Zur Dokumentation: ifo-Institut sieht bei Wehrpflicht Milliardenkosten für die Volkswirtschaft
Das Münchner ifo-Institut hat die Studie veröffentlicht, die Bundesfinanzminister Christian Lindner als eine Grundlage für seinen Widerstand gegen die Wehrdienstpläne von Verteidigungsminister Boris Pistorius angeführt hat. Wenn wie vor Aussetzung der Wehrpflicht 2011 ein Viertel eines Jahrgangs junger Männer eingezogen würden, könnte die Wirtschaftsleistung um 17 Milliarden zurückgehen.
Das Institut veröffentlichte am (heutigen) Mittwoch die Studie, die nach Lindners Angaben von seinem Ministerium in Auftrag gegeben worden war. Zur Dokumentation die Pressemitteilung dazu (die komplette Studie ist unten zu finden):
ifo Institut: Wiedereinführung der Wehrpflicht könnte die Volkswirtschaft bis zu 70 Milliarden Euro kosten
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland könnte gesamtwirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe verursachen. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie des ifo Instituts für das Bundesministerium der Finanzen. Die Studie untersucht die Kosten der Wehrpflicht in drei Szenarien. Betrifft die Wehrpflicht einen gesamten Jahrgang (100 Prozent), wäre mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung (Bruttonationaleinkommen) um 1,6 Prozent oder knapp 70 Milliarden Euro zu rechnen. Falls ähnlich wie bei der alten Wehrpflicht knapp ein Viertel eines Jahrganges eingezogen würde, könnte die Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent oder 17 Milliarden Euro zurückgehen. Werden nur 5 Prozent eines Jahrganges eingezogen (ähnlich wie in Schweden), beträgt der Rückgang 0,1 Prozent oder 3 Milliarden Euro. „Eine Wehrpflicht im Rahmen eines sozialen Pflichtjahres würde jährlich wirtschaftliche Kosten verursachen, die in etwa so groß sind, wie die Mittel aus dem Verteidigungshaushalt und dem Sondervermögen Bundeswehr im Jahr 2024 zusammen“, sagt ifo-Militärexperte Marcel Schlepper.
Die Kosten entstehen vor allem, weil junge Menschen erst später beginnen, Humankapital und Vermögen aufzubauen. „Als Alternative zur Wehrpflicht wäre es sinnvoller, die Bundeswehr mit mehr Mitteln auszustatten, um sie als Arbeitgeber attraktiver zu machen. Denkbar wäre, den Wehrdienstleistenden höhere Gehälter zu bezahlen“, sagt ifo-Forscher Panu Poutvaara, Leiter des ifo Zentrums für Internationalen Institutionenvergleich und Migrationsforschung. Dies würde zwar den Staatshaushalt stärker belasten, die gesamtwirtschaftlichen Kosten fielen aber um fast die Hälfte geringer aus als bei der Wehrpflicht: 37 statt 70 Milliarden Euro (im 100-Prozent-Szenario), 9 statt 17 Milliarden Euro (im 25-Prozent-Szenario) und 2 statt 3 Milliarden Euro (im 5-Prozent-Szenario). Die militärischen Fähigkeiten der Bundeswehr würden bei der Marktlösung in jedem Szenario im gleichen Maße wie bei der Wehrpflicht wachsen.
Die Kosten einer Wehrpflicht wären zudem nicht gleichmäßig in der Gesellschaft verteilt, sondern fielen primär bei den Wehrpflichtigen selbst an. Der Wehrdienst zwingt die Wehrpflichtigen, ihre Bildungs- und Berufsplanung anzupassen. In der Studie können negative wirtschaftliche Folgen bei Einkommen und Konsum bis zum Lebensende festgestellt werden. „Wenn nur ein kleiner Anteil eines Jahrgangs verpflichtet werde, wirft das angesichts der ungleichen Verteilung der Lasten erhebliche Zweifel an der Wehrgerechtigkeit auf“, sagt Poutvaara. Bei einer Marktlösung mit höheren Gehältern müssen dagegen alle gleichermaßen die höheren Staatsausgaben finanzieren. „Bei einer Wehrpflicht entstehen für die Nicht-Wehrpflichtigen kaum Kosten. Das mag erklären, warum eine Wehrpflicht insbesondere bei jenen Altersgruppen so beliebt ist, die nicht selbst betroffen wären“, sagt ifo-Militärexperte Schlepper.
Die vollständige Studie ist hier abrufbar – und hier als Sicherungskopie:
Ifo_FoBe_144_Kosten-Wiedereinf-Wehrpflicht
Den Kosten gegenüber steht der Gewinn, den die Gesellschaft daraus zieht. Nämlich Sicherheit. Den Sanierungsfall Bundeswehr neu aufzustellen, dürfte mehr kosten als die von IFO prognostizierten 17 Mrd. Kämen also dazu.
Ein weiterer Gewinn wäre der bessere gesellschaftliche Zusammenhalt, weil die Bundeswehr neben Sicherheit Kameradschaft fördert und den Kontakt zwischen Schichten der Gesellschaft herstellt, die sich sonst nicht begegnen würden. Gemeinsame Verantwortungsgemeinschaft erleben, fördert die Resilienz des Einzelnen und macht unsere Gesellschaft weniger anfällig für Angstmacher. Es stärkt unsere freiheitlich, demokratische Grundordnung in dem Soldaten bereit sind dafür im Ernstfall ihr Leben einzusetzen.
Die Kostenrechnung des IFO kann also nicht der alleinige, oder wichtigste Faktor sein, wenn wir über die Wiedereinführung der Wehrpflicht sprechen.
Das Wehrpflicht die Wirtschaft Geld kostet war schon immer so, zumindest bei Vollbeschäftigung.
Rein persönlich war es „früher“ zu kalten Kriegszeiten recht cool wenn man erst studierte und dann während des Wehrdienstes anerkannte Fortbildungen machen konnte.
Selten, ich weis, aber ein Klassenkamerad von mir hatte in Westberlin Zahnmedizin studiert und nach der Wende geflucht das er noch (direkt als Stabsarzt) eingezogen wurde… Immerhin mit vielen Fort und Weiterbildungen musste er zugeben ;-)
Es ist schon irgendwie seltsam, wie die vom Verteidigungsminister avisierte Wehrerfassung durch Ausfüllen eines Fragebogens mit 17 Milliarden Kosten für die totale Wehrpflicht in Verbindung gebracht wird.
Ich bin kein großer Freund des Verteidigungsministers, aber ich halte seinen Vorschlag für angemessen.
Das Verhalten der beiden FDP-Minister in diesem Kontext ist fragwürdig bis schäbig.
