Operation Sophia: Neues Mandat, aber neue Aufgaben noch wolkig

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Ein Jahr nach dem Start der EU-Marinemission EUNAVFOR MED im Mittelmeer hat das Bundeskabinett am (heutigen) Mittwoch, wie erwartet, die Ausweitung des Einsatzes vor der libyschen Küste beschlossen: Die Einheiten der Operation Sophia, darunter deutsche Kriegsschiffe, sollen künftig auch für die Ausbildung der Küstenwache Libyens und die Durchsetzung des Waffenembargos gegen das afrikanische Land auf hoher See zuständig sein. Das Mandat geht jetzt zur endgültigen Zustimmung an den Bundestag.

Noch ist allerdings recht unklar, was diese Ausweitung konkret für die beteiligten deutschen Einheiten bedeutet – auch längere Erklärung und Fragerunde in der heutigen Bundespressekonferenz brachten in diesen Details wenig Aufschluss. Zum Nachhören: Die neue stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer (bei ihrem ersten Auftritt vor der BPK), BMVg-Sprecher Jens Flosdorff, der Sprecher des Bundesinnenministeriums Johannes Dimroth und Außenamtssprecher Martin Schäfer.

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Und das Statement von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu dem Kabinettsbeschluss (Quelle: BMVg):

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Das Transkript aus der Bundespressekonferenz:

SRS’in Demmer: In der Kabinettssitzung gab es heute den Beschluss zur Fortsetzung und Erweiterung des Mandates für EUNAVFOR MED, der Operation Sophia. Am 14. Juni 2016 hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einstimmig beschlossen, den Waffenschmuggel nach Libyen zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung heute, nach dem EU-Ratsbeschluss vom letzten Montag, die Fortsetzung und auch gleichzeitig die Erweiterung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten European Union Naval Force Mediterranean – EUNAVFOR MED, auch Operation Sophia – beschlossen. Das Mandat ist befristet bis zum 30. Juni 2017. Dieser Beschluss zur Mandatsanpassung erfolgte unter dem Vorbehalt der konstitutiven Zustimmung des Deutschen Bundestages.

Das Kernelement des Mandates ist auch weiterhin die Unterbindung des Menschenschmuggels im südlichen und zentralen Mittelmeer. Im Rahmen der Erweiterung soll die Operation Sophia künftig zudem einen Beitrag zur Bekämpfung des illegalen Waffenschmuggels auf hoher See leisten und die libysche Küstenwache und Marine durch Informationsaustausch, Ausbildung und auch durch Kapazitätsaufbau unterstützen. Die Ausbildung soll zunächst auf hoher See und in Drittstaaten erfolgen. Das ist so zu verstehen, dass die unveränderte Kernaufgabe und die Maßnahmen gegen illegalen Waffenhandel als mandatierungspflichtig anzusehen sind, jedoch nicht die Ausbildung libyscher Kräfte der Küstenwache und der Marine. In diesem Fall ist eine Einbeziehung von Soldatinnen oder Soldaten der Bundeswehr in bewaffnete Unternehmungen nicht zu erwarten.

Eine spätere EU-Ausbildung auch in Libyen selbst ist denkbar. Für den Fall eines EU-Beschlusses zur Ausbildung auch auf libyschem Staatsgebiet oder in libyschen Hoheitsgewässern würde eine erneute Bewertung und gegebenenfalls neuerliche Befassung des Bundestages notwendig.

Die Operation Sophia ist Teil einer Gesamtstrategie der EU, die neben der Bekämpfung der Schleusernetzwerke auch die strukturellen Ursachen von Flucht- und irregulären Migrationsbewegungen über das Mittelmeer in den Herkunfts- und Transitländern in den Blick nimmt. Darüber hinaus soll auch maritim ein Beitrag zur Stabilisierung und Sicherung an der südlichen Außengrenze der EU geleistet werden. Die Operation Sophia befindet sich zu diesem Zweck im engen Austausch mit regionalen und internationalen Akteuren, zivilen und militärischen Missionen im Mittelmeer und im Maghreb.

