Dokumentation: Reden zum 20. Juli – von der Leyen, Wolffsohn
Die Reden beim traditionellen Feierlichen Gelöbnis der Bundeswehr zum 20. Juli, dem Tag des deutschen militärischen Widerstands gegen Adolf Hitler, dürften in diesem Jahr unter einem ganz besonderen Blickwinkel aufgenommen werden: Sagen die Redner vor dem Hintergrund der seit Monaten tobenden Debatte über Traditionsverständnis und -pflege in den Streitkräften etwas zu eben diesem Traditionsverständnis? Greifen sie das auf, und wenn ja, wie?
Am (heutigen) 20. Juli redet zudem nicht nur Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, sondern vor allem als Hauptredner der frühere Geschichtsprofessor an der Bundeswehruniversität München, Michael Wolffsohn. Der ist für oft pointierte Aussagen bekannt – und hatte aktuell in einem Interview von Soldaten mehr Bereitschaft zur Selbstkritik gefordert.
Zur Dokumentation hier wesentliche Passagen aus der – vergleichsweise kurzen – Ansprache von der Leyens und Wolffsohns Rede jeweils in der vom Verteidigungsministerium vorab veröffentlichten Fassung:
Ursula von der Leyen (Auszug)
Die Truppe stellt sich breiter und unterschiedlicher auf – weil die heutigen Bedrohungen und Aufgaben neue Antworten erwarten. Wir sprechen von hybriden Kriegen, die auch im Cyber- und Informationsraum entschieden werden. Und die Bundeswehr wird vielfältiger, weil sie die Vielfalt unserer offenen und freien Gesellschaft widerspiegelt. Nur so kann sie auch weiterhin fester Bestandteil der Gesellschaft sein, deren Schutz ihr Auftrag ist. Sie hat viele Menschen in ihrer Mitte, die das Leben gelehrt hat, sich auf andere Sichtweisen und Kulturen einzustellen.
Wir wollen Ihnen, den jungen Soldatinnen und Soldaten, ein modernes, aufgeschlossenes und achtsames Umfeld schaffen. Und Sie kommen in unsere Bundeswehr, die ihre eigene Geschichte benennt, würdigt und entfaltet.
Offenheit und Fortschritt sind aber auch aus einem anderen Grund zunehmend wichtig: Wir sind eine Freiwilligenarmee des 21. Jahrhunderts, die in jedem Einsatz Seite an Seite mit Soldatinnen und Soldaten anderer Nationen agiert. Unsere Streitkräfte sind inzwischen multinational eingewoben in der Europäischen Union und der Nato.
Zu diesem Erfolg der Bundeswehr haben im Laufe der Zeit insgesamt über 15 Millionen Soldatinnen und Soldaten beigetragen. Sie, Rekrutinnen und Rekruten, reihen sich jetzt in diese traditionsreiche und stolze Formation ein. In die Formation derer, die unsere Bundeswehr als Streitkräfte in der Demokratie aufgebaut haben; die an der Seite unserer Partner im Kalten Krieg durch Wachsamkeit den Frieden gewahrt haben; die zum Schutz und zur Unterstützung unserer Bevölkerung immer da waren, wenn sie gebraucht wurden – bei Hochwasserkatastrophen oder bei der Aufnahme der Flüchtlinge im vergangenen Jahr; die weltweit in über 60 Einsätzen eingetreten sind für Menschenrechte und Menschenwürde; und die sich dabei auch im Gefecht mit Mut, Tapferkeit und Kameradschaft bewährt haben.
Deshalb, liebe Rekrutinnen und Rekruten, der 20. Juli. Deshalb dieser Ort vor dem Ehrenmal der Bundeswehr.
Michael Wolffsohn (komplette Rede)
Soldatinnen und Soldaten – Sie sind heute die Hauptpersonen,
Sehr verehrte Frau Bundesministerin, meine Damen und Herren,
Sie stehen hier. Sie stehen hier nicht nur körperlich. Sie stehen hier sinnbildlich und vorbildlich für unseren Staat, die Demokratie der Bunderepublik Deutschland. Es ist der beste, weil freiheitlichste, demokratischste, menschlichste Staat, den es je auf deutschem Boden gab.
Gleiches gilt für unser Militär, die Bundeswehr. Auch weltweit muss unsere Bundesrepublik Deutschland keinen Vergleich scheuen.
Das heißt nicht: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.“ Das heißt: Deutschland richtet sich nach dem Welt- und Wertmaßstab der Menschen- und Bürgerrechte bzw. den „Westlichen Werten“.
Das ist keine Selbstüberhöhung des Westens. Das ist die Ausrichtung am Menschen, am Menschen an sich, sei er weiß, schwarz, gelb, Christ oder Nicht-Christ. Dazu gehört nicht nur die eigene Freiheit, sondern gerade die Freiheit derer, die anders denken, leben oder lieben.
Diese Westlichen Werte sind viel älter als „der Westen“. Sie stammen aus dem Osten, aus dem Alten Orient, dem Alten und dann dem Neuen Testament. In beiden heißt es: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“
Wie Judentum und Christentum, wie die Bibel, kommt auch der Islam, kommt der Koran aus dem Orient. Orient und Okzident – sie entstammen den gleichen Quellen; auch wenn es viele nicht wissen, manche verdrängen oder verbiegen.
In der Hebräischen Bibel steht der Satz: „Liebe den Fremden wie dich selbst“. Sind diese beiden Gebote nicht viel ausdrucksmächtiger als die heutigen Allerweltswörter Toleranz oder Integration?
Jesus sagt in der Bergpredigt: „Liebet eure Feinde“. Das Gebot gilt. Doch leider ist es nicht wörtlich und wirklich umsetzbar, weil und wenn das Leben von Menschen bedroht ist und geschützt werden muss. Eben durch Militär.
„Alle Menschen sind gleich geboren“ und haben, so die Unabhängigkeitserklärung der USA, die gleichen Rechte, vor allem das Recht auf „Leben, Freiheit und das Streben nach Glück.“ Soldatinnen und Soldaten, achten Sie bitte auf die Reihenfolge bei der Nennung der Menschenrechte auf „Leben, Freiheit und Streben nach Glück“.
Leben. Damit ist nicht zuletzt Sicherheit gemeint. Die Sicherheit, dass man als friedliebender Mensch leben bzw. überleben kann. Ist das nämlich nicht der Fall, gibt es weder Freiheit noch Glück. Das bedeutet: Ohne Sicherheit kein Leben. Und für Sicherheit, Soldatinnen und Soldaten, sind SIE unser aller Garant. Dafür verdienen Sie den Dank aller, auch wenn Ihnen nicht alle danken.
Sie stehen als Bundeswehr-Soldaten für Sicherheit und Freiheit. Sie stehen hier am 20. Juli. An diesem Tag, an diesem Ort, zerbrach 1944 der militärische Widerstand. Wir danken allen, die unter Einsatz ihres Lebens die Verbrechen des Nationalsozialismus beenden wollten. Die Nationalsozialisten haben andere Völker millionenfach ermordet, allen voran 6 Millionen Juden. Darüber hinaus haben die Nationalsozialisten ihr eigenes Volk, die Deutschen, verraten und den Untergang Deutschlands in Kauf genommen. Dass Deutschland trotzdem überlebte, zunächst in zwei Staaten und seit 1990 wieder vereint, verdanken wir den Siegern über Deutschland. Es ist auch tagespolitisch nicht unangebracht, sich dessen bescheiden zu erinnern. Dass sich die Welt mit dem neuen Deutschland aus- und versöhnen konnte, verdankt es nicht zuletzt dem Vermächtnis des deutschen Widerstands, vor allem dem militärischen Widerstand des 20. Juli 1944, das Bundesrepublik und Bundeswehr seit jeher besonders pflegen.
Wir leben in einer Demokratie, der deutsche Widerstand kämpfte gegen eine Diktatur. In einer Demokratie muss keiner Widerstand leisten. Widersprechen kann jeder, und Widerspruch gehört zur Demokratie.
Auch in Demokratien erfordert Widerspruch manchmal Mut. Er kann sogar gefährlich sein, doch nie lebensgefährlich. Widerspruch ist fürs Denken des Einzelnen sowie für alle in einer Demokratie unverzichtbar, sogar im Militär einer Demokratie.
Oft wird gesagt: Militär und Demokratie schlössen einander aus. Natürlich gelten in der Bundeswehr Gehorsam und Befehl. Aber weder Kadavergehorsam noch Duckmäusertum. Der Geist der Bundeswehr ist moralisch und militärhistorisch in einer Hinsicht geradezu einzigartig, denn er versucht – gemäß dem Vermächtnis des 20. Juli 1944 – mit dem Bild vom „Bürger in Uniform“ zu verbinden, was schwer zu verbinden ist: Befehle und Bürgerrechte. Befehle zu empfangen, sie auszuführen, trotzdem mit- oder gegenzudenken und, wo nötig, zu widersprechen.