Jedes Jahr ziehen nach der Ausbildung zehn- bis hunderttausende für ein Work & Travel-Jahr ins Ausland – wo ist der Unterschied zu einer Wehrpflicht? Ist doch auch Teil der „angepassten Bildungs- und Berufsplanung“ und wird heute mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen.
Da hier die volkswirtschaftliche Perspektive eingenommen wird: da hätte man fairerweise auch den ganzen Weg gehen und darlegen können, dass eine Anwerbung der ungefähr 30.000 fehlenden Soldaten für die Bundeswehr aus den aktuell ca. 2 Millionen Arbeitslosen unter 55 Jahren volkswirtschaftlich großen Nutzen bringen wurde.
Genauso hätte man darstellen können, dass ein Fokus auf die ungefähr 50.000 Schulabgänger ohne Abschluss im Jahr volkswirtschaftlich große Effekte haben könnte und genau hier ein verpflichtendes Dienstjahr, ggfs. gekoppelt mit der Möglichkeit den Schulabschluss im Rahmen des Dienstjahres mit zu erwerben, allen einen erheblichen Mehrwert bringen könnte.
Ergo: das beliebte Spielchen der selektiven Informationsdarstellung geht munter weiter. Und eine grundsätzliche Debatte um eine Einführung einer Dienst- bzw. Wehrpflicht bleibt unvermeidbar.
Am Ende des Tages eine statistische Binsenweisheit, die aber externe Faktoren nicht miteinbezieht, sondern einen Zusammenhang isoliert betrachtet. Natürlich „kostet“ eine Wehrpflicht volkswirtschaftlich eine bestimmte Summe und ebenso natürlich belastet sie eine Bevölkerungsgruppe besonders stark ggü. dem Rest.
Und ja, auch die Zeit der Wehrpflicht lässt sich nicht ungestört in einer Erwerbsbiographie ungeschehen machen – was aber komplett in dem Modell fehlt, sind bildungs- und kompetentzgenerierte Mehrwerte aus der Wehrpflicht heraus (Sozialisationsaspekte, Nachweise etc. … ich will noch nicht mal die Werteleier spielen).
Nette Legitimationsstudie und methodisch auch korrekt, aber was ist der Mehrwert in der Diskussion?
Für mich liest sich das wie „schwedisches Modell“ kostet 3 Mrd. Deal! Denn de facto ist es das sinnigste Modell, es ist günstig und erreicht das was die Armee will.
Aber stattdessen stürzt man sich auf die 70 Mrd … seufz.
Man schaue nur auf den Auftraggeber der Studie und die Aussagen Lindners/Buschmanns und Front schon gegen eine Wehrerfassung und Musterung, dann ist das Ergebnis doch sehr durchschaubar und vorhersehbar.
Ein Eingriff des Staates hat immer Effekte auf die Wirtschaft, auch im Fall der Sicherheit. Auch öffentlich Güter sind nicht umsonst zu haben. Gleiches gilt für Umweltschutz, Bildung oder Verkehrsplanung.
Alter Wein in neuen Schläuchen, armselig.
Amen. Bei einer Kosten-/Nutzen-Rechnung einseitig die Kosten als Argument anzuführen ist nicht seriös. Wieviel darf denn die Sicherheit Europas und damit Deutschlands kosten? Falls es wieder Trump wird, darf zu den wenigen Hoffnungen gehören, dass es wieder den ein oder anderen „Tritt in die richtige Richtung“ geben wird. (Siehe 2%-Ziel oder die grandiose Dokumentation der Financial Times: The untold story of the most chaotic Nato summit ever)
@Christian Bühring. Absolut richtig und nichts hinzuzufügen. Wer Sicherheit volkswirtschaftlich berechnet hat die Bedeutung von Sicherheit nicht verstanden. Im Falle eines Krieges ist Sicherheit unbezahlbar und das Leid welches fehlende Sicherheit verursacht unbezifferbar. Aber wir hantieren mal lieber fleißig mit unseren Rechenschiebern und rechnen uns die Welt schön, bis die Bundestagswahl durch ist ^^
Milchmädchenrechnung, die vom Frieden und nicht vom Kriege gedacht wurde.
Ich kann einen Soldaten 10 Jahre ausbilden und für Einsätze nutzen um die Gesellschaft möglichst wenig zu belasten.
Wir können mit der Wehrpflicht aber auch 10 Soldaten je ein Jahr lang ausbilden und dafür im Krieg den nötigen Ersatz/Aufwuchs sicherzustellen.
Die Studie wurde unter dem Status quo zum jetzigen Zeitpunkt geschrieben. Kriegstüchtigkeit bis 2029 kommt in einer solchen volkswirtschaftlichen parteiischen Studie nicht vor.
pi
Für mich nicht nachvollziehbar, da ja auch der Aufwuchs der Streitkräfte dem Staat Mittel „entzieht“, die er sonst anderswo einsetzen könnte (Bildung, Infrastruktur, Soziales…), siehe aktuelle Diskussion um den Wehretat.
Und würde eine allgemeine Dienstpflicht nicht auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen bringen, weil vergleichsweise „billige“ Arbeitskräfte Aufgaben im Sozialbereich übernehmen würden. Siehe die damaligen Klagen der Sozialverbände, Kliniken… beim Wegfall des Zivildienstes.
Vom gesamtgesellschaftlichen Nutzen ganz abgesehen.
Genau diese einseitige Denkweise der Ökonomen hat uns überhaupt erst in die aktuelle Situation gebracht. Wer in allem und jedem nur Kostenfaktoren und Einsparpotentiale sieht, kann keinen wirklichen sinnvollen Beitrag zu übergeordneten Lebenswirklichkeiten leisten. Einer Bedrohung unserer Demokratie – und die gehört dazu und ist durchaus real – kann man mit solchen Studien nicht begegnen. Leider hat dieses Denken in D ein viel zu großes Gewicht.
Ehrlich gesagt würde ich das ganz einfach machen: mit vollendetem 17. Lebensjahr dienen ALLE für eineinhalb bis zwei Jahre. Wer keinen Dienst an der Waffe leisten will, geht in den Zivildienst. Nach Abschluss des Pflichtdienstes gibt’s die Berechtigung eine Ausbildung oder Studium zu machen/ eine Hochschule zu absolvieren, in den Streitkräften/ im Zivildienst zu verbleiben (klar, natürlich je nach Bildungsstand, Qualifikation, Interessen,..).
Dann ist jeder verpflichtet und alle haben was davon. Totalverweigerer haben dann halt Pech gehabt.
