Schwund beim Eurofighter: Eine Pilotin erklärt ihre Kündigung

In der Bundeswehr gibt es an vielen Stellen eine wachsende Unzufriedenheit mit der Situation in den Streitkräften: Zu wenig oder zu altes Material, zunehmende Bürokratie und wenig Aussicht auf Verbesserung bestimmen für zu viele Soldatinnen und Soldaten ihren Arbeitsalltag. Das ist nichts wirklich Neues und wird hier oft genug thematisiert. In der Öffentlichkeit fällt das selten auf; bei einer Berufsgruppe in der Bundeswehr wird es aber zur Kenntnis genommen: Auch unter den Pilotinnen und Piloten der Kampfjets greift die Unzufriedenheit um sich.

Mindestens sieben Piloten, die bislang den Eurofighter flogen, haben in diesem Jahr bereits ihre Kündigung eingereicht und die Streitkräfte verlassen – und es dürften, so ist aus der Truppe zu hören, noch mehr werden.

Unter denen, die gehen, sind nach Informationen von Augen geradeaus! auch ein stellvertretender Geschwaderkommodore und mehrere Fluglehrer (was offiziell aus nachvollziehbaren Datenschutzgründen nicht bestätigt wird).

Eine der raren Pilotinnen in der Bundeswehr hat vergangene Woche öffentlich erläutert, warum sie die Streitkräfte verlässt. Nicola Baumann, ausgebildet sowohl auf dem Tornado als auch auf dem Eurofighter, vor fünf Jahren Flight Commander of the Year, Fluglehrerin – und, so muss man das wohl verstehen, von der Bürokratie aus der Truppe getrieben.

Auf ihrer Facebook-Seite hat Baumann an ihrem letzten Arbeitstag ihre Beweggründe für den Abschied erklärt. Daraus als längeres Zitat mit freundlicher Genehmigung der Autorin:

Heute ist mein letzter aktiver Tag im Dienst der Bundeswehr und damit verabschiede ich mich von dieser wunderbaren Aussicht nach über zehn Jahren aktiver Jetfliegerei und fast 14 Jahren im Dienst. (…)
Ich bin mit 19 Jahren, direkt nach dem Abitur zur Bundeswehr gegangen und habe eine Verpflichtungserklärung zum Soldaten auf Zeit über 15 Jahre unterschrieben. Alleine diese Zeit kam mir damals schon wahnsinnig lang vor. Und ich dachte, ich wäre ganz schön alt, wenn das rum ist. Ich bin damals zur Luftwaffe gegangen weil ich unbedingt diese wunderbaren Flugzeuge fliegen wollte – und weil meine Arbeit einen höheren Sinn haben sollte. Einen Sinn für unsere Gemeinschaft.
Nach bestandener Jetausbildung wurde ich ohne Antrag oder großes Zutun „BO 41“. Das heißt Berufsoffizier mit der besonderen Altersgrenze 41. Auf deutsch – ich sollte bis zum 41. Geburtstag Jets fliegen und dann mit einer (ca. 50%-) Rente nach Hause gehen. Für mein Leben war das der perfekte Plan und höchst attraktiv! Ich hab ja nur ein Leben … und darin mehr als einen Beruf und mehr als einen Arbeitgeber ausprobieren zu können, war immer mein Wunsch und Traum! Für mich ist eine „Karriere“ nicht dann erstrebenswert und erfolgreich, wenn man möglichst weit nach „oben“ kommt. Sondern viel mehr wenn diese Karriere möglichst abwechslungsreich, interessant, herausfordernd und erfüllend ist.
Vor ungefähr acht oder neun Jahren beschloss die Bundeswehr den BO41-Status sukzessive abzuschaffen. Vor anderthalb Jahren wurde mir mitgeteilt, dass ich ab jetzt ein „normaler“ Berufsoffizier wäre. Das bedeutet bis voraussichtlich 67 bei der Bundeswehr zu sein. Davon wahrscheinlich mehr als 25 Jahre nicht fliegend!
Nun wäre es mit 41 Jahren schwieriger sich eine zweite Karriere aufzubauen als es mit 33 ist. Und meine Zeit bei der Luftwaffe hat kein offiziell definiertes Ende vor dem absoluten Ende meines beruflichen Lebens mehr. Also kann und darf ich, wenn ich das denn möchte, mein Dienstzeitende selbst definieren. Das sieht der Gesetzgeber so vor. Und das tue ich. Im zivilen Leben heißt das „Kündigung“ und ist die normalste Sache der Welt. Vor allem nach so langer Zugehörigkeit.

Ich kann nicht beurteilen, ob Baumann da einfach nur freundlich mit der Bundeswehr umgeht. Denn so nachvollziehbar die Umstellung eines bei Dienstantritt zugesagten Status als Kündigungsgrund ist: Aus der Truppe höre ich auch – zusätzlich – andere Gründe für die Kündigungsentscheidung der verschiedenen Piloten. In erster Linie die mangelnden Flugstunden, weil zu viele Eurofighter zu oft am Boden bleiben müssen.

Zur Erinnerung aus dem jüngsten Bericht zur Materiallage der Hauptwaffensysteme zum Thema Eurofighter:

Der Luftwaffe standen im betrachteten Zeitraum durchschnittlich 81 Luftfahrzeuge zur Verfügung. Im Schnitt waren davon 39 Luftfahrzeuge einsatzbereit; dies entspricht im Mittel einer materiellen Einsatzbereitschaft von ca. 48%.
Das Materialerhaltungskonzept sieht eine starke Abstützung auf die Industrie vor. Daher wirken sich Instandhaltungs- und Hochrüstmaßnahmen bei der Industrie direkt auf den verfügbaren Bestand aus.
Für dieses weiterhin unbefriedigende Verhältnis von Verfügungsbestand zu Gesamtbestand waren unverändert lang andauernde Instandhaltungsmaßnahmen und das Fehlen verschiedenster Ersatzteile verantwortlich. Eingeleitete Beschaffungsmaßnahmen können wegen langer Lieferzeiten erst mittelfristig wirken. Der im August 2016 angelaufene Verfügbarkeitsvertrag für Ersatzteile hat zwar zu einer ersten Stabilisierung der Ersatzteillage beigetragen, bislang aber noch nicht zu einer gesteigerten Einsatzbereitschaft der Luftfahrzeuge geführt.

Nun ist gerade bei Pilotinnen und Piloten die Motivation, zur Bundeswehr zu gehen, doch ein wenig anders als bei den meisten Soldatinnen und Soldaten: Sie wollen vor allem fliegen. Und wenn nicht geflogen wird, weil die Maschinen am Boden bleiben, sehen sie eben keine Perspektive für ihre berufliche Zukunft. Oder, um im Jargon des Verteidigungsministeriums zu bleiben: Keine Attraktivität.

Die offizielle Antwort der Luftwaffe auf die Frage nach dieser, man kann schon fast sagen Kündigungswelle: Es seien bei jeder und jedem individuelle Gründe. Das mag ja nicht falsch sein. Aber viele individuelle Gründe zeigen auch einen Trend. Und der sieht gerade nicht gut aus.

(Archivbild: Eurofighter beim Baltic Air Policing auf der estnischen Air Base Ämari im März 2017, wo auch Nicola Baumann als Pilotin eingesetzt war)