Soldatinnen und Soldaten, Sie sehen, dass Sie auch einen moralisch anspruchsvollen Weg beschreiten. Natürlich ist auch die Bundeswehr nicht perfekt. Auch hier menschelt es. Nie und nirgends entspricht das Idealbild dem Realbild, doch lassen Sie sich nicht vom Zerrbild über die Bundeswehr in die Irre führen.
Zum Realbild gehört nicht zuletzt Folgendes: Allein hier und heute stehen 332 männliche und weibliche Rekruten. 20 Prozent sind Frauen. Es werden sicher bald noch mehr. Das ist gewollt und gut.
Fakt ist auch: Rund 20 Prozent der Deutschen haben einen Migrationshintergrund. Ungefähr gleich hoch ist diesbezüglich der Anteil in der Bundeswehr. Hier findet man Christen, Muslime, Juden, Andersgläubige und Nichtgläubige. Wie allgemein in Deutschland. In Bundeswehr und Bundesdeutschland kann, soll und darf „jeder nach seiner Facon selig werden“.
Sie alle, Soldatinnen und Soldaten, sind nicht nur auf dem Papier Deutsche und sie sprechen nicht nur perfekt deutsch. Sie sind Deutsche mit Herz, Verstand und Überzeugung. Sie leisten für dieses lebenswerte Deutschland viel mehr als die vielen deutschen Ohnemichels.
Zum Menscheln und zur Menschlichkeit gehört in einem Militär noch mehr als woanders Kameradschaft. Ohne Kameradschaft und Freundschaft keine Menschlichkeit. Doch Kameradschaft ist etwas anderes als Kameraderie, die menschliche Werte unter den Teppich fegt. Soldatinnen und Soldaten, seien Sie einander gute Kameraden ohne Kameraderie.
Wie an jedem Arbeitsplatz der Welt, gibt es auch in der Bundeswehr Anordnungen (man nennt sie hier „Befehle“). Es gibt Ärger, Defizite und Fehlentwicklungen wie zum Beispiel das Fehlverhalten von Vorgesetzten, rassistische Deutschtümelei oder Männer-Chauvinismus. Dieses Verhalten widerspricht dem Geist der Bundeswehr. Deshalb haben Sie über den Wehrbeauftragten die Möglichkeit, ihren persönlichen Ärger zum allgemeinen und öffentlichen Ärgernis, ja, zum Politikum zu machen.
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Letztlich bestimmt daher der Bundestag über Ihr Wohl und Wehe. Hin und wieder werden Sie sich über die jeweilige Koalition oder Opposition oder auch über beide ärgern, vielleicht sogar über einzelne Minister oder Ministerinnen. Wie alle Bürger können Sie das ändern. Beteiligen Sie sich an Wahlen und bürgerschaftlichen Belangen. Strafen Sie Ihre Kritiker Lügen – durch Wort und Tat.
Soldatinnen und Soldaten, Sie stehen hier für ein menschliches Deutschland und dessen menschliches Militär, die Bundeswehr. Sie begeben sich in Gefahr und manchmal sogar in Lebensgefahr, damit weltweit Menschlichkeit obsiegt. Wenn Sie in den Kampf geschickt werden, dann immer für Menschlichkeit und immer mit Gleichgesinnten anderer menschlicher Staaten gegen Menschen, die anderen Menschlichkeit gewaltsam verweigern. Die meisten Deutschen und die mit Deutschland befreundeten Weltbürger sind Ihnen dafür dankbar. Sie sind stolz auf Sie.
Sie können stolz sein. Stolz auf sich selbst, auf unser Land und auf unsere Werte, für die Sie hier stehen und fortan täglich einstehen.
(Archivbild: Feierliches Gelöbnis auf dem Paradeplatz des Bundesministeriums der Verteidigung am 20.07.2015 – Bundeswehr/Sebastian Wilke)
@ Voodoo:
Ich glaube, eine Diskussion hat keinen Wert, da sind die Fronten zu verhärtet. Der Soldatenberuf ist ein Beruf wie jeder andere auch, basta, „sui generis“ wird von Klabautermann nicht als nüchterne Tatsache angesehen, sondern als vermeintliche Überhöhung des eigenen Berufsstandes bzw. als Herabwürdigung der anderen.
Aber es ist recht symptomatisch: Die Tatsache, dass man als militärischer Führer in die Lage kommen kann, einen seiner Männer in den sicheren Tod schicken zu müssen, um einen Auftrag zu erfüllen oder/und den Rest der Gruppe zu retten, kommt ja im offiziellen Denken gar nicht mehr vor – oder wird, wie treffend, als „Kadavergehorsam“ angesehen. Stattdessen „zero casualty“-Taktik. Mich würde mal interessieren, wie viele Gefechte erfolgreich/siegreich geführt wurden, die nach der Maxime „Das wichtigste ist, dass alle wieder heil nach Hause kommen“ geschlagen wurden. Ich hoffe, dass wir niemals in die Bredouille kommen werden, mit dieser Denke in einem Gefecht gegen einen Gegner bestehen zu müssen, der sich selbst nicht den Gesetzen der Logik verschließt. Wie soll Generalfeldmarschall von Rundstedt am Tag der Invasion gesagt haben „Eine Landung in der Normandie ist gegen alle Gesetze militärischer Logik. Gegen alle Gesetze der Logik überhaupt.“ Offenbar galt auch schon seinerzeit das geflügelte Wort, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.
Wenn die „Stahlgewitter“-Fraktion hier anderen – oder besser: vor allem einem – ideologische Sichtweise und „Schaum vor dem Mund“ vorwirft, sollte sie bitte mal ihre eigene Wortwahl überprüfen. Ansonsten wäre ich dankbar für die Rückkehr zu einer sachlichen Argumentation. Das gilt einfach mal generell in die Runde. Danke.
@ ghost @ stahlgewitter
schon gelesen?
http://www.zeit.de/2005/46/A-Bundeswehr/komplettansicht
Auszug:
Mit der Rede von den „zeitlosen soldatischen Tugenden“ indes wird die komplexe und grauenvolle Realität des Vernichtungskriegs und des Besatzungsterrors auf Lebensgeschichten von „Kampf und Sieg“ reduziert.
Meine Güte – das wird hier ja immer übler. Jetzt fühlt sich der Chef schon gemüßigt, dem Klabautermann die Hand unter den Hintern zu halten, wenn der argumentativ zerlegt wird.
Schlimmer geht’s nimmer.
Und ja, Herr Wiegold, ich rechne natürlich damit, dass auch dieser kritische Beitrag nicht „auf Sendung geht“. Ist aber auch egal – der Rest der Leserschaft wird sich ihr Bild schon machen. Meine Empfehlung an Sie: Scheuklappen ablegen!
Hans Schommer
[Der Ton, Herr Schommer, trägt ziemlich zur Wahrnehmung bei. Nehme an, Sie benehmen sich im täglichen Leben auch so? Na dann viel Spaß. In MV mag das so üblich sein. T.W.]
@ Robinson
Danke für diesen Artikel von Jakob Knab.
Ich muss zugeben, auch ich habe wegen dem Wegfall des Traditionsnamens „Mölders“ beim Jagdgeschwader 74 in Neuburg im Jahre 2005 geschimpft. Vor allem weil der Beschluss im Bundestag im Jahre 1998 dazu in einer Spätabendvorstellung mit 20 – 30 Abgeordneten fiel. Einer davon war Peter Struck, der spätere Verteidigungsminister, der den Beschluss dann umgesetzt hat.
Die meisten Soldaten, die sich ebenfalls gegen den Wegfall des Traditionnamens gewehrt haben, haben sich aber auf die 30 jährige Vorbildfunktion berufen, mit der man Mölders ganzen Bw-Soldatengenerationen als Vorbild in Haltung, Tapferkeit und Professionalität präsentiert hat.
Mit dem Wissen von heute über die Beteiligung von Mölders an der Legion Condor und auch an seiner nie geläuterten Haltung zum NS-Staat sehe ich das allerdings anders.
Deshalb muss man auch sehr genau untersuchen, wenn man einen Soldaten der Wehrmacht zum traditionsstiftenden Vorbild erheben will.
@Robinson
Danke für den Link.
„Traditionspflege ist Erinnerungskultur nach innen und Geschichtspolitik nach außen.“
Doch leider ist bei uns der Kampf um Freiheit noch nicht in die Militärkultur übergegangen.
Der Staat war leider all zu oft Gegner der um Freiheit ringenden Bürger und wußte wie er sich seine Soldaten gefügig macht.
Es wirt Zeit für eine demokratische und freiheitliche Traditionslinie.
Tradition, Respekt und Gedenken sollten eben sauber getrennt werden.
Dieser Zwang zur Namensgebung ist bedauerlich aber evtl kann man sich ja dann im Rahmen der polBil daran abarbeiten.