Deutschland beteiligt sich seit Beginn der Operation im Mai 2015 auch an der Rettung in Seenot geratener Flüchtlinge und Migranten auf hoher See. Diese völkerrechtliche Verpflichtung wird auch weiterhin Teil des Gesamtauftrages sein. Bislang waren Schiffe der Marine an der Rettung von mehr als 15 000 Menschen beteiligt.

(…)

Frage: Frau Demmer, können Sie uns einmal aus Sicht der Bundesregierung die bisherige Bilanz der Operation Sophia aufzeigen? Wie viele Menschenschmuggler wurden bisher gefasst? Wie viele Flüchtlinge hat man gerettet?

Sie haben den Begriff „illegale Migrationsbewegung“ benutzt. Ich würde gerne einmal wissen, wie Sie das definieren.

SRS’in Demmer: Die einzige Zahl, die mir jetzt vorliegt, ist eben, dass 14 000 Menschen aus Seenot gerettet worden sind. Alles Weitere müsste ich nachreichen, oder vielleicht hat das BMVg Zahlen dazu vorliegen.

Illegale Migration ist der Gegensatz von legaler Migration.

Zusatzfrage: Herr Flosdorff, ich meine, das Kernelement ist der Menschenschmuggel. Wie viel hat man da bisher geleistet oder wie viele hat man gefasst?

Flosdorff: Wenn ich das einmal unterstützen darf: Es gibt Zahlen. Das sind keine eigenen Zahlen, die ich hier habe, sondern das sind Zahlen, die die Hohe Beauftragte einmal genannt hat. Die ganze Operation wird ja von der EU gesteuert. Die Zahlen sind ungefähr drei Wochen alt. Das war eine Zahl von 60 bis 70 potenziellen Schmugglern und Schleusern, die man festgehalten und an die italienischen Behörden übergeben hat.

Zusatzfrage: Im bisher gesamten Zeitraum der Operation?

Flosdorff: Im bisher gesamten Zeitraum der Operation. Was die Zahl der aus Seenot geretteten Menschen angeht, sind es 15 019 Menschen, die seit Beginn der Operation und seit dem Beginn der Beteiligung der deutschen Kräfte an der Operation Sophia oder EUNAVFOR MED aus Seenot gerettet worden sind.

Frage: Eine Querschnittsfrage – vielleicht richtet sie sich auch an das Innenministerium –: Frontex geht davon aus, dass künftig wöchentlich 10 000 Flüchtlinge den Weg von Libyen übers Mittelmeer nehmen werden. Kann die Bundesregierung diese Schätzung bestätigen? Teilt sie diese Einschätzung? Soll die Verlängerung und Ausweitung von Sophia auch dazu führen, dass diese Flüchtlingszahlen sich verringern?

Dimroth: Ich kann diese Zahl nicht bestätigen.

Dass ganz allgemein die zentrale Mittelmeerroute eine relevante Route war, ist und bleibt, das ist, glaube ich, Common Sense, auch innerhalb der Bundesregierung. Das hat die Bundeskanzlerin im Verlauf dieser Woche noch einmal sehr deutlich gemacht. Dazu sind heute noch einmal Zahlen veröffentlicht worden.

Die in Rede stehenden Zahlen liegen aber noch unter denen im Vergleichszeitraum des Jahres 2015 – nicht sehr erheblich, aber sie liegen doch darunter.

Insofern bleibt es bei meiner eingangs gemachten allgemeinen Bemerkung, dass die zentrale Route über das Mittelmeer für Flüchtlinge selbstverständlich ein sehr relevanter Weg nach Europa bleibt.

Schäfer: Wenn überhaupt, dann ist Libyen ein fragiles Staatswesen, das, vorsichtig gesprochen, seit einigen Monaten mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, auch aus Deutschland, im Aufbau begriffen ist.

Die Regierung der nationalen Einheit hält sich auf einer Marinebasis in Tripolis auf. Herr Steinmeier hat sie vor einigen Wochen gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen besucht. Das war als symbolhaftes Zeichen der Unterstützung des neuen Staatswesens gedacht, von dem wir hoffen, dass es sich um die Regierung der nationalen Einheit herum gruppieren kann.