Klar muss man dafür die Strukturen schaffen und das auch wollen bzw klar kommunizieren. Deswegen mache ich mir da eigentlich keine großen Gedanken, es wird in DE sowieso nicht passieren.
Ganz bestimmt habe ich Hochachtung vor dem ifo-Institut, doch läuft hier etwas gewaltig aus dem Ruder. Natürlich muß investiert werden, aber dere Nutzen kann weitaus höher sein.
Als noch die Wehrpflicht bestand haben viele bei der BW studiert (bezalbare Unterkunft Incl.) und nicht wenige hatten berufliche Perspektiven und sich weiter qualifiziert bzw. neue Berufe ergriffen. Die Ausbildung war exzellent und die Industrie hat jahrzehnte lang diese qualitativ guten Kräfte mit Kusshand umworben. Die Industrie hatte dabei noch den großen Vorteil, dass für die Ausbildung dieser Mitarbeiter sie nichts investieren mußte. Heute ist die BW eine Hightech-Armee und gerade eine Wehrpflicht kann unserer Industrie mittel/längerfristig wieder dabei helfen das benötigte Fachkräfte dem Markt zur Verfügung stehen. Nebenbei sei gerade für unsere politische Landschaft festzustellen, die Rechte kennen sie alle, aber ein funktionierendes Gemeinwesen braucht auch eine „kleine“ Pflicht
@ Flying Tiger, Paradox77
+1
Die Ifo-Pressemitteilung zur Studie und die Modellierung finde ich tatsächlich nahezu skandalös unprofessionell. Denn es ist klar, was grosse Teile der Presselandschaft draus machen. Zitate der Headlines heute:
„Wehrpflicht würde bis zu 70 Mrd € kosten“ „Wehrpflicht kostet bis zu 70 Mrd € Wirschaftsleistung“. N-tv, Springer, MSN, (leider auch) RND usw usf.
Wohlgemerkt gilt die Aussage „70 Mrd.“ nur in einem Szenario der Studie, in dem ALLE 18 jährigen gleich welchen Geschlechts, gleich welcher Tauglichkeit, in toto ca. 780.000 Menschen, jährlich zur Bundeswehr eingezogen würden. Das Modell ist völlig lebensfremd, selbst für den ultimativen V-Fall, und hätte nie in eine seriöse Studie gehört, die offenbar vorrangig politischen Zielen der parteiischen BMF-Spitze dient und den Zweck hat, mit Erzeugung von Gekreische im medialen Raum Pistorius politisch zu schaden. Das ifo übernimmt da leider das politische Geschäft eines populistischen Zuspitzens für die FDP. Man kann übrigens davon ausgehen, dass die Kalibrierung des Modells und die Szenarien mit dem Auftraggeber der Studie, in diesem Fall eben das BMF, abgestimmt wurden.
Was TW schreibt „Falls ähnlich wie bei der alten Wehrpflicht knapp ein Viertel eines Jahrganges eingezogen würde, könnte die Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent oder 17 Milliarden Euro zurückgehen“ wäre die richtige Kernaussage zum grössten anzunehmenden Szenario. Liesst sich nur nicht ganz so erschreckend. 4 Promille des BIP wären wohl auch unterhalb seriös prognostizierbarer volkswirtschaftlicher Auswirkungen. Als wirklich relevant dürfte ein Finanzminister, der sein Geschäft versteht, das wohl kaum ansehen, und schon gar keine an die Presse durchgestochenen Briefe zusammen mit dem BM Justiz an den eigentlich für das Thema zuständigen Minister dazu verfassen. Doch selbst hier: Es wäre von 195.000 jährlich zur Bundeswehr eingezogenen Menschen auszugehen. Diese Zahl wurde nur in 12 Jahren seit Bestehen der Bundeswehr erreicht – in einigen Jahren der 1970er/80er und direkt nach der Wiedervereinigung. Realistisch als Szenario wäre selbst das nur für einen V-Fall.
Die Instrumentalisierung von halbgarer „Wissenschaft“, das Modelling und das Agieren der FDP-Spitze sind in meinen Augen geradezu erbärmlich und doch leider symptomatisch für den in gewissen Ecken zunehmend unseriösen politischen Diskurs.
Das Thema wäre übrigens beim BMWK wohl besser angeordnet gewesen.
Dem gegenüber zu stellen sind die Kosten, die uns durch eine mangelnde Abschreckung Russlands entstehen. Das sind also die Gelder, die wir aufwenden müssen um eine kriegerische Auseinandersetzung mit Russland siegreich zu beenden.
Plus den Wiederaufbau einer teilweise zerstörten Infrastruktur plus Entschädigungen für gefallene und versehrte Soldaten plus Ersatz zerstörten Materials und Wiederauffüllung der Depots nach Ende des Krieges. Plus berufliche und Weiterbildungsangebote für die Gedienten nach Ende der Kampfhandlungen. Wahrscheinlich wären die Kosten eher in Hunderten Milliarden zu beziffern. Dagegen hört sich die Wehrpflicht wie ein ziemlich guter Deal an.
Es würde mich interessieren mit wievielen Milliarden denn der Gesamtgesellschaftlichen Nutzen eingepreist werden würde!?
Eine monothematische Betrachtung (Wirtschaftsleistung) ist zwar möglich und macht das Thema einfach, verhindert aber eine Betrachtung des komplexen Themas – mir reicht das in der Form nicht aus und ich finde das keinen guten Ansatz – das Gutachten kann nur einen Teilaspekt abbilden, aber doch nicht Grundlage für eine Entscheidung sein.
Niemand könnte die Gesellschaft auch der Nicht-Mehr-Wehrpflichtigen daran hindern,
die Wehrdienstleistenden ordentlich zu bezahlen und ihnen Nachteile beim Start ins Berufsleben wenigstens teilweise auszugleichen, oder ?
Vorab würde mich auch interessieren, welche Dauer des Wehrdienstes das IFO Institut zur Grundlage der Berechnungen gemacht hat. Waren es die zuletzt 12 Monate oder 15 Monate oder die Dauer des schwedischen Wehrdienstes?
Egal welche Wehrdienstdauer man zu Grunde legt, es wird nicht ohne volkswirtschaftlich Kosten möglich sein. Natürlich ist das gut zu wissen. Natürlich ist es falsch, die prognostizierten Kosten isoliert zu betrachten, so wie die FDP das tut.
Letztendlich ist es auch eine Frage der Prioritäten.
Wenn diese Kosten ein Teil des „Preis der Freiheit“ sind, dann ist es an der Politik abzuwägen, ob uns unsere Freiheit diesen Preis wert ist.
