Parlamentarierbesuch in der Türkei? Merkel: „Noch ist die Lösung nicht da“
Der Streit zwischen der Türkei und Deutschland um den Besuch von Parlamentariern bei deutschen Soldaten auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik hält ohne Aussicht auf eine rasche Annäherung an. Ausgebrochen war der Streit, als die türkische Regierung dem deutschen Parlamentarischen Staatssekretär Ralf Brauksiepe und weiteren Abgeordneten eine Reise nach Incirlik untersagte – aus Verärgerung über die Armenien-Resolution des Bundestages. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte vergeblich versucht, diese Entscheidung rückgängig zu machen.
Am vergangenen Samstag schaltete sich dann Bundeskanzlerin Angela Merkel ein und traf sich am Rande des NATO-Gipfels in Warschau (Foto oben) mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Dass dieses Gespräch in diesem kritischen Punkt ergebnislos blieb, hatte die Kanzlerin schon direkt danach durchblicken lassen (s. unten), am heutigen Sonntag räumte sie das im ZDF-Interview noch mal offen ein:
Ich will ausdrücklich sagen: Es ist notwendig, dass unsere Abgeordneten in die Türkei reisen können, nach Incirlik, dass sie ihre Soldaten besuchen können. Wir haben eine Parlamentsarmee. Ich denke jetzt erst mal daran, wie ich die Gespräche weiterführe. Ich habe gestern gesagt, dass es ein erstes Gespräch war, und jetzt muss man weiterarbeiten. Noch ist die Lösung nicht da.
Das geht in die gleiche Richtung wie zuvor schon Merkels Statement in Warschau:
Ich hatte dann ein bilaterales Treffen mit dem türkischen Präsidenten, in dem wir über das EU-Türkei-Abkommen und die weiteren Schritte sowie natürlich auch über die Situation in Syrien gesprochen haben. (…)
FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, eine Frage zu Ihrem Treffen mit dem türkischen Präsidenten: Können Sie uns sagen, wie die Atmosphäre des Gesprächs war und ob Sie auch über den Zugang zum Stützpunkt in İncirlik gesprochen haben?
BK’IN DR. MERKEL: Wir haben alle anstehenden Fragen besprochen. Die Gesprächsatmosphäre war konstruktiv, würde ich sagen, sehr sachlich und in dem Bemühen, bestehende Konflikte auch zu lösen.
FRAGE: Waren diese Bemühungen erfolgreich, ist das Verhältnis jetzt also einigermaßen entspannt?
BK’IN DR. MERKEL: Die Dissense sind ja durch so ein Gespräch nicht weg. Ich glaube aber, es war wichtig, dass wir gesprochen haben.
Dass die Armenien-Resolution des deutschen Parlaments der Grund für den Streit ist, sagt die Türkei nicht nur informell, sondern durchaus auch öffentlich:
Turkish President Recep Tayyip Erdoğan expressed his discomfort with a German parliament’s resolution on the mass killings of Armenians at the hands of the Ottomans a century ago when he met with German Chancellor Angela Merkel on the sidelines of the NATO summit in Warsaw on July 9.
“The Turkish president expressed Turkey’s frustration and discomfort with the resolution, while the German chancellor vowed to show the necessary sensitivity required for the move to not cast a shadow over bilateral relations,” Turkey’s state-run Anadolu Agency said.
Eine Lösung ist aus außenpolitischen Gründen wichtig, die Basis in Incirlik der Standort für den deutschen Beitrag im Kampf gegen die ISIS-Terrormilizen in Irak und Syrien. Doch auch innenpolitisch kann sich der Streit auswirken. Nach dem ergebnislosen Gespräch meldete sich noch am Samstagabend der verteidigungspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag zu Wort:
Kein Besuch dt. Soldaten in der #Türkei möglich? Verlegung unserer Truppen, sonst keine Mandatsverlängerung @AutorToto @AugenGeradeaus @BILD
— Florian Hahn (@hahnflo) 9. Juli 2016
Das mag eine Maximalforderung sein, aber der CSU-Politiker Hahn kann, wenn man die Äußerungen der vergangenen Tage zum Maßstab nimmt, auch in der Regierungspartei SPD auf ähnliche Reaktionen zählen.
