Dokumentation: Reden zum 20. Juli – von der Leyen, Wolffsohn
Die Reden beim traditionellen Feierlichen Gelöbnis der Bundeswehr zum 20. Juli, dem Tag des deutschen militärischen Widerstands gegen Adolf Hitler, dürften in diesem Jahr unter einem ganz besonderen Blickwinkel aufgenommen werden: Sagen die Redner vor dem Hintergrund der seit Monaten tobenden Debatte über Traditionsverständnis und -pflege in den Streitkräften etwas zu eben diesem Traditionsverständnis? Greifen sie das auf, und wenn ja, wie?
Am (heutigen) 20. Juli redet zudem nicht nur Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, sondern vor allem als Hauptredner der frühere Geschichtsprofessor an der Bundeswehruniversität München, Michael Wolffsohn. Der ist für oft pointierte Aussagen bekannt – und hatte aktuell in einem Interview von Soldaten mehr Bereitschaft zur Selbstkritik gefordert.
Zur Dokumentation hier wesentliche Passagen aus der – vergleichsweise kurzen – Ansprache von der Leyens und Wolffsohns Rede jeweils in der vom Verteidigungsministerium vorab veröffentlichten Fassung:
Ursula von der Leyen (Auszug)
Die Truppe stellt sich breiter und unterschiedlicher auf – weil die heutigen Bedrohungen und Aufgaben neue Antworten erwarten. Wir sprechen von hybriden Kriegen, die auch im Cyber- und Informationsraum entschieden werden. Und die Bundeswehr wird vielfältiger, weil sie die Vielfalt unserer offenen und freien Gesellschaft widerspiegelt. Nur so kann sie auch weiterhin fester Bestandteil der Gesellschaft sein, deren Schutz ihr Auftrag ist. Sie hat viele Menschen in ihrer Mitte, die das Leben gelehrt hat, sich auf andere Sichtweisen und Kulturen einzustellen.
Wir wollen Ihnen, den jungen Soldatinnen und Soldaten, ein modernes, aufgeschlossenes und achtsames Umfeld schaffen. Und Sie kommen in unsere Bundeswehr, die ihre eigene Geschichte benennt, würdigt und entfaltet.
Offenheit und Fortschritt sind aber auch aus einem anderen Grund zunehmend wichtig: Wir sind eine Freiwilligenarmee des 21. Jahrhunderts, die in jedem Einsatz Seite an Seite mit Soldatinnen und Soldaten anderer Nationen agiert. Unsere Streitkräfte sind inzwischen multinational eingewoben in der Europäischen Union und der Nato.
Zu diesem Erfolg der Bundeswehr haben im Laufe der Zeit insgesamt über 15 Millionen Soldatinnen und Soldaten beigetragen. Sie, Rekrutinnen und Rekruten, reihen sich jetzt in diese traditionsreiche und stolze Formation ein. In die Formation derer, die unsere Bundeswehr als Streitkräfte in der Demokratie aufgebaut haben; die an der Seite unserer Partner im Kalten Krieg durch Wachsamkeit den Frieden gewahrt haben; die zum Schutz und zur Unterstützung unserer Bevölkerung immer da waren, wenn sie gebraucht wurden – bei Hochwasserkatastrophen oder bei der Aufnahme der Flüchtlinge im vergangenen Jahr; die weltweit in über 60 Einsätzen eingetreten sind für Menschenrechte und Menschenwürde; und die sich dabei auch im Gefecht mit Mut, Tapferkeit und Kameradschaft bewährt haben.
Deshalb, liebe Rekrutinnen und Rekruten, der 20. Juli. Deshalb dieser Ort vor dem Ehrenmal der Bundeswehr.
Michael Wolffsohn (komplette Rede)
Soldatinnen und Soldaten – Sie sind heute die Hauptpersonen,
Sehr verehrte Frau Bundesministerin, meine Damen und Herren,
Sie stehen hier. Sie stehen hier nicht nur körperlich. Sie stehen hier sinnbildlich und vorbildlich für unseren Staat, die Demokratie der Bunderepublik Deutschland. Es ist der beste, weil freiheitlichste, demokratischste, menschlichste Staat, den es je auf deutschem Boden gab.
Gleiches gilt für unser Militär, die Bundeswehr. Auch weltweit muss unsere Bundesrepublik Deutschland keinen Vergleich scheuen.
Das heißt nicht: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.“ Das heißt: Deutschland richtet sich nach dem Welt- und Wertmaßstab der Menschen- und Bürgerrechte bzw. den „Westlichen Werten“.
Das ist keine Selbstüberhöhung des Westens. Das ist die Ausrichtung am Menschen, am Menschen an sich, sei er weiß, schwarz, gelb, Christ oder Nicht-Christ. Dazu gehört nicht nur die eigene Freiheit, sondern gerade die Freiheit derer, die anders denken, leben oder lieben.
Diese Westlichen Werte sind viel älter als „der Westen“. Sie stammen aus dem Osten, aus dem Alten Orient, dem Alten und dann dem Neuen Testament. In beiden heißt es: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“
Wie Judentum und Christentum, wie die Bibel, kommt auch der Islam, kommt der Koran aus dem Orient. Orient und Okzident – sie entstammen den gleichen Quellen; auch wenn es viele nicht wissen, manche verdrängen oder verbiegen.
In der Hebräischen Bibel steht der Satz: „Liebe den Fremden wie dich selbst“. Sind diese beiden Gebote nicht viel ausdrucksmächtiger als die heutigen Allerweltswörter Toleranz oder Integration?
Jesus sagt in der Bergpredigt: „Liebet eure Feinde“. Das Gebot gilt. Doch leider ist es nicht wörtlich und wirklich umsetzbar, weil und wenn das Leben von Menschen bedroht ist und geschützt werden muss. Eben durch Militär.
„Alle Menschen sind gleich geboren“ und haben, so die Unabhängigkeitserklärung der USA, die gleichen Rechte, vor allem das Recht auf „Leben, Freiheit und das Streben nach Glück.“ Soldatinnen und Soldaten, achten Sie bitte auf die Reihenfolge bei der Nennung der Menschenrechte auf „Leben, Freiheit und Streben nach Glück“.
Leben. Damit ist nicht zuletzt Sicherheit gemeint. Die Sicherheit, dass man als friedliebender Mensch leben bzw. überleben kann. Ist das nämlich nicht der Fall, gibt es weder Freiheit noch Glück. Das bedeutet: Ohne Sicherheit kein Leben. Und für Sicherheit, Soldatinnen und Soldaten, sind SIE unser aller Garant. Dafür verdienen Sie den Dank aller, auch wenn Ihnen nicht alle danken.
