Neue Probleme bei Beschaffung bewaffneter Drohnen: Gericht & Polit-Streit (Neufassung)

Die geplante Entscheidung über die Beschaffung der ersten Bundeswehr-Drohnen, die auch bewaffnet eingesetzt werden können, verzögert sich aufgrund rechtlicher Schwierigkeiten und politischen Streits. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verpflichtete das Bundesverteidigungsministerium, vorerst nicht die geplanten Verträge abzuschließen, wie ein Gerichtssprecher am (heutigen) Dienstag bestätigte. Bereits zuvor hatte sich abgezeichnet, dass angesichts von Uneinigkeit in der Regierungskoalition die für Mittwoch geplante Befassung des Haushaltsausschusses mit diesem Thema um eine Woche verschoben werden soll.

Bei dem Düsseldorfer Gericht war in der vergangenen Woche eine so genannte Anhörungsrüge der US-Firma General Atomics eingegangen: Das Unternehmen war vor diesem Gericht mit seiner Klage gegen die Entscheidung der Bundeswehr gescheitert, Heron-TP-Drohnen des israelischen Herstellers Israel Aircraft Industries (IAI) zu beschaffen und nicht die Predator-Systeme von General Atomics. Die zuständige Kammer habe nun festgelegt, dass das Verteidigungsministerium bis zu einer Entscheidung über diese Beschwerde den Auftrag nicht vergeben dürfe, sagte der Gerichtssprecher.

Diese neue rechtliche Wendung ist nicht das einzige Problem. Bereits vor Bekanntwerden der Vorgabe des Berichts  hatte sich nach Informationen von Augen geradeaus! abgezeichnet, dass die geplante Beschlussfassung über unbemannte Flugsysteme des israelischen Typs Heron TP im Haushaltsausschuss des Bundestages um eine Woche verschoben wird. Der nun mögliche Ausweichtermin 28. Juni ist die letzte Möglichkeit, vor der Bundestagswahl über diese Drohnen zu entscheiden.

Hintergrund dafür ist Uneinigkeit zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD beim  Umgang mit der geplanten Bewaffnung der Heron TP. Da die Fakten zu bekommen, ist nicht so ganz einfach: Auf Wunsch der Israelis werden die Informationen zur Bewaffnung der Drohnen geheim gehalten; neben der üblichen Beschaffungsvorlage für die unbemannten Systeme selbst gibt es eine weitere für die Bewaffnung, die nur in der Geheimschutzstelle des Bundestages einsehbar ist. Die Fluggeräte selbst werden von den IAI geleast, die Bewaffnung soll in einem Direktgeschäft der deutschen und der israelischen Regierung gekauft werden.

Klar ist aber: Zunächst sollen für die fünf Drohnensysteme Waffen wie gelenkte Raketen ausschließlich für Tests und für die Ausbildung beschafft werden, nicht für mögliche Einsätze der Bundeswehr. Waffen für einen Einsatz müssten dann erneut gesondert vom Parlament beschlossen werden. In der – nicht geheimen – Vorlage für das Waffensystem findet sich dazu die Aussage: Ein Ankauf von Munition über die israelische Regierung soll erst nach einer gesonderten parlamentarischen Entscheidung umgesetzt werden.

Doch wie diese gesonderte parlamentarische Entscheidung dann fällt, scheint vor allem den kleineren Koalitionspartner SPD zu beschäftigen, der ohnehin beim heiklen Thema bewaffnete Drohnen Probleme hat. Unklar ist da vor allem, ob die dann nötige Entscheidung über den Kauf der Waffen für die Heron TP einen Beschluss des Parlaments insgesamt erfordert – oder mit einer üblichen 25-Millionen-Beschaffungsvorlage im Haushaltsausschuss erledigt sein dürfte. Offensichtlich soll bei einer Verschiebung des aktuellen Beschlusses um eine Woche diese Unklarheit ausgeräumt werden.

Allerdings dürfte diese Beschaffungsfrage nicht der einzige Punkt sein, an dem die Koalitionspartner Union und SPD von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen. Das gleiche dürfte für die Zusage von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vor drei Jahren gelten, der Bundestag werde vor einem Einsatz der Drohnen mit Bewaffnung darüber entscheiden.

Da muss man sich mal sehr genau ansehen, was von der Leyen damals gesagt hat – vor allem in einem Interview der Süddeutschen Zeitung Anfang Juli 2014, das das Verteidigungsministerium auch komplett auf seiner Webseite eingestellt hatte. Die entscheidende Passage mit Fragen und Antworten:

von der Leyen: … Ob eine Drohne dann im Einzelfall bewaffnet oder unbewaffnet eingesetzt wird, würde stets vom konkreten Einsatz und dem entsprechenden Mandat des Bundestags abhängen. Das heißt auch, dass jederzeit die Kontrollmöglichkeit des Parlaments gegeben ist.
Frage: In Mandaten für Bundeswehreinsätze steht bislang auch nicht drin, ob Panzerhaubitzen oder Kampfhubschrauber eingesetzt werden. Sollen die Abgeordneten über die Ausrüstung entscheiden?
Von der Leyen: Nein. Aber sie entscheiden zum Beispiel heute schon darüber, ob Luftnahunterstützung zum Schutz der Truppe am Boden zulässig ist oder nicht. Der Bundestag entscheidet nicht nur, ob deutsche Soldaten in einen Einsatz gehen, sondern setzt auch den Rahmen, nach welchen Regeln sie kämpfen dürfen und was nicht gestattet ist. Daran orientieren sich die Waffensysteme. Und wie zum Beispiel ein Hubschrauber kann auch eine Drohne bewaffnet sein oder nicht. Das funktioniert seit Jahren.

Mit anderen Worten: Das ohnehin übliche Mandat für Auslandseinsätze mit den darin enthaltenen Aufgaben und einzusetzenden Fähigkeiten soll definieren, ob die Drohnen auch zum Waffeneinsatz ausgerüstet und eingesetzt werden – über die Aufgabe oder Fähigkeit Luftnahunterstützung (Close Air Support). Das lässt zum einen die Frage offen, ob die Waffen der Heron TP auch oder eben nicht für andere Einsatzszenarien jenseits der Sicherung eigener Truppen (Armed Overwatch) genutzt werden können. Und vermutlich für die SPD auch die Frage, ob das der versprochene Bundestagsentscheid über den konkreten Einsatz bewaffneter Drohnen sein wird.

(Foto: Israelische Delegation vor einem Modell der Heron TP auf der ILA 2016 in Berlin)