Und die Abgeordneten haben in der Tat ein Druckmittel in der Hand – nicht erst bei einer Mandatsverlängerung, die erst zum Beginn des kommenden Jahres ansteht. Nach einem Beschluss des NATO-Gipfels sollen die AWACS-Luftraumüberwachungsflugzeuge der Allianz künftig auch Daten für den Einsatz gegen ISIS liefern, voraussichtlich von der Basis Konia in der Türkei aus. Doch dieser AWACS-Einsatz kann nicht ohne Zustimmung des deutschen Bundestages starten: Die Bundeswehr stellt etwa ein Drittel der AWACS-Besatzungen, so dass eine Parlamentsbeteiligung zwingend sein dürfte.
Mit anderen Worten: Wenn sich mit der Türkei keine Einigung erreichen lässt, könnte das Auswirkungen auf die NATO haben, die über den Streit zwischen den beiden Ländern weit hinausgehen.
Nachtrag 11. Juli: In der Bundespressekonferenz gab es dazu natürlich Fragen – und Antwortversuche von Sebastian Fischer vom Auswärtigen Amt, Regierungssprecher Steffen Seibert und Jens Flosdorff vom Verteidigungsministerium:
Frage: Herr Seibert, Herr Fischer, Herr Flosdorff, ich weiß nicht, wer am besten zum Thema İncirlik antworten möchte. Welche Gespräche und welche weiteren Schritte sind konkret geplant? Welchen Zeithorizont gibt es, bevor man sagt: „Nun müssen Konsequenzen gezogen werden, wenn es kein Besuchsrecht gibt“?
Fischer: Ich denke, das ist relativ einfach zu beantworten. Wir arbeiten weiter daran, dass der Besuch der Abgeordneten des Deutschen Bundestages in İncirlik möglich wird. Hierzu führen wir Gespräche auf den unterschiedlichsten Ebenen. Sie haben gesehen, dass auch die Bundeskanzlerin das Thema am Rande des Nato-Gipfels angesprochen hat genauso wie der Außenminister. Dies werden wir weiter tun.
Zusatzfrage: Gibt es einen Zeithorizont?
Fischer: Wie gesagt, wir führen Gespräche. Wenn es Ergebnisse gibt, werden wir es Ihnen mitteilen können.
Zusatzfrage: Die Frage ist ja: Was passiert, wenn es keine Ergebnisse gibt?
Fischer: Wie gesagt, wir arbeiten mit Hochdruck und mit Nachdruck daran. Dabei wird es bleiben. Unser Ziel ist, dass es irgendwann wieder dazu kommen kann, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestages auch den Stützpunkt İncirlik besuchen können.
StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat es gestern doch sehr klar gesagt. Sie hat am Rande des Warschauer Nato-Gipfels ein erstes, konstruktives Gespräch mit dem türkischen Staatspräsidenten auch über dieses Thema geführt, in dem sie ihm klargemacht hat, wie sie es gestern auch für die deutsche Öffentlichkeit noch einmal sagte, dass es natürlich notwendig ist, dass unsere Abgeordneten zu unserer Bundeswehr nach İncirlik in die Türkei reisen können und dass es diesen Besuch bei der Parlamentsarmee, die sie ja ist, gibt.
Das war ein erstes Gespräch. Sie selber hat gesagt, der Dissens ist noch nicht ausgeräumt. Aber es ist nicht das erste Mal in der Politik, dass das nicht gleich bei einem ersten Gespräch gelingt. Es wird also sicherlich weitere Arbeiten an diesem Thema geben, und sie profitieren, denke ich, nicht davon, dass wir sie hier schon vorher öffentlich bekanntgeben.
Frage: Herr Seibert, ich würde mir von Ihnen gern das Wort „konstruktiv“ im Zusammenhang mit dem Gespräch mit Herrn Erdoğan erklären lassen. War es konstruktiv in der Atmosphäre, oder war es konstruktiv im Inhalt, sodass sich zumindest irgendetwas bewegt hat?
Zum zweiten Komplex, Truppen und Truppenbesuche durch deutsche Parlamentarier: Gilt der Zusammenhang am Ende des Tages: „Wenn keine Abgeordneten dahin dürfen, müssen wir uns überlegen, ob wir die Truppen abziehen“, oder gilt das am Ende des Tages nicht?
StS Seibert: Zu der Frage nach dem Adjektiv „konstruktiv“: Die Bundeskanzlerin selber hat gesagt: konstruktiv, sehr sachlich und in dem Bemühen, bestehende Konflikte zu lösen. Ich denke, das muss als Beschreibung der Gesprächsatmosphäre beim Gespräch mit Präsident Erdoğan in Warschau reichen.
Sie hat auch gesagt: Der Dissens ist durch solch ein Gespräch nicht weg, aber es war wichtig, dass wir gesprochen haben. – Damit ist, denke ich, klar, was in diesem Fall mit „konstruktiv“ gemeint ist.