Sie stehen als Bundeswehr-Soldaten für Sicherheit und Freiheit. Sie stehen hier am 20. Juli. An diesem Tag, an diesem Ort, zerbrach 1944 der militärische Widerstand. Wir danken allen, die unter Einsatz ihres Lebens die Verbrechen des Nationalsozialismus beenden wollten. Die Nationalsozialisten haben andere Völker millionenfach ermordet, allen voran 6 Millionen Juden. Darüber hinaus haben die Nationalsozialisten ihr eigenes Volk, die Deutschen, verraten und den Untergang Deutschlands in Kauf genommen. Dass Deutschland trotzdem überlebte, zunächst in zwei Staaten und seit 1990 wieder vereint, verdanken wir den Siegern über Deutschland. Es ist auch tagespolitisch nicht unangebracht, sich dessen bescheiden zu erinnern. Dass sich die Welt mit dem neuen Deutschland aus- und versöhnen konnte, verdankt es nicht zuletzt dem Vermächtnis des deutschen Widerstands, vor allem dem militärischen Widerstand des 20. Juli 1944, das Bundesrepublik und Bundeswehr seit jeher besonders pflegen.
Wir leben in einer Demokratie, der deutsche Widerstand kämpfte gegen eine Diktatur. In einer Demokratie muss keiner Widerstand leisten. Widersprechen kann jeder, und Widerspruch gehört zur Demokratie.
Auch in Demokratien erfordert Widerspruch manchmal Mut. Er kann sogar gefährlich sein, doch nie lebensgefährlich. Widerspruch ist fürs Denken des Einzelnen sowie für alle in einer Demokratie unverzichtbar, sogar im Militär einer Demokratie.
Oft wird gesagt: Militär und Demokratie schlössen einander aus. Natürlich gelten in der Bundeswehr Gehorsam und Befehl. Aber weder Kadavergehorsam noch Duckmäusertum. Der Geist der Bundeswehr ist moralisch und militärhistorisch in einer Hinsicht geradezu einzigartig, denn er versucht – gemäß dem Vermächtnis des 20. Juli 1944 – mit dem Bild vom „Bürger in Uniform“ zu verbinden, was schwer zu verbinden ist: Befehle und Bürgerrechte. Befehle zu empfangen, sie auszuführen, trotzdem mit- oder gegenzudenken und, wo nötig, zu widersprechen.
Soldatinnen und Soldaten, Sie sehen, dass Sie auch einen moralisch anspruchsvollen Weg beschreiten. Natürlich ist auch die Bundeswehr nicht perfekt. Auch hier menschelt es. Nie und nirgends entspricht das Idealbild dem Realbild, doch lassen Sie sich nicht vom Zerrbild über die Bundeswehr in die Irre führen.
Zum Realbild gehört nicht zuletzt Folgendes: Allein hier und heute stehen 332 männliche und weibliche Rekruten. 20 Prozent sind Frauen. Es werden sicher bald noch mehr. Das ist gewollt und gut.
Fakt ist auch: Rund 20 Prozent der Deutschen haben einen Migrationshintergrund. Ungefähr gleich hoch ist diesbezüglich der Anteil in der Bundeswehr. Hier findet man Christen, Muslime, Juden, Andersgläubige und Nichtgläubige. Wie allgemein in Deutschland. In Bundeswehr und Bundesdeutschland kann, soll und darf „jeder nach seiner Facon selig werden“.
Sie alle, Soldatinnen und Soldaten, sind nicht nur auf dem Papier Deutsche und sie sprechen nicht nur perfekt deutsch. Sie sind Deutsche mit Herz, Verstand und Überzeugung. Sie leisten für dieses lebenswerte Deutschland viel mehr als die vielen deutschen Ohnemichels.
Zum Menscheln und zur Menschlichkeit gehört in einem Militär noch mehr als woanders Kameradschaft. Ohne Kameradschaft und Freundschaft keine Menschlichkeit. Doch Kameradschaft ist etwas anderes als Kameraderie, die menschliche Werte unter den Teppich fegt. Soldatinnen und Soldaten, seien Sie einander gute Kameraden ohne Kameraderie.
Wie an jedem Arbeitsplatz der Welt, gibt es auch in der Bundeswehr Anordnungen (man nennt sie hier „Befehle“). Es gibt Ärger, Defizite und Fehlentwicklungen wie zum Beispiel das Fehlverhalten von Vorgesetzten, rassistische Deutschtümelei oder Männer-Chauvinismus. Dieses Verhalten widerspricht dem Geist der Bundeswehr. Deshalb haben Sie über den Wehrbeauftragten die Möglichkeit, ihren persönlichen Ärger zum allgemeinen und öffentlichen Ärgernis, ja, zum Politikum zu machen.
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Letztlich bestimmt daher der Bundestag über Ihr Wohl und Wehe. Hin und wieder werden Sie sich über die jeweilige Koalition oder Opposition oder auch über beide ärgern, vielleicht sogar über einzelne Minister oder Ministerinnen. Wie alle Bürger können Sie das ändern. Beteiligen Sie sich an Wahlen und bürgerschaftlichen Belangen. Strafen Sie Ihre Kritiker Lügen – durch Wort und Tat.
Soldatinnen und Soldaten, Sie stehen hier für ein menschliches Deutschland und dessen menschliches Militär, die Bundeswehr. Sie begeben sich in Gefahr und manchmal sogar in Lebensgefahr, damit weltweit Menschlichkeit obsiegt. Wenn Sie in den Kampf geschickt werden, dann immer für Menschlichkeit und immer mit Gleichgesinnten anderer menschlicher Staaten gegen Menschen, die anderen Menschlichkeit gewaltsam verweigern. Die meisten Deutschen und die mit Deutschland befreundeten Weltbürger sind Ihnen dafür dankbar. Sie sind stolz auf Sie.
Sie können stolz sein. Stolz auf sich selbst, auf unser Land und auf unsere Werte, für die Sie hier stehen und fortan täglich einstehen.
(Archivbild: Feierliches Gelöbnis auf dem Paradeplatz des Bundesministeriums der Verteidigung am 20.07.2015 – Bundeswehr/Sebastian Wilke)
Vielen Dank an den Hausherren für die schnelle Dokumentation der Reden. Denn auf der BW HP hatte ich schon geschaut, aber noch nichts gefunden.
@T.Wiegold: Hat die Ministerin nichts zum Widerstand gesagt, oder fehlt dies nur zufällig in dem Auszug der Rede? Auf jeden Fall ist das Ziel klar erkennbar, Tradition durch die BW alleine und Flucht von der Wehrmacht oder den Armeen davor.
Die Wolffsohnrede gefällt mir nicht. Der Widerstand wird wieder auf den 20. Juli verkürzt, dessen wichtigsten Personen nicht gewürdigt und vor allem stört mich der Dank an die Sieger. Deutschland hat überlebt, weil man Deutschland brauchte, sich Vorteile vor allem im Kalten Krieg versprach, wo man BW und NVA benötigte. Vorher haben die Sieger aber ziemlich viel angestellt, worauf sie nicht Stolz sein können.
Prof. Dr. phil. Michael Wolffsohn:
Eine Rede an Soldaten aus Anlass der Vereidigung, wie sie in sprachlicher Exaktheit und historischer Überzeugungskraft ihresgleichen sucht.
Anerkennung und herzlichen Dank.