Die Vorgeschichte all unserer Probleme mit Libyen brauchen wir, glaube ich, hier nicht im Detail zu besprechen. 2011 hat ein international sanktionierter Militäreinsatz Gaddafi hinweggefegt. Seither herrscht in Libyen im Grunde Chaos.

Viele Probleme der Region – zum Beispiel das, was wir in den letzten Jahren in Mali gesehen haben – haben damit zu tun, dass das libysche Staatswesen zusammengebrochen ist. Auch die Flüchtlingsströme, die sich über Libyen ins Mittelmeer ergießen, haben damit zu tun, dass es in Libyen kein vernünftiges Staatswesen gibt, in dem es menschenrechtliche Mindeststandards für die Behandlung von Migranten gäbe.

Diese Menschen stürzen sich in Verzweiflung durch das Land. Viele stranden. Ganz bestimmt kommen viele zuvor schon in der Sahelzone zu Schaden oder zu Tode. Es ist in unser aller Interesse – dazu trägt auch Sophia, so glauben wir, ganz erheblich bei –, diesen Weg, der unglaubliche Risiken für die Migranten und dramatische menschenrechtliche Folgen mit sich bringt, zu stoppen und zu kontrollieren.

Deshalb müssen zunächst einmal an Grundsätzlichem arbeiten. Dieses Grundsätzliche besteht darin, dass wir alles tun, um die Vereinten Nationen dabei zu unterstützen, dass Libyen wieder ein Staat wird, der seinen internationalen Verpflichtungen entsprechen kann. Zurzeit sind wir davon unendlich weit entfernt. Was in Brüssel von der Europäischen Union beschlossen worden ist und was hoffentlich in Kürze vom Bundestag sanktioniert wird, dient auch dem Ziel, Unterstützung für das im Aufbau begriffene libysche Staatswesen zu leisten.

Zusatzfrage: Ich habe jetzt verstanden: Sie wollen, dass die Route möglichst dichtgemacht wird, auch um die Flüchtlinge selber zu schützen. – Nichtsdestotrotz sind dieses Jahr schon 50 000 Flüchtlinge auf diesem Wege nach Italien gekommen und 3500 Menschen auf dem Weg ums Leben gekommen. Gibt es Pläne, die Italiener von diesem Flüchtlingsandrang zu entlasten – die Italiener bitten ja um Unterstützung –, beispielsweise indem man bestehende Kontingente für eine europäische Umverteilung nutzt? Oder ist das jetzt – so habe ich den Innenminister zuletzt verstanden – erst einmal wieder ein vorrangig italienisches Problem, weil Dublin wieder gilt?

Dimroth: Ich antworte mit einem klassischen Jein.

Trotz aller Unzulänglichkeiten, über die auch hier vielfach gesprochen wurde, ist das sogenannte Dublin-Regime das geltende europäische Recht für diese Frage. Wir sind zu jedem Zeitpunkt – trotz aller Schwierigkeiten, mit denen wir in diesem Zusammenhang konfrontiert waren – davon ausgegangen, dass das selbstverständlich für alle EU-Mitgliedstaaten gilt, auch für Italien. Dazu hat sich der Innenminister in der Tat geäußert. Insofern ist Ihre Frage mit Ja zu beantworten.

Das Nein in meiner Antwort bezieht sich auf die mit Hochdruck laufenden Bemühungen auf europäischer Ebene, das Dublin-Regime zu reformieren. Dazu gibt es aber noch keinen neuen Sachstand, den ich Ihnen heute mitteilen könnte. Da geht es unter anderem gerade um das Thema „Verteilungsgerechtigkeit innerhalb Europas“. Wir werden nicht müde werden, das in den Meinungsfindungsprozess auf europäischer Ebene einzubringen, im Interesse einer solidarischen Verteilung in ganz Europa. Es ist keine Causa Italien, die wir da im Blick haben.

Frage: Wenn es jetzt um die Unterbindung des Waffenschmuggels geht, dann geht es um eine qualitativ andere Art von Bedrohung für die Soldaten im Einsatz, als wenn es um Menschen geht, die Flüchtlinge in Richtung Europa schmuggeln wollen. Welche Auswirkungen erwarten Sie? Ändert das zum Beispiel etwas an Ausstattung und Bewaffnung?