Ansonsten kann und möchte ich jetzt mit Ihnen nicht bis ans Ende des Tages, wie Sie sagen, schauen, sondern noch einmal wiederholen: Die Bundeskanzlerin hat gesagt: Es ist notwendig, dass unsere Abgeordneten dahin reisen können. – Wir haben schließlich eine Parlamentsarmee. Die Verteidigungsministerin war da und hat erste Gespräche geführt. Die Bundeskanzlerin hat ein Gespräch geführt. Nun müssen wir weiter daran arbeiten.
Frage: Dazu noch zwei Nachfragen an Herrn Flosdorff: Ich wüsste gern, welche Priorität der Besuch von Abgeordneten des Deutschen Bundestages hat. Ist der Besuch höher zu werten als der Einsatz selber?
Eine Lernfrage: Bis wann läuft das Mandat?
Flosdorff: Meinen Sie das aus Sicht der Soldatinnen und Soldaten?
Zusatz : Nein, überhaupt. Welche Priorität räumen Sie der Tatsache ein, dass – – –
Flosdorff: Das ist keine militärische Frage. Die Ministerin hat schon mehrfach deutlich gemacht, welch hohes Gut es ist, dass wir eine Parlamentsarmee haben, und dass es sehr wichtig ist, dass die Abgeordneten Zugang zu den Soldatinnen und Soldaten haben, deren Mandate sie ja beschließen und die sie ja in den Auslandseinsatz schicken. Sie hat sich jetzt schon mehrfach dafür eingesetzt und wird dieses Thema auch weiterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit ansprechen.
Ansonsten kann ich Ihnen noch berichten, dass es auf der taktisch-operativen Ebene nach wie vor keine Veränderung gibt. Es gibt eine sehr gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit auf der taktischen Ebene, sowohl auf der Air Base in İncirlik als auch bei der Nato-Mission in der Ägäis, die ja weiterhin unter deutscher Führung mit den türkischen Gastgebern läuft.
Zusatzfrage: Wie lange läuft das Mandat, und wie schnell könnte man beispielsweise die Raketenabwehrtruppen zurückziehen?
Flosdorff: Raketenabwehrtruppen haben wir nicht mehr in der Türkei. In İncirlik sind die Aufklärungstornados und das Tankflugzeug. Dann gibt es die Nato-Mission. Das Mandat ist, wenn ich mich recht erinnere, im Frühjahr beziehungsweise zu Anfang des Jahres beschlossen worden. Ich denke, das läuft noch bis zum Beginn des nächsten Jahres.
Frage: Herr Flosdorff, war der Dialog, den Ihre Ministerin in der Türkei üben durfte, auch ein konstruktiver Dialog?
An Herrn Seibert die Frage: Die Ministerin hatte – ich gehe einmal davon aus – auch die Gelegenheit, konstruktive Gespräche zu führen. Die Bundeskanzlerin hat ein konstruktives Gespräch am Rande eines Termins geführt. Was ist eigentlich der nächste Schritt um Bewegung in die Sache und eine Entscheidung zu bringen?
Flosdorff: Die Ministerin hat ein gutes Gespräch mit ihrem türkischen Amtskollegen geführt. Es gibt eine ganze Fülle von Themen; das ist nicht das einzige Thema. Es geht auch um die Zusammenarbeit gegen den IS. Beide Staaten, Deutschland und die Türkei, sind Nato-Mitglieder. Es gibt auch etliche Themen, die man gemeinsam in der Nato bearbeitet. Auch vor dem Hintergrund der Umwidmung der Mission OAE gab es gemeinsame Themen. Viele gemeinsame Themen wurden vertrauensvoll besprochen.
Aber es wurde auch dieses Thema angesprochen. Dabei wurde deutlich, dass es noch unterschiedliche Vorstellungen und Meinungen gibt und dass es in diesem Stadium keine Lösung gibt. Trotzdem wurde aus der Atmosphäre des Gesprächs auch deutlich, dass das Problem seine Ursache nicht im militärischen Bereich hat und man dort auch nicht die Lösung für dieses Problem finden wird.
Zusatzfrage: Von Herrn Seibert möchte ich noch wissen, was die nächste Fortsetzung eines konstruktiven Dialoges ist. Die Verteidigungsministerin hat es versucht; die Bundeskanzlerin hat es versucht. Muss jetzt der Bundespräsident kommen, damit es vorangeht, oder wie denken Sie sich das?
