Die deutsche NATO-Speerspitze: With a little help from my friends

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Westen, Schutzklasse 4? Kommen noch diesen Monat. Maschinenpistolen MP7, wie vorgesehen, für Kraftfahrer und MG-Schützen? Sind im Zulauf. Die nötigen 30 Marder-Schützenpanzer? Sollen Ende März da sein, alle im neuesten Rüststand. Zum 7. April, so hat es Oberstleutnant Stephan Behrenz dem Heeresinspekteur Bruno Kasdorf versprochen, steht der Deutsche Gefechtsverband NRF, der Beitrag des Deutschen Heeres zur geplanten superschnellen Eingreiftruppe der NATO. Mit einer Truppe, die innerhalb von fünf Tagen abmarschbereit und verlegefähig ist.

Die neue Feuerwehrtruppe hatten die Staats- und Regierungschefs der NATO im September vergangenen Jahres auf ihrem Gipfel in Wales beschlossen: Als Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) will das Bündnis eine (rotierende) Einheit schaffen, die mit schneller Präsenz vor allem an den Grenzen des Bündnisgebiets Abschreckungskraft demonstrieren kann. Die Deutschen boten an, zusammen mit den Niederländern und den Norwegern aus ihren ohnehin für die NATO Response Force (NRF) gemeldeten Verbänden eine Probe-Einheit für eine vorläufige VJTF zu schmieden. Und so stellt Oberstleutnant Behrenz‘ Panzergrenadierbataillon 371 aus Marienberg in Sachsen, die Marienberger Jäger, plötzlich zusammen mit Spezialisten aus anderen Einheiten die NATO-Speerspitze.

Das Erschreckende: Um einen solchen Verband von noch nicht einmal eintausend Männern und Frauen fit zu machen für einen solchen Feuerwehreinsatz, muss Material im ganzen Heer zusammengekratzt werden. Denn wie fast alle anderen Einheiten hatten auch die Marienberger Jäger bei weitem nicht das komplette Material, das sie allein für Übungen brauchten; geschweige denn für einen Einsatz. Bundesweit und international Schlagzeilen machte das Bataillon, weil bei einer Übung in Norwegen im vergangenen Jahr ein fehlendes Waffenrohr kurzerhand durch einen schwarzgestrichenen Besenstiel ersetzt wurde.

Es gibt zwar unterschiedliche Einschätzungen, ob der so ausgerüstete Boxer-Radpanzer als Gefechtsstandfahrzeug überhaupt eine Waffe gebraucht hätte. Und so plakativ der Besenstiel war, andere Defizite waren weit gravierender: Ein Viertel der benötigen Nachtsichtgeräte vorhanden, zu wenig Waffen, fehlende persönliche Ausrüstung bis hin zur Strickmütze.

296 Nachtsichtbrillen vom Typ Lucie brauchen allein die Panzergrenadiere des Deutschen Gefechtsverbandes NRF. 71 waren vorhanden, inzwischen, sagt der Bataillonskommandeur, seien 284 angekommen. Bis zum 7. April sollen alle fehlenden Ausrüstungsteile vorhanden sein, auch die noch fehlenden Marder-Schützenpanzer sollen bis zu dem Stichtag auf den Hof der Erzgebirgskaserne rollen.

Bei seinem Besuch mit Pressebegleitung am Dienstag sprach Heeresinspekteur Bruno Kasdorf die Probleme des verwalteten Mangels offen an – verschweigen hätte er sie ja ohnehin nicht können. Zumal die Journalisten ebenso wie der Generalleutnant mitbekamen, wo es hakte. Und schließlich wissen die Soldaten sehr genau, was sie brauchen. Nicht, weil sich der Soldat immer das Beste wünscht… na ja, das vielleicht auch. Vor allem aber, weil die einsatzerfahrene Truppe in Afghanistan gesehen hat, was an Material möglich ist, wenn es wirklich gebraucht wird.

Eigentlich müsste man in den nächsten Wochen ganz andere Besuche machen. Nicht bei dem NRF-Gefechtsverband, der sich bundesweit das Material zusammensucht. Sondern bei all den anderen Einheiten, die ebenfalls nur einen Teil des für ihre Arbeit nötigen Materials haben oder besser hatten – und davon abgeben mussten, um einem verstärkten Bataillon (!) die Vollausstattung zu ermöglichen.

Das Statement (mit paar Fragen und Antworten; die Fragen sind teilweise nur schwer verständlich) des Heeresinspekteurs in Marienberg zum Nachhören:

(Die Links zum Besenstiel und zur fehlenden Wollmütze müsst ihr diesmal selber googeln, sorry. Daten zur OrBat etc. des Verbandes reiche ich ebenfalls nach.)

Nachtrag: Meine Fotos vom NRF-Gefechtsverband in Marienberg sind hier online. Außerdem gibt’s online die Sammlung des Kollegen Sean Gallup von Getty Images  (danke für den Leserhinweis).