Bundeswehr-Tradition: Von Waterloo bis Isa Khel

Verteidigungsministerium und Bundeswehr haben am (heutigen) Donnerstag die Reihe der geplanten Workshops zur Überarbeitung des Traditionserlasses für die Streitkräfte begonnen. Dabei spannte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen einen weiten Rahmen von den Befreiungskriegen gegen Napoleon bis zum Einsatz in Afghanistan als traditionsstiftende Linien für die Bundeswehr. Am gleichen Tag wurden Vorwürfe gegen das Kommando Spezialkräfte (KSK) des Deutschen Heeres bekannt: Bei einer internen Feier sollen Kommandosoldaten Musik rechtsextremistischer Gruppen abgespielt und den Hitlergruß gezeigt haben.

Aus der Eröffnungsrede von der Leyens beim Workshop an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg:

Wenn Tradition Halt und Orientierung für die militärischen Aufgaben von heute und morgen geben soll, dann muss sie zugleich einen klaren Bezug zur erlebten und möglichen Einsatzrealität der Streitkräfte haben, einschließlich des Einsatzes im Kampf – und zu den soldatischen Pflichten:wie Tapferkeit, Kameradschaft, Wahrhaftigkeit, Fürsorge. Denn wir brauchen Vorbilder für die Herausforderungen von heute und morgen.

Gerade bei der Diskussion über Vorbilder, über vorbildliches militärisches Handeln in
deutschen Streitkräften vergangener Epochen, werden wir nicht immer eindeutige Antworten erwarten können. Der Gang der Geschichte, die Entwicklung und Bewertung von Persönlichkeiten verschließt sich einer binären Logik. Wir werden auch Grautöne ertragen müssen. Und manchmal sind es ja gerade Persönlichkeiten, an denen man sich reiben kann, oder Ereignisse, die durchaus in unterschiedlichem Licht betrachtet werden können, die unser kritisches Urteilsvermögen heute schärfen können.
Ein solches Verständnis lässt Raum, militärische Vorbilder aus allen Epochen der deutschen Militärgeschichte in die Tradition der Bundeswehr aufzunehmen.
Dies gilt für Personen und Ereignisse aus den Freiheitskriegen gegen Napoleon – ebenso wie für die herausragenden Persönlichkeiten des Deutschen Widerstandes gegen Hitler -und die traditionsstiftenden Ereignisse und Akteure aus unserer eigenen Bundeswehrgeschichte.
Natürlich gilt – und Graf Stauffenberg ist das beste Beispiel: Auch wer eine Wehrmachtsuniform trug, kann aus ganz bestimmten Gründen traditionsstiftend für die heutigen Soldaten sein.
Es kommt nicht auf das Tuch oder das Baujahr eines Karabiners an, sondern immer
auf die Tat und ihren Sinn und ihr Ziel – und dies im historischen Kontext. So ordnet
sich auch der Umgang mit der Wehrmacht und ihren Angehörigen richtig ein: Es kann kein Relativieren geben, was den Kulturbruch des Nazi-Regimes und das unermessliche Leid anbelangt, das es mit dem Zweiten Weltkrieg und der Shoah über Europa und darüber hinaus gebracht hat.
Die Wehrmacht als Institution des Dritten Reiches kann daher nicht traditionsstiftend
für die Bundeswehr sein. Denn wie Volker Rühe es bereits ausführte: „für das Traditionsverständnis der Bundeswehr kann nur Vorbildcharakter haben, was den Werten unserer Verfassung genügt.“ Das schließt nicht aus, dass viele einzelne Soldaten in gutem Glauben dienten und das macht die Tragik ihres treuen Dienens aus, wie es der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt beschrieben hat.
Unsere Überlegungen müssen sich also richten auf die Geisteshaltung und das Handeln der einzelnen Persönlichkeiten in deren geschichtlichem Umfeld, ohne dass wir uns von Mythen und Legenden blenden ließen. Und dies gilt für alle Epochen der deutschen Militärgeschichte.
Keine Armee entsteht aus dem Nichts. Und in allen gab es Beispiele für
Mut, Tapferkeit und militärische Brillanz. Das gilt natürlich auch für die
Bundeswehr – denken Sie an das Karfreitagsgefecht oder die Operation Halmazag.

(Die komplette Rede in der vorab veröffentlichten Fassunggibt es auf der Bundeswehr-Webseite hier; da dieser Link mal wg. technischem Umbau verschwunden sein könnte, auch noch zum Herunterladen hier:
120170817_vdL_Workshop_Traditionserlass )

Da wird dann spannend, wie diese sehr breite historische Spanne praktisch in die Traditionspflege der Bundeswehr eingebunden wird. (Wie ein Kommentator schon richtig anmerkte: Feier des Jahrestages der Schlacht von Belle Alliance, pardon, Waterloo?)

Die andere Meldung von heute hat keinen direkten Zusammenhang zu diesem Workshop, indirekt aber sehr wohl: Nach einem Bericht und Recherchen mehrerer ARD-Redaktionen, deren Ergebnis am (heutigen) Donnerstagabend in der ARD-Magazinsendung Panorama ausgestrahlt wird, soll eine Abschiedsfeier für einen Kompaniechef des KSK in Nazi-Posen gemündet sein. Die Details der Feier sind hier nachzulesen und eher wenig von Belang; die entscheidende Aussage der Zeugin, auf die sich die Berichterstattung stützt:

„Später lief dann dort Rechtsrock. Da kamen Textzeilen wie: „Armes Deutschland, was ist aus dir geworden“. Ich habe mir die Textzeilen gemerkt und am nächsten Tag gegoogelt und herausgefunden, dass es sich definitiv um die Band Sturmwehr handelt.“ (…) „Zum Refrain wurde mehrfach der Hitlergruß gezeigt. Das lief ganz euphorisch ab. Der Text war ja bekannt, sie haben mitgegrölt. Der Ältere hat die anderen quasi noch vorbereitet, was jetzt gleich käme, nämlich der Refrain, und dass es jetzt doch soweit wäre, die rechte Hand zu heben. Und genau das haben die vier dann auch gemacht.“

Die Bundeswehr hat, das erwähnt auch Panorama, Ermittlungen zu der Feier Ende April eingeleitet, aber bislang keinen Hinweis auf das verfassungsfeindliche Verhalten. Außer den Aussagen der Zivilistin, die als Gast bei dieser Feier dabei war, gibt es offensichtlich keine weiteren Belege – also bleibt abzuwarten, ob sich das bestätigt.

(Foto: Das Nationaldenkmal auf dem Berliner Kreuzberg bei der partiellen Sonnenfinsternis am 20. März 2015)