StS Seibert: Damit würde ich nicht rechnen. Es muss eine Möglichkeit geschaffen werden, dass die Abgeordneten unsere Soldaten besuchen können. So hat es die Bundeskanzlerin gesagt. Dazu hat sie dieses erste Gespräch geführt, die Verteidigungsministerin auch. Es muss weitergearbeitet werden. Alles, was ich sagen kann, ist, dass wir daran weiterarbeiten, damit dieser Zustand eintritt. Ich werde keine Ankündigungen machen, wer wann mit wem telefonisch oder einander gegenübersitzend darüber als Nächstes spricht, sondern: Es wird weitergearbeitet.
Zusatzfrage: Sie sprachen von einem ersten Gespräch der Bundeskanzlerin. Daraus schlussfolgere ich: Es wird ein zweites, ein drittes oder wie viel weitere geben?
StS Seibert: Das war zunächst einmal die Beschreibung, dass es ein erstes Gespräch der Bundeskanzlerin mit Präsident Erdoğan über dieses Thema war. Damit erklärt sich, warum der Dissens bei diesem ersten Gespräch vielleicht noch nicht aufgelöst werden konnte. Alles Weitere ist Arbeit – auf beiden Seiten -, und die werden wir leisten.
Frage: Herr Flosdorff, eine Lernfrage: Es steht eine Ausweitung beziehungsweise ein anderer Einsatz im Raum, AWACS mit Blick auf den Luftraum in Syrien. Können Sie sagen, wann darüber eine Entscheidung fallen müsste?
Flosdorff: Das kann ich Ihnen nicht mit Datum beziffern. Die Ausplanungen der Beschlüsse, die in Warschau getroffen worden sind, erfolgen in Brüssel bei der Nato. Welche Zeitleiste daran hängt, werden wir sehen, wenn die Nato so weit ist.
Zusatzfrage: Eher Wochen oder eher Monate?
Flosdorff: Ich gehe davon aus, dass die Nato-Ausplanungen in diesem Jahr vorliegen werden. Wann genau dann der Einsatz beginnt, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen.
Frage: Herr Seibert, zwei Nachfragen. Wer arbeitet jetzt mit wem? Sie sagten, an dem Problem İncirlik wird weitergearbeitet.
Plant die Bundeskanzlerin, vor oder nach ihrem Urlaub oder während des Urlaubs einen Besuch in İncirlik?
StS Seibert: Ich habe doch gerade gesagt, dass weitergearbeitet wird, dass ich jetzt aber nicht ankündige, wer mit wem als Nächstes wann spricht. Wir arbeiten weiter. Die Zielrichtung ist glasklar und von der Bundeskanzlerin auch benannt: Es muss eine Möglichkeit geschaffen werden, dass die deutschen Abgeordneten unsere Soldaten besuchen können.
Über weitere Reise- oder Besuchspläne habe ich heute nichts anzukündigen.
(Foto: Erdogan, ganz links, und Merkel, im türkisen Jacket, auf dem NATO-Gipfel in Warschau – NATO Photo)
Na, da wird man in der Nato aber sehr „begeistert“ über Deutschland sein.
Zuerst zeigt sich Deutschland in der Russlandfrage als Wackelkandidat und nun will Deutschland einen bilateralen Streit mit der Türkei in die Nato tragen, den Deutschland in den Augen der Mehrheit der Nato-Staaten vom Zaun gebrochen hat. Unabhängig von jeglicher inhaltlicher Bewertung halten viele die strittige Bundestagsresolution zum jetzigen Zeitpunkt schlicht für überflüssig. Zudem sollte man sowas nur machen, wenn man selbst gerade die Trümpfe in der Hand hat, was Deutschland nicht hat.
Spieltheoretisch werden so ziemlich alle anderen Nato-Staaten eher Deutschland im Regen stehen lassen, als ohne strategischen Vorteil die Türkei zu düpieren. Ein Verteidigungsbündnis ist nun mal kein anthroposophisches Liebesnest, sondern eine Zweckgemeinschaft.
„Und die Abgeordneten haben in der Tat ein Druckmittel in der Hand – nicht erst bei einer Mandatsverlängerung, die erst zum Beginn des kommenden Jahres ansteht. Nach einem Beschluss des NATO-Gipfels sollen die AWACS-Luftraumüberwachungsflugzeuge der Allianz künftig auch Daten für den Einsatz gegen ISIS liefern, voraussichtlich von der Basis Konia in der Türkei aus. Doch dieser AWACS-Einsatz kann nicht ohne Zustimmung des deutschen Bundestages starten: Die Bundeswehr stellt etwa ein Drittel der AWACS-Besatzungen, so dass eine Parlamentsbeteiligung zwingend sein dürfte.“
Ja, das ist wahrlich ein gewaltiges „Druckmittel“ der DEU Bundesregierung. Schlagen wir uns also mal kurz auf die Seite des IS – natürlich nur zur Stärkung des Gedankens der DEU „Parlamentsarmee“.