@ Georg:
Die Aberkennung des Traditionsnamens „Mölders“ beim JG 74 war von vorn bis hinten ein schlechter Witz. Angefangen bei der von Ihnen angesprochenen Bundestagsabstimmung mit einer einseitigen „Rumpfmannschaft“ und endend bei der Tatsache, dass Mölders an der Bombardierung Gernikas – welche ja der symbolträchtige Anlass für die Umbenennung war – nicht beteiligt war. Wenn man sich dann noch den Tenor des MGFA durchliest, dann kann man den Namen Mölders im Grunde durch jeden x-beliebigen Soldaten der Wehrmacht ersetzen, der es im Kriege zu einer gewissen Bekanntheit gebracht hat. Das war keine Sternstunde des Parlaments.
[Diesen OT, der zudem sehr unterschiedlich gesehen wird, walzen wir hier bitte nicht weiter aus. T.W.]
Ich bin mir nicht sicher, obs hier eigentlich passt (falls nicht, möge Herr Wiegold den Post einfach entfernen), aber folgender Satz in der Wolffsohn-Rede ist mir doch ein wenig sauer aufgestoßen:
„Darüber hinaus haben die Nationalsozialisten ihr eigenes Volk, die Deutschen, verraten und den Untergang Deutschlands in Kauf genommen.“
Ein wenig klingt diese Trennung für mich nach einer bloßen Abwandlung des alten „Wir wussten von nichts“ – auf der einen Seite die verbrecherischen Nazis, auf der anderen die der guten Deutschen, die mit den Verbrechen nichts zu tun hatten und eben „verraten“ wurden.
Das von einem Geschichtsprofessor zu hören tut schon einmal weh, aber schwierig finde ich es vor allem im Hinblick darauf, dass diese Denkweise, so man sie denn auf die Zukunft anwenden würde, das Zurückfallen in diese alten Muster „Ich hatte ja nur Befehle befolgt“ und „Ich wurde von meinen Vorgesetzten/den Regierenden verraten“ erleichtert oder sogar rechtfertigt. Das gilt nicht nur für Soldaten, aber gerade dort finde ich das befremdlich und bedenklich.
@ T.W. Je m’excuse!
@ Sakrileg:
In letzter Konsequenz geht es um Befehl und Gehorsam – und um das Primat der Politik. Das war im Grunde genommen nie anders und wird auch vermutlich immer so sein. Der Soldat der Bundeswehr muss sich darauf verlassen können, dass die Aufträge, welche die Politik an ihn vergibt, rechtmäßig sind. Gleichwohl halte ich es für recht wahrscheinlich, dass man sich in 30, 40, 50 Jahren die Frage stellen wird, was wir eigentlich z.B. in Afghanistan getan haben. Nicht im Hinblick auf Kriegsverbrechen o.ä., sondern einfach: Was sollte das ganze? War es das wert? Wieso habt ihr/hast Du da mitgemacht, Dich womöglich freiwillig dazu gemeldet, obwohl doch zumindest in Ansätzen erkennbar war, dass das ganze zu nichts führt. Und was war eigentlich mit dem Einsatz der Luftwaffe gegen Serbien? Ohne Resolution des VN-Sicherheitsrates? Dann ist die Begründung, dass der Deutsche Bundestag dies so (mehrfach) mandatiert hat und das man als Soldat letztlich Befehle befolgt, nicht wohlfeil, sondern eine Tatsache. Ob dies unseren „Nachfahren“ als Begründung ausreichen wird, werden wir ggf. erfahren.
So langsam wird immer deutlicher, dass nach Aussetzen der allgemeinen Wehrpflicht die Kameraden der Massenheerfraktion unter ideologischen Phantomschmerzen leiden, denn ohne Massenheer verlieren die meisten operativen und taktischen Konzepte ( wie z.Bsp. HDv 100/100) angesichts der demographischen, technologischen, operativen, soziologischen und völker-/rechtlichen Rahmenbedingungen letztendlich ihre Gültigkeit.
Aber das wäre auch bei einer erneuerten Wehrpflicht der Fall, denn „Stahlbadausbildung zum Erstürmen von Höhe 123“ wird wohl als Staatsbürger-in-Uniform-Ausbildungs-Norm kaum durchsetzbar sein in Deutschland 2017 ff..
Die Stahlbademeister drehen sich mittlerweile argumentativ ziemlich ratlos im Kreise und sitzen in einer selbst geschaffenen Zirkelschlußfalle, denn sie haben keinerlei realistische Alternativkonzepte zu bieten außer „ich wollt es wär Krieg“.
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@klabautermann | 23. Juli 2017 – 11:45
Ich fasse es einfach nicht mehr
Sie reagieren auf ein Wort, ohne den Kontext beachten zu wollen.Ich stehe zu dem Wort, weil der Kontext die Verwendung rechtfertigt und Ihre Worte dies mMn nicht in Frage zu stellen vermögen.
Der Hacker ist allerdings nicht so blöd „stahlgebadet“ auf Kommando einen blöden Hügel hochzustürmen – allein dafür verdient der imho die höhere Besoldung /IRONIC.
Sollte „der Hacker“ jemals in eine solche Situation gestellt werden, was in Bezug auf die Dimension Land zu bezweifeln ist, so gehe ich a) in Kenntnis und Erleben der Bundeswehr davon aus, dass dieser das vorbereitet, also ausgebildet bzw befähigt und entsprechend ausgestattet bzw eingebettet in das dann zu erwartende Gefecht der verbundenen Kräfte tut und b) sein Vorgesetzter dies rechtmäßig und verbindlich unter Beachtung der Gesetze, Verordnungen, Vorschriften, usw. befiehlt.
Darum beginge er bei Nichtantritt ein Dienstvergehen, ein Begehen einer Wehrstraftat wäre zu prüfen.
Den Rest Ihres Posts möchte ich nicht beantworten.
@sakrileg | 23. Juli 2017 – 22:24
Ich denke nicht, dass Prof Dr Wolffsohn damit zum Ausdruck bringen wollte, dass sich die Deutschen aus der Verantwortung entlassen durften und dürfen. Natürlich mit Ausnahme derer, die von Anfang bis Ende im tatsächlichen Widerstand bzw vertrieben, verfolgt und eingesperrt waren.
Ich denke, es ist eine Reminiszenz an die Verpflichtung der Soldatinnen und Soldaten sich nicht mißbrauchen zu lassen für revanchistische wie auch ganz allgemein undemokratische Umtriebe, usw. Ich denke das, weil der Kontext der Rede dies mMn so hergibt.
@Robinson | 23. Juli 2017 – 16:45
@ stahlgewitter
Meinen Sie mich damit?
@Sachlicher | 24. Juli 2017 – 0:26
Da Sie mit dem Begriff wohl kaum eine eisenhaltige Heilquelle meinen, kann kein Kontext die Verwendung dieses zutiefst historisch militaristischen Begriffes für die Ausbildung von Staatsbürgern in Uniform im 21. Jh. gestatten. Das Militär ist nicht die Schule der Nation (in der Diversität zu Konformität gepresst wird), und militärische Konflikte, bzw. die Ausbildung dazu sind kein Stahlbad zur sozialdarwinistischen Abhärtung der Jugend. Hügel 123 können Sie auch ohne „Stahlbad“ vorab nehmen.
Mit solchen Vokabeln greifen Sie einfach nur daneben. Nehmen Sie sich, zumindest doch Ihr Pseudonym ernst und verzichten Sie auf solch pathetische Metaphern.
Donnerwetter. Da bin ich aber baff mit welcher Inbrunst sich hier im Wortgefecht begegnet wird.
Persönlich finde ich mich in den Worten von Prof. Wolffsohn absolut wieder. Für mich persönlich hätte der Dienst in anderen Streitkräften dieser Welt gar keinen Sinn gemacht. Und ich glaube auch ein junger Mensch macht sich Gedanken wofür er den höchsten Preis zu zahlen bereit ist.
Was ich darüberhinaus nicht verstehe ist die doch scheinbar weiter vertretene Meinung das sich „Staatsbürger in Uniform“ und „Tapferkeit“ bzw. „fordernde Ausbildung und harter Einsatz “ in irgendeiner Weise ausschließen müssen. Ich hatte in 10 Jahren als Panzergrenadier nie den Eindruck das es hier einen nicht aufzulösenden Widerspruch gäbe.
Ich fühle mich nicht als Ewiggestriger und das mag Ihr Eindruck sein, aber kehren wir doch in diesem Fall zurück zur Kernfrage: Für was soll „Kampf“truppe denn Ihrer Meinung nach ausbilden, wenn nicht für den „Kampf“?
Um beim Beispiel „Höhe 123“ zu bleiben – das war im amerikanischen Einsatzraum am Hindukusch – vgl. Kamdesh, Wanat und Korengal Valley (und / oder Hügel 3234, wenn man die Sowjets mitzählen möchte) – relativ real; sie haben evtl. Restrepo gesehen. Müsste ich nicht allein schon deshalb, weil der Einsatz in AFG politisch eben nicht so klar beendet ist, wie es den Anschein hat, meine Ausbildung entsprechend anpassen?