Hierzu bedarf es vorab einer Risikoabschätzung. Ist die Bedrohung unserer Freiheit durch Russland tatsächlich so groß und akut, wie dies in unseren Leidmedien und in den Aussagen einzelner Politiker dargestellt wird?
Zumindest von Seiten der FDP wird dieses Risiko eindeutig als nicht so groß eingeschätzt.
Ich finde, dass am schwersten wiegt, dass die Kosten vor allem von denen zu tragen wären, die durch ihren Dienst später in den zivilen Beruf starten und dadurch weniger Kapital aufbauen können.
Aber dem ließe sich ja auch mit einer fairen Beteiligung der Vermögenden an den Kosten begegnen – wenn man das denn wollte (die FDP schon mal garantiert nicht).
Ich stimme diversen Foreneinträgen vor mir zu, dass die Rechnung auf der Basis einer berechenbaren Volkswirtschaft erstellt wurde, diese Grundlage aber genau mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht gesichert werden soll und nicht mit Geld allein, sondern nur mit Menschen erreicht werden kann!
Der nahezu manipulative Ansatz der FDP übersieht den wesentlichen Punkt, dass sogar im Modell des super-liberalen Nachtwächterstaates Sicherheit als wesentliche Staatsleistung anerkannt wird, genau wie in allen Vertragstheorien der politischen Ideengeschichte von Thomas Hobbes bis John Stuart Mill (und Karl Marx). Sogar Olaf Scholz (2024) klingt da ähnlich wie Karl Marx (1859): sinngemäß: Sicherheit ist nicht alles, aber ohne Sicherheit ist alles nichts. Eigentlich kündigen Lindner/Buschmann hier den Gesellschaftsvertrag, wenn die Sicherheit des Gemeinwesens nicht mehr als zentrale Verantwortung des gesamten Gemeinwesens verstanden wird. Sogar die turboliberalen Briten des 18./19. Jahrhunderts hatten mit dem Pressing von Matrosen eine brutale Form der maritimen Wehrpflicht und auch die USA waren im Bürgerkrieg kurzfristig zum Drafting gezwungen…
Wenn man von Jugendlichen eine Dienstpflicht abverlangt (und die Masse wird in Pflege/Krankenhäusern/Zivi besser aufgehoben sein) wird man als älterer Jahrgang auch zurückgeben müssen mit einer Reduktion der Kaufkraft seiner indivudellen Ersparnisse. Läuft nicht nur Einbahnstraßenmäßig…
Und ja, ich akzeptiere den liberalen Ansatz, aber ich ich vermisste ihn nicht in der außerparlamentarischen Opposition.
Was mich interssieren würde: Erhöht eine Wehrpflicht das Abschreckungspotenzial gegenüber einem möglichen Gegner und reduziert dadurch die Kriegswahrscheinlichkeit bzw. kann eine Wehrpflicht einen Krieg verkürzen, wenn Ja wieviel? (Bei Nein, können wir uns Artikel, Geld und Diskussion sparen)
Der Krieg in der Ukraine hat uns schon 240 Mrd € gekostet (lt. IW) obwohl wir garnicht beteiligt sind. Wie hoch wären denn unsere Kosten wenn wir wirklich Krieg hätten? Der Schaden an Städten, Infrastruktur und Verlust von 100.000den Menschenleben (s.o. „…Humankapital und Vermögen…“), Traumatisierung von Millionen Menschen bis zu einer radioaktiven Verseuchung ganzer Landstriche, unmittelbar und langfristig? Wo ist die Risikoabschätzung des ifo?
Die Bundeswehr ist wie eine Versicherung. Wenn wir sie bei Eintritt des Weltfriedens umsonst bezahlt haben, haben wir alles richtig gemacht.
@WielanddS
Manche argumentieren auch anders herum: wenn es tatsächlich Krieg gibt hat die Abschreckung nicht funktioniert und die Ausgaben für Verteidigung waren umsonst. Und ein kurzer Krieg ist – sofern nicht nuklear – ein „billiger“ Krieg, Motto: „Lieber rot als tot“.
Tja. Einen Krieg muß man dann als Volk in seiner Gesamtheit auch führen wollen, Fähigkeit dazu ist das eine, Bereitschaft das andere. Für mich entscheidend ist die Bereitschaft, siehe UKR.
Aus gegebenem Anlass (diese Meldung):
Mich würde eine zusammenhängende Darstellung interessieren wie Politik (und Meinungsproduktion im Vorfeld politischer Entscheidungen) in Deutschland funktioniert. Wie kommen solche (und nicht andere) Meldungen durch den Filter der Medien (Chef vom Dienst entscheidet, Redaktionskonferenz entscheidet, nach welchen Maßgaben)? Welche Medien entscheiden nach welchen Maßgaben (Eigentümer des Mediums, Parteinähe des Mediums, Vernetzung des Mediums mit welchen Gruppen, Identität des Meldungsproduzenten, Agenden der anderen Medien) was gebracht wird? Wichtiger noch: wie entscheiden Medien WIE etwas gebracht wird (in welchem Umfang, mit welchen Adjektiven)?
Wie synchronisieren sich diese Akteure (informell, ggf. auch formell? in welchen Foren (Diskussion am Rande der neuesten Medienpreisvergabe, Besuch von Kongressen, Tage der offenen Tür und Sektempfänge in Berlin und anderswo), mit welchem Rythmus?)
Erst dann könnte man eine solche Meldung im Einzelnen (und die öffentliche Meinungsbildung und politische Entscheidungsfindung im Gesamten) richtig beurteilen. Denn DIESE Meldung und ihr Inhalt kommt so (mein Bauchgefühl..) nicht aus dem Blauen heraus.
[Hier ist weder das Medienblog noch das Fachblog für Verschwörungsmythen. Die FDP-Minister haben einen Brief geschrieben und, das steht zu vermuten, dafür gesorgt, dass er an Medien geleakt wurde. Daraus jetzt die große Medien-Verschwörungs-Theorie aufzubauen, ist ziemlich unsinnig – und wie Entscheidungsabläufe in Medien, Redaktionen etc. ablaufen, war schon Gegenstand unzähliger Forschungen, Studien, usw. Wir beenden das bitte jetzt umgehend. T.W.]
„Den Kosten gegenüber steht der Gewinn, den die Gesellschaft daraus zieht. Nämlich Sicherheit. Den Sanierungsfall Bundeswehr neu aufzustellen, “
Da ist zu plakativ und vermisst Substanz.
1) Es sollte erst einmal klargestellt werden, wie man die ganzen Männer/Frauen unterbringen möchte.