Für Herrn Wolffsohn eine 1! Danke insbesondere hierfür:
“ Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Letztlich bestimmt daher der Bundestag über Ihr Wohl und Wehe. Hin und wieder werden Sie sich über die jeweilige Koalition oder Opposition oder auch über beide ärgern, vielleicht sogar über einzelne Minister oder Ministerinnen. Wie alle Bürger können Sie das ändern. Beteiligen Sie sich an Wahlen und bürgerschaftlichen Belangen. Strafen Sie Ihre Kritiker Lügen – durch Wort und Tat.“
Hans Schommer
OTL a.D. und Bürgermeister der Gemeinde Hohenbollentin, M-V
Es ist immer wieder wohltuend, kluge Worte von Michael Wolffsohn zu hören und zu lesen.
Aus Respekt vor dem Anlass unterlasse ich mal Kommentare zu dieser anderen zitierten Rednerin.
Aus dem dargestellten Teil der Rede von Frau vdL scheint es, als reduziere sie den Bendlerblock auf das Ehrenmal der Bw. Darüber hinaus ist ihre Rede so nicht schlüssig, denn warum bezieht sie sich auf den 20. Juli, wenn der mil. Widerstand in der Wehrmacht nicht genannt wird?
Alles in allem eine erwartete Darstellung ihrer These, dass die sechzigjährige Existenz der Bundeswehr an sich völlig ausreichend ist, um als Armee traditionsbegründend zu sein.
In dem Artikel des Hausherrn wird auf eine Meldung von T-Online verwiesen. Dort heißt es: Prof. Wolffsohn werfe den Soldaten der Bundeswehr vor, sie „spielten beleidigte Leberwurst“. Bei der Kritik von Ministerin von der Leyen handele es sich „nicht um grundlose Pauschalvorwürfe. Wo Einzelfälle sich häuften, seien es keine Einzelfälle.“
Man möchte Prof. Wolffsohn fragen, wo er denn die sich „häufenden Einzelfälle“ erkannt haben will. In Pfullendorf? Das ist alles nicht mehr nachvollziehbar!
Interessant ist zumindest, dass Prof. Wolffsohn von „Pauschalvorwürfen“ spricht, die, obwohl inzwischen von der Ministerin zurückgenommen, nun aus Sicht des Professors sogar nicht „grundlos“ seien.
Dagegen sagt er in seiner Rede vor den Soldaten, dass sie (die Soldaten) „sich nicht vom Zerrbild über die Bundeswehr in die Irre führen lassen sollen.“
Insgesamt fordert Prof. Wolffsohn die Soldaten zur mehr Selbstkritik auf. Ich gewinne hier langsam den Eindruck, alle möglichen Leute hätten wirklich ausreichend Grund zur Selbstkritik, nur nicht die zu einem „Zerrbild“ gemachten Soldaten der Bundeswehr.
Salbungsvolle Worte, fürwahr. Und so weit weg von der soldatischen Wirklichkeit.
Ehrlicherweise hatte ich mich auch über Prof. Wolffsohn als Redner gewundert – er kommt der Leitung des BMVg ja öfter mal quer, da er regelmäßig behauptet, wir entwickelten uns zu Unterschichtenarmee.
Das „beleidigte Leberwurst“- Interview traf es für mich aber auf den Punkt!
Ich finde es beschämend, wie wenig Selbstkritikfähigkeit wir haben. Statt sich an die eigene Nase zu fassen und zu überlegen, was man als Vorgesetzter heute bei seiner Art zu führen verbessern kann, um zu vermeiden, dass junge Menschen über die Strenge schlagen (in welche Richtung auch immer), ist bei uns alles bestens – oder reflexhaft die anderen, am liebsten „die da oben“ schuld.
Kann man so machen – halte ich nicht für gut! Allerdings finde ich derzeit auch kaum einen, der sich dieselben Gedanken macht. Die meisten müssen noch ihre höchstpersönliche Kränkung verarbeiten.
„……….Gasping his final breath, the old soldier dispenses his last pearl of wisdom to a junior officer. “Remember, Joey, if it comes to a choice between being a good soldier and a good human being — try to be a good human being.”
Wolffsohn hat wahrscheinlich „Once an Eagle“ von Anton Myrer nicht nur gelesen, sondern wohl auch verstanden ?
Dazu ein recht aktuelles „Fundstück“ in Sachen Trump und die US Generale:mit ihrer traditionellen „More, more, more“- Strategie.
https://warisboring.com/the-hazards-of-military-worship/
Ein ziemlich überzeugendes Plädoyer dafür, dass Politiker nicht allein auf den Rat von Generalen hören sollten.
@klabautermann | 21. Juli 2017 – 8:06
„Ein ziemlich überzeugendes Plädoyer dafür, dass Politiker nicht allein auf den Rat von Generalen hören sollten.“
Man wäre ja schon glücklich, wenn man in der DEU Politik AUCH auf den Rat von Generalen hören würde und diesen Respekt begegnen würde.
Verschieden Beratungen (bevorzugt von Fachleuten) annehmen, abwägen und dann entscheiden wäre der richtige Weg.
Der Hinweis auf „once an eagle“ wirft aber noch andere Fragen auf. Die Novelle rankt um die literarischen „Antagonisten“ Sam Damon und Courtney Massengale. Zwei US-Offiziere , wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten:
„Damon is an honorable soldier who rises in rank by success in field command. He is a soldier of character with his men’s welfare in mind. Massengale has no honor and rises in rank through staff positions by cunning and political connections.”
Hier stellen sich mir zwei Fragen: Erstens ist zu fragen, ob die Bundeswehr über ausreichend Offiziere des Kalibers Matt Damon verfügt oder ob nicht jene überwiegen, die mit Massengale charakterisiert werden.
Darüber hinaus ist fragen, warum nach 60-jähriger Bundeswehrgeschichte die literarische Aufarbeitung des „Staatsbürgers in Uniform“ noch auf sich warten lässt.
Da Wolffsohn für die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist und vor allem deren Abschaffung für den Zustrom von Extremisten verantwortlich hält und meint, daß der BW jetzt die normalen Bürder fehlen ohne Wehrpflicht. Deshalb muss verwundern, daß er reden durfte. Aber vielleicht liegt es daran, daß er die Ministerin und ihr Verhalten gelobt hat in Interviews.
Hier übrigens nochmal das Gelöbnis von gestern:
https://www.youtube.com/watch?v=FTOtotEJEak
Und die Feierstunde im Bendlerblock:
https://www.youtube.com/watch?v=pAU0hM4dNUg
@Politikverdruss
lässt bis zum St. Nimmerleinstag auf sich warten.
Dazu existiert nämlich nur Bw-Offizielles und Offiziöses von Kirchen, Ehemaligen und Gewerkschaften.
Literatur allesamt wohl kaum. Poesie/Prosa zu InFü, aus meiner Sicht auch bitte nicht!
@ Politikverdruss | 21. Juli 2017 – 10:10
„Hier stellen sich mir zwei Fragen: Erstens ist zu fragen, ob die Bundeswehr über ausreichend Offiziere des Kalibers Matt Damon verfügt oder ob nicht jene überwiegen, die mit Massenware charakterisiert werden.“
Die Antwort könnte, wenn die Worte von Prof. Wolfssohn in Bezug auf Kritikfähigkeit verstanden und ernstgenommen wird, auch im Rahmen der Selbsterkenntnis „heilend“ sein.