Im Übrigen sind die Höhe 431 und Höhe 432 im Raum Char Darah längst Gegenstand jüngster deutscher Militärgeschichtsschreibung – glücklicherweise nicht, weil sie, wie einige FOB im Süden, überrannt wurden, als deutsche Kräfte sie besetzt hielten, sondern weil sie als beherrschende Höhen im Raum „erobert“ wurden.
Leute was geht hier ab!
Die Berufswahl sollte eine mehr oder weniger rationale Abwägung von Chancen und Risiken und persönlicher Neigung sein.
Wer junge Menschen nur mit Pathos und Heldentum ködert, vergeht sich an Ihnen.
Ein paar Fakten sind wohl unbestritten:
– Krieg ist gefährlich, da sterben Menschen und deshalb ist es besser keinen zu führen.
– Das erreicht man am Besten durch Abschreckung.
– Im Krieg sterben regelmäßig mehr Zivilisten als Soldaten. Es kann daher rational sein, selbst (Zeit/Berufs-) Soldat zu werden und auf die eigene „abschreckende Wirkung“, oder den eigenen Beitrag dazu, zu setzen.
– Der Krieg bringt das Beste, aber auch das Schlechteste im Menschen hervor. Und man kann schuldlos schuldig werden. Gerade deshalb ist es besser keinen zu führen.
Wer damit nicht klarkommt, sollte einen anderen Beruf wählen.
So einfach und doch so schwierig ist es.
Die moralische Überhöhung des „Tötens und getötet werden“ entlarvt sich spätestens als hohl und falsch, wenn man vom Douaumont auf die „Kegelbahn“ blickt.
Die „sui generis“- Diskussion hat mit Tapferkeit nichts zu tun, sondern dient in meinen Augen nur der Erhaltung überkommener Privilegien des Soldatenstandes. Und die Stände sind in der Republik abgeschafft!
@Voodoo
Ich kenne nur nehmen (feindbesetzt), gewinnen (unbekannt) oder erreichen (feindfrei) – erobern ist mir nicht eingängig.
Aber ich meine das die Höhen erreicht wurden, denn Feind war nicht vor Ort und in eine unklare Lage haben wir niemanden geschickt beim erreichen der beherrschenden Höhe.
Karl Mohr | 24. Juli 2017 – 10:35
Danke. Insgesamt haben Sie meine Volle Zustimmung.
Lediglich die „sui generis“ – Diskussion hat sicher auch ganz unterschiedliche Ausgangspunkte und Herkünfte, auch wenn diese sicher auch mal zur „Privilegienverteidigung“ dienen mag.
Die Stände des Mittelalters gibt es sicher nicht mehr… aber sehr wohl Berufsstände mit ganz eigener gesellschaftlicher Ausprägung ;-)
@klabautermann | 23. Juli 2017 – 23:45
Wie @Sachlicher und @Voodoo vollkommen richtig ausführen sind solche Szenare auch im Jahre 2017 nicht ausgeschlossen.
Wer solche Dinge negiert und unseren jungen Soldaten (und den potenziellen) Nachwuchs nicht mental, physisch und ausbildungstechnisch darauf vorbereitet gefährdet Leben und Einsatzbereitschaft!
@JPG | 24. Juli 2017 – 9:30
„Stahlbad“ ist sicherlich eine etwas dramatische und vielleicht auch sehr traditionelle Formulierung, aber wenn es um Leben und Tod geht und um Ehrlichkeit ggü. unseren Soldaten und um Motivation zum Dienen, dann sind drastische Worte manchmal notwendig.
Vor allem wenn große Teile unserer Gesellschaft (und offensichtlich auch unserer Poltische Leitung) dazu tendieren diese Fragen entweder verschweigen oder deren Existenz sogar zu negieren.
@Karl Mohr | 24. Juli 2017 – 10:35
„Wer junge Menschen nur mit Pathos und Heldentum ködert, vergeht sich an Ihnen.“
Stimmt, wer sie NUR mit Pathos und Heldentum KÖDERT, der vergeht sich an ihnen!
„Die „sui generis“- Diskussion hat mit Tapferkeit nichts zu tun, sondern dient in meinen Augen nur der Erhaltung überkommener Privilegien des Soldatenstandes.“
Hihi, welche Privilegien sollen das denn Ihrer Meinung nach sein?
Ich persönlich wäre für die eine oder andere Bevorzugung schon dankbar ;)
Nein, ganz im Ernst. Dankbar wäre ich dafür, wenn wir nach dem grundgesetzlichen Prinzip „Gleiches im Maße der Gleichheit und Ungleiches im Maße der Ungleichheit“ behandelt würden und nicht mit anderen Staatsdienern sachfremd über einen Kamm geschoren würden.
Das trägt übrigens auch nicht zur Nachwuchsgewinnung und Verbesserung der inneren Lage (Motivation) bei.
@Hans Dampf
„…Mich würde mal interessieren, wie viele Gefechte erfolgreich/siegreich geführt wurden, die nach der Maxime „Das wichtigste ist, dass alle wieder heil nach Hause kommen“ geschlagen wurden….“
Da möchte ich mal mit einer kleinen Bemerkung kurz intervenieren:
nachdem ich endlich nach 30 Jahren den „Reibert“ komplett durchgelesen habe, ist mir ein Detail aufgefallen, der die Kampftechnik der Bundeswehr in unserer heutigen Form verständlich macht. Es kann auch durchaus sein, dass dies Vorgehen sogar von Ausbildern noch nicht verinnerlicht worden ist:
Im Reibert wird eindeutig vom „Feind bekämpfen“ geschrieben, und nicht „gegen den Feind kämpfen“.
So habe ich auch meine eigene Ausbildung verstanden: Wir belegen eine Stellung nehmen den Kampf auf und wenn der Feind uns ortet, wird die Stellung geändert, damit wir keine Verluste riskieren und den Feind erfolgreich weiterbekämpfen können.
Folge: der Feind wird neutralisiert und die eigene Leute sollten tatsächlich wohlbehalten zurückkommen.
Es bleibt damit nur noch das Risiko überraschender Feindeinwirkung.
Ich hoffe, so einen sinnvollen Eintrag zur Diskussion eingebracht zu haben.
Ulli D.(Saz6 / 79-85)
@ Karl Mohr
„Erhaltung überkommener Privilegien des Soldatenstandes“
Würden Sie uns einige dieser „überkommenen Privilegien“ nennen? Was zählen Ihrer Auffassung nach zu den „Überkommenen Privilegien des Soldatenstandes“ ? Danke
@ Karl Mohr:
Wer schreibt denn hier etwas von der „moralischen Überhöhung des Tötens und getötet werdens“? Wie viele anderen Themen in Deutschland (z.B. Frau und Familie) scheint dieses nach wie vor vermint zu sein. Welche „Privilegien“ sie beim „Soldatenstand“ ausgemacht haben möchten, würde mich mal interessieren!
Im Übrigen: Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, weshalb die Feststellung, der Soldatenberuf sei einer „sui generis“, immer noch auf so viel Widerstand, ja geradezu Feindseligkeit stößt. Der Beruf des Arztes ist einer „sui generis“, der darf als einziger legal an Menschen „herumschnippeln“, Medikamente verschreiben etc. pp. Ebenso der des Richters, er darf als einziger Menschen in den Knast schicken. Und der Soldat hat Pflichten und Rechte, die kein anderer Beruf hat. Wo ist nun das Problem? Warum darf die Deutsche Bahn unbehelligt mit „Kein Job wie jeder andere“ Werbung machen, während diese Ansicht in Bezug aufs Militär gleich mit Revanchismus, Kriegslust oder Phantasien des archaischen Kämpfers quittiert und gleichsam jede ernsthafte Auseinandersetzung damit unmöglich gemacht wird?
Ich gehe sogar noch weiter: Die „Entzauberung“ nahezu des kompletten Staatsdienstes hat ein gesellschaftliches Klima überhaupt erst möglich gemacht, in dem Polizisten, Sanitäter und Feuerwehrleute in Ausübung ihres Dienstes beleidigt und körperlich attackiert werden. Das ist exakt diesem „ein Beruf wie jeder anderer auch“-Unsinn geschuldet – gepaart mit Weisheiten a la „nur mit den preußischen Tugenden konnte man ein KZ betreiben“. „Das ist sein Beruf, dafür bekommt er Geld, also MUSS er sich doch dann auch beleidigen oder auf’s M*** schlagen lassen – Respekt, wieso, hat jemand vor mir Respekt?“ Eine Gesellschaft, die so tickt, versündigt sich an denen, die sich für selbige gerade machen und wird letztlich wohl kaputt gehen. Und dann wundert man sich allen Ernstes, dass z.B. ein nicht geringer Teil Lehrer werden will, nicht etwa aus Passion heraus, sondern weil man auf den Beamten-Status aus ist. Diesen sog. Wertewandel in der sog. Zivilgesellschaft, die sich gern derart betitelt und auf die Schulter klopft, aber zu dumm ist, eine Rettungsgasse zu bilden, kann ich absolut nichts positives entgegen bringen.