Kleiner Hinweis: Wir haben eine zahlenmäßige Obergrenze für BW, die noch nicht einmal ermöglicht, alle deutschen Männer sinnvoll einzuziehen, wir haben dann ein Wehrgerechtigkeitsproblem.
2) Bitte auch klar herausarbeiten, ob die Mannschaftdienstgrade das Probelm sind, ob also 150000 Mann/Frau pro Jahr das Problem lösen.
3) Was wäre eine Mindestdienstdauer? (siehe auch Problem 1).
4) Parallelorganisation von Freiwilligenverbänden und Milizsystem, das die Wehrpflichtigen abdeckt?
Wenn ich mir diese „Nabelschau“ des IFO Institut anschaue oder auch die Argumentation der FDP und dagegen die jüngsten Beschlüsse zur Stationierung der Tomahawk in Deu etc., frage ich mich mit größter Sorge wie lange wir uns diese Diskussion fern ab der sicherheitspolitischen Realität zur Herstellung einer Kriegstüchtigkeit noch leisten wollen.
@Thomas Melber
Zitat:“Tja. Einen Krieg muß man dann als Volk in seiner Gesamtheit auch führen wollen, Fähigkeit dazu ist das eine, Bereitschaft das andere. Für mich entscheidend ist die Bereitschaft, siehe UKR.“
Völlig richtig. Allerdings hat in der Ukraine nach mehr als zwei Jahren Krieg die Bereitschaft sehr stark nachgelassen. Weshalb die Maßnahmen der Regierung die ‚wehrunwilligen‘ zu pressen auch immer drakonischer werden.
Ich glaube nicht, dass es bei uns so anders wäre.
Die russische Regierung hätte den Angriff auf die Ukraine nicht gewagt, wenn sie nicht , wie auch die meisten Experten im Westen, überzeugt davon gewäsen wäre, diesen Krieg auch schnell zu gewinnen. Das war ein Irrtum. Aber nun wo der Krieg mal begonnen wurde, ist die russische Seite gewillt ihn auch um den Preis von hundertausenden toter Soldaten gewinnen zu wollen.
Können wir da mithalten?
Ich sehe auf Seiten der ukrainischen Bevölkerung, aller Durchhalteparolen Selenskys zum Trotz, aktuell nicht mehr dieselbe Überzeugung mit der z.B. der Vietcong, die Taliban oder die Huthi gekämpft haben.
Dazu kommt, bei einer Konfrontation zwischen nuklear bewaffneten Staaten gibt es nur eine Gewissheit, dass keine Seite einen nuklearen Schlagabtausch überleben würde.
Weswegen die Bereitschaft in der Bevölkerung, einen solchen Krieg führen zu wollen, noch geringer sein dürfte.
Deshalb muss unsere Bundeswehr so aufgestellt sein, dass bei einem potentiellen Gegner gar nicht erst die Überzeugung entsteht, das ein schneller konventioneller Sieg möglich ist.
Wenn die Bundeswehr eines Tages so aufgestellt ist, dann würde ein potentieller Gegner nur dann einen Angriff wagen, wenn vitale nationale Interessen auf dem Spiel stehen.
Um so eine Situation gar nicht erst entstehen zu lassen bedarf es der Diplomatie.
Das wurde im Vorfeld des Krieges in der Ukraine von westlicher Seite versäumt und deshalb haben wir nun dort einen Krieg, den ausser einigen notorischen Kriegstreibern, kein Mensch in Europa haben wollte und will.
@Ulenspiegel
Oh ja bitte, jetzt kommt wieder das Argument, es gäbe keinen Platz mehr für Wehrdienstleistende… Das ist doch absurd!
1.) Wenn die Politik die Vorgabe erlässt, dass pro Quartal / Halbjahr die Summe X an Wehrdienstleistenden auszubilden ist, um die Verteidigungsfähigkeit zu erhalten, dann ist es Auftrag und Aufgabe des Geschäftsbereichs BMVg, dies umzusetzen – Punkt. Und sicherlich hat der Bund auch genügend Raum (in Form von halb ausgelasteten oder leerstehenden Kasernen), um diesen Auftrag mit Leben zu fülllen. Unsere Kasernen sind darüber hinaus im Schnitt über/um fünfzig Jahre alt und müssen überwiegend dringend saniert werden – hier kann man bestimmt noch neue Blöcke für eine AGA/SGA Kompanie errichten. Evtl. bildet man auch einfach regionale Schwerpunkte für die Grundausbildung (wie es die Luftwaffe bereits vorgemacht hat), um sich anfangs nicht zu verzetteln.
2.) Häuptlinge gibt es seit dem Ende der Wehrpflicht genug, das Problem liegt tatsächlich beim Fussvolk – unsere „Attraktivitätsoffensiven“ führen bald zum „Oberstleutnant und Militärkraftfahrer auf Leopard 2“. Als Ziel muss einfach eine sinnvolle Aufwuchsfähigkeit im Spannungs- und Verteidigungsfall stehen, insbesonderre dann, wenn man wirklich Reserveeinheiten in Vollaustattung anstrebt.
3.) Ein FSJ dauert zwischen sechs und 18 Monate – evtl. ist die minimale Dauer hier ein guter Richtwert, vor allem, wenn der Ausbildungskatalog sinnvoll gegliedert ist. Ein „Gammeldienst“ wie früher sollte es keinesfalls mehr werden…
4.) Milizsysteme haben keine Tradition in Deutschland, aber es gab mal den funktionierenden Dreiklang aus Aktiven (die im Ernstfall die erste Welle bilden), Reservisten (die in der zweiten, Welle folgen) und dem Landsturm (der unmittelbar (Sicherheits-)Aufgaben im Hinterland übernehmen kann). Damit schafft man Zeit für die Ausbildung von Ungedienten, wenn man es denn muss.
Alles im allem bleibt es wieder beim alten Sprichwort: Wer will findet Wege, wer nicht will findet Gründe…
Diese Nummer der beiden FDP-Minister hat rein gar nichts mit den Wehrpflichtplänen von Pistorius zu tun. Der Brief ist das Dokument von Not und Elend einer Partei in den beginnenden Landtagswahlkämpfen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Das war’s dann auch schon.
@ Schlammstapfer
So, so es bedarf also lediglich der Diplomatie. Nun, dann hat doch sicher der selbsternannte EU-Chefdiplomat Orban seinem Freund Putin gesagt, dass er nur seine Truppen aus der Ukraine sofort abziehen muss. Soviel mehr braucht es tatsächlich nicht. So einfach ist das.
Gewisse Dinge kosten in einer Volkswirtschaft nun einmal ständig Geld, auch wenn sie keinen unmittelbar produktiven Nutzen haben. Das gilt nicht nur für Verteidigung, sondern auch für Polizeit oder allgemeine Verwaltung.