Flosdorff: Ja, sicher, es handelt sich um eine andere Qualität. Aber um erst einmal die Erwartungen zu dämpfen: So schnell wird sich nichts ändern. Es ist noch eine Fülle rechtlicher und praktischer Fragen zu klären, was Prozedere und Regeln angeht. Diese Aufgabe wird insbesondere von der EU in Brüssel bearbeitet.

Aber auch die Bundeswehr bereitet sich darauf vor. An Bord des Tenders „Werra“, der in Kürze in den Einsatz geht, wird auch ein Boarding Team einer Partnernation gehen – zwölf Soldaten, die speziell darauf trainiert sind, Schiffe zu durchsuchen, und das hochprofessionell durchführen können. Es wird auch eine zusätzliche Facharztgruppe an Bord gehen; die Ärzte werden die medizinische Versorgung und auch die Notfallversorgung verbessern können. Wir werden Sprachmittler an Bord nehmen, zusätzliche Rechtsberater, Feldjäger. Die Bundeswehr bereitet sich darauf hochprofessionell vor.

Zusatzfrage: Erwarten Sie, dass es dabei zu stärkeren Auseinandersetzungen kommt, dass eventuell auch scharf geschossen wird?

Flosdorff: Schon heute finden sehr hohe Sicherheitsstandards Anwendung, wenn Schiffe aus Seenot gerettet werden. Man weiß nie, wer sich an Bord befindet, ob auch bewaffnete Schleuser dabei sind.

Sicherlich bedeutet es ein neues Risiko, andere Schiffe aufzubringen und anzuhalten. Das ist eine andere Kategorie. Wir bereiten uns hochprofessionell darauf vor.

Frage: Das finnische Boarding Team mit den zwölf Soldaten war schon zuvor – auf der „Karlsruhe“ – dort im Einsatz. Insofern habe ich nicht ganz verstanden, worin der Unterschied besteht.

Aber meine eigentliche Frage ist: Das Mandat enthält die Bestimmung, dass die Begrenzung, nur außerhalb libyscher Hoheitsgewässer zu operieren, nicht in Fällen von Seenotrettung gilt. Ist das neu? Heißt das, dass sich etwas verändert? Wenn es nicht neu ist: Warum gab es bisher keine Seenotrettung in libyschen Gewässern?

Flosdorff: Das ist eine rechtliche Frage, die ich Ihnen nicht beantworten kann. Ich weiß nicht, ob es keine Seenotrettung in libyschen Gewässern gegeben hat.

Die deutschen Schiffe sind auf hoher See eingesetzt. Aber die Mission Sophia umfasst mehr als 25 Schiffe – von europäischen Partnernationen, von Frontex, von NGOs, von nationalen Küstenwachen. Ich kann hier nicht sagen, welche Aktionen bisher wo genau stattgefunden haben.

Ich kann mir vorstellen, dass es aus völkerrechtlicher Sicht nicht in Ordnung ist, außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone zu warten, wenn in Reichweite ein Schiff sinkt, sondern man verpflichtet ist, zu Hilfe zu kommen. Aber ich habe keine Statistik für Sie. Ich kann hier auch nicht mit speziellen Einsatzregeln helfen.

Zusatzfrage: Das verstehe ich schon. Ich wollte nur wissen: Bedeutet das, dass deutsche Schiffe zur Seenotrettung künftig auch in die Zwölf-Seemeilen-Zone Libyens einfahren können?

Flosdorff: Das ist eine hypothetische Frage. Ich habe Ihnen gesagt, dass die Einsatzregeln jetzt erarbeitet werden, dass viele rechtliche Fragen jetzt auf europäischer Ebene geklärt werden. Ob es so ist, wie wir beide jetzt vermuten, oder ob es eine andere Regel gibt, kann ich Ihnen schlicht nicht beantworten. Ich bitte da um Geduld. Es dauert noch vier bis sechs Wochen, bis die ganzen Regeln stehen.

Frage: Können Sie uns Details zu der Ausbildungskomponente nennen? Wie viele Bundeswehrsoldaten werden da gebunden sein? Was für Wissen kann man auf hoher See vermitteln? Wann wird die Ausbildung in einem Drittstaat, wie es eben hieß, stattfinden? Ich gehe davon aus, dass Tunesien anvisiert wird.