Mann oh Mann – da fehlen die Worte.
Hans Schommer
@ H.Schommer
Offensichtlich ist die Bundestagszustimmung zu dem avisierten AWACS-Einsatz das Druckmittel der Abgeordneten ggü. der eigenen Regierung, dass dieselbe wiederum Druck auf die Türkei ausüben möge. Zie: „Besuchserlaubnis“ für deutsche MdB in Incirlik.
@ aufreger | 10. Juli 2016 – 22:58:
Dieser Ihrer Interpretation des von mir zitierten Beitrages kann ich natürlich folgen. Es gibt sicher einen ganzen Schwung von Kleingeistern (in ebendieser Sache), die aus m.E. niedrigen Beweggründen der eigenen Regierungsfraktion und damit auch unseren SiPo-Interessen einen „Stock in die Speichen stecken“. Und sie „wussten dabei nicht, was sie taten“.
Ja, so kann’s kommen. Wäre ja nicht das erste mal.
Hans Schommer
@Alf Igel
Die NATO ist eben auch eine Wertegemeinschaft und man kann als Bündnis nicht für für sich in Anspruch nehmen, ein unmenschliches Regime zu bekämpfen und selbst keine Verantwortung trage.
Die Resolution des Bundestages ist, auch mit Hinblick auf die Aktionen der Türkei im Osten des Landes, das Mindeste was Deutschland tun kann.
Es war ein Fehler die Tornados in die Türkei zu verlegen.
„Die NATO sei nicht nur ein Verteidigungsbündnis, sondern auch eine Wertegemeinschaft freier Staaten, machte Hahn (CSU) deutlich“
Das Parlament sind unsere Vertreter und sie machen ihren Job im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
Der Kampf gegen den IS kann auch aus anderen Ländern geführt werden.
Man muss der türkischen Regierung nicht alles durchgehen lassen.
@ Zimdarsen | 11. Juli 2016 – 8:10
Als „Schönwetterbeitrag“ kann man ihre Denke durchaus vertreten.
Die Türkei war von Anfang an ein Nato-Mitglied, bei dem man wusste, dass die dortigen Werte sich in vielem von mitteleuropäischen oder angelsächsischen Sichtweisen unterscheiden.
Wenn es gerade keine anderen Herausforderungen gibt, kann man ja durchaus mal über unterschiedliche Interpretationen der jeweiligen Geschichte reden. Aber wenn es gerade ernst wird, sollte man Zusammenhalt organisieren und solche Dinge besser lassen.
Anders gesagt: Die Engländer sind mit Stalin eine Kriegskoalition eingegangen, nicht weil sie ihn liebten, sondern weil es notwendig war.
Oder noch anders gesagt: In der osmanischen Kultur spielt Abstammung eine größere Rolle, als bei uns. Vizekanzler Sigmar Gabriel ist bekanntermaßen der Sohn eines Nazis. Aus türkischer Sicht ist diese Abstammung ein Problem, bei uns hat man sich von solchen Erbsünde-Denkstrukturen glücklicherweise verabschiedet. Als nächstes könnte nun die Türkei auf Deutschland eindreschen, weil es ja Nazis (= Sohn eines Nazis) in der Regierung gebe. Türkisch innenpolitisch würde das gut funktionieren. Die Armenien-Völkermord-Frage ist ja für viele Türken deshalb ein solches Problem, weil sie sich nicht als Sohn/Enkel von Völkermördern definieren wollen und sie das in ihrer Ehre verletzt.
Es gibt im interkulturellen Dialog viele Dinge, die unterschiedlich gesehen werden und mit denen man heftig Streit vom Zaun brechen kann. Nur muss man jede Gelegenheit dafür nutzen?
Es wäre klüger, sich nicht von der Türkei abhängig zu machen und trotzdem einen respektvollen Dialog zu suchen. Aktuell machen wir uns abhängig und hauen den Türken gleichzeitig (aus türkischer Sicht) verbal in die Fresse. Da muss ein türkischer Machthaber jede Machtposition gegen die Deutschen ausnutzen, sonst verliert er im Inland seine Ehre und Reputation.