Ein Beamter, der gerade keinen Antrag bearbeitet, muss trotzdem bezahlt werden. Das stimmt. Es ist aber durchaus sinnvoll, jemanden zu haben, der den Antrag, sobald er denn kommt, bearbeiten kann, zumal, wenn das Gegenteil volkswirtschaftlich noch viel teurer käme.
So ist das auch mit Streitkräften. Das beste Militär ist eines, welches so gut ist, dass es nie zum Einsatz kommen muss, kostet aber natürlich trotzdem Geld, wenn das auch manchen Leuten als unnötig aufstoßen mag.
Diese monetäre Scheuklappe ist auch der Grund, warum einem alten Witz zufolge die Schwaben niemals Atombomben besitzen dürfen: „Jetzt hän mer se zahlt, also setzet mr se au ei!“
@Nicolo15: zu beidem 100% Zustimmung.
Ah, nun werden die 17,1 Mrd € schon deutlicher. Es geht nicht, um das Berufsjahr, was jetzt verloren geht, durch einen Wehrdienst, sondern um das im Laufe des Berufslebens aufgebauten Kapitals
17,1 Mrd € in – sagen wir mal konservativ 45 Jahren – ergeben dann schon einen ganz anderen Kontext . Dann wäre es sicher fair gewesen, auch den Gegenwartswert /present value mit anzugeben. Dann würde es aber eben schon nicht mehr soooo dramatisch klingen.
@Voodoo:
„Lernen Sie schießen, treffen Sie Freunde!“
Gut 14.000 Schützenvereine, mit Tradition bis teilweise in die napoleonischen Kriege hinein dürften Ihrer Aussage jedenfalls in der Pauschalität widersprechen. Unsere Nationalfarben leiten sich bekanntlich dann auch vom Lützow’schen Freikorps ab.
Gut, seit geraumer Zeit ist das milizionäre Engagement weitestgehend in Brauchtumspflege und den sportlichen Aspekt übergegangen, aber der grundlegende Gedanke einer freiwilligen milizionären Vereinigung ist in Deutschland durchaus historisch belegbar.
@Voodoo 11.07.2024 um 21:59 Uhr:
So, so, halb ausgelastete oder leerstehende Kasernen also.
Haben wir nicht mehr und wenn, dann stehen da Gebäude aus gutem Grund „leer“, denn wenn man da Menschen unterbringt kommt da einmal die Woche die Wehrbeauftragte um die nächste Schubkarre Eingaben direkt vor Ort abzuholen…
Jetzt bitte keine Expertenvorschläge wie „Lager übende Truppe auf den Truppenübungsplätzen ist auch noch da, der Rest der Truppe kann ja während seiner Aufenthalte im Zelt oder auf den Fahrzeugen wohnen….“.
Schauen Sie der Realität ins Auge, wir haben seit spätestens 2000 (also noch zu Zeiten der letzten Wehrpflicht) die Liegenschaften auf Funktionsgebäude und Unterbringung höchstens noch für die Kasernenpflichtigen „optimiert“ jeder verheiratete oder älter als 25 musste raus. Die legendären 8-Mannstuben sind entweder inzwischen Dienstzimmer oder 1- bis 2-Mann (äh Personen-) Stuben, weil wegen Attraktivität für Zeitsoldaten etc.. Das kommt jetzt wie ein Bumerang zurück.
Wir könnten natürlich großzügig die letzten Grünflächen in den Kasernen zubauen, in 8 bis 10 Jahren sind die Landesbaudirektionen bestimmt soweit, daß der erste Spatenstich erfolgen kann…
@ FlaOffz
Habe ich irgendwo geschrieben, dass alles gleich nächste Woche alles bezugsfertig sein muss? Und ist das tatsächlich so schlimm wie sie schreiben, denn mir fallen beispielsweise ad hoc gleich vier Standorte ein, an denen ohnehin bereits gearbeitet wird bzw. werden soll (Lohheide, Oerbke / StO Osterheide, Bernsdorf / Bautzen und Lüneburg) – ohne Anspruch auf Vollzähligkeit, denn darüber hinaus fällt mir noch Ahlen (Westf.) ein, wo ein ehemaliger Brigadestützpunkt vor sich hindämmert. Sicher nicht in der Nähe des blühenden Lebens, aber ein Anfang wäre gemacht.
Siehe Anmerkung zu Wegen und Gründe…
Mit den zu schließenden Standorten Erding und Fürstenfeldbruck könnte man die 5000 Grundauszubildenden locker abbilden. Platz wäre genug.
Aber wer will das schon, lieber irgendwelche Einödkasernen, die du als Wehrpflichtiger schneller zu Fuß erreichen kannst als mit den Öffis…
Für die Pläne des Ministeriums wären jetzt auch ein paar Standortentscheidungen wünschenswert.
Die Diskussion greift ein wenig zu kurz. Die Haltung der FDP wirft wieder mal die Frage auf, ob die Gesellschaft für die Wirtschaft da ist oder die Wirtschaft den Belangen der Gesellschaft dienen sollte (Stichwort:Karl Polanyi). Wie die Antwort der FDP auf diese Frage aussieht ist offensichtlich.
Fragt sich nur, ob wir in einer solchen Gesellschaft leben wollen, wo alles nur Ressourcen ist, um das Kapital der Superreichen zu mehren.
P.S: In meinen Augen ist die FDP untragbar.
Voodoo schrieeb:
„1.) Wenn die Politik die Vorgabe erlässt, dass pro Quartal / Halbjahr die Summe X an Wehrdienstleistenden auszubilden ist, um die Verteidigungsfähigkeit zu erhalten, dann ist es Auftrag und Aufgabe des Geschäftsbereichs BMVg, dies umzusetzen – Punkt. Und sicherlich hat der Bund auch genügend Raum (in Form von halb ausgelasteten oder leerstehenden Kasernen), um diesen Auftrag mit Leben zu fülllen.
Wir haben zu viele Männer. bei 170000 Mannschaften mit einer Dienstzeit von mindestens 12 Monaten können wir den Jahrgang nicht unterbringen. Bitte nicht übersehen, dass in Westdeutschland der kalte Krieg eine Ausnahmesituation war. Ansonsten gilt, was schon vor 170 Jahren von Exilpreußen in der Schweiz beschrieben worden ist, wir haben ein Trilemma, es wäre schön, wenn das verstanden würde und diskutiert würde.