Im Übrigen bin ich mit Ihnen einer Meinung – daraus habe ich hier aber auch nie ein Geheimnis gemacht: Die beste Armee ist die, die nie zum Einsatz kommt, weil sie aufgrund von Ausrüstung, Ausbildungsstand, Moral und Disziplin einen jeden Gegner abschreckt bzw. einen Angriff zumindest zu einem unkalkulierten Risiko werden lässt – kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen, das halte ich für zeitlos. Aber zu kämpfen können gehört eben auch, dass man es (handwerklich) kann – und auch dazu bereit ist, dass man weiß, wofür man eigentlich kämpft. Das eine ohne das andere geht nicht. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dieses Konzept dem Grunde nach auch schon vor und neben der Bundeswehr existierte, wenn auch mit anderer Stoßrichtung.
@Karl Mohr
So ist es, aber leider haben wir viele in unseren Reihen welche nicht damit klar kommen und nicht erkennen dass unser Hauptauftrag ist Kriege zu verhindern.
– Krieg ist gefährlich, da sterben Menschen und deshalb ist es besser keinen zu führen.
– Das erreicht man am Besten durch Abschreckung.
Leider zu viele erkennen gerade in AFG nicht den Unterschied unseres Tuns und Handelns. Man stirbt eben nicht nur im Krieg, sondern auch im Frieden und nur das Sterben und der Waffeneinsatz macht aus einem Konflikt kein Krieg. Konflikte wird es immer geben, doch Kriege sind kein Naturgesetz.
So einfach und doch so schwierig ist es.
Die Bundeswehr heißt nicht ohne Grund BundesWEHR. Wenn sich keiner im Kampf beweisen muss, dann haben wir unsern Dienst perfekt geleistet und das sollten wir aus unserer Geschichte gelernt haben.
Die Kür der Verteidigung ist die gelungene Abschreckung, alles andere ist Murks und doch mal ggf nötig. Aber Murks bleibt Murks, da kann man nix sauber abarbeiten.
@JPG | 24. Juli 2017 – 9:30
Weiterhin kein Austausch gewünscht.
@Karl Mohr | 24. Juli 2017 – 10:35
Wer junge Menschen nur mit Pathos und Heldentum ködert, vergeht sich an Ihnen.
Das ist richtig.
Wer junge Menschen ködert, ohne sie auf die Herausforderungen des Soldatenberufes hinzuweisen und sie darauf vorzubereiten auch.
Es gehört einiges dazu, Menschen in BMVg und Bundeswehr auf die Herausforderungen vorzubereiten für den Alltag wie für den Einsatz und es gehört eine Menge für die Menschen dazu, dies alles zu durchlaufen, mitzumachen und mitzugestalten. Das wollte ich zum Ausdruck bringen und meine, das habe ich zum Ausdruck gebracht.
Das Wort „Stahlbad“ mag antiquiert sein und in Wikipedia unter Bezug auf Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ konotiert sein. Und nun?
@Dran.Drauf.Drüber | 24. Juli 2017 – 9:59 benennt, was ich dazu denke:
„Was ich darüberhinaus nicht verstehe ist die doch scheinbar weiter vertretene Meinung das sich „Staatsbürger in Uniform“ und „Tapferkeit“ bzw. „fordernde Ausbildung und harter Einsatz “ in irgendeiner Weise ausschließen müssen.“
Den Vorwurf der Verwendung muss ich mir machen lassen. Das ist okay. Aber insbesondere @Klabautermann weiß sehr wohl, dass ich die Verwendung kontextual absicherte, liest er schon sehr lange hier meine klare Ablehnung von Kadavergehorsam und die unbedingte Einbettung von Tapferkeit und anderen Tugenden in ein Wertsystem, dessen Koordinaten in unserer freien und pluralistischen Gesellschaft sowie ihrer anerkannten Normen und Werten liegen. Ich kann aber mit dem Bashing leben, so ist der Zeitgeist.
Ich darf es von mir weisen, wenn man mir unterstellt, ich würde Frauen und Männer für eine Knochenmühle a la Verdun erziehen (wollen), ich würde Arnold Zweigs „Erziehung vor Verdun“ und Remarques „Im Westen nichts Neues“, usw. nicht kennen und nicht entsprechend einordnen.
Ich meine, dass ein deutscher Soldat unserer Tage, neben der fachlichen Befähigung natürlich, u. a. in seinem Menschsein frei sein und denken können muss. Er muss aber auch gehorchen können und neben Anderem auch tapfer sein.
Das ist ein stark aufgeladenes Spannungsfeld. Es kommt daher darauf an, dieses am Grundgesetz, an unseren demokratischen Werten und Normen zu erden.
Wenn Sie und Andere das gleich bzw ähnlich sehen, aber anders ausgedrückt wissen wollen: Gern.
Wenn Sie oder Andere das anders sehen: Gern.
Ich bin mir sicher, Sie haben die Anführungsstriche bei „erobert“ bemerkt… Es geht auch nicht um die korrekte Verwendung taktische Begrifflichkeit, sondern schlicht um den Umstand, dass niemand nach Erreichen der Höhen wusste, was weiter passieren wird. Mit Pech hätten „wir“ dort unser WANAT erleben können, was gottlob aber rückblickend nicht der Fall war.
Darauf, dass uns zukünftig dieses Glück immer hold bleiben wird, kann ich mich aber nicht verlassen, weswegen ich mir selbstauferlegte Denkverbote einfach nicht erlauben kann. Daher die noch im Raum stehende Frage: Wenn nicht für den Kampf, wofür soll ich als Chef / Kommandeur in der Kampftruppe dann ausbilden?
Wenn ich die zum 20. Juli gehaltenen Reden zu analysieren versuche, bedaure ich die
angesprochenen Soldatinnen und Soldaten. Eine Ministerin, die nach derart unverständ-
lichen Aktionen und zerschlagenem Vertrauen nur eine „Kurzrede“ hält und sich dann in
ihr Schneckenhaus zurückzieht, um einem inzwischen umstrittenem Professor den Vor-
tritt zu einer solchen Rede zu halten, das kann ich mit Verantwortungsbewußtsein und
notwendigen vertrauensbildenden Maßnahmen nicht vereinbaren.
Leider ist durch den Fortfall der Wehrpflicht ein Transformer der Gesellschaft in der
Bundeswehr verloren gegangen. Gleichzeitig hat man auch ein schlechtes Signal an
die Bürger der Bundesrepublik gesandt, was uns weit von der „allgemeinen Dienst-
pflicht“ entfernt. Das wäre eine Maßnahme die Denkweise der nachkommenden
Generationen in eine positive und hilfsbereite umzuwandeln.
Nach 35 Jahren Wehrpflicht und freiwilligen Wehrübungen habe ich aus dem Mix
der Zivilgesellschft und der Bundeswehr nur positive Einflüsse ableiten können.
Schade drum! Aber vielleicht gibt es ja noch einmal ein Umdenke
@Voodoo
Natürlich wird für die Tätigkeit im Grundbetrieb und für den Einsatz ausgebildet. Wo ist das Problem?
@sachlicher, Koffer, Voodoo…..etc
Es ist imho vüllig unstrittig, dass auch heutzutage eine Notwendigkeit besteht, dass Streitkräfte über Spezialkräfte verfügen, die ganz besonders fordernde Ansprüche an Körper, Geist und Seele des einzelnen Soldaten stellen.
Frage ist bloß wieviel brauchen wir und wieviel können wir vor dem Hintergrund der demographischen Realitäten einerseits und dem streitkräfteweiten Bedarf an „Spezialisten“ andererseits für eine solche Verwendung gewinnen, denn der Bedarf an fachlich spezialisierten Soldaten hat mittlerweile eine riesige Bandbreite erreicht vor dem Hintergrund „Breite vor Tiefe“ und „Klasse vor Masse“ und eines C5ISR-„Kriegsbildes“.
Wenn ich also das Anforderungsprofil infanteristischer Spezialsoldat in das Zentrum eines sui-generis Berufsbildes stelle, dann ist das imho nur ideologisch aber nicht strukturell-konzeptionell begründbar.
„Erst wird man stutzig, dann kritisch, dann hört man besser hin und schließlich tut man etwas.“ (kleiner Tip: „Heldenmut zum Nachhören“ auf SZ)
Und wenn ich dann im Jahre des Herrn 2017 in einem Kommentar die Begriffe „Stahlbad“, „Hügel stürmen“ und „Ausbildung“ in einem ganz engen, linearen Kontext lese, dann „tue ich etwas“ als Klabautermann und fange an zu „rumoren“.