@Politikverdruss
Herbell, Hajo
Staatsbürger in Uniform 1789 bis 1961
Dt. Militärverlag, 1969
Gruß Wetterverdruss
Danke an den Hausherren für die beiden Texte.
Inhaltlich gefallen mir die Reden leider überhaupt nicht. Von der Ministerin habe ich inzwischen gar nichts anderes mehr erwartet.
Die Rede von Prof. Wolffsohn war leider trotzdem eine Enttäuschung.
Da wird viel von Nächstenliebe, Toleranz, Politik und Wehrbeauftragten gesprochen. Auf den eigentlichen Inhalt des Gelöbnisses bzw. Schwures und auf die Besonderheit des Soldatenberufes, im Ernstfall das Leben für das Vaterland einzusetzen, wird nicht eingegangen. Dabei ist gerade das der Dreh- und Angelpunkt des gesamten Soldatentums und ganz besonders anlässlich des Gelöbnisses.
Tapferkeit scheint entweder so selbstverständlich zu sein, dass man annimmt, dass sie zur gegebenen Zeit von alleine kommt, oder es interessiert nicht mehr. Beides finde ich fatal.
Die ganzen restlichen warmen Worte, so richtig davon vieles sein mag, werden bei den meisten Rekruten als wohlfeiles politisches Geschwafel ankommen.
Daher kann ich mich mit der Rede zu diesem Anlass nicht anfreunden.
tluassa | 21. Juli 2017 – 12:25
Kann man die „Ausrufe“ der Truppenteile nach der Vereidigung irgendwo nachlesen? Ich konnte das nicht verstehen.
Hans Schommer
MA | 21. Juli 2017 – 12:44,
verehrter Mit-Diskutant,
niemand wendet sich grundsätzlich gegen eine „selbstkritische“ Haltung. Worin aber soll im konkreten Fall die Selbstkritik der Soldaten der Bundeswehr münden?
Darin, dass die Soldaten seit der Wende klaglos eine Strukturveränderung nach der anderen loyal hingenommen haben?
Darin, dass sie trotz des „Vor-die-Wand-Fahrens“ der Armee“ ihre Aufträge unverzagt und gewissenhaft erfüllt haben?
Darin, dass sie sich beim Afghanistan-Einsatz ohne die notwendigen schweren Waffen mutig dem Gegner gestellt haben?
Diese Gesellschaft und die sie repräsentierenden Politiker können froh sein, dass sie über loyale, im demokratischen Geist gewachsene Streitkräfte verfügen. Streitkräfte, die die vom Bundestag erhaltenen Aufträge trotz „schwierigster Rahmenbedingungen“ treu erfüllt haben.
Diese Soldaten der Bundeswehr haben Zuspruch und nicht Kritik verdient. Und sie haben keinen Anlass zur Selbstkritik. Wenn Herr Wolffsohn innerhalb der Streitkräfte Selbstkritik für erforderlich hält, dann soll er „Ross und Reiter“ nennen.
Wenn aber jemand Anlass zur Selbstkritik hat, dann doch wohl die Ministerin, die mit ihren Pauschalvorwürfen ihre eigene Führungsfähigkeit in Frage stellt.
Aus Neugier: gehört die Europa-Hymne fest zum Zeremoniell?
Nur weil ich durchaus bemerke wie die Inszenierung einer EU-Identität durch Amts-, Mandats- und Uniformträger immer alltäglicher wird, siehe auch Macron. Der im übrigen nicht Frankreich meinen muss, mit seiner En Marche-Republique.
@ Politikverdruss | 21. Juli 2017 – 10:10:
„Der Hinweis auf „once an eagle“ wirft aber noch andere Fragen auf.“
Sehr richtig. Beispielsweise die, ob der Wälzer wirklich das Jahrhundertwerk ist, als der er in West Point gerne dargestellt wird. Meiner Meinung nach ist er es nicht – und ja, ich habe den Roman gelesen.
Warum ich das glaube? Weil Sam Damon ein Troupier im schlechtesten Sinne ist: Er verachtet alles, was nicht nach Schlammzone aussieht, hat absolut keine Ahnung von politischen Zusammenhängen und ist immer nur auf seinen eigenen Verantwortungsbereich bedacht. Trotzdem ist er stets der strahlende Held, der sich mit Engelsgeduld aller Widrigkeiten erwehrt, für die entweder abgrundtief bösartige Stabsoffiziere oder vollkommen unfähige Politiker verantwortlich sind.
Dieser Narrativ – guter Truppenoffizier vs. böser Stabsoffizier -, der sich durch das ganze Buch zieht, ist m. E. wenig geeignet, den inneren Zusammenhalt einer Armee zu fördern. Denn dass Streitkräfte des 21. Jahrhunderts – ja, auch die Bundeswehr – fähige Stabsoffiziere benötigen, steht hier wohl außer Frage.
Und falls jemand das oben Stehende nochmal aus berufenerem Mund hören möchte: http://foreignpolicy.com/2013/12/18/o-the-damage-once-an-eagle-has-done-to-my-army-and-yes-it-is-partly-my-fault/
@ Hans Schommer:
Also „Dran Drauf Drüber“ von den Panzergrenadieren konnte ich ausmachen (hört man hier in Ostwestfalen öfters ^^), und „Semper Talis“ – das dürfte das Wachbataillon gewesen sein.
Interessant fand ich das „auf die Marineinfanterie – Achtung Feuer !“ … kannte ich jetzt noch nicht aber in Ostwestfalen ist nicht so viel mit Marine :)
@Hans Schommer
Siehe: Mediathek Phoenix, Video/podcast suchen.
Oder http://www.sendungverpasst.de/phoenix.
Sollte sich dort finden lassen.
Die „Ausrufe“ wurden vom Sprecher und auch Co-Kommentator (Oberstlt xyz) als „Parolen“ bezeichnet.
Schlachtruf hieß (heißt?) das einmal, zumindest bei Pz, PzGren, PzJgTr in denen ich dienen durfte.
Ist aber wohl zu martialisch, vor DEU Seh-Öffentlichkeit. Oder Prof Wolffsohn hätte sich um die Innenwirkung seiner politisch äußerst korrekten Rede im Nachhinein gesorgt.
Mna kann sich auch künstlich aufregen.
Laut Traditionserlass heißt es „Rufe“.
