Bundeswehr im NATO-Osten: Reden wir über ein Bataillon
Die Frage, ob die Bundeswehr zur Unterstützung und Rückversicherung der östlichen NATO-Mitglieder künftig stärker an der Ostgrenze der Allianz unterwegs sein wird, hat an diesem Wochenende ein bisschen Staub aufgewirbelt. Hatte der Spiegel doch gemeldet:
Einem deutschen Regierungsvermerk zufolge drängen die USA, dass sich die Bundeswehr signifikant an der geplanten Stationierung von einander ablösenden Nato-Einheiten an der Ostgrenze der Allianz beteiligen soll. Vor allem von Großbritannien und Deutschland erwarten die USA demnach Truppen und Kriegsgerät für die Nato-Präsenz in den baltischen Staaten, Polen und Rumänien, dies habe Obama bereits im Nationalen Sicherheitsrat angekündigt.
Nun schien das, dem Aufmerksamkeitswert nach, für die deutsche (Medien)Öffentlichkeit eine überraschend neue Entwicklung. Für die Bundesregierung und Bundeskanzlerin Angela Merkel wohl kaum. Zuletzt am 20. April war Merkel bei der Pressekonferenz beim Besuch der litauischen Regierungschefin Präsidentin Dalia Grybauskaitė in Berlin danach gefragt worden:
Frage: Eine Frage an die Bundeskanzlerin. Wird Deutschland ein rotierendes Bataillon für einen dauerhaften Einsatz nach Litauen schicken und nicht nur zum Zwecke der Übungen? Wenn ja, wann wird das der Fall sein?
Merkel: Wir setzen die Beschlüsse von Wales um. Wir werden das in Warschau weiterentwickeln, und entsprechend dieser Maßgaben werden wir dann unseren Anteil übernehmen. Die allerletzten Entscheidungen sind noch nicht getroffen, wo genau wir nun arbeiten. Es werden jetzt die vorbereitenden Gespräche in Bezug auf den Nato-Gipfel geführt. Aber dass wir in Litauen durchaus heute schon sind, zeigt sich an dem Beispiel Air Policing. Wir haben natürlich keinerlei Vorbehalte, nicht auch weiter in Litauen mit dabei zu sein. Aber die endgültigen Entscheidungen müssen noch besprochen werden.
Nun ist das Air Policing, also der Beitrag der deutschen Luftwaffe zur Luftraumüberwachung über den baltischen Staaten, da nicht so ganz der passende Bezugspunkt – die deutschen Jagdflugzeuge sind nämlich, im Wechsel mit anderen Verbündeten, immer in Estland stationiert.
Aber in der Tat: schon im vergangenen Jahr war die Bundeswehr permanent in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie in Polen präsent. Persistent Presence, Ständige Anwesenheit, heißt das Programm, zu dem immer eine deutsche Kompanie entsandt wird. Und das wird auch in diesem Jahr fortgesetzt: Insgesamt dürfte die Bundeswehr mehr als 5.000 Soldaten, über das Jahr verteilt, in die östlichen NATO-Staaten schicken.
Die Frage ist deshalb jetzt nicht, ob die Bundeswehr mit Soldaten an der Ostflanke der NATO (und das heißt teilweise: praktisch an der russischen Grenze) präsent ist. Das ist sie längst. Die Frage ist vielmehr, um wie viel diese Präsenz deutlich aufgestockt wird. Und ob die Bundeswehr in Bataillonsstärke, nicht nur in Kompaniestärke oder weniger, immer wieder mit anderen Truppen, also rotierend, anrückt.
Das dürfte in der Tat ein Thema für den bevorstehenden NATO-Gipfel im Juli in Warschau werden. Die USA werden darauf verweisen, dass sie mit der Stationierung einer zusätzlichen Panzerbrigade in Europa vorlegen – und die könnte, wie der künftige NATO-Oberbefehlshaber Curtis Scaparotti andeutete, aus dauerhaft präsenten und nicht nur rotierenden Truppenteilen bestehen.