„2.) Häuptlinge gibt es seit dem Ende der Wehrpflicht genug, das Problem liegt tatsächlich beim Fussvolk – unsere „Attraktivitätsoffensiven“ führen bald zum „Oberstleutnant und Militärkraftfahrer auf Leopard 2“. “
„4.) Milizsysteme haben keine Tradition in Deutschland,“
Da sind wir wieder beim Problem, wir können die männlichen Wehrpflichtigen nicht unterbringen. Wenn du die aktiven Einheiten mit brauchbaren Mannschaften versorgen willst (Dienszeit 12 Monate oder mehr), hast du riesigen Überhang, insbesondere wenn evtl. auch Frauen dienstpflichtig würden.
Nochmal: Du kannst bestenfalls 170000 Wehrpflichtige miti 12 Monaten Dienstzeit unterbringen, knapp 140000 mit 15 Monaten. Was machst du mit weiblichen Freiwilligen? Wie erzeugst du Wehrgerechtigkeit?
Verpflichtender Milizdienst (6 Monate) und Hoffnung, dass ein Teil sich für ein weiteres Jahr verpflichtet (Anreiz über Bafög etc.) wäre bei Forderung nach Wehrdienst in meinen Augen die einzige Möglichkeit, also ca. 150000 Milizplätze (300000 Soldaten pro Jahr), die aktive Streitkräfte vielleicht sogar etwas kleiner als im Augenblick.
@Nicolo15
Sieht man von wenigen Beispielen ab, dann werden Kriege durch Diplomatie beendet. besser wäre es allerdings durch kluge Diplomatie im Vorfeld zu verhindern, dass es überhaupt zum Krieg kommt.
Was den Krieg zwischen der russischen Föderation und der Ukraine anbetrifft, so hat es im Vorfeld an kluger Diplomatie gemangelt. Ich stimme Ihnen zu, dass in der aktuellen Situation, in der die Initiative klar auf seiten russischen Armee liegt, die Bereitschaft zum Verhandeln bei der russischen Regierung nicht besonders ausgeprägt ist. Es lässt sich aber auch nicht leugnen, dass die russische Regierung ein Angebot gemacht hat. Dieses Angebot platt zurückzuweisen, war ein Fehler.
Ja. Es war ein Katalog von Maximalforderungen. Aber grundsätzlich gehen beide Seiten eines Konflikts immer mit maximalen Forderungen in Verhandlungen. Es ist dann Aufgabe der Verhandler (Diplomaten), einen Kompromiss zu finden.
Zweitens könnte es gut sein, dass die Ukraine nicht wieder ein so ‚gutes‘ Angebot bekommen wird. Denn während Sie und ich uns hier diese Diskussion führen, verliert die Ukraine weiter langsam aber sicher an Territorium. Natürlich ist es immer noch ukrainisches Territorium, auch wenn es von russischen Truppen besetzt ist. Das ist aber nur von akademischem Interesse, wenn die ukrainische Regierung es nicht auch kontrollieren kann.
Allen westlichen Sanktionen und Waffenlieferungen zum Trotz werden die Ukrainer weiter zurückgedrängt. Schlimmer als der Verlust an Territorium ist für die Ukraine der Verlust an Soldaten.
Während die ukrainische Regierung mit Zwangsmaßnahmen rekrutiert und diese Rekruten nach nur wenigen Tagen Training an die Front schickt, bauen die Russen ihre Reserven in aller Ruhe auf. Der Vorstoss auf Kharkiv hat die ukrainische Armee gezwungen Reseven zu mobilisieren und Truppen, die an anderen Abschnitten der Front erfolgreich Widerstand geleistet hatten, abzuziehen. Das Ergebnis sieht man in Form von aktuellen russischen Durchbrüchen an eben jenen Frontabschnitten.
Vergessen wir nicht, dass dies ein Abnutzungskrieg ist. Die russische Armee muss keine großen Gebietsgewinne machen, solange mehr ukrainische Soldaten fallen als die Ukraine ersetzen kann, werden die Russen militärisch gewinnen.
Ein langer Krieg geht zudem für uns mit Risiken einher, die die Russen nicht kennen. Schauen Sie sich die politischen Entwicklungen bei uns an, in den USA, in Frankreich und der EU als Staatenbund.
Glauben Sie ernshaft, dass wir uns eine Unterstützung der Ukraine noch weitere zwei Jahre lange werden leisten können? Meiner Ansicht nach, sind wir schon jetzt an dem Punkt, wo wir zwischen der Unterstützung der Ukraine und dem Wiederaufbau der Bundeswehr wählen müssen.
Wenn Sie also keine Vorschläge machen können, wie die Ukraine diesen Krieg militärisch schnell gewinnen kann (vorzugweise ohne uns alle einem nuklearen Krieg auszusetzen), dann sollten sie das Thema ‚Diplomatie‘ weniger verächtlich behandeln.
@Schlammstapfer
„Meiner Ansicht nach, sind wir schon jetzt an dem Punkt, wo wir zwischen der Unterstützung der Ukraine und dem Wiederaufbau der Bundeswehr wählen müssen.“
Ein valider Punkt. In den letzten Podcasts / Interviews wurde immer gesagt, daß „der Westen“ und die UKR auf lange Sicht gewinnen würden. Das mag sein wenn der Krieg noch mindestens fünf oder sieben Jahre andauert. Aber dann soll ja auch RUS soweit aufgerüstet haben, daß ein Angriff auf die NATO möglich sein könnte. Da muß man auch an die eigenen Bestände denken. Die USA u.a. sind eher zurückhaltend was die Abgabe aus aktiv genutztem / verplantem Bestand angeht. Und einige Staaten wird es reuen z.B. GEPARD abgegeben zu haben.
Aber wie sagte schon Keynes: „In the long run we are all dead.“
@Ulenspiegel
Angedacht wird wohl ein Dienst von sechs Monaten wobei man darüber hinaus auch Unterführer (Gruppenführer aber auch Zugführer-Anwärter und ROA) generieren muß. Bei 20 k / Jahr hätte man in sechs Jahren schon 120 k und hinzu kommen noch die Grundbeorderten. Natürlich muß man die Kameraden dann auch weiter in Übung halten und aus- und weiterbilden.
Thomas Melber schrieb: „Angedacht wird wohl ein Dienst von sechs Monaten wobei man darüber hinaus auch Unterführer (Gruppenführer aber auch Zugführer-Anwärter und ROA) generieren muß.“
Dann hätten wir eine zweigeteilte Struktur. 6 Monate Dienstzeit für die Wehrpflichtigen, die in dieser Zeit für aktive Einheiten nutzlos wären (Milizkomponente), Aktive Einheiten, die ihre Mannschaften weiterhin über Freiwillige decken müssen. Hoffnung wäre, dass genügend Freiwillige aus den Wehrpflichtigen generiert werden.
