Bundesregierung genehmigt Rüstungslieferungen an Saudis (Nachtrag: SPD-Protest)

Trotz der Festlegung im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD, keine Waffen an unmittelbar am Krieg im Jemen beteiligte Länder zu liefern, hat die Bundesregierung die Lieferung von Rüstungsgütern an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate gebilligt. Saudi-Arabien erhält Artillerieortungsradare vom Typ COBRA (Foto oben), die Vereinigten Arabischen Emirate Teile für Flugabwehrsysteme. Das geht aus einem Schreiben von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier vom 19. September an den Wirtschaftsausschuss des Bundestages hervor, das Augen geradeaus! vorliegt.

In dem Schreiben, über das zuvor das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet hatte, informiert Altmaier die Abgeordneten wie üblich über abschließende Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates und des Vorbereitenden Ausschusses. Laut der beigefügten Liste erhält ein weiteres, möglicherweise am Jemen-Krieg beteiligtes Land ebenfalls neue Waffensysteme: Die Firma Diehl liefert sieben Luftverteidigungssysteme des Typs Iris-T SLM an Ägypten.

Unklar bleibt, ob diese genehmigten Lieferungen aufgrund der Ausnahmeklausel in den Formulierungen des Koalitionsvertrages erfolgen:

Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. Firmen erhalten Vertrauensschutz, sofern sie nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben. Wir wollen diese restriktive Exportpolitik mit Blick auf den Jemen auch mit unseren Partnern im Bereich der europäischen Gemeinschaftsprojekte verabreden.

Das für Saudi-Arabien genehmigte Artillerieortungsradar COBRA (Counter Battery Radar), wie es auch bei der Bundeswehr eingeführt ist, ist eine Entwicklung mehrerer Firmen aus verschiedenen Ländern. Die Bundeswehr-Beschreibung des Systems:

Die genaue und schnelle Verfolgung der Geschosse mittels der aktiven phasengesteuerten Antenne versetzt das System in die Lage, in zwei Minuten bis zu 40 gegnerische Artilleriefeuerstellungen in bis zu 40 Kilometern Entfernung aufzuklären. Das Radar kann Haubitzen, Mörser und Raketenartillerie orten und ist auch im Feldlagerschutz einsetzbar.

Dazu gibt’s auch ein Video:

International vermarktet und geliefert wird das Radar von der EURO-Art International EWIV GmbH, einer Tochterfirma von Airbus (früher EADS) und der französischen Firma Thales:

COBRA is managed by EURO-ART . Euro-Art, formed in 1989, is a management company based in Munich for receiving orders in the field of Advanced Radar Technologies. The shareholders of the company being EADS Deutschland GmbH, Munich, Germany, Thales Air Systems S.A., Rungis, France, Thales UK Ltd. Crawley, United Kingdom, Lockheed Martin Corp., Moorestown, USA.
Euro-Art International EWIV was formed in 2007 as an European Economic Interest Group based in Munich responsible of the marketing and sales of COBRA Systems to customers worldwide (except OCCAR). The Euro-Art International members are EADS Deutschland GmbH, Munich, Germany, and Thales Air Systems S.A., Rungis, France.

Die Gesamtübersicht über die genehmigten Rüstungslieferungen, auch an etliche weitere Länder (Hinweis: Das Schreiben ist nicht eingestuft):

Das Finanzvolumen der meisten Exporte, darauf deutet das * hin, wurde vom Wirtschaftsministerium nicht bekanntgegeben: Die Bundesregierung sieht von Angaben zum Auftragsvolumen dann ab, wenn diese in Kombination mit Angaben zu Stückzahlen Rückschlüsse auf den Einzelpreis bestimmter Rüstungsgüter zuließen.

Ergänzend zum Thema Saudi-Arabien ein Blick in die USA: Außenminister Mike Pompeo setzt sich trotz vehementer Bedenken im eigenen Ministerium und im US-Kongress für Waffenlieferungen an Saudi-Arabien in Milliardenhöhe ein, wie das Wall Street Journal berichtet:

Secretary of State Mike Pompeo backed continued U.S. military support for Saudi Arabia’s war in Yemen over the objections of staff members after being warned that a cutoff could jeopardize $2 billion in weapons sales to America’s Gulf allies, according to a classified memo and people familiar with the decision.
The move has fueled rising outrage in Congress, where a bipartisan group of lawmakers is trying to cut off American military aid for Saudi Arabia and the United Arab Emirates in their three-year-old war against Iran-backed fighters in Yemen. (…)
Mr. Pompeo overruled concerns from most of the State Department specialists involved in the debate who were worried about the rising civilian death toll in Yemen.

Nachtrag 27. September: Der SPD-Verteidigungspolitiker Thomas Hitschler hat in einem Schreiben an das Wirtschaftsministerium Protest gegen die Entscheidung des Bundessicherheitsrats angemeldet. Zur Dokumentation die Pressemitteilung Hitschlers im Wortlaut:

Der Bundestagsabgeordnete Thomas Hitschler (SPD) hat sich wegen den jüngsten Genehmigungen für Rüstungsexporte in einem Schreiben an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gewendet. Darin kritisiert Hitschler, die Genehmigungsentscheidung für „besorgniserregende Rüstungsgüter“. Konkret geht es um Rüstungsexporte nach Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, über die der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) das Parlament zuvor informiert hatte. Die Ausfuhrgenehmigungen umfassen Artillerieortungsradargeräte für Saudi-Arabien, Gefechts- und Zielsuchköpfen für Flugabwehrsysteme an die Vereinigten Arabischen Emirate und Panzerhaubitzen und Gefechtsköpfe für Katar.
„Diese Genehmigungen sind aus meiner Sicht nicht mit dem Koalitionsvertrag zu vereinbaren“, schreibt Hitschler, der Mitglied im Ausschuss für Verteidigung und stellvertretender Vorsitzender des Unterausschusses Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung ist. Hitschler bittet den Bundeswirtschaftsminister daher um Aufklärung über die Genehmigungsentscheidungen. Der Koalitionsvertrag von SPD und CDU/CSU besagt, dass keine Ausfuhren an Länder genehmigt werden, „solange diese am Jemen-Krieg beteiligt sind“.
Über die ihm bisher gebotenen Erklärungen, es handele sich um teilweise defensive Waffensysteme, zeigt sich Hitschler verwundert. „Im Koalitionsvertrag haben wir keine Unterscheidung getroffen zwischen defensiven und offensiven Waffen, oder zwischen Waffen, die im Jemen-Krieg eingesetzt werden und solchen, die dort nicht eingesetzt werden“. Das Bundeswirtschaftsministerium müsse hier dringend Klarheit schaffen.

(Archivbild: Artillerieortungsradar COBRA der Bundeswehr bei der Bataillonsgefechtsübung Celtic Storm II in Idar-Oberstein am 30.11.2017 – Bundeswehr/Mario Bähr)