Für die Bundeswehr steckt die Tücke dann im Detail. Ein (Kampftruppen)Bataillon mit Ausrüstung und Großgerät regelmäßig im Ausland? Vielleicht sogar mehrere gleichzeitig, weil in mehreren östlichen Mitgliedsländern dieser Wunsch ohnehin besteht und dann vielleicht auf dem Gipfel so vereinbart wird? Im vergangenen Jahr musste das Heer schon ziemlich daran arbeiten, einen Gefechtsverband – faktisch ein verstärktes Bataillon – für den Einsatz der provisorischen NATO-Speerspitze komplett ausgerüstet bereitzustellen. Und für diese Speerspitze soll die Bundeswehr im Jahr 2019 eine komplette Brigade liefern – das wird nicht so einfach, wenn die dazu gehörenden Bataillone immer im Osten unterwegs sind.
Ganz davon abgesehen, dass das auch eine innenpolitisch nicht unstrittige Frage wird – und die Bedrohungswahrnehmung im Osten des Bündnisses eine deutlich andere ist als in Deutschland.
Aber bei der Umsetzung von Gipfelbeschlüssen, das sagt ja die Bundesregierung, wird sie sich von niemandem etwas vormachen lassen. Auch die Beschlüsse des NATO-Gipfels in Wales 2014 habe sie vorbildlich umgesetzt, wie der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, noch am vergangenen Freitag beteuerte:
Ich würde für die Bundesregierung gern sagen, dass die Maßnahmen, die auf dem Nato-Gipfel in Wales vor knapp zwei Jahren vereinbart worden sind, weitgehend umgesetzt sind. Dazu gehört insbesondere das Konzept der Reassurance in der östlichen Flanke der Nato. Deutschland und die Bundeswehr sind bei ganz vielen dieser Maßnahmen voranmarschiert. Über die Rolle der Bundeswehr und Deutschlands bei der Reassurance, so wie in Wales vereinbart, gibt es weder Grund, sich zu schämen, noch gibt es Grund, sich mit dem, was wir da getan haben, zurückzuhalten. Wir sind bei vielen Fragen sehr weit vorne und sehr aktiv gewesen.
Interessant wird zu beobachten, was das für den nächsten NATO-Gipfel bedeutet.
Nachtrag (weil jetzt erst wiedergefunden): Bereits vor einem Jahr waren Wünsche an Deutschland ziemlich klar formuliert worden*: Estland ist der Ansicht, dass es eine dauerhaftere Präsenz der europäischen Alliierten in Estland und der baltischen Region geben könnte unter Deutschlands Führung.
(*Deutsche Verlagswebseiten werden hier i.d.R. aus bekannten Gründen nicht verlinkt; wenn der Inhalt älter ist als ein Jahr, unterliegen sie nicht mehr dem Leistungsschutzrecht)
(Archivbilder Oktober 2015: Marder-Schützenpanzer der Bundeswehr in Lettland –
Gatis Dieziņš/Lettische Streitkräfte)
@klabautermann | 27. April 2016 – 11:43
Ich schließe mich der Ansicht csthors und Ihrer an: never ever.
Aber dies wäre auch nicht notwendig.
Grundsätzlich ist es ja das Ziel Russland den Spaß am hybriden Herumlavieren zu nehmen. Das gelänge mMn mit der Stationierung eines -nennen wir es größenneutral- Gefechtsverbandes, wenngleich der schon hochmobil sein muss bei der Größe allein dws Baltikums.
Und bei diesem Vorhaben sehe ich weder völkerrechtliche noch innerdeutsche Gesetzmäßigkeiten, die dagegen sprächen. Man könnte sie aber sicher konstruieren, auch wenn der Auftrag „da sein und vor Ort Gefechtsübungen abhalten“ dies etwas erschweren dürfte.
Wie hoch der Russische Wille wäre, diesen Verband herauszufordern? Ich will nicht spekulieren, frage deshalb mal ketzerisch: Warum sollte er höher sein als beim Air Policing?