Rufe der Truppengattungen
– „Anker – wirf“ (Pioniertruppe)
– „Zu – gleich“ (Artillerietruppe)
– „Nachschub – rollt“ (Nachschubtruppe)
– „Dran, drauf, drüber“ (Panzergrenadiertruppe)
– „Horrido – Joho“ (Jäger-, Panzeraufklärungstruppe)
– „Panzer – Hurra“ (Panzertruppe)
– „Nebel – ahoi“ (ABC-Abwehrtruppe)
– „Glück – ab“ (Fallschirmjägertruppe)
– „Top – fit“ (Topographietruppe)
Quelle: Wegweiser für die Traditionspflege im Heer (Abschr. (o. Anl.) AZ Fü H I 1 – Az 35-31-01 vom 1. Dez. 1999), 4.17 Militärisches Brauchtum
Was ist denn das Alleinstellungsmerkmal aller Alleinstellungsmerkmale in Sachen Tradition, Gesellschaft und Bundeswehr, das eigentlich jeden Vergleich mit den „ethischen“ Traditionen ehemaliger deutscher Streitkräfte oder anderer Streitkräte wie insbesondere der USA verbietet?
Nun, das ist eben imho die Tradition des „Staatsbürger in Uniform“ an sich.
Das bedeutet – und da hat Wolffsohn einen Schwerpunkt in seiner Rede gelegt – dass im heutigen Deutschland „soldatische“ Werte in erster Linie staatsbürgerliche Werte sind wie in der FDGO kodifiziert. Eine klare Absage an den Kämpfer-Ethos als „way of live“ wie in Once an Eagle propagiert wird.
Soldatische Erziehung ist eben in Deutschland zunächst einmal staatsbürgerliche Erziehung und nicht militärtechnokratische Ausbildung mit Schwerpunkt „every soldier is a rifleman“. Also dieser ganze sui-generis „Unsinn“. Deutsche Soldaten sind nicht dann „gute“ Soldaten, wenn sie „…..auch töten können“, sondern sie sind dann „gute“ Soldaten, wenn sie in und außer Dienst die staatsbürgerlichen Werte der Bundesrepublik beachten und danach leben, insbesondere natürlich untereinander. in der Gemeinschaft der Bundeswehr. Wolffsohn’s Rede ist imho ein Appell an die Rekruten, dass Zivilcourage und Staatsbürger in Uniform keine Gegensätze sind, sondern dass genau das Gegenteil der Fall ist. Kameradschaft der Staatsbürger und nicht Kameraderie der deutschtümeligen „Kämpfer“.
Die Reconquista der Deutungshoheit in Sachen Innere Führung und Bundeswehr nach dem Konzept eines Herrn General Milotat ist letztendlich gescheitert – und das ist gut so.
Frauen sind halt die besseren „Emanzipatoren“ ;-)
Bürger | 21. Juli 2017 – 15:36,
lieber Bürger,
ich vertraue da mehr dem Urteil von General H. Norman Schwarzkopf .
Er beschrieb Einmal ein Adler als „klassischer Roman des Krieges und Kriegers. Sam Damon predigt nicht, er lebt seine Werte und sie sind universell, nicht nur militärisch. „
Zimdarsen | 21. Juli 2017 – 13:41,
vielen Dank für den Literaturhinweis. Zitat Seite 215:
„Im Zusammenhang mit den Beschlüssen der II. Internationale erklärte er freimütig…“
Ja, so habe mir die literarische Aufarbeitung vorstellt…
@ Politikverdruss | 21. Juli 2017 – 15:04
vermutlich nur ein Missverständnis unter uns.
Ich habe, aufgrund meiner Erfahrung in den letzen 10 – 15 Jahren meine Zweifel, dass die Zahl der Offiziere des Kalibers Matt Damon die derer überwiegt, die mit Massenware charakterisiert werden kann.
Mein Einwand auf Selbstkritik und den eventuell heilenden Effekt bezieht sich auf die Massenware. Ich hatte in meiner letzten Verwendung 6 x Massenware (bekomme mein Geld auch durch die Einnahme von Teilmahlzeiten) und 2x Ausbaufähig.
Mackiavelli | 21. Juli 2017 – 14:00,
stimme Ihnen zu.
Professor Wolffsohn verweist in seiner Rede vor den Rekruten auf das Bibelwort, „Liebet eure Feinde“. Und um die Soldaten nicht mit dem dadurch entstehenden Dilemma alleine zu lassen, sagt er: „Das Gebot gilt, doch leider ist es nicht wörtlich und wirklich umsetzbar“.
Ich bin mir nicht sicher, ob mir das als dort vereidigter Soldat auf meinem Weg in den Soldatenberuf geholfen hätte.
Vielleicht hätte ich mich doch mehr an Sigmund Freud gehalten. Der kritisierte die Gebote der Nächsten- und Feindesliebe in seinem Essay Das Unbehagen in der Kultur (1930) als identischen, übersteigerten, unrealistischen Altruismus.
Professor Wolffsohn Rede liest sich wie eine Zusammenfassung des Staatsbürgerlichen Unterrichts während der Grundausbildung. Aber auf die Kardinaltugend der Tapferkeit geht er nicht ein. Ein Thema, das bei einer Vereidigung unverzichtbar ist.
Deshalb kann ich der Ansprache auch nur wenig abgewinnen.
Ich beende jetzt mal div. Kommentarstränge, in denen ein pensionierter Offizier einem anderen pensionierten Offizier Realitätsverweigerung vorwirft, weil er dessen Ansicht ablehnt. Das bringt uns alle nicht weiter, vermutlich auch die Kontrahenten nicht; dennoch bin ich auf Wunsch natürlich beim Austausch der Mailadressen behilflich, damit diese gegenseitigen Auseinandersetzungen direkt fortgesetzt werden können.
@ tluassa | 21. Juli 2017 – 16:18:
Ich vermute, dass der Schlachtruf des Seebataillons auf die historischen Verbindungen zwischen Marineinfanterie und Marineartillerie zurückzuführen ist. Die MSK der Kriegsmarine ist dafür ein gutes Beispiel: https://de.wikipedia.org/wiki/Marinesto%C3%9Ftruppkompanie
@Bürger
‚ist ja nicht gerade PC-konform (TE-konform).
@klabautermann | 21. Juli 2017 – 18:44
„Was ist denn das Alleinstellungsmerkmal aller Alleinstellungsmerkmale in Sachen Tradition, Gesellschaft und Bundeswehr, das eigentlich jeden Vergleich mit den „ethischen“ Traditionen ehemaliger deutscher Streitkräfte oder anderer Streitkräte wie insbesondere der USA verbietet?“
Wenn das wirklich das „Alleinstellungsmerkmal“ hinsichtlich „TRADITION“ sein sollte, dann müssten wir wirklich unsere Armee auflösen.
„Staatsbürger in Uniform“ ist ein in der Tat prägendes (vielleicht (!) sogar konstituierendes) Merkmal der Bundeswehr, aber als Tradition kann es mangels „Bewährung im Kampf“ wohl kaum für alle dienen.
Zudem ist es auch für einen jungen Landser eher weniger „konkret-motivierend“.
Damit möchte ich keineswegs die Bedeutung des Staatsbürgers in Uniform schmälern.
Ich selbst wäre wohl nicht BO geworden ohne dieses Prinzip (dafür bin ich ein viel zu politischer Mensch ;) ), aber für junge Soldaten ganz am Anfang ihrer Karriere ist dieses Prinzip zwar sicherlich „politisch sinnstiftend“ (und sollte daher auch durchaus hervorgehoben werden), aber so abstrakt, dass es im Regelfall wohl nicht als Primärmotivation dienen kann.
