei Weitem nicht kompensieren.
Von der Kurzarbeit betroffen sind große Teile der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Neubauabteilungen. „Wir befinden uns derzeit in Gesprächen mit der lokalen Agentur für Arbeit und in Abstimmung mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft“, sagte Ferdinand Mülhens, Kaufmännischer Geschäftsführer. Wie viele Peene-Werker genau von der Kurzarbeit betroffen sind, wird gerade ermittelt. „Wir werden mit jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter persönliche Gespräche führen und versuchen, individuelle Lösungen zu finden.“ Von den Maßnahmen informiert wurden auch alle mit dem Projekt beschäftigten Unterauftragnehmer und Lieferanten.
Der Auftrag zum Bau der Küstenwachboote wurde bereits vor über fünf Jahren durch das saudi- arabische Innenministerium an die Lürssen-Gruppe erteilt. Die Fertigung auf der Peene-Werft erfolgte ab 2016. Die Küstenwachboote übernehmen polizeihoheitliche Aufgaben und sind nicht für Kriegseinsätze konzipiert. Dies sind beispielsweise der Schutz sensibler Offshore-Anlagen, die Verhinderung von Schmuggel, die Eindämmung der Piraterie sowie die Seenotrettung.

Trotz der von Lürssen genannten beschränkten Einsatzbereiche der Boote gibt es Hinweise darauf, dass bereits gelieferte Patrouillenboote von Saudi-Arabien für eine Seeblockade Jemens eingesetzt wurden. Die Werft verwies zwar wiederholt darauf, dass die aus Aluminium gefertigten Boote nicht für einen militärischen Einsatz geeignet seien; Kritiker halten dem entgegen, dass sie dennoch mit ihrer Bewaffnung ausreichten, um zum Beispiel unbewaffnete Hilfstransporte der Vereinten Nationen zu stoppen.

Die Bundesregierung hatte sich zwar im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD darauf festgelegt, an die Nationen, die am Jemen-Krieg beteiligt sind, keine Rüstungsgüter zu liefern. Die Formulierung war allerdings in der endgültigen Fassung durch eine Vertrauensschutzklausel ergänzt worden, nach der bereits genehmigte Lieferungen auch erfolgen dürften. Für die zusätzliche Klausel hatte sich unter anderem die SPD in Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt, die dort die Regierungschefin stellt – im Hinblick auf die Peene-Werft. Nach dem Tod Kashoggis wurden allerdings auch diese Lieferungen vorerst ausgesetzt.

Damit bekommt das Thema Rüstungsexporte für Saudi-Arabien eine ganz konkrete innenpolitische Dimension. Die Debatte dürfte auch weiter dadurch angeheizt werden, dass andere EU-Länder vollkommen gegensätzlich verfahren. Am (gestrigen) Mittwoch wurde bekannt, dass ein saudisches Unternehmen gemeinsam mit einer spanischen Werft ein Joint Venture zum Bau von Korvetten gegründet hat. Es war der erste internationale Vertrag über einen Rüstungsexport, den die Saudis nach dem Tod Kashoggis abschlossen, wie Reuters berichtet:

Saudi Arabian Military Industries (SAMI) tweeted on Wednesday that it has signed an agreement with Spanish shipbuilder Navantia to jointly manufacture five corvettes for the Saudi navy.
The deal, announced earlier this year, is the first military contract signed by the kingdom with a foreign country since the murder of journalist Jamal Khashoggi, which caused a global outcry.
The signing ceremony was held on Tuesday in Riyadh, said the state-run Saudi Press Agency, which carried photographs of the event.

Bereits in den vergangenen Monaten hatte es in Spanien innenpolitischen Streit über Waffenlieferungen an Saudi-Arabien gegeben. So hatte die Regierung in Madrid zunächst die bereits vereinbarte Lieferung von Präzisionsbomben gestoppt, diese Entscheidung aber dann zurückgenommen. Die Bombenlieferung wurde als Zugeständnis verstanden, damit das geplante Geschäft zum Bau der Korvetten nicht gefährdet würde.

(Foto: Lürssen CSB 40 – Lürssen Werft)