Deutsche Kriegsschiffe bereit für Einsatz in EU-Aktion gegen Schleuser im Mittelmeer
Die beiden Schiffe der Deutschen Marine, die zur Seenotrettung von schiffbrüchigen Migranten und Flüchtlingen ins Mittelmeer geschickt wurden, liegen in diesen Tagen im Hafen von Augusta auf Sizilien. Das hat nicht nur damit zu tun, dass die Besatzungen der Fregatte Schleswig-Holstein und des Tenders Werra nach den Rettungsaktionen der vergangenen Tage (siehe unter anderem hier) eine Ruhepause verdient haben – sondern vor allem mit der neuen EU-Marinemission Eunavfor Med (European Naval Forces Mediterannean). Denn für diesen Einsatz brauchen beide Schiffe neue Kommunikationstechnik: Für eine EU-Mission müssen andere Verbindungsmöglichkeiten eingebaut werden als für die üblichen Einsätze im NATO-Rahmen.
Ziel dieser EU-Mission ist zunächst die Aufklärung – und spätere Unterbrechung – der Aktivitäten der Schleuser, die die Flüchtlinge übers Mittelmeer bringen, als europäische Antwort auf den Zustrom nach Europa. Seit dem 30. Juni 1500 Uhr sind die Schleswig-Holstein und die Werra Eunavfor Med unterstellt, und damit hat sich auch ihre Aufgabe gewandelt: Auch wenn die Seenotrettung im Portfolio bleibt – erster Auftrag wird nun die Aufklärungsmission.
Der Rat der EU-Außenminister hatte die Mission zur Zerschlagung der Schleusernetze im Mittelmeer bereits im Mai beschlossen:
Der Rat hat sich heute darauf geeinigt, eine EU-Militäroperation (EUNAVFOR MED) einzurichten, um das Geschäftsmodell der Menschenschmuggel- und Menschenhandelsnetze im Mittelmeer zu zerschlagen. Dieser Beschluss, der eine Komponente der umfassenden Reaktion der EU auf die Herausforderung durch die Migration ist, wird es ermöglichen, die operative Planung der Marineoperation offiziell aufzunehmen.
Die EUNAVFOR MED wird in mehreren aufeinanderfolgenden Phasen und im Einklang mit den Anforderungen des Völkerrechts durchgeführt. Die Planung der Operation und die erste Phase der Beobachtung und Prüfung von Menschenschmuggel- und Menschenhandelsnetzen im südlichen zentralen Mittelmeer werden schnellstmöglich durchgeführt. In der zweiten und dritten Phase der Operation würden die an Bord befindlichen Gegenstände der Schleuser in Einklang mit dem Völkerrecht und in Partnerschaft mit den libyschen Behörden durchsucht, beschlagnahmt und zerstört.
Ob und wann die zweite und dritte Phase kommen wird, ist noch ziemlich offen. Aber die erste Phase der Militäroperation der Europäischen Union im südlichen zentralen Mittelmeer wurde formal am 22. Juni gestartet, und Deutschland hat dafür genau die Marineeinheiten gemeldet, die ursprünglich nur mit der Aufgabe Seenotrettung ins Mittelmeer entsandt wurden. Da wird es eine interessante Frage, ob der Hauptauftrag Aufklärung mit dem – nach dem Seerecht immer vorhandenen – Auftrag der Seenotrettung möglicherweise in Konflikt gerät, wie schon hier debattiert.
Die Schleswig-Holstein und die Werra haben auch die ganz praktische Herausforderung, gleich mit zwei Operationszentralen kommunizieren zu müssen: Dem Hauptquartier von Eunavfor Med in Rom, geleitet vom italienischen Konteradmiral Enrico Credendino. Und der Leitstelle des maritimen Rettungszentrums, ebenfalls mit Sitz in Rom. Die beide unterschiedliche Aufgaben haben – der eine Aufklärung, der andere Rettung.
Neben dem Hauptquartier des maritimen Einsatzes in der italienischen Hauptstadt gibt es auch ein Force Headquarters, ein taktisches Hauptquartier. Das ist auf dem italienischen Flugzeugträger Cavour eingeschifft und untersteht dem italienischen Flotillenadmiral Andrea Gueglio.
(Die Order of Battle, also die Zusammensetzung von Eunavfor Med, steht wohl noch nicht so ganz fest – bekannt ist bislang nur, dass sich Großbritannien mit dem Forschungsschiff HMS Enterprise und einem Hubschrauber beteiligt und damit vor allem seine Rettungskapazitäten, die das bislang eingesetzte Landungsschiff HMS Bulwark bot, deutlich reduziert hat. Geplant ist der Einsatz von Schiffen, Flugzeugen und auch Drohnen von insgesamt 14 Nationen.)
An Bord der Cavour sind auch deutsche Verbindungsoffiziere, ebenso im Hauptquartier in Rom. Der deutsche Verband wird von Kapitän zur See Thorsten Mathesius geführt, die Schleswig-Holstein kommandiert Fregattenkapitän Marc Metzger und die Werra Korvettenkapitän Stefan Klatt.
