Vor dem NATO-Gipfel: Von der Leyen baut Verteidigungslinie auf

Der NATO-Gipfel in der kommenden Woche, darin scheinen sich die Ressorts der Bundesregierung einig, wird keine besonders spaßige Veranstaltung. Mit, sagen wir mal leichtem Schaudern warten die Deutschen wie auch die meisten anderen europäischen Mitglieder der Allianz darauf, wie sich US-Präsident Donald Trump verhalten wird – und ob er wie zuletzt beim G7-Gipfel in Kanada aus einer Laune heraus erzielte Einigungen aufkündigt.

Einiges im Vorfeld dieses Gipfels habe ich hier schon gesammelt. Zusätzlich ist aber ein Blick auf das Vorgehen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sinnvoll. Die ist bei dem Treffen in Brüssel nächste Woche nicht die zentrale Vertreterin Deutschlands, das ist ja Kanzlerin Angela Merkel.

Dennoch hat die Chefin des Wehrressorts vorsorglich schon mal Verteidigungslinien aufgebaut: Am (gestrigen) Dienstagabend erklärte sie ausländischen Korrespondenten in Berlin, wie die deutschen Beiträge zur NATO einzuordnen sind – und warum der Anteil der deutschen Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, deutlich unter den von der Allianz bis 2024 angestrebten zwei Prozent, allein nicht ausschlaggebend ist.

Ich war bei dem Gespräch nicht dabei, ich bin ja kein Ausländer. Aber eine Übersicht über ein paar Meldungen mit den Aussagen von der Leyens habe ich gefunden:

Von Reuters gibt es eine Meldung sogar auf Deutsch; Kernaussage:

“Sie können ohne weiteres zwei Prozent Ihres nationalen Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgeben und gleichzeitig der Nato nichts zur Verfügung stellen – sich nicht in Missionen beteiligen, nicht in Aktivitäten beteiligen, nicht in Rückversichungseinsätzen beteiligen”, sagte die Ministerin am Dienstagabend in Berlin. (…)
Die Frage sei nicht nur, wie viel ein Land national für Verteidigung ausgebe, sondern auch, welche Beiträge ein Land für die Nato leiste, sagte die Ministerin. Sie verwies darauf, dass Deutschland zweitgrößter Truppensteller der Nato insgesamt sei, zweitgrößter Truppensteller im Afghanistan-Einsatz und auch zweitgrößter Netto-Zahler für die Nato-Kommandostrukturen.

Ähnlich in der Financial Times: German defence minister stands ground against US on Nato budget

Nato, she said, was not just about “cash” — but also about “capabilities” and “contributions”.
Germany, Ms von der Leyen stressed, was the second-largest supplier of troops to Nato behind the US, as well as the second-largest supplier of troops in Afghanistan. The minister also pointed to the prominent role of the German Bundeswehr in Nato’s push to bolster the security of member states in eastern Europe.

Von Associated Press:

German Defense Minister Ursula von der Leyen said Tuesday that “we stand by the 2 percent goal we’ve set.” She added that “we’re on the path there. And we’re prepared … to take substantial responsibility within the alliance.”
When faced with the suggestion that such German explanations for not spending 2 percent of GDP yet might not make an impression on Trump, she retorted: “We don’t want to impress anyone.”

Die Wirtschaftsagentur Bloomberg zitierte die Ministerin mit ihrer Reaktion auf die Briefe, die Trump in den vergangenen Wochen an die europäischen Verbündeten geschrieben und sie zur höheren Verteidigungsausgaben aufgefordert hatte:

German Defense Minister Ursula von der Leyen told reporters in Berlin that Trump’s letter “shows interest in the material and how relevant NATO is — and the common goal that is being reinforced.”
All the same, Germany doesn’t aim to “impress” anybody, she said. “We’re on our way there — and we’re prepared, as we show, to take on responsibility in the alliance” with military contributions and capabilities.

Von diesen Briefen sind bislang einige schon öffentlich geworden, und es gab auch direkte Reaktionen darauf – nur der Brief an die deutsche Kanzlerin, der angeblich einer der am schärfsten formulierten sein soll, wurde bislang im Wortlaut nicht bekannt. Das soll auch so bleiben, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch:

FRAGE: Ich wollte das Bundeswirtschaftsministerium und auch Sie, Herrn Seibert, fragen: Ist der Brief von Herrn Trump an die Kanzlerin, über den gestern und vorgestern schon berichtet worden ist, eingegangen? Hat die Kanzlerin möglicherweise schon darauf geantwortet? Es geht um den Brief, in dem es angeblich um die zu niedrigen Militärausgaben in Deutschland geht.
Zum Zweiten würde ich gerne wissen: Wie argumentiert die Kanzlerin denn im Hinblick auf die Erreichung eines Zielwertes für die Verteidigungsausgaben von zumindest 1,5 Prozent im Jahre 2024 auf Grundlage der aktuellen Haushaltspläne, die ja damit enden, dass wir 2022 gerade noch eine NATO-Quote von 1,23 Prozent haben werden, also weit von diesem Zielwert entfernt sein werden? Wie will Sie denn da Trump davon überzeugen, dass die Bundesregierung es mit ihren Wünschen, die Militärausgaben zu erhöhen, ernst meint?
STS SEIBERT: Zum ersten Teil Ihrer Frage: Wir halten es wie immer. Wir äußern uns nicht öffentlich zu den Inhalten von vertraulichen Gesprächen oder auch zu eingegangener Korrespondenz oder sonstiger Kommunikation. Wir stehen als Bundesregierung mit den USA gerade auch in Hinsicht auf sicherheitspolitische Fragen in engem Kontakt.
Die Bundeskanzlerin hat in den vergangenen Wochen immer wieder über die Notwendigkeit einer auch in Zukunft einsatzbereiten und für den Einsatz ausreichend ausgerüsteten Bundeswehr gesprochen. Sie hat sich erneut zu der NATO-Gipfelerklärung von 2014 bekannt, wie es die gesamte Bundesregierung getan hat. Sie hat ja zum Beispiel auch in der Haushaltsdebatte in der letzten Woche ausführlich darüber gesprochen.
Uns ist die kritische Haltung des US-Präsidenten bekannt. Deutschland kann in den letzten Jahren anhand der Haushaltszahlen durchaus nachweisen, dass wir eine Trendwende eingeleitet haben. Wir sind jetzt an der Arbeit an einem Haushalt 2019, der vorsieht, diese Trendwende weiter fortzusetzen, und weiteren Haushaltsberatungen werde ich hier nicht vorgreifen.

Mit dem Verweis auf die Gesamtbetrachtung der Beiträge eines Landes, über die Messlatte Anteil am Bruttoinlandsprodukt hinaus, steht von der Leyen übrigens nicht alleine da. Auch in den USA gibt es – wenn auch nicht unbedingt in der Regierung – Ansätze für eine breitere Bewertung. Zum Beispiel in einer Untersuchung des Center for Strategic & International Studies:

Counting Dollars or Measuring Value – Assessing NATO and Partner Burden Sharing

(Archivbild: von der Leyen beim Amtsantritt des neuen Generalinspekteurs Eberhard Zorn, l., am 19. April 2018)