Für uns „alte und kopflastige Männer“ mag das anders sein, aber man muss zur Erziehung und Prägung von 19järigen sich halt auch in die Köpfe von eben diesen versetzen ;)
Schon zu Hornblowre’s Zeiten waren die Seesoldaten zugleich auch die Schiffsartilleristen (Geschützbedienung/Richtkanoniere), denn das (zumeist gepresste) seemännische Personal wurde im Gefecht mehrheitlich zum manövrieren gebraucht. Noch bei der Kaiserlichen Marine war im Gefecht der Seesoldat zumeist Geschützbediener. Wenn man sich dann auf den Gegner eingeschossen hatte; kam das Kommando „Feuer frei !“ und dann legten die zumeist besser ausgebildeten und disziplinierteren Marineinfantreristen kadenzmäßig so richtig los und schickten mit den besten Grüßen von der Heiligen Barbara das feindliche Schiff zu den Außenbordskameraden.
Man muß also gar nicht die Wehrmacht bemühen. Seesoldaten waren schon immer zugleich Infanteristen als auch Artilleristen. Das hat sich im Zeitalter der Automatenlader natürlich geändert – aber alte „Wäffner“ wissen ganz genau, dass ihre traditionellen Wurzeln nicht aus dem Bereich Seefahrt kommen.
@klabautermann | 22. Juli 2017 – 5:12
Danke für diese Weiterbildung!
Hinsichtlich Wehrmacht vs. kaiserliche Marine –> vdL macht da ja keinen Unterscheid („alles böse und traditionsunwürdig vor 1955“).
Einen Hinweis habe ich allerdings: Das Seebataillon besteht hat keine Infanteristen im konzeptionellen Sinne deutscher Gefechtsführung. Es sei denn man versteht unter einem Infanteristen lediglich jemand, der mit einem Gewehr kämpft ;)
@Bürger Besser hätte ich es nicht formulieren können. Was ein Schwachsinn aus den USA.
Das man sich in Deutschland ernsthaft an so einem Blödsinn orientiert zeigt deutlich, wie weit unsere Militärwissenschaft heruntergekommen ist. Die USA hatte den Luxus, jedem bisherigen Gegner mit voller materieller Überlegenheit begegnen zu können. Da kann man sich Fiktionen a´la Rambo leisten und sogar daran fest glauben. In Deutschland aber lehrt die Geschichte etwas anderes…
@ Klabautermann
„Soldatische Erziehung ist eben in Deutschland zunächst einmal staatsbürgerliche Erziehung und nicht militärtechnokratische Ausbildung mit Schwerpunkt „every soldier is a rifleman“. Also dieser ganze sui-generis „Unsinn“. Deutsche Soldaten sind nicht dann „gute“ Soldaten, wenn sie „…..auch töten können“, sondern sie sind dann „gute“ Soldaten, wenn sie in und außer Dienst die staatsbürgerlichen Werte der Bundesrepublik beachten und danach leben,“
Nichts für ungut, aber was soll das nun aussagen? Dass Elternhaus, Gesellschaft und Schule/Universitäten versagen? Denn was Sie da anführen, sollte für JEDEN Staatsbürger, ob mit oder ohne Uniform, selbstverständlich sein. Also doch wieder die Armee als „Schule der Nation“, weil die anderen versagen, zur Vermittlung elementarer Bürgerwerte? Wo bleibt da der Anteil der vielgelobten „Zivilgesellschaft“ (was auch immer damit eigentlich genau ausgesagt werden soll)? Sie stellen diesem Staat und der Gesellschaft ein vernichtendes Urteil aus – dem stimme ich sogar zu, wenn auch aus anderen Gründen.
Ansonsten kann ich Ihre Ablehnung von „sui generis“ etc. nach wie vor nicht nachvollziehen. Aus Ihrer Zeit stammt doch der Slogan „kämpfen können (!), um nicht kämpfen zu müssen“. Zum kämpfen können gehört in erster Linie der militärische Anteil. Während in der „Zivilgesellschaft“ lieber weggeschaut wird, wenn Unrecht geschieht (vor allem, wenn man nicht allein ist und ja „ein anderer“ etwas unternehmen könnte), hat der Soldat sein Leben in die Wagschale zu werfen, auch dann, wenn die Geschichte dies irgendwann einmal, aus der Rückschau beim Glas Wein am Schreibtisch betrachtet, als unsinnig erachten mag. Ich bin mir sicher: All die Soldaten, die am 6.6.1944 die Strände der Normandie gestürmt haben, würden heute als Wahnsinnige gelten, wenn die Invasion gescheitert wäre. Nach heutigen Maßstäben ist jeder Angriff (bzw. offensive taktische Aktivität, wie es neudeutsch heisst) blanker Unsinn, weil so gut wie sicher ist, dass ein gewisser Anteil dabei verwundet wird oder fällt.
In ihrer Gelöbnisansprache betont Frau von der Leyen: „Und die Bundeswehr wird vielfältiger, weil sie die Vielfalt unserer offenen und freien Gesellschaft widerspiegelt. Nur so kann sie auch weiterhin fester Bestandteil der Gesellschaft sein, deren Schutz ihr Auftrag ist.“
Nun ist zu fragen, was will die Politikerin von der Leyen damit sagen? Vielleicht spricht sie von der „Offenen Gesellschaft“ eines Karl Popper. Besteht denn überhaupt Konsens in der politischen Ausrichtung auf dieses Gesellschaftsmodel? Oder gibt es im Lande nicht auch politische Kräfte, die es lieber mit Ralph Dahrendorf halten, der Kritik am Liberalismus von Popper übte, weil damit „die Notwendigkeit und Bedeutung von sozialen Bindungen und Traditionen“ unterschätzt werde.
An anderer Stelle(@Svarez) ist bereits darauf verwiesen worden, dass es nicht Aufgabe der Bundeswehr sein kann, Gesellschaftsmodelle zu schützen, über deren gesellschaftspolitische Tragkraft innerhalb der politischen Parteien Deutschlands unterschiedliche Auffassungen bestehen. Aufgabe der Bundeswehr ist es, die Bürger des Landes und territoriale Integrität Deutschlands zu schützen! Auf Grundlage des Grundgesetzes.
Und dass die Bundeswehr die „Vielfalt unserer offenen Gesellschaft…widerspiegelt“, wie Frau von der Leyen behauptet, ist doch auch zu bezweifeln, weil der politische Konsens über die Ausrichtung auf dieses Gesellschaftsmodell doch gar nicht gegeben ist. Völlig absurd wird es, wenn die Ministerin postuliert, die Bundeswehr könne nur „fester Bestandteil der Gesellschaft sein“, wenn sie so „vielfältig wie die Offene Gesellschaft“ werde.