Flosdorff: Wir sprechen hier über eine Mission unter europäischer Führung und keine deutsche Mission. Das sind alles Fragen, die mit der libyschen Regierung intensiv besprochen werden müssen. Das macht nicht das deutsche Verteidigungsministerium; das wird über Brüssel laufen. Danach sortiert sich alles ein. Welche Aufgaben dann auf die deutschen Soldaten zukommen, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Das wird erst entschieden, wenn wir alle Informationen haben und alle Fragen auf europäischer Ebene geklärt wurden.

Frage: Ich habe es immer noch nicht ganz verstanden. Was wird die Deutsche Marine nach der Erweiterung des Einsatzes dürfen, was sie bisher nicht darf?

Ich stutzte vorhin, als Frau Demmer sinngemäß sagte: Es geht nicht darum, dass die Marine sich in bewaffnete Auseinandersetzungen einmischt. – Was passiert denn, wenn auf einem Schiff, das aufgebracht werden soll, ein Schuss fällt? Dreht dann das Sophia-Schiff bei? Wie robust ist dieser Einsatz?

Schäfer: Der Grund dafür, dass ein neues Mandat des Deutschen Bundestages erforderlich wird, und dafür, dass die Europäische Union ein neues Mandat politisch beschlossen hat – das operative „Go ahead!“ ist noch nicht erfolgt –, liegt darin, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen – auch auf Betreiben Deutschlands, jedenfalls auf Betreiben der Europäischen Union – am 15. Juni im Rahmen einer Resolution nach Kapitel VII entschieden hat, dass Schiffe auf internationaler See mit dem Ziel untersucht werden dürfen, Waffenschmuggel nach Libyen und für den IS zu verhindern.

Die Europäische Union hat sich bereit erklärt, im Namen der internationalen Staatengemeinschaft die Aufgabe zu übernehmen, den Waffenschmuggel nach Libyen zu unterbinden zu versuchen. Das war bisher nicht Teil des Mandates. Dass es jetzt Teil des Mandates werden kann, liegt daran, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dafür völkerrechtlich grünes Licht gegeben hat.

Jetzt, nur wenige Tage nach dem Beschluss des Sicherheitsrates, setzt die Europäische Union diesen Beitrag zur Stabilisierung Libyens um. Wir werden uns daran beteiligen.

Zusatzfrage: Die „Frankfurt“ wird jetzt zurückgezogen, die „Werra“ dort stationiert. Wird die Bundesmarine dann mehr Soldaten dort einsetzen? Wirkt sich das auf die Personalstärke aus?

Flosdorff: Nein. Die Mandatsobergrenze bleibt die alte. Aber der Auftrag und die Befugnisse der Soldaten werden erweitert.

Frage: Herr Schäfer, Sie haben gerade geschildert, dass es in Libyen keinen wirklichen Staat gibt. Nicht erwähnt haben Sie, dass auch ISIS vor Ort ist. Jetzt will die Bundesregierung mithilfe der Europäischen Union die Menschen, die sich in Libyen – einem nicht funktionierenden Staat, wo ISIS ist – befinden, davon abhalten, nach Europa zu kommen. Ist das richtig? Und warum will sie das tun?

Schäfer: Sie haben recht: ISIS hat sich in Libyen ziemlich festgekrallt. Internationale Beobachter gehen davon aus, dass die Gefahren, die von ISIS in Libyen – auch auf uns – ausgehen, größer sind als die, die von ISIS in Syrien und im Irak ausgehen.

Sie haben der Medienberichterstattung der letzten Tage entnehmen können, dass die Regierung der nationalen Einheit sich darum bemüht, dieser Gefahr für die Stabilität ihres Landes und für die Staatswerdung Libyens etwas entgegenzusetzen. Sie will ISIS in Sirte, dem Geburts- und Heimartort von Gaddafi – da ist ISIS im Wesentlichen angesiedelt –, mit militärischen Mitteln bekämpfen und im besten Falle aus dem Land vertreiben.