Jeder verletzte, verwundete, getötete oder gefallene Kamerad in Grundbetrieb und/oder Einsatz ist imho „einer zu viel“.und es sollte kritisch, selbstkritisch hinterfragt werden, wie es dazu kommen konnte……das sind wir den Kameraden und auch der Gesellschaft schuldig. Und dazu gehört eben, dass wir in dieser Selbstkritik auch nach systemimmananten, strukturellen Versäumnissen, Defiziten etc. suchen im Bereich Ausbildung und Einsatzdoktrin – Stichwort Zirkelschluß „Train as U fight and fight as U train“
Es darf nicht sein, dass z.Bsp. die gefallenen Kameraden des Karfreitagsgefechtes dazu „mißbraucht“ werden, dass jede Form von systematischer Fehlersuche top-down quasi „abgeblockt“ wird – das meine ich bitterernst.
Von daher ist das in sich geschlossene System „Pfullendaorf“, das sich eben nicht mehr schlüssig in das offene System Bundeswehr einbetten läßt nur noch abwärtskompatibel – deswegen ja der Ruf nach der „neuen“ Wehrpflicht – es ist aber nicht aufwärtskompatibel, schon gar nicht als master-template für das Gesamtsystem der Streitkräfte und imho noch nicht einmal mehr für das Untersystem HeerdZ
@ Zimdarsen
Ich verweise auf @klabautermann | 23. Juli 2017 – 23:45 – scheinbar gibt es da ein Problem.
Ich finde es schon interessant, wie man(n) hier eher versucht, die Argumente der anderen Diskussionsteilnehmer in ihre Bestandteile zu zerlegen, anstatt sich mit den grundsätzlichen Fragen auseinander zu setzen.
@Klabautermann: Aus der Praxis für die Praxis: Sicher muss nicht jeder Soldat ein gestählter (ist das jetzt historisch fragwürdig?!?) und mit allen Wassern gewaschener Kämpfer sein. Man sollte sich bei allem Hang zur Spezialisierung aber doch die Frage gefallen lassen, wie tief man die Messlatte für körperliche Leistungsfähigkeit und physische wie psychische Robustheit eigentlich hängen möchte; auf die unterschiedlichen Messlatten für verschiedene Geschlechter möchte ich hier gar nicht erst eingehen.
So lange nicht auch konsequent Spezialisten nur in ihrem „speziellen Lebensraum aka Arbeitsumfeld“ eingesetzt werden, sondern sich plötzlich im Einsatz wiederfinden und dort auf Patrouillen mitfahren (dürfen) – ob aufgrund von Befehlen/Notwendigkeiten oder weil ihnen das Feldlagerleben zu langweilig geworden ist – sollte jeder Soldat gewisse Anforderungen erfüllen, die sicher über den derzeit geforderten liegen. Diese Anforderungen müssen natürlich durch regelmäßiges Training erfüllt werden, was in der Bundeswehr 2017 an vielen Dingen scheitert.
Dass solche „Spezialisten“ – jeder muss ja jeden Weg gehen dürfen – irgendwann in Führungsfunktion vor Truppe stehen (die meisten Kriterien für die Auswahl bei der Besetzung derselben sind ja eher geistiger als körperlicher oder charakterlicher Natur) und dann eine begrenzt beeindruckende Führungsfähigkeit an den Tag legen, ist ein weiteres Problem der fehlenden Anpassung von Laufbahnrecht/Personalbewirtschaftung an das „Spezialistentum“.
@Weltenbummler
Ja, in der Tat handelt es sich beim Thema Ausbildung und „Kriegserfahrung“ um ein sehr grundsätzliches Problem: Es geht um die Frage, inwieweit man implizites Expertenwissen explizieren, verifizieren und tradieren kann – und natürlich damit verbunden die Frage nach der Halbwertzeit von diesem implizierten Expertenwissen. Wenn also drei OTL der BW argumentieren, dass die heutige BW noch immer auf die 6 Jahre Kriegserfahrung der Wehrmacht angewiesen ist um einsatzfähig zu sein, dann muß ich einfach als lebenslang dienender und lernender Staatsbürger-in-Uniform allein schon aus wissenschaftstheoretischer Sicht die Pitbullshitkarte hervorholen ;-)
In Sachen körperliche, geistige und seelische Grundanforderungen stimme ich ihnen zu, aber die kann man eben nicht auf eine Rambo/TopGun-Schablone reduzieren, sondern man muß sie im Sinne von Angebot und Bedarf eben auch diversifizieren.
In meinem Musterungs“urteil“ stand auch drin, dass ich für das UBööt-Fahren nicht geeignet war wg Querschnittsdifferenzen im Bereich HNO links/rechts und wg Plattfuß wohl auch nicht geeignet war als Gebirgsjäger Trotzdem bin ich ein recht „passabler“ Berufssoldat mit vielen Führungsverwendungen geworden – auch und gerade in „der Truppe“ inkl Auswertung und Taktikentwicklung, neudeutsch: CD&E.
Mit den Reden scheint es etwas wie bei der Nationalmannschaft zu sein, die bekanntlich 80 Mio Trainer hat. Ich war in Berlin dabei, vermutlich hätte ich eine bessere Rede gehalten als vdL. Aber die von Wolffsohn war gar nicht so verkehrt. Es gab schon weniger gute. Was man alles in 8-10 Minuten erzählen müsste, um den Soldaten etwas zu sagen, vielleicht lobt der Hausherr mal einen Wettbewerb aus. Ich würde mir eine Teilnahme gut überlegen müssen.
@klabautermann | 24. Juli 2017 – 15:51
„Es ist imho vüllig unstrittig, dass auch heutzutage eine Notwendigkeit besteht, dass Streitkräfte über Spezialkräfte verfügen, die ganz besonders fordernde Ansprüche an Körper, Geist und Seele des einzelnen Soldaten stellen.“
Da bin ich bei Ihnen, aber was Streitkräfte (zahlenmäßig) noch mehr benötigen sind „normale“ Kampftruppen- und Kampfunterstützungssoldaten.
Und auch für die muss ich (den SpezKr vergleichbare) Motivations-, Traditions- und Prägungsmöglichkeiten nutzen.
@klabautermann | 24. Juli 2017 – 17:42
„Wenn also drei OTL der BW argumentieren, dass die heutige BW noch immer auf die 6 Jahre Kriegserfahrung der Wehrmacht angewiesen ist um einsatzfähig zu sein, dann muß ich einfach als lebenslang dienender und lernender Staatsbürger-in-Uniform allein schon aus wissenschaftstheoretischer Sicht die Pitbullshitkarte hervorholen ;-)“
Ohne Ihnen als ehemaligem Marineoffizier zu nahe zu treten, aber ich bin aktiver Infanterieoffizier und war bis vor kurzem in der Ausbildung der Führer- und Unterführer meiner Truppengattung eingesetzt und ich kann ich aus Sicht eines Fachmann sage, dass es tatsächlich so ist!
Natürlich sind wir nicht ausschließlich auf die Erkenntnisse aus dieser Zeit angewiesen, vieles hat sich seit dem natürlich auch verändert (sowohl im Bereich der Ausrüstung, als auch im Bereich der Taktik), aber dennoch sind die Erkenntnisse aus dieser Zeit immer noch essenziell. Sowohl im Bereich des „Handwerks“, aber auch im Bereich von Führungsverhalten und Gruppendynamik.
Was aber noch viel wichtiger ist, als diese „harten“ Fakten sind, die Fragen von glaubwürdigen Vorbildern. Vorbildern, die man einem jungen Soldaten auch tatsächlich darstellen kann und die real Dinge gemacht haben, die man ihm versucht als „soldatisch notwendig“ beizubringen. Gerade für diesen Aspekt eigenen sich aber die Soldaten der letzten 60 Jahre nur äußerst eingeschränkt, weil diese fast niemals in Situationen waren, in denen sie Dinge vollbringen mussten, die wir dem jungen Soldaten als Vorbild darstellen wollen (müssen).
„In Sachen körperliche, geistige und seelische Grundanforderungen stimme ich ihnen zu, aber die kann man eben nicht auf eine Rambo/TopGun-Schablone reduzieren, sondern man muß sie im Sinne von Angebot und Bedarf eben auch diversifizieren.“
Da bin ich bei Ihnen. Man kann einem Marinemann nur sehr schwer und nur mit großen argumentatorischen Kniffen und erklärenden Zusätze einen Kampftruppensoldaten als Vorbild verkaufen. Und umgedreht.
Deswegen ist es ja umso bedenklicher, dass die Leitung und Führung offensichtlich versucht die ganze Armee „weichzuspülen“ und mit dem „Puderzucker“ des Innendienstes zu bestreuen.
Wie soll dass denn glaubwürdig für alle wirken?!