Dass solche unausgegorenen Ideen anlässlich einer Rekrutenvereidigung von der Ministerin vorgetragen werden, deutet darauf hin, dass Frau von der Leyen die Armee, die sie vorgibt zu führen, immer noch nicht „begriffen“ hat. Und dass sie jungen Rekruten am Anfang ihres Soldatenberufes mit gesellschaftspolitischen Experimenten kommt, anstatt ihnen die Herausforderungen des Soldatseins zu erklären, zeigt, wie wenig sie ihre Aufgabe als IBuK verinnerlicht hat.
klabautermann | 21. Juli 2017 – 18:44
Dann hoffen wir mal, dass der böse Feind, der kämpfen will und töten kann, das alles würdigt und sich an die Vorschriften hält.
Die Ministerin sagt an einer Stelle, dass die Wachsamkeit den Ausschlag für die Überwindung des kalten Krieges war.
Ich denke, es war eher die Einsatzfähigkeit und die Bereitschaft.
Die Einsatzbereitschaft zweifele ich bei den Soldaten auh heute nicht an.
Die Einsatzfähigkeit in einem wirklichen Gefecht mit einem wirklichen Gegner von Verbänden mit mehr als 10000 Mann über einen Zeitraum von länger als 7 Tage sehe ich nicht mehr.
Den kalten Krieg hätte die BW im heutigen Zustand nicht bestanden.
So gesehen steht sie noch nicht einmal in der Tradition der BW 1989.
Die Ministerin und ihre Vorgänger sind dafür verantwortlich.
@Politikverdruss | 22. Juli 2017 – 21:15
Völlig absurd wird es, wenn die Ministerin postuliert, die Bundeswehr könne nur „fester Bestandteil der Gesellschaft sein“, wenn sie so „vielfältig wie die Offene Gesellschaft“ werde.
Daran finde ich nichts absurd.
Vor Jahren stritten wir hier, dass die Bundeswehr „ossifiziert“ (Artikel von Prof. Dr. Wolffsohn), in eine „Unterschichtenarmee“ (Artikel von Prof. Dr. Wolffsohn) verwandelt würde, in der sich als böse Mächte neben den Ossis auch Russlanddeutsche und Tätowierte befänden. Und seien sie noch als Mannschaften na ja, ginge das für das Offizierkorps gar nicht.
Ich widersprach dem und steckte einiges an Kritik dafür ein. Und dennoch bleibe ich dabei: Deutsche Armeen seit Scharnhorsts Reformen speisten ihren Nachwuchs von jeher auch aus Menschen in Schichten, die gesellschaftlich und/oder ideell wie materiell aufsteigen wollten und wollen. Gehen wir in die Geschichte, so finden wir herausragende Persönlichkeiten unter diesen wie unter dem Adel und Militäradel.
Ich habe in meiner Dienstzeit so wie viele andere hier auch, Ossis, Russlanddeutsche, Wessis, Reichenkinder, Menschen die den Aufstieg über die Armee suchen wollten oder mussten, Tätowierte und Untätowierte, Frauen, Männer, Homosexuelle und Heterosexuelle, Weiße, Schwarze, Gelbe, Muslime, Christen, Juden, Buddhisten zu braven deutschen Soldatinnen und Soldaten ausgebildet, soldatisch erzogen und als Menschen geführt.
Absurd ist es in meinen Augen lediglich, davon auszugehen, dass man irgendwo besser den Sinn des Art 3 GG verstehen lernt als in der Bundeswehr.
Absurd ist es in meinen Augen lediglich, davon auszugehen der von mir erwähnte Personenkreis könnte mit Gleichstellung, Diversität, usw. nichts anfangen, könnten keine interreligiösen und interkulturellen Kompetenzen entwickeln, auch wenn wir ihnen das 100mal erklärten.
Absurd ist es in meinen Augen lediglich, davon auszugehen der „Nachwuchs“ brächte das mit oder lernt das eben anschließend in tollen Schulungen und da muss man gar nichts weiter tun. Nur die Bestandssoldaten haben das alles noch nicht so richtig drauf.
Entscheidend ist und bleibt das Können-die ein oder andere gewollte Bevorzugung bei Förderung und Beförderung ausgenommen, btw: gerade Mannschaften haben ein feines Gespür dafür.
Was interessiert beim Stürmen der Höhe 123 die sexuelle Neigung, die Hautfarbe, das Elternaus des Mitstreiters, die gesellschaftlichen Einwände bzw Unsicherheiten der Gesellschaft zu Diversität? Entweder der Ausbilder hat sie vorher in der Ausbildung durch ein Stahlbad getaucht, sie zu tapferen Soldatinnen und Soldaten erzogen oder sie werden nicht auf Höhe 123 ankommen können.
Ich habe jetzt die Dimension Land als Beispiel genommen. Gleiches gilt für die anderen Dimensionen genau so, nur wird da eben anders „gestürmt“.
Ob ich das in der Rede erwähnt hätte wie die Ministerin? Eher nicht, weil Selbstverständlichkeiten, Normalitäten und Banalitäten zu erwähnen bzw hoch zu hängen, ist meine Sache nicht.Die Bundeswehr war und ist da offener als die Gesellschaft.
Und wenn schon, dann hätte ich es jugendlicher ausgedrückt: Herzlich Willkommen, bei uns bekommt jede ihre und jeder seine Chance! Warum? Weil wir es können.
…..und die Ministerin hat, als Sie unseren Eid zitierte, den Zusatz „dem deutschen Volke“ weg gelassen und im Nachgang auf die Bürgerinnen und Bürger verwiesen.
Evtl wird ja bald der Eid geändert. Auch verteidigen wir nicht nur das Recht und die Freiheit der Bürger der BRD sondern auch der EU Bürger.
Die Kommentare, die ausschließlich dazu dienen, seinem Abscheu über und der Abneigung gegen die Ministerin Ausdruck zu verleihen, entsorge ich mal angesichts intellektueller Überschaubarkeit.
@ Sachlicher | 23. Juli 2017 – 0:38
1 ++
Hans Schommer
Politikverdruss | 22. Juli 2017 – 21:15,
verehrter Sachlicher,
da wollen Sie mich aber gründlich missverstehen. Glauben Sie wirklich ich würde daran zweifeln, dass es gut und richtig ist, wenn die Bundeswehr ihre Soldaten aus allen Schichten einer vielfältigen Gesellschaft gewinnt? Und Zweifel hegen, dass die aus diversitärer Gesellschaft gewonnenen Soldaten nicht gute Soldaten seien und bestens in der Lage wären, „Höhe 123“ zu stürmen.
Ich kenne den Artikel von Prof Wolffsohn und stimme Ihnen ausdrücklich zu, wenn sie sich gegen das böse Wort von der „Ossifizierung“ und der „Unterschichtenarmee“ wenden. Die Bundeswehr wird immer Bestandteil dieser Gesellschaft sein, solange sie sich aus allen Schichten rekrutiert. Und sie braucht dazu nicht erst die Formen eines umstrittenen Gesellschaftsmodels anzunehmen, wie Frau von der Leyen sagt, um Teil der Gesellschaft zu sein.
