Deutsche Beteiligung an Angriff auf Syrien: „Völkerrechts- und verfassungswidrig“

Eine derzeit diskutierte deutsche Beteiligung an einem US-geführten Vergeltungsschlag nach einem Chemiewaffeneinsatz der syrischen Regierung wäre nicht nur völkerrechtswidrig, sondern verstieße auch gegen das Grundgesetz. Zu dieser Einschätzung kommt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Sachstand zu Rechtsfragen einer etwaigen Beteiligung der Bundeswehr an möglichen Militärschlägen der Alliierten gegen das Assad-Regime in Syrien, der zum Wochenbeginn verfasst wurde.

Der Wissenschaftliche Dienst befasste sich damit zum zweiten Mal mit diesem Thema. Im April waren die Parlamentsexperten bereits nach dem damaligen Luftangriff der USA, Frankreichs und Großbritanniens zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um eine völkerrechtswidrige Bewaffnete Repressalie im humanitären Gewand handele. In der aktuellen Ausarbeitung, die inzwischen auf der Bundestags-Webseite veröffentlicht wurde, geht der Wissenschaftliche Dienst noch darüber hinaus und ordnet eine deutsche Beteiligung an einem solchen Vorgehen als verfassungswidrig ein:

Ob eine militärische Repressalie gegen Syrien – als Antwort auf syrische Verletzungen der Chemiewaffenkonvention – verfassungsrechtlich gegen das Verbot des Angriffskriegs nach Art. 26 GG 17 verstoßen würde, soll an dieser Stelle nicht näher untersucht werden; vermutlich würde es hier aber an der (subjektiven) Friedensstörungsabsicht fehlen.
Im Ergebnis wäre eine etwaige Beteiligung der Bundeswehr an einer Repressalie der Alliierten in Syrien in Form von „Vergeltungsschlägen“ gegen Giftgas-Fazilitäten völker- und verfassungswidrig. Die parlamentarische Mandatierung eines solchen Bundeswehr-Einsatzes würde sich dann erübrigen, da der Bundestag nur Auslandseinsätze mandatieren darf, die auf einer tragfähigen verfassungs- und völkerrechtlichen Grundlage beruhen. (…)
Die Teilnahme Deutschlands an einem völkerrechtswidrigen Militäreinsatz kann niemals verfassungskonform sein.

Wie schon in ihrer Stellungnahme im April weisen die Bundestags-Mitarbeiter die Überlegung zurück, die Angriffe mit dem Schutz der Zivilbevölkerung zu begründen, da es sich um die Ahndung von Verstößen gegen das Chemiewaffenübereinkommen und nicht um den Schutz von Zivilisten handele. Auch der erkennbare Versuch, gewissermaßen ein Recht auf „humanitär begründete Repressalien zur Ahndung von schweren Verstößen gegen die Chemiewaffenkonvention“ ins Völkerrecht einzuführen, sei nicht tragfähig.

Bei einer aus Sicht der Parlamentsexperten verfassungswidrigen Bundeswehr-Beteiligung macht es keinen Unterschied, ob die deutschen Streitkräfte selber Marschflugkörper auf den Weg bringen oder lediglich die Kampfjets anderer Nationen betanken:

Somit kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob Deutschland sich mit Bundeswehr-Tornados aktiv am Kampfgeschehen bzw. an der Zerstörung von Chemiewaffen-Fazilitäten der syrischen Regierung beteiligt; auch die (bloß) militärisch-logistische Unterstützung eines solchen Militäreinsatzes wäre nach dem Recht der Staatenverantwortlichkeit als Unterstützung eines völkerrechtwidrigen Handelns selber völkerrechtswidrig.

Über die aktuelle Debatte zu einem möglichen Angriff auf Syrien hinaus ist der Sachstand des Wissenschaftlichen Dienstes in einem weiteren Punkt konträr zu Überlegungen in der Bundesregierung: Die Experten sprechen sich eindeutig dagegen aus, lose Koalitionen als Ersatz für Systeme kollektiver Sicherheit anzusehen, die das Grundgesetz als Voraussetzung für Auslandseinsätze der Bundeswehr nennt:

Aus Sicht des spezifisch deutschen „Auslandseinsatz-Verfassungsrechts“ (Art. 24 bis 26 GG) wäre die Beteiligung der Bundeswehr an dem Militäreinsatz einer „Koalition der Willigen“ überdies auch mit Blick auf Art. 24 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich bedenklich: Solche „ad hoc-Koalitionen“ erfüllen nämlich regelmäßig nicht die Kriterien eines „System der gegenseitiger kollektiver Sicherheit“, da es an der für ein solches System notwendigen dauerhaften Struktur fehlt.

Der letzte Punkt steht im Gegensatz zum von der gesamten Bundesregierung verabschiedeten Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. Insofern wird es spannend zu beobachten, ob sich das unabhängig von der aktuellen Debatte über einen möglichen Syrien-Angriff auswirkt.