Voodoo | 24. Juli 2017 – 15:57,
es ist schon höchst verwunderlich, mit welcher Inbrunst hier vertreten wird, der „infanteristische Spezialsoldat… sei nur ideologisch, aber nicht strukturell-konzeptionell begründbar.“
Natürlich ist das begründbar! Dazu nehme man nur das Weißbuch 2016. Dort wird auf Seite 52 vorgegeben:
„ Die Auftragserfüllung der Bundeswehr setzt ein umfassendes Fähigkeitsspektrum voraus. Die Befähigung zum bundeswehrgemeinsamen Wirken in allen Dimensionen – Land, Luft, See, Cyber- und Informations- sowie Weltraum – ist der übergeordnete Maßstab.“
„Gerade in den Dimensionen Land, Luft und See bleibt die Befähigung zum Kampf Wesensmerkmal. Sie stellt den höchsten Anspruch an Mensch und Material.“
Und natürlich wird General Bühler auch in den Folgedokumenten die „Befähigung zum Kampf als Wesensmerkmal“ herausstellen.
Aufgrund welcher Grundlagen soll also die Zukunftsausrichtung der Streitkräfte strukturell-konzeptionell nicht begründbar sein? Ich würde sagen, das einzige was hier nicht „begründbar“ ist, sind die, freundlich ausgedrückt, abenteuerlichen Ansichten derjenigen, die meinen uns ihre „Pitbullshitkarten“ vorhalten zu müssen.
Im Vergleich zu den VPR von 2011 ist die „Befähigung zum Kampf“ im neuen Weißbuch sogar zum Wesensmerkmal bestimmt worden. Diese nun wirklich nicht mehr umdeutbaren Vorgaben stellen den „Kampf“ in den Vordergrund aller „strukturell-konzeptionellen“ Überlegungen, abgeleitet u.a. aus einer realistischen Bedrohungsanalyse.
Man kann der Verteidigungsministerin zu diesen klaren Vorgaben nur gratulieren und ihr die Einsicht wünschen, dass Soldaten, die sich der Befähigung zum „Kampf als höchstem Anspruch“ stellen müssen, auch einen Anspruch darauf haben, ihre Traditionslinien in dem Wesensmerkmal Kampf zu finden.
@Koffer
Brauchen sie da Vorbilder oder Beispiele?
Streitkräfte sind Kriegsführungsinstrument.
In der Deutschen Demokratie nach 1945 ist zu spezifizieren: ein Kriegsverhinderungsinstrument!
Daraus folgt, die Bundeswehr muss befähigt sein, Abschreckung mit der Rekonstitutionsfähigkeit des Gesamtstaates im back-up so glaubhaft darzustellen, dass ein potenzieller Angreifer sein mögliches Unterfangen unterlässt.
Wir befinden uns damit (für Bw) auf dem Feld konventioneller Abschreckung, die auf der Stärke, dem operativen Einsatzwert sowie den sich damit eröffnenden strategisch operativen Optionen beruht.
Auszukämpfen hat das aber „der Landser“, mit oder ohne „Stahlbad“, mit oder ohne „In Stahlgewittern“ eines Ernst Jünger, jedenfalls aber in TEinh und Einh, den Zügen und Kompanien von meist Kampftruppe, orientiert an DER Kriegswirklichkeit.
Absolut unerheblich ist dabei eine Zahl 1914, 1939, oder 2010. Die Kriegswirklichkeit in der Stellung des PzAbwTrp, des RichtSchtz an der BK oder des SchSchtz ist weitgehehend unverändert: In den Zügen und Kompanien wird gestorben oder überlebt . Abhängig davon Birkenkreuz, Gefangenschaft oder Eisernes Kreuz.
Wohlfeile Unterweisungen der Zielgruppen Offz/StOffz an Hamburger und Koblenzer usw Einrichtungen haben ihren unmittelbare Zweckbestimmung im Moment des ersten Schusses verloren. Ab diesem Zeitpunkt gilt allein, „wer schneller schießt und besser trifft bleibt Sieger“.
Diesem Credo der Panzerschießausbildung (ähnlich für andere TrGtg) hat sich alles unterzuordnen. Mache ich das nicht, lasse ich’s am besten gleich bleiben.
Das zu erreichen existieren seit Altersher bestimmte Grunderkenntnisse (für „Kriegsnahe Ausbildung“), weit vor und nach der Wehrmacht, durch Deutsche, Alliierte und sehr viele aus dem russische Raum. Expertenwissen und -KÖNNEN dieser Führungsebenen bleiben weitgehend zeitlos, erfahren geringe Veränderungen lediglich in Form fast allumfassender, ständig verfügbarer Information: Diese Qualität kann „unten“ aber auch zum Desaster werden.
1. Kriegsnah (nicht mit wohlfeiler „political correctness“ als Einsatznah verharmlost) bedeutet, der Soldat muss im Frieden so fordernd ausgebildet werden, dass ihm im ersten Gefecht nichts wirklich fremd ist, ausgenommen die Todeserfahrung.
2. Planung funktioniert störungsfrei nur bis zum 1. Schuss, danach bestimmt vielfach das Unerwartete, nicht Vorhersehbare und Unwägbare die Wirklichkeit im Feuergefecht.
3. Die das Leben bedrohende Waffenwirkung, vor allem Steilfeuer und durch Luftwaffe gefährdet jegliche Vorbereitung und Führung.
4. Körperliche und seelische Dauerbelastung steigert mit Nähe zum Feind, nicht nur für Infanterie, sondern auch in Stäben.
5. Der Kampf gegen eine „feindliche Umwelt“ wie Wetter, Gelände, Sicht und Bevölkerung fordern in einem Maße, dass Waffenwirkung oft eine ohnehin schon erschöpfte Truppe trifft.
Folgerung:
Der Gefechtsdienst MUSS alle diese „Lessons Learned“ in der Ausbildung darstellen und in Übungen – immer wieder – variantenreich unter allen Tages- und Nachtzeiten und Witterungsbedingungen abfordern.
Regen, Kälte und Schnee und Dunkelheit sind Partner, keine Gegner!
Hörsaal- und Prüfungsgerecht haben das Rudolf Steiger und Ulrich Zwygart in „Militärpädagogik“ (1994) für die schweizerische Milizarmee wie folgt formuliert:
„Die militärische Ausbildung vermittelt den Armeeangehörigen die kognitiven Fähigkeiten und handwerklichen Fertigkeiten, damit er seinen Auftrag im Krieg … erfüllen kann“.
Schön, sehr schön.
Ergänzend wäre sicher passend: die moderne Kriegswirklichkeit ist abstoßend und barbarisch, gemessen an ethischen Normen der Moderne geradezu widerwärtig selbstzerstörerisch.
Beide Aussagen könnten beeindruckend auf jeder Power Point zum Thema stehen, dem Landser der untersten taktische Ebene helfen sie nicht.
Verpflichtung des Offizierkorps und somit auf KRIEGS-Erfahrung basierendes, tradiertes Alleinstellungsmerkmal ist jedoch: Dies als hartes Handwerk der Truppe anzuerziehen und in Ausbildung und Übung beizubringen.
@ThoDan | 24. Juli 2017 – 20:45
„Brauchen sie da Vorbilder oder Beispiele?“
Beides. Und beides findet man vor, während und (eingeschränkt) auch nach den 12 dunklen Jahren.
Eine Beschränkung auf ausgerechnet die Zeit, die sowohl am wenigsten lehrreich, als auch (bisher) am wenigsten traditionsbildend ist, wäre sträflich.
Und zudem den jungen Menschen auch gar nicht glaubwürdig zu vermitteln.
@Klaus-Peter Kaikowsky
Man darf nie ausschließen, das jemand verzweifelt oder verrückt genug ist um es trotzdem zu wagen.
0b 1914 oder 2010 sind Unterschiede, in der Technologie, Soziale und wohl auch weitere.
5 Nein, sind sie nicht man kann sich ihnen aber soweit anpassen, das sie einen möglichst wenig stören und sie nutzen.
Was übrigens exakt der Grund ist, warum ich hier immer wieder was von den Umständen angepasster Uniform, Stiefeln etc. poste.
@ThoDan | 24. Juli 2017 – 21:23
„0b 1914 oder 2010 sind Unterschiede, in der Technologie, Soziale und wohl auch weitere.“
Für die Motivation/Prägung nicht.
Für die Taktik und das Soziale nur teilweise. Mehr ist gleich geblieben, als das es sich geändert hat.
Lediglich für die Ausrüstung macht es einen Unterschied, aber das hat ja mit Vereidigungsansprachen wenig zu tun, oder?
„Was übrigens exakt der Grund ist, warum ich hier immer wieder was von den Umständen angepasster Uniform, Stiefeln etc. poste.“
Und ihnen regelmäßig von Insidern (u.a. von mir) widersprochen wird ;)
@Koffer
Wie hätte eine Division 1914 eine Division der Panzertruppen 2014 effektiv besiegen können?
Ich hatte auch nicht gemeint, es hätte sich alles geändert – aber ich sehe immer wieder mit Sorge – das sich anscheinend nur über diese Veränderungen beklagt wird, aber nie wird davon gesprochen wie man diese nutzen könnte.