Nun finden wir – das ist vielleicht auch eine Antwort auf die Frage, die der Kollege gestellt hat – manche Attribute eines Staates, zum Beispiel Sozialstaatlichkeit, in Libyen nicht vor. Gleichwohl vertritt die Regierung der nationalen Einheit den libyschen Staat.

Dieser libysche Staat ist – ob wir das gut oder schlecht finden – der Auffassung, dass ausländische Kräfte, insbesondere militärische Kräfte, sein Hoheitsgebiet nicht betreten und seine Hoheitsgewässer nicht befahren sollen. Das ist einer der Gründe dafür – einmal abgesehen davon, dass unsere Seite das dann politisch prüfen und indossieren müsste –, dass wir uns zurzeit nicht in libyschen Küstengewässern und nicht auf libyschem Staatsgebiet bewegen, zu welchem Zweck auch immer.

Die Lage der Flüchtlinge in Libyen entspricht sicherlich in keinem einzigen Punkt internationalen Kriterien für die Behandlung dieser Menschen. Wir wollen das ändern. Aber wir können das nur ändern, indem wir dem libyschen Staat und der neuen libyschen Regierung bei dem Versuch unter die Arme greifen, im ganzen Staatsgebiet tatsächlich wieder Regierungsgewalt auszuüben.

Der Präsident des libyschen Präsidialrates und gleichzeitige Regierungschef Sarradsch hat Herrn Steinmeier und Herrn Ayrault bei ihrem Besuch in Tripolis ausdrücklich versichert, dass ihm die Lage der Flüchtlinge und die Menschenrechte in Libyen am Herzen lägen, dass er aber nicht in der Lage sei, das mit Priorität anzugehen. Die Regierung hat schon Mühe genug, faktische Regierungsgewalt über die Hauptstadt Tripolis auszuüben.

Das ist ein sehr misslicher Zustand. Wir arbeiten daran, diesen Zustand zu beseitigen und die Lage der Flüchtlinge in Libyen zu verbessern. Aber ich fürchte, das ist der einzige Weg, auf dem das vernünftig gehen kann.

Zusatz: Ich habe Sie so verstanden: Sie würden, wenn Sie Zugang zu libyschen Hoheitsgewässern hätten, Boote dorthin schicken und die Flüchtlinge abholen.

Schäfer: Das habe ich nicht gesagt. Vielmehr habe ich ausdrücklich gesagt: Wenn das von libyscher Seite erlaubt würde, müsste das geprüft und politisch indossiert werden. – Das habe ich gesagt. Daran kann ich mich gut erinnern.

Zusatzfrage: Wer schmuggelt da mit wem und an wen Waffen?

Schäfer: Um das herauszukriegen –

Zuruf: Das wissen Sie nicht?

Schäfer: – und die Missetäter dingfest zu machen, machen wir das, was wir machen. Die Bundesregierung hat heute diesen Kabinettsbeschluss gefasst, damit auch Soldaten der Bundeswehr, der Deutschen Marine, daran Anteil haben, den Waffenschmuggel zu unterbinden. Es gibt ganz bestimmt nachrichtendienstliche Informationen und sicherlich auch konkrete Vermutungen zu der Frage, auf welche Art und Weise ISIS Waffen aus anderen Teilen der arabischen Welt oder des Nahen und Mittleren Ostens bekommt. Aber uns geht es darum, das zu testen und dann auch zu verhindern.

Frage: Die Lage in Libyen ist nun schon länger so, wie Sie sie beschreiben. Sie wird vermutlich trotz aller Bemühungen auch noch länger so bleiben. Die Amerikaner als Partner der Deutschen haben eingeräumt, dass sie nicht ganz unschuldig daran sind, dass die Lage sich so entwickelt hat; sie haben eben nicht darüber nachgedacht, was nach Gaddafi kommt.

Wohin sollen sich die Flüchtlinge, die sich in Libyen aufhalten, während der Bemühungen, das Land zu stabilisieren, aus Sicht Deutschlands und, sofern Ihnen das bekannt ist, der Verbündeten gehen, wenn nicht nach Europa?