Es ist naiv anzunehmen, dass wir mit den bestehenden vertraglichen Beschränkungen wieder eine aktive Truppe mit Wehrpflichtigen als Mannschaften bekommen.
Es wird vermutlich drauf hinauslaufen, möglichst vielen Männern zumindest eine minimale militärische Grundausbildung zukommen zu lassen. Also Formaldienst, Leben in der soldatischen Gemeinschaft und im Feld, Handwaffenausbildung, Wachdienst.
Und darauf aufbauend dann Reaktivierung oder Neuschaffung weiterer Ausbildungskapazitäten.
Ich gehe davon aus, dass das BVerfG in einer neuen Anfangsphase ein gewisses Maß an Karenz geben könnte, wenn das erklärte Ziel ist, die anfänglich bestehende Wehrungerechtigkeit möglichst schnell durch entsprechende Maßnahmen zu beseitigen.
Ob das klappt? Ob es genügend Freiwillige geben wird, für einen Aufwuchs der Ausbildungskapazitäten oder gar der regulären Truppe? Ob wir hierduch letztlich nur problematischen jungen Menschen eine Ausbildung an der Waffe ermöglichen, wenn wir die Leute nicht rechtzeitig sicherheitsüberprüfen können? Kann man alles nicht pauschal beantworten.
Jedenfalls sollte auch klar sein, dass ein offensichtlich strategisch platziertes „Heil H…“ allein wohl keinen Grund darstellen kann, um den Pflichtdienst herumzukommen.
Verstehe die jetzt aufgekommene Diskussion nicht.
Von einer Dienstpflicht war ja bisher nicht die rede, lediglich von einer Wehrerfassung und Musterung. Für Männer verpflichtend und für Frauen freiwillig. Punkt.
Ob jemand dann Dienst macht oder nicht, ist schon wieder der nächste Schritt und bisher völlig freiwillig.
Aber so kann man natürlich auch Stimmung machen, man es nur oft genug behaupten, dann glauben es die Leute schon irgendwann. Das ist die selbe Vorgehensweise, die D. Trump-el oder unsere Schlumpfennazis anwenden.
@Schlammstapfer
Der 2.Weltkrieg, Koreakrieg, Vietnamkrieg -ja schon , bekamen Kissinger und Le Duc Tho den Friedensnobelpreis – JomKippur, der russische Afganistan Krieg wurden im Wesentlichen kaum durch Diplomatie beendet.
Diplomatie setzt auch ein gewisses Grundvertrauen, gegenseitiger Achtung und ein paar Grundprinzipien des Völkerrechts, wie Respektierung von Grenzen, Gewaltverzicht, territoriale Integrität seiner Nachbarn um nur einige Beispiele zu nennen.
Diese oben genannten Prinzipien hat Russland durch die Annexion der Krim mit Füßen getreten.
Es ist nach dieser aggressiven, gewaltsamem Annexion schon sehr scheinheilig und wohlfeil, larmoyant die fehlende Diplomatie zu beklagen und den russischen Imperialismus, Revisionismus, Militarismus – ganz platt die grünen Männchen ohne Hoheitsabzeichen an den Jacken in Soldatenstiefeln auf der Krim – zu übersehen, zu überhören.
Mir ist leider auch bis heute kein ernsthaftes russisches Angebot bekannt. Ich bin allerdings in der Lage ein russisches Angebot von einem Diktatfrieden, einer Kapitulation ,einer Aufgabe der Souveränität zu unterscheiden.
Der Weg der Ukraine ist vorgezeichnet. Irgendwann wird das Land durch Russland in die EU getrieben worden sein durch einen ständigen unaufhaltsamen an Eigendynamik gewinnenden Prozess trotz aller durchaus vorhandenen Widrigkeiten wie z, B. postkommunistischer Korruption, Agrarhilfen usw.
Wie findet nur Russland seinen Weg zurück in die Zivilisation einer friedensbasierten Weltordnung?
Ich habe einmal die Strategiepapiere des Bundes mit Bezug auf die zivilen und militärischen Dimensionen nationale Sicherheit und deren High-Level-Umsetzungsvorgaben (wie die Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung quer gelesen. Deren zentraler Ansatz in der einer integrierten Verantwortung von zivilen und militärischen Elementen. Die militärische Zuständigkeit von Heer, Luftwaffe und Marine in Bezug auf die Verteidigung der Außengrenzen im Fall eines (Spannungs-?) und Verteidigungsfalls scheint klar zu sein. Anders sieht es mit dem Schutz des „rückwärtigen Gebiets“ bzw. der „Drehscheibe Deutschland“ aus. Hier werden sich die Streitkräfte scheinbar nur um die Teilmenge der „verteidigungswichtigen Anlagen“ kümmern; der Rest scheint im Aufgabenbereich der Polizei zu verbleiben. Hier stellt sich die Frage, ob diese Polizeikräfte mittelfristig einen eigenen Aufwuchsbedarf haben. (vgl. die bereits im Frieden vorhandenen freiwilligen Polizeidienste in einigen Bundesländern). Wird sich dies zu einer Miliz entwickeln müssen, die z.B. den Schutz desjenigen Anteils an den über 2000 Anlagen kritischer Infrastrukturen übernehmen, die die Streitkräfte als „nicht-verteidigungswichtig“ identifizieren bzw. für die der geplante Heimatschutz nicht ausreicht?
In Bedrohungsszenarien, in dem Gegner möglichst lange unterhalb der Kriegsschwelle operieren, böte ein solcher „Arme Leute“ Ansatz eine erhebliche operative Flexibilität, ganz abgesehen davon, dass Milizkräfte zeitsparend vor Ort trainieren und weitgehend ohne Kasernen auskommen, wie wir sie in den Ballungsgebieten als „Ziel-Hochwert-Clustern“ eh nicht haben.
Bei genauerem Hinschauen bestehen hier bereits Ansätze im Bereich des Schutzes des Cyberraums, in dem entsprechende Kräftedispositive im Rahmen der Eigenschutzverpflichtungen der kritischen Infrastrukturen entstanden sind.
Gibt im Kontext auch Positives.
DLF:
Minister Pistorius meldet Anstieg der Bewerbungen bei der Bundeswehr um 15%.
„Die Bundeswehr verzeichnet nach Angaben von Verteidigungsminister Pistorius verstärkt Bewerbungen für den Dienst in der Truppe“.
Konkrete Zahlen fehlen, ggf mit der Juliauswertung.
[Haha, bislang, am 18. Juli, liegen noch nicht mal die Zahlen zur Personalstärke für Mai (!) vor. T.W.]