@ Alf Igel:
„Die Armenien-Völkermord-Frage ist ja für viele Türken deshalb ein solches Problem, weil sie sich nicht als Sohn/Enkel von Völkermördern definieren wollen und sie das in ihrer Ehre verletzt.“
Dann werden sie lernen müssen, damit umzugehen, wie andere (nicht nur Deutsche) auch. Verletzte Ehre und „Erbsünde-Denkstrukturen“ sind nicht gerade europatauglich und das wollen sie ja werden.
Fakt ist, dass es nicht zum ersten Mal Scherereien mit der Türkei bei Stationierung deutscher Truppen dort gibt. Die Türkei hat mehrfach gegen NATO-Truppenstatut ggü. Deutschen verstoßen. Irgendwann ist Schluß. Man kann sich von von Erdogan nicht permanent auf der Nase tanzen lassen.
Ich stimme Ihnen zu, sich nicht von der Türkei abhängig zu machen. Da begehen wir große Fehler. In der Vergangenheit hat aber gerade Erdogan ggü. Deutschland meines Erachtens den respektvollen Dialog vermissen lassen.
@Alf Igel:
„Wenn es gerade keine anderen Herausforderungen gibt, kann man ja durchaus mal über unterschiedliche Interpretationen der jeweiligen Geschichte reden. Aber wenn es gerade ernst wird, sollte man Zusammenhalt organisieren und solche Dinge besser lassen.“
Interessanterweise fordern Sie das von der deutschen Seite, man koennte diese Passage aber genauso an die tuerkische Adresse richten ;)
Immerhin ist es die Tuerkei, die hier zwei voellig unterschiedliche Sachverhalte verquickt, um sich zu „raechen“. Denke, dass dies eher etwas ist, was NATO-Partner verstimmt, als eine Armenien Resolution, die einige andere Mitgliedsstaaten immerhin ebenso verabschiedet haben!
Und somit ist es wieder einmal (!) die Tuerkei, die sich hier als nicht gerade zuverlaessiger Buendnispartner praesentiert.
@Alf Igel: Besonders die Geostrategie verlang ein nahes sicherheitspolitisches Verhältniss zur Türkei.
Sie haben recht, der lokale Chauvinismus lässt reflektiert-demütigen Umgang mit eigener Historie schwer zu, Grund warum historische Fehler immer wiederkehren: Denkmuster nicht überdacht werden. Dennoch, die Dickköpfe der Region sind eigentlich meine Kurden. Kurden haben sich für den Genozid entschuldigt.
Auch nach den Massakern an Minderheiten im Windschatten der arabischen Eroberer an der Seite britischer und französischer Kolonialmächte hatten sich die ansässigen Araber bei Christen und Juden entschuldigt; auch bei Alaviten. Grundvorraussetzung für das moderne Syrien. Besonders Damaskus mit seinem jüdischen und christlichen Viertel.
Es ist also mitnichten so, dass es keine Besserung im Verhältniss zu Armeniern geben könnte. Und ginge es nur um Blutehre, würde in Geschichtsbüchern nicht stehen „Die Christen gingen in den Wald und kamen nicht wieder.“ Das ist Hohn der schlimmsten Sorte!
Einfach mal auf der Zunge zergehen lassen: „Die Herero gingen in die Wüste und haben sich verlaufen“ … Da wird jedem schlecht und auch ein Erdogan ist sich nicht zu schade uns den ersten Völkermord des 20ten Jahrhunderts unter die Nase zu reiben.
Klartext: Alles Show, auch cozying up to Russia. Die wollen die Nato für expansive Politik; ein Paradigma welches zutiefst gegen die Satzung der Allianz verstößt!
@ Mike | 11. Juli 2016 – 10:30
Und? Wir wissen, wie die Türken ticken. Wir sollten uns keine Illusionen darüber machen. Weil wir uns abhängig gemacht haben, nutzen die Türken nun ihre Machtstellung aus. Das war zu erwarten. Hätten wir uns nicht abhängig gemacht, würde da nichts eskalieren, weil die Türken keinen Hebel hätten. Erdogans nächste Nummer wird wohl die Gründung einer Türkenpartei in Deutschland sein.
Ich sage nicht, dass ich das türkische Verhalten gut finde, ich beschreibe lediglich vorhandene „pawlowsche Reflexe“ und frage mich, wie man damit am besten umgeht. Ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit der Türkei kann nicht das Ziel sein.
@ Roadrunner | 11. Juli 2016 – 10:45
Natürlich halte ich die Türkei für einen unsicheren Kantonisten. Trotzdem haben wir kein Interesse, in eine Feindschaft zur Türkei zu geraten. Wir können unser Verhalten beeinflussen. Also: Nicht abhängig machen und wenn wir gerade mit heruntergelassener Hose dastehen, sind Provokationen vielleicht nicht die beste Idee.