Eben drum meine ich: Stabilität in die NATO-Russland Grenzregion projezieren und ab und zu mal buh rufen, wenn die Russischen Streitkräfte mal wieder mit einem Panzerbataillon von St Petersburg nach Moskau fahren und klatschen, wenn sie es wieder zurück schaffen.
Das Gefährliche an einer Stationierung deutscher Truppen in den baltischen Staaten ( = ehemalige Staaten der sowjetischen Union) ist, dass diese alle einen erheblichen Anteil russischsprachiger Bürger haben, die gesellschaftlich ausgegrenzt werden und daher zu (gesteuerten??) sozialen Unruhen neigen könnten! Was machen die NATO Truppen vor Ort dann? Und was bei russischen Beistandsaktionen ( Evakuierung o.ä) für Ihre ehemaligen Staatsbürger??
@Sachlicher
In Zusammenhang mit der „SPON-Meldung“ einige Ideen zum GefVbd http://augengeradeaus.net/2016/04/bundeswehr-im-nato-osten-reden-wir-ueber-ein-bataillon/comment-page-2/#comment-234680
Nun, es haben ja schon einmal drei Bataillone ausgereicht, um eine vielfach überlegene Armee von entsprechenden Gegenaktionen abzuhalten – wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen.
@Sachlicher
Zustimmung. Einfach mal die Kirche im Dorf lassen und die hybride Hysterie runter fahren ;-)
Etwas klarer wird es schon, und wie vermutet wird die Einheitsebene die entscheidende DEU Rolle verkörpern.
Bei „FAZ.net“:
Es gibt hierzu erste Überlegungen und Abstimmungen in der Nato“, sagte ein Ministeriumssprecher. „Entscheidungen hierzu fallen auf den Nato-Gipfel in Warschau.“
Er findet am 8. und 9. Juli in Warschau statt. Der Truppenteil bildet das im Baltikum gesuchte Solidaritätszeichen an die östlichen NATO-Mitglieder, die sich durch Russland bedroht fühlen.
Es geht um die Entsendung eines NATO-Btl nach Litauen, das aus wechselnden Einheiten verschiedener Staaten bestehen soll. Daran könnte sich Bw in KpStärke beteiligen.
FAZ.net spricht von bis zu 250 Mann.
Wobei, sofern der komplette DEU Anteil eine Kopfstärke von 250 umfassen sollte, 1/4 des GefVbd DEU Uniform trüge.
Wer die Masse der Truppe beisteuert stellt selbstverständlich auch den Kdr samt Unterbau? Ob sich BMVg darum reißt?
So langsam kann ich nur noch kichern.
Ursprünglich schwadronierte man über Division(en)
Dann über Brigade….
dann über Btl…
und nun über eine Kompanie.
Na ja, der Fanfaren-Zug eines Heeres-Musikkorps ist wohl angemessen/SCNR
@Klaus-Peter Kaikowsky | 28. April 2016 – 19:22:
Nur leider ist gerade der Bereich „Joint Fires“ eine Lücke der Bw.
Obwohl wir sogar Framework Nation sind.
Zusätzliche JFST?
Fehlanzeige. Auch in den nächsten Jahren.
Die Ankündigungen der Bundeskanzlerin bedeuten noch mehr Anforderunngen die man bereits jetzt nicht hat (siehe VJTF 2019).
Memoria | 28. April 2016 – 23:21
Es sollen weitere Fennek beschafft werden
aber die Lücke nach Schweren Aufkl Fahrzeuge fehlt und fehlt
Man wird Moderne DINGO 2 auffahren und Eagle und Paar Lkw
aber damit wird man da auch nicht gerecht den es fehlt Moderne ketten Fahrzeuge und Geschützte Mörser und Geschützte Ari
Der Begriff „Bonsaiarmee“ kommt ja nicht von ungefähr; aber kleinere Partner können sich bei uns „anlehnen“, wie man es in der CDU jüngst formulierte. Genug Stäbe, Ämter und Kommandos könnten wir hierfür in jedem Falle bieten. Einfach nur traurig…
Jetzt kommen auch andere Medien darauf das man mehr schicken will
Keiner fragt sich woher das gerät kommen soll
BRD Medien halt