Schäfer: Es ist nicht an uns, den Flüchtlingen irgendwelche Ratschläge zu erteilen, was sie tun sollten. Ich glaube, die wissen sehr wohl, wie die Lage in Libyen ist, wie gefährlich der Weg nach Libyen und vielleicht aus Libyen zurück ist und wie gefährlich die Verhältnisse in Libyen und auf dem Mittelmeer sind.

Gerade weil die Problematik der Flüchtlinge aus Westafrika ihm und der Bundesregierung am Herzen liegt, ist Außenminister Steinmeier vor einigen Wochen – ebenfalls mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Marc Ayrault – nach Niger und Mali gereist. Er hat in der Hauptstadt Nigers im Rahmen eines Projekts der Internationalen Organisation für Migration, IOM, ein langes Gespräch mit – ich bin fast versucht zu sagen: armen Teufeln – jungen Männern aus Westafrika geführt, die ihm sehr anschaulich haben erläutern können, was für eine Odyssee das ist, welche Gefahren für Leib und Leben denen drohen, die aus ihren Dörfern losgeschickt wurden, um einen Weg gen Europa zu suchen und dort ein besseres Los – ein besseres wirtschaftliches Los im Wesentlichen – zu finden. Hunger, Tod, Misshandlung, Kerker in Libyen – vieles haben diese jungen Männer erlebt. Ihre Schilderungen waren wirklich erschütternd.

Aber man kann den Menschen doch nicht empfehlen, das auf sich zu nehmen, durch die Sahelzone zu laufen und dann zu versuchen, den Kerkern in Libyen zu entgehen. Vielmehr muss man ihnen raten, in ihren Ländern zu bleiben und zu versuchen, sich eine vernünftige soziale und wirtschaftliche Existenz aufzubauen.

Das Schleuserunwesen, von dem alle diese jungen Männer berichtet haben – alleine kommen die nicht dorthin, wohin sie kommen –, müssen wir an der Wurzel packen, wo immer wir das können. Das tun wir mit Sophia, und das tun wir auf andere Art und Weise, zum Beispiel indem wir der IOM und anderen internationalen Organisationen dabei helfen, die Flüchtlinge zum Beispiel in Niger und Mali bei der Suche nach Alternativen zu dem gefährlichen und häufig tödlichen Weg nach Europa zu unterstützen.

Frage: Sie wissen, dass es Waffenschmuggel gibt. Aber Sie wissen nicht, wer da mit wem schmuggelt; Sie haben nur Vermutungen. Wenn Sie sagen, die Waffen kommen aus dem arabischen Raum, dann frage ich mich, warum das auf dem Mittelmeer geklärt werden soll. Welcher arabische Staat fährt denn auf dem Mittelmeer Waffen nach Libyen?

Schäfer: Ich überlasse es Ihnen, auf eine Landkarte zu schauen, um zu überlegen, wie man – anders als übers Mittelmeer – auf dem Wasserwege nach Libyen kommt. Das müssen Sie selber nachschauen, fürchte ich. Darauf habe ich ansonsten keine Antwort mehr. Es ist wie immer: Der Europäischen Union oder auch der Bundesregierung liegen manche Informationen vor, die man nicht telquel mit Ihnen und der Öffentlichkeit teilen kann.

Zusatz: Wir müssen jetzt darauf vertrauen, dass Sie die Wahrheit sagen. Sie können den Waffenschmuggel nicht belegen. Seine Bekämpfung ist aber ein Kernelement dieses Einsatzes.

Schäfer: Das ist keine Frage. Ich bitte den Vorsitz, dafür zu sorgen, dass wir hier zu Fragen kommen. Glauben und nicht glauben ist etwas ganz anderes. Herr Kollege, machen Sie damit, was Sie wollen, und lassen Sie uns einfach zum nächsten Thema kommen!

Zusatz: Es geht nur darum: Sie haben keine Beweise, die Sie uns vorlegen können.

Vorsitzender Feldhoff: Fragen, aber keine Diskussionen!

Schäfer: Ich habe nichts mehr zu sagen.

(Archivbild: Das bisherige Flaggschiff der EUNAVFOR MED/Operation Sophia, der italienische Hubschrauberträger Cavour, am 3. Juni – EUNAVFOR MED)