@Alf Igel
„Ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit der Türkei kann nicht das Ziel sein. “
Richtig, soweit sind wir noch nicht. Aber unterhalb dieser Schwelle kann man Herrn E. klarmachen, dass seine Verquickung zweier unterschiedlicher Sachverhalte / sein Verhalten in der NATO nicht gerade bündnistauglich ist. Beispiele für letzteres, die nicht nur Deutschland, sondern auch andere Verbündete treffen, gibt es genug.
Deshalb ist es durchaus überlegenswert, bei weiterer Weigerung die Bw aus Incirlik abzuziehen und die Abhängigkeiten von der Türkei zu reduzieren. Es wird also Zeit, quasi die Hose wieder hochzuziehen.
Am deutschen Parlamentsarmeewesen wird die Türkei nicht genesen.
Falls der BT nur noch Einsatzmandate billigt wenn der Besuch von Parlamentariern bei den Kontingenten sichergestellt ist, dann wirds langsam mehr als peinlich.
Noch einmal für das Protokoll: das ist kein NATO-Einsatz – und wenn jetzt ein Junktim zwischen den Counter Daesh-Tornado/Tankern in der Türkei und dem NATO-Einsatz der AWACS hergestellt wird, dann ist das imho im höchsten Maße politisch verlogen. Ich kenne auch kein NATO-Truppenstatut, in dem ein Besuchsrecht für Parlamentatrier festgeschrieben steht.
@klabautermann: Klare Analyse, klare Ansage. So etwas fehlt unserer Politik.
@klabautermann: Zustimmung … Eben wie die NATO Herrn Putin innenpolitisch stabilisiert, aalt sich ein Erdogan in der Aufmerksamkeit. Strategische Partner im Bereich SiPo … that is to it!
Ehrlich gesagt verstehe ich diese Diskussion nicht. Ein Herr Erdogan darf nach Deutschland reisen und flammende Wahlkampfreden vor deutsch-türkischen Einwohnern halten. Aufgrund der Großzügigkeit und der Liberalität unseres Staatssystems dürfen viele türkische Mitbewohner eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, also türkisch fühlen und deutsch Leben, aber vor allen Dingen dürfen sie bei türkischen Wahlen mit abstimmen.
Meiner Meinung nach hilft bei solchen Charakteren nur Entschlossenheit. Wenn der türkische Präsident nicht will, das deutsche Politiker unsere Soldaten besuchen, dann sollten sie nach Jordanien verlegt werden. Bei der ambivalenten Einstellung die Erdogan zum IS hat, wäre dies vielleicht auch der bessere Weg zur Bekämpfung des IS.
@klabautermann
„Noch einmal für das Protokoll: das ist kein NATO-Einsatz – “
Gerade weil es kein NATO Einsatz ist, ist es um so mehr ein Einsatz im türkischen Interesse.
Wenn ein Staat unsere Politiker nicht ins Land lässt, dann benötigt dieses Land weder unsere Soldaten, noch unsere Touristen (mit oder ohne Mandat).
Die Türkei will Partner Europas sein, dann müssen sie Kompromisse eingehen.
@all
Ich habe die Frage- und Antwortversuche in der Bundespressekonferenz am heutigen Montag zu diesem Thema oben nachgetragen.
@Zimdarsen
Die Türkei „muß“ goar nix. Wenn die teutonisch-parlamentarische Hybris so weiter läuft (insbesondere in Sachen Europa), dann wird Erdogan den „de Gaulle“ machen:
Ausstieg aus der militärischen Struktur der NATO……..
@Alf Igel
Die TUR treibt derzeit mindestens 2 Keile in die deutsche Regierungspolitik.
Erstens, der stv MP sagt, die TUR habe ueber Incirlik keine politische Bedenken. Es sei in der TUR ein militaerisches Problem mit dem MdB Besuch.Es sei DEU, das darin einen politischen Dissens sieht.
Zwotens, Regierungsmitglieder sind genehm, MdB aufgrund Armenien Resolution nicht. Die BK’in solle sich als Regierungschefin von BT Resolution distanzieren.
Nun, zum einen wirft man den Deutschen wieder einmal kulturelles Unverstaendnis vor, zum anderen betreibt Erdogan hoechstpersoenlich nichts weniger als eine ernsthafte Regierungskrise in Berlin.
Gehen so Verbuendete miteinander um? Ist Erdogans Ansatz etwas anderes als Einmischung in innere Angelegenheiten eines anderen Staates?