Genau dasselbe gilt wohl vermutlich auch für Ansprachen, Wolffsohn spricht eher über warum tapfer sein und was kämpfen legitimiert als übers tapfer sein und kämpfen.
Wird es, nur finde ich die Widersprüche von nicht sehr hoher Überzeugungskraft.
@Koffer | 24. Juli 2017 – 21:33
Bei Ihnen und Ihresgleichen gab und gibt es vielleicht keine Unterschiede in der Motivation und Prägung zum Soldatsein zu denen von 1914. Das können Sie jedoch nicht generalisieren. Den meisten heutigen Soldaten, auch in der Fallschirmjägertruppe, ist deutschtümelnde Großmannssucht à la Willhelm II. keine Triebfeder. Und auch die Aussicht auf vermeintliche Abhärtung fürs Leben durch Krieg (Stahlbad) hat bei den wenigsten Soldaten 2010 ff Handeln und Wirken bestimmt. Verlassen Sie mal Ihre Filterblase!
Die von mir nicht bestrittene Tatsache jedoch, dass immernoch versucht wird, junge Menschen im Sinne dieser angeblich zeitlosen Soldatenromantik für den Dienst an der Waffe zu gewinnen, spricht sich trotz aller Hochglanzbroschüren und Bushaltestellenplakaten bis weit in die Zivilgesellschaft herum. Ich denke, das quantitative und qualitative Nachwuchsproblem ist u.a. solchen in der Truppe grassierenden Geisteshaltungen/Haltungsproblemen geschuldet.
@ Politikverdruss | 24. Juli 2017 – 19:57
Bitte zur Gänze lesen, das Original kommt vom @klabautermann, nicht von mir und spiegelt daher nicht meine Position wider.
„Streitkräfte sind Kriegsführungsinstrument.“
Nö……Streitkräfte sind Kriegsverhinderungsinstrument, bzw. Kriegsbeendigungsinstrument.
@ThoDan | 24. Juli 2017 – 22:06
„Wie hätte eine Division 1914 eine Division der Panzertruppen 2014 effektiv besiegen können?“
Den Satz verstehe ich nicht.
„Ich hatte auch nicht gemeint, es hätte sich alles geändert – aber ich sehe immer wieder mit Sorge – das sich anscheinend nur über diese Veränderungen beklagt wird, aber nie wird davon gesprochen wie man diese nutzen könnte.“
Da müssen Sie sich keine Sorgen, die Vorteile der Veränderung liegen auf der Hand und werden aktiv genutzt. Zum Beispiel die bessere Technologie oder die durchschnittlich höhere Bildung oder andere Veränderungen.
Aber über diese Veränderungen geraten halt in Friedenszeiten wichtige Grundwahrheiten nach und nach in den Hintergrund (bzw. werden von bestimmten Kräften in den Hintergrund gedrängt) und dies führt dann wiederum wenn es zum Kampf kommt zu höheren Verlusten und geringerem Einsatzwert.
Man schüttet sozusagen das Kind mit dem Bade aus.
„Genau dasselbe gilt wohl vermutlich auch für Ansprachen, Wolffsohn spricht eher über warum tapfer sein und was kämpfen legitimiert als übers tapfer sein und kämpfen.“
Mit dieser Bewertung haben Sie glaube ich Recht.
Nun ist das erstere unstrittig wichtig – gerade aus Sicht der Zivilgesellschaft für die Wolffsohn ja gesprochen hat – aber ohne das zweitere bringt das eine Armee nun mal nicht weiter.
@JPG | 24. Juli 2017 – 22:12
„Bei Ihnen und Ihresgleichen gab und gibt es vielleicht keine Unterschiede in der Motivation und Prägung zum Soldatsein zu denen von 1914.“
Naja, sicherlich gibt es deutliche Unterschiede zwischen heute und damals (Demokratie vs. Monarchie seien da mal als Beispiel genannt), aber bestimmte Aspekte des Soldatseins (besonders hinsichtlich der Tugenden) sind nun einmal zeitlos.
„Den meisten heutigen Soldaten, auch in der Fallschirmjägertruppe, ist deutschtümelnde Großmannssucht à la Willhelm II. keine Triebfeder.“
Das will ich auch hoffen!
„Und auch die Aussicht auf vermeintliche Abhärtung fürs Leben durch Krieg (Stahlbad) hat bei den wenigsten Soldaten 2010 ff Handeln und Wirken bestimmt.“
Sie bauen hier (übrigens unnötig aggressiv, wenn ich das mal deutlich sagen darf) eine falsche Kette auf, die nichts mit diesem Kommentarfaden zu tun hat!
Es geht ja nicht um die Abhärtung fürs Leben durch den Krieg, sondern um die Abhärtung für den Krieg durch die Ausbildung.
„Verlassen Sie mal Ihre Filterblase!“
?
„Ich denke, das quantitative und qualitative Nachwuchsproblem ist u.a. solchen in der Truppe grassierenden Geisteshaltungen/Haltungsproblemen geschuldet.“
Naja, dann ist es doch seltsam, dass gerade die Kampftruppe kaum Nachwuchsprobleme hat, oder?!
;)
Eine akademische Diskussion an der Schlagkraft vorbei.
Wenn unsere Abschreckung oder Friedenssicherung keinen Erfolg haben sollte, dann liegt es eher weniger an der Einstellung und dem Charakter unserer Soldaten, sondern am Missmanagement der Führung.
Unsere Soldaten sind im Einsatz ausgezeichnete Persönlichkeiten (natürlich mit wenigen Ausnahmen), die wissen was sie tun, was ihnen fehlt sind Hubschrauber uvm.
@Koffer
„Naja, dann ist es doch seltsam, dass gerade die Kampftruppe kaum Nachwuchsprobleme hat, oder?!“
Nun ja, da haben wir die geistigen Anforderungen immer schon niedrig angesetzt und die körperlichen inzwischen auch soweit abgesenkt, dass da quasi jeder genommen wird/werden muss.
Das Nachwuchsproblem ist also eher ein qualitatives als ein quantitatives.
Natürlich kann man diese Problematik (bei einem Teil dieses Nachwuchses) durch Training und Ausbildung beheben.
Damit ist die Bundeswehr dann also doch die (Sport-)Schule der Nation. ;-)
Nu muß auch noch Bühler angeführt werden als Zeuge für die Forderung nach der „Befähigung zum Kampf“ für jeden Soldaten der BW………das hat er nun wirklich nicht verdient ;-)
Abschreckung ist eben nur dann glaubwürdig, wenn das Gesamtsystem der Streitkräfte systemisch in der Lage ist Wirkung im Einsatzraum zu erzielen. Das bedeutet aber nicht, dass zum Herstellen dieser Wirksamkeit der einzelne Soldat in der Ausbildung bis an die Nahtodgrenze geführt werden muß damit ihm im „Krieg“ die Todeserfahrung erspart bleibt. (Klaus-Peter Kaikowsky | 24. Juli 2017 – 20:52 refers)
Systemische Befähigung zum Kampf ist nicht Befähigung zum Krieg. Diese systemische Befähigung ist im übrigen völlig wertfrei – also auch tugendfrei – und muß erreicht werden völlig unabhängig von der individuellen „Treue und Tapferkeit“ des einzelnen Soldaten. Die Befähigung zum vernetzten Kampf bedeutet für den einzelnen Soldaten eben nicht mehr diesen Einzelkämpfer-Mind-Set, sondern den Mind-Set eines Net-Warriors. Und je professioneller man dieses Wesensmerkmal der vernetzten, joint/combined Operationsführung in den Köpfen der Soldaten im Rahmen der Ausbildung verankert, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Netz im scharfen Einsatzfall auch hält.
Also bitte nicht den Erhard Bühler zum „Zeugen“ einer Argumentaionslinie machen, die er – so wie ich ihn seit vielen Jahren persönlich kenne – garantiert nicht mitträgt.
@klabautermann | 24. Juli 2017 – 23:00
„Streitkräfte sind Kriegsführungsinstrument.“
Nö……Streitkräfte sind Kriegsverhinderungsinstrument, bzw. Kriegsbeendigungsinstrument
Aha…und wo ist der Widerspruch zu dem hier:
Klaus-Peter Kaikowsky | 24. Juli 2017 – 20:52
–
„Streitkräfte sind Kriegsführungsinstrument. In der Deutschen Demokratie nach 1945 ist zu spezifizieren: ein Kriegsverhinderungsinstrument!“
Daraus folgt, die Bundeswehr muss befähigt sein, Abschreckung mit der Rekonstitutionsfähigkeit des Gesamtstaates im back-up so glaubhaft darzustellen, dass ein potenzieller Angreifer sein mögliches Unterfangen unterlässt.
Korrektur zu meinem Kommentar, Politikverdruss | 24. Juli 2017 – 19:57: Das angegebene Zitat aus dem Weißbuch 2016 steht nicht auf Seite 52 sondern auf Seite 102.
Voodoo | 24. Juli 2017 – 22:20,
aufgenommen!