Ich wende mich gegen das von Frau von der Leyen postulierte Gesellschaftsmodell der „Offenen Gesellschaft“. Erst vor wenigen Monaten schrieb die taz völlig zutreffend, dass die Kritik diesem Gesellschaftsmodell gegenüber sowohl aus dem linken, aber auch aus dem konservativen Spektrum käme. (taz 26.01.17)
Frau von der Leyen betreibt, zusammen mit anderen, die Entkernung des Konservatismus. Er gehört aber wie der Liberalismus und der Sozialismus zu den Säulen unserer Demokratie. Ich wende mich gegen eine Politikerin, die mir die politische Heimat des Konservatismus nehmen will. Und überhaupt nicht akzeptieren kann ich, dass Frau von der Leyen den politischen Kampf um die Ausrichtung der Gesellschaft bei einem „Feierlichen Gelöbnis“ in die Bundeswehr hineinträgt.
„………… Entweder der Ausbilder hat sie vorher in der Ausbildung durch ein Stahlbad getaucht, sie zu tapferen Soldatinnen und Soldaten erzogen oder sie werden nicht auf Höhe 123 ankommen können……“
Ich fasse es einfach nicht mehr – und prompt kommt auch noch ein 1 ++ hinterher.
Tja, Hamburgerhill-Kadavergehorsam ist ganz bestimmt ein sehr attraktives Erziehungs- und Bildungsangebot für die Generation Z /SARC
Elitendämmerungseffekt ? Prestigeverlustpanik ?
Ist schon blöd, wenn demnächst ein qualifizierter „Staatshacker_in in Uniform“ wahrscheinlich eine höhere Verpflichtungsprämie/Zulage bekommt als ein IdZ-Soldat.
Der Hacker ist allerdings nicht so blöd „stahlgebadet“ auf Kommando einen blöden Hügel hochzustürmen – allein dafür verdient der imho die höhere Besoldung /IRONIC.
@ Sachlicher
– sehr, sehr anständig
– Treffer Zielmitte
Danke für diesen erstklassigen Beitrag – alles auf den Punkt gebracht.
@Poliitkverdruss und andere
Das können Sie tun, so lange, so oft und in welcher Form Sie wollen. Aber Sie werden es künftig nicht mehr hier tun. Ich habe es nunmehr endgültig satt, dass für diese Form der politischen Auseinandersetzung, die den von Ihnen beschriebenen Kern hat, dieses Blog missbraucht werden soll. Nehmen Sie dafür Parteiforen und ähnliches. Danke.
@klabautermann | 23. Juli 2017 – 11:45
„Tja, Hamburgerhill-Kadavergehorsam ist ganz bestimmt ein sehr attraktives Erziehungs- und Bildungsangebot für die Generation Z /SARC“
Wer spricht denn hier von Kadavergehorsam? Ich habe (vor Ihrem Kommentar) nichts in diese Richtung gelesen.
„Ist schon blöd, wenn demnächst ein qualifizierter „Staatshacker_in in Uniform“ wahrscheinlich eine höhere Verpflichtungsprämie/Zulage bekommt als ein IdZ-Soldat.“
Ich sehe da kein Problem. Verpflichtungsprämien sind immer ein Mittel der Bedarfsdeckung/Personalwerbung (Zulagen sind da teilweise etwas anders gelagert, aber um der Vereinfachung willen, schmeiße ich sie hier mal in einen Topf).
Da die Kampftruppe derzeit keinen Nachwuchsmangel hat, bedarf es auch keiner Zulagen.
Ganz anders als bei den IT-orientierten Verwendungen.
Allerdings haben beide Verwendungs“richtungen“ unterschiedliche Motivierungsansätze und einen unterschiedlichen Prägungsbedarf.
Zumal in den meisten Szenaren ITler ja erst unter Beschuss kommen, nachdem die Kämpfer den Feuerkampf verloren haben.
Und für Kämpfer benötigen nun einmal „Pathos“ und militärische Sinnstiftung und da war jetzt bei vdL nicht viel von zu sehen (und auch bei Wolffsohn nur sehr einschränkt).
@ klabautermann
In Ihrem Wüten ist Ihnen aber schon klar, dass ein „Hamburger Hill“-Szenario für Teile der Streitkräfte weiterhin (leider) realistisch bleibt? Oder reihen Sie sich bei denen ein, die beispielsweise nach den Gefechten des 22. Ktgts ISAF betroffen auf Tauchstation gegangen sind, weil das „Unmögliche“ – trotz massiver Warnungen der Kräfte vor Ort – doch eingetreten war?
Ich greife mal Ihre Wortwahl auf: Ich fasse es nicht, dass ein StOffz a.D. mit Ihrem Erfahrungsschatz so dermaßen gegen alles wütet, was nicht seinem 4.0-Weltbild entspricht. Natürlich brauchen wir CIR-Nachwuchs, aber genauso brauchen wir den in der Schlammzone bei Heer, Luftwaffe und Marine. Und die spricht man eben nicht mit „Studium bei vollem Gehalt und Klimaanlage“ an, sondern gerade zu Anfang mit fordernder Ausbildung und, man verzeihe mit die flapsige Formulierung, Aussicht auf (Zitat) action (Zitat Ende). Aber hey, das ist ja völlig „blöd“ – ich werde es den Angehörigen der Generation Z so mitteilen, wenn ich wieder gefragt werde, ob man lieber Feld- oder Fallschirmjäger werden sollte…
Nichts für ungut und ganz ohne /IRONIC.
Solche vermeintlichen klugen, z.T. ideologisch anmutenden Argumentationen wie die von @ klabautermann haben nur Bestand in Friedenszeiten. Geschrieben werden sie weit entfernt jeglicher Szenare die für ein Gewinnen von Gefechten, Operationen, Siegen in Feldzügen und Schlachten notwendig sind. Geschrieben werden sie vom grünen Tisch oder im friedlichen Ruhestand. Geschrieben mit dem Blick auf vermeintlich harte Zeiten als aktiver Offizier. Diese sind mit der Komplexität, Härte und Grausamkeit des Gegeners in zukünftigen Kriegshandlungen nicht zu vergleichen. Wir hoffen alle seit 60 Jahren, das Landes – und Bündnisverteidigung nicht das erfordert, was im schlimmsten Fall eintreten könnte. Das kann hart ,grausam und sehr unschön sein. Die bittere Fratze des Krieges. Da kommt es auf vorzügliche OPerations- und Truppenführung, Mut, Härte und weitere soldatische Tugenden an, die hier und heute von einigen Schreibern mit Schaum vor dem Mund als unzeitgemäß beschrieben werden. Da kommt es darauf an, mit tiefer Überzeugung für unser Land zu kämpfen und nicht zu reden. Es gilt solche Szenare zu durchdenken, da kommen die klugen Redner, die alles mit Bezug zum Kampf ablehnen, nicht zum Zug. Da geht es dann genau um den Kampf, den hier einige übertrieben ablehnen. Es wird Situationen geben, da werden wir uns wünschen, den vermeintlich dumpfen Kämpfer in unseren Reihen zu haben. Genau dann wenn uns der rücksichtslose, grausame aber auch gut ausgebildete und ausgerüstete Kämpfer des Feindes gegenüber steht.