Das Einsatzgebiet von Eunavfor Med reicht von der italienischen Küste im Norden bis zur Küste Libyens im Süden, ausgenommen sind die libyischen Hoheitsgewässer. Im Westen reicht die Area of Operations bis Sardinien, im Westen Osten bis zur griechischen Insel Kreta – also ziemlich genau der Ausschnitt auf dieser Karte:
Nachtrag: Die Rettung von Schiffbrüchtigen geht natürlich derweil weiter, auch wenn es hierzulande keine Schlagzeilen macht.
UPDATE: Bourbon #Argos just rescued 103 people from a vessel in distress; amongst them 39 women and 7 children. #MSFsea
— MSF Sea Rescue (@MSF_Sea) July 3, 2015
(Archivbild 2010: Die Fregatte Schleswig-Holstein läuft im Rahmen der EU-Antipirateriemission Atalanta vor Somalia in den Hafen von Djibouti ein – Bundeswehr/Piz EinFüKdo; Karte: OpenStreetMap)
Kreta liegt im Osten des Operationsgebietes ;-)
„Denn für diesen Einsatz brauchen beide Schiffe neue Kommunikationstechnik: Für eine EU-Mission müssen andere Verbindungsmöglichkeiten eingebaut werden als für die üblichen Einsätze im NATO-Rahmen.“
Ist die nicht Standardisiert? Oder besser gesagt wieso werden denn zwei verschiedene Standards gefahren?
Wenn ich „neue Kommunikationstechnik“ lese, dann bekomme ich Schüttelfrost……..
@Christian
Die italienische Marine hat seit Jahren ein eigenes Maritimes Lageführungs- und Informationssystem….wollten das auch der deutschen Marine „andienen“…
Na ja, nun haben sie es wohl geschafft ;-)
@Hans
Ups. Natürlich. Danke, ist korrigiert.
Auf der Holstein muss ja wohl nichts eingebaut werden die waren eh für die EU-MISSION ATALANTA geplant
@Klabautermann und all
Nein, auch auf der Fregatte. Für beide Schiffe gilt: Einrüstung eines Führungs- und Informationssystems der EU
(Und schon der erste Troll… Sehe erst mit Verspätung, dass der vorangegangene Kommentar nicht von @klabautermann kommt, sondern vom ziemlich ähnlichen @klabauterman… Na gut, Troll, bist enttarnt und fliegst raus.)
sollte man nicht langsam mal anfangen sich mal darüber gedanken zu machen, deutsche marineeinheiten dauerhaft im mittelmeer zu stationieren, da die meisten einsätze zum großen teil in dieser region stattfinden?
Aufgrund der Pflicht zur Seenotrettung war aber doch diese Doppelrolle gar nicht zu vermeiden, oder? Ich frage mich eher, wie das logistisch aussieht. Wird ein Schiff die Aufklärung nach der Rettung abbrechen und einen Hafen anlaufen – oder werden die Flüchtlinge von einem Unterstützungsschiff oder dergleichen abgeholt?
@ari127mm: Das frage ich mich auch, schon länger – Italien ist ein schönes Land als fester Dienstort, wäre also attraktiv. Mit der Ausbildung allerdings wird das kompliziert, und insbesondere würde die Sache dabei mit dem Konzept der Intensivnutzung kollidieren. Für die Korvetten wäre ein fester Auslandshafen *vielleicht* etwas, allerdings wären sie dann nicht mehr für Nord- und Ostsee zu haben … blieben noch die vier F 123 in ihren letzten 10 Jahren…
Die EU Staaten ESP, FRA, ITA, Malta, Griechenland (Abk -?), ggf. Zypern sollten doch genügend Einheiten aufbieten können.
nebenbei…Sea Lynx´s der Marine fliegen , u.a. heute beim Einlaufen der Fregatte Bayern In Wilhelmshaven
…mal sehen ob die dann auch im Einsatz gegen Schleuser eingesetzt werden.
http://1.bp.blogspot.com/-n68jSCfmOIU/VZbWkc3Nh_I/AAAAAAAEjfw/XolRM7Jz4zA/s1600/%25C2%25A9%2521%2BIMG_9415.gif
UvdL heute in Catania auf der „Schleswig-Holstein“ (ARD-Text).
@Mufflon „Aufgrund der Pflicht zur Seenotrettung war aber doch diese Doppelrolle gar nicht zu vermeiden, oder?“:
Wenn man genug Schiffe einsetzt, die primär für Seenotrettung zuständig sind, müssen die Aufklärer nur noch im Ausnahmefall für Rettungsaufgaben herangezogen werden.
Dafür würde man sinnvollerweise zivile Schiffe verwenden (Kosten, Verfügbarkeit, Effizienz) und NGOs einbinden.
Das hätte auch den Vorteil, dass diese Schiffe dann deutlich als „nur humanitär, für niemanden bedrohlich“ gekennzeichnet werden könnten und dadurch sicher besser operieren könnten und mehr „Spielraum“ hätten als ein „spionierendes Militärschiff“.
Was ist damit gemeint? Welche Gegenstände der Schleuser befinden sich üblicherweise an Bord?
@all
Habe zum Besuch von vdL in Catania einen neuen Thread zu dem Thema aufgemacht. Die Debatte bitte weiter dort – und bitte mit der nötigen Mäßigung.
Nur eine kleine Anmerkung: das Force Headquarters bildet nicht die taktische, sondern die operative Ebene (und um es sprachlich noch komplizierter zu machen: das Operation Headquarters ist die miltär-strategische Ebene).