Drehflügler: Ein paar Sach- und Wasserstände

Das Thema Hubschrauber ist für die Bundeswehr – wie auch für fast alle verbündeten Streitkräfte – ein Dauerbrenner. Es gibt davon eigentlich immer zu wenig. Zu zwei dieser Drehflügler-Themen deshalb ein Sachstand anhand der laufenden Diskussionen in Berlin:

• Die Bundeswehr wird zwar nicht, wie zunächst erwogen, 22 weitere Transporthubschrauber NH90 bestellen und auf eine mit dem Hersteller Airbus Helicopters vereinbarte Option verzichten – das hatte ich vor gut einer Woche berichtet. Meine damalige Darstellung auf Basis der Aussage des Verteidigungsministeriums ist weiterhin gültig, allerdings fehlt dabei, wie ich inzwischen weiß, eine wichtige Ergänzung.

Der Verzicht auf die 22 zusätzlichen NH90, so ist aus gutinformierter Quelle zu hören, ist nämlich nicht nur vor dem Hintergrund der geplanten Zahl von 82 dieser Hubschrauber fürs Heer sinnvoll. Sondern vor allem auch deshalb, weil das dafür nötige Geld – die Rede ist von rund 1,5 Milliarden Euro – für andere Helikopter ausgegeben werden kann: Nämlich für die 70 bis 80 Light Utility Helicopters (LUH), leichte Unterstützungshubschrauber, wie sie im neuen Fähigkeitsprofil der Bundeswehr vorgesehen sind.

Nun ist diese Summe bislang weder für die Option zusätzlicher NH90 noch für die  LUH im Haushalt hinterlegt, es sind also beides Planungsgrößen. Aber die leichten Unterstützungshubschrauber sollen nach dem neuen Fähigkeitsprofil eine wichtige Rolle als Light Attack Helicopter bekommen, neben möglichen (auch) MedEvac-Versionen.

Der Verzicht auf die NH90-Option bedeute deshalb auch keineswegs, so höre ich, den Verzicht auf einen angestrebten multinationalen Hubschrauberverband. Im Gegenteil, mit den bis zu 80 zusätzlichen LUH, bei denen aller Voraussicht nach die Auswahl auf das Modell Airbus Helicopters H145M fallen dürfte (wie es schon für die Spezialkräfte genutzt wird), eröffne zusätzliche Kooperationsmöglichkeiten. Denn gerade südosteuropäische NATO-Partner seien an diesem Typ interessiert – und wer zum Besipiel das Interesse Ungarns an der bewaffneten Version des H145 mitbekommen hat, Stichwort HForce, dürfte davon nicht überrascht sein.

Ganz am Rande: Das ordnet sich auch ein in die Bemühungen der Bundeswehr, möglichst ähnliche Hubschraubertypen im Bestand zu haben – also idealerweise von Ausbildungs- und Schulungshubschraubern (derzeit die Airbus-Modelle EC135 T1 und T3) über Helikopter für den SAR-Rettungsdienst bis zu Einsatzgeschwadern und Spezialkräften mit H145M eine Produktfamilie.

• Vordringlicher, weil zeitkritischer, ist dagegen die Diskussion, die in Berlin derzeit über die Beschaffung der geplanten neuen schweren Transporthubschrauber geführt wird. Im vergangenen Jahr hatte das Verfahren für die Entscheidung über das künftige Modell für die Bundeswehr begonnen – und zur Auswahl stehen ohnehin nur zwei US-Maschinen: Die CH-47 Chinook von Boeing und die brandneue CH-53K der Lockheed-Martin-Tochter Sikorsky.

Nun hat die Bundeswehr ein Zeitproblem. Wann einer der beiden neuen Hubschrauber in der Truppe ankommt, hängt nicht zuletzt davon ab, wann die formale Ausschreibung für den schweren Transporthubschrauber begonnen wird und wie lange es dann bis zu einer Entscheidung dauert. Dieses Verfahren wiederum hängt davon ab, wann und wie das Projekt im Haushalt hinterlegt wird – was bislang nicht der Fall ist.

Bei einem Ausschreibungsbeginn im kommenden Jahr, selbst im Frühjahr (für 2018 ist es kaum zu erwarten), dürfte es, sagen mir Kundige, etwa ein Jahr bis zu einem Ergebnis dauern. Ein Vertragsschluss Mitte 2020 war auch schon vergangenes Jahr erwartet worden, und erfahrungsgemäß kommt so etwas immer etwas später denn eher zustande.

Und da beißt es sich mit den Zeitplänen für die Ausrüstung der Truppe. Denn für die nächste Rotation der NATO-Speerspitze, der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) unter deutscher Führung im Jahr 2023, sind auch etliche deutsche Helikopter vorgesehen: ein Hubschraubereinsatzverband plus zusätzlich fünf Forward Air MedEvac, also Rettungshubschrauber. Die zusätzlichen, möglichst leistungsfähigen Hubschrauber werden also spätestens im Jahr davor für die standup-Phase der VJTF einsatzfähig gebraucht.

Nun gibt es derzeit offensichtlich drei, eventuell vier Richtungen, in die die Überlegungen laufen:

  • die nötigen Hubschrauber für die NATO-Speerspitze werden mit den vorhandenen CH-53-Maschinen der Bundeswehr gestellt. Das ist ambitioniert, denn sowohl einsatzbereites Material als auch genügend Crews dafür müssen organisiert werden.
  • Unabhängig vom Beschaffungsverfahren für den schweren Transporthubschrauber werden Maschinen des Typs CH-47 Chinook geleast, die Rede ist von sechs bis sieben Maschinen, die dann passgenau für den VJTF-Einsatz zur Verfügung stehen. Diese Hubschrauber müssten deutlich vor 2023 zur Verfügung stehen, um die Einsatzreife der Crews zu erreichen.
  • Oder, als eine Untervariante: Für die VJTF werden Chinook-Hubschrauber der Niederlande (Foto oben) genutzt; die Überlegungen gehen in Richtung einer Vereinbarung, bei denen Hubschrauber-Flugstunden gegen A400M-Flugstunden deutscher Flugzeuge für die Niederlande verrechnet werden.
  • Es scheint, das ist allerdings sehr vage, auch Überlegungen für ein Leasing-Angebot der CH-53K zu geben.

Das sind bislang alles Denkmodelle, die in diesen Tagen in Berlin zu hören sind – und je nach Standpunkt aus Ministerium, Truppe und Industrie mit Zustimmung oder teils vehementer Ablehnung. Für mich ist derzeit nicht wirklich erkennbar, welcher Plan sich durchsetzen wird. Zumal das von sehr vielen, schwer einschätzbaren Variablen abhängt.

Ich habe das mal aufgeschrieben, weil es daran, berechtigt, hier ein großes Interesse gibt. Eine runde und vor allem in den Details belegbare Geschichte, wie ich sie sonst immer anstrebe, ist das zwar nicht – aber work in progress ist ja bisweilen auch von Bedeutung.

(Archivbild: Niederländische CH-47 Chinook in der UN-Mission MINUSMA in Mali auf dem Flug von der Hauptstadt Bamako nach Gao im September 2014 – Arnoud Schoor/MediaCentrum Defensie)