Kann man das auch mit einer anderen politischen Kultur erklaeren?
Fuer mich blanke Provokation.
In den letzten Wochen hat die TUR geradezu hektisch versucht, aussenpolitische Spannungsfelder mit ISR, RUS und EGY beizulegen. Ggue. DEU eher das exakte Gegenteil. Zufall? Eher nein. Handfeste wirtschaftliche Interessen beugten auch Erdogan. Vielleicht sollten wir uns also einen laengeren Atem goennen und Bewegungsfreiheit sichern durch eine Verlegung des Lw-Anteils.
Die deutschen Hebel sind ggue. der TUR und ihrem Noch- Wunsch, der EU beizutreten, nach Brexit erheblich staerker geworden. Mit GB verlieren die Tuerken ihre staerksten Beitrittbefuerworter. Mit FRA- ohnehin dagegen und DEU, das gerade seine Erfahrungen mit dem neo- osmanischen Apparat macht, ist ein Beitritt auf unabsehbare Zeit illusorisch.
Das mag Erdogan recht sein, denn er arbeitet an einem Plebiszit, ob “ die mehrheitliche muslimische Bevoelkerung ueberhaupt in die EU will.“ Das wahrt ihm innenpolitisches Gesicht ggue.parteiuebergreifender Nationalisten, riskiert aber beschleunigten brain drain, der jetzt schon begonnen hat.
In der Summe kann man in der Incirlik Angelegenheit auch den Versuch der TUR sehen, sich strategisch von Europa zu entfernen.
Fuer mich steht ausser Frage, dass den wenigen Erdogan Widersachern ein deutliches Signal gegeben werden, dass die derzeitigen tuerkischen Disziplinierungsversuche in DEU nicht verfangen. Innenpolitisch liegen naemlich wirklichen Interessen Erdogan. Es geht ihm um nichts weniger als den politischen und gesellschaftlichen Umbau.
Und, man kann naemlich die militaerische Zusammenarbeit zeitweise aussetzen. Incirlik ist doch sowieso ein militaerisches Problem, wie es stv.MP Kurtulas doch eingangs schon klassifizierte.
@klabautermann
Natürlich muss die türkische Regierung agieren, ob es uns gefällt oder nicht.
Nur das sollte keine Maxime für uns sein.
Wenn unsere Soldaten für Werte, Freiheit und Recht stehen sollen, dann ist eben ein Einsatz in der Türkei mit dieser Regierung der falsche Hausherr.
Ich denke wir sollten die Lage kurz entzaubern: Russland, Israel, Ägypten; Drei regionale Mittelmächte die es sich zum Ziel gemacht haben die Kurdenparanoia der Türkei zu nutzen, um das multiethnische Land an die jeweils eigenen Interessen heranzuführen.
Die einzige Forderung die Erdogan an die Drei hat, ist das Wort Kurde nicht mehr öffentlich in den Mund zu nehmen.
Kleiner Blick aus dem Fenster. Im Iran hat die dortige Guerilla den Kampf gegen die Mullahs wieder aufgenommen. Hintergrund ist eine gemeinsame Bombardierung von Kurden im Nordirak in trauter türkischer wie iranischer Einigkeit. Ich hab noch keine Twittermeldungen von vor Ort ob tatsächlich ausschliesslich PKK getroffen wurde, aber was als gesichert gilt, ist dass kurdische Guerilla iranischer Herkunft zunehmend den Kampf gegen Daesh unterstützt haben.
Erdogan beißt sich in den Fuß in dem Moment wie er realisiert, dass er jede regionale Projektion seines Landes mit dem Abbruch der Verhandlungen mit der PKK wie die Hetzjagt auf die HDP im Keim erstickt hat. Kurden sind 30.000.000 Nasen physische Realität, da kommt man nicht rum sich zu einigen.
Dennoch möchte ich meinem Abgeordneten tunlichst ans Herz legen, nicht die NATO als Forum zu nutzen, um einen „Pissing Contest“ mit Ankara abzuhalten (AWACS). Denn eine der großen Sünden Erdogans war es, die NATO vorzuführen. Wenn wir da jetzt auch mit machen, wird der Rest der Allianz sauer mit uns. Strategische Allianzen sind keine natürlichen Allianzen, Gefühle spielen hier eine untergeordnete Rolle.
P.S: Wir spekulieren doch seit Tagen, wie man den Mann jetzt bestrafen kann? Nun wir könnten Auftritte von AKP-Politikern in Europa unterbinden, wie wärs?