Verfassungsgericht bestätigt: Kein Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein
Der umstrittene Luftangriff von Kundus am 4. September 2009 hat für den damaligen Kommandeur des Provincial Reconstruction Teams (PRT) Kundus, Georg Klein, keine strafrechtlichen Folgen. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte in einer am (heutigen) Freitag veröffentlichten Entscheidung, die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den damaligen Oberst sei rechtmäßig gewesen. Insbesondere die Entscheidung der Bundesanwaltschaft, den Luftangriff nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu beurteilen und nicht nach dem Strafgesetzbuch, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Mit einer Beschwerde beim Verfassungsgericht hatte der Vater zweier Kinder, die bei dem Luftangriff getötet worden waren, eine strafrechtliche Ermittlung gegen Klein erreichen wollen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte zuvor einen entsprechenden Antrag ebenfalls verworfen. Die Beschwerden richteten sich nicht nur gegen den damaligen Oberst, sondern auch gegen einen Hauptfeldwebel, der die US-Bomber geleitet hatte.
Neben den Bemühungen, Klein trotz der Einstellung der Ermittlungen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, gibt es auch Klagen auf Schadenersatz wegen des Luftschlages. Das Oberlandesgericht Köln hatte allerdings Ende April auch diese Klage zurückgewiesen.
Zur Dokumentation die heutige Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts im Wortlaut:
Einstellung der Ermittlungen gegen Oberst und Hauptfeldwebel der Bundeswehr nach Luftangriff in Kunduz verstößt nicht gegen das Grundgesetz
Pressemitteilung Nr. 045/2015 vom 19. Juni 2015
Beschluss vom 19. Mai 2015
2 BvR 987/11
Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen einen Oberst und einen Hauptfeldwebel der Bundeswehr nach einem Luftangriff in Kunduz (Afghanistan) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die effektive Untersuchung von Todesfällen werden durch den Einstellungsbescheid des Generalbundesanwalts und die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf gewahrt. Durch einen Luftangriff in Kunduz (Afghanistan) im September 2009 war es zu einer Vielzahl – auch ziviler – Todesopfer gekommen; der Beschwerdeführer ist der Vater zweier getöteter Kinder.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer ist Vater zweier Kinder, die durch einen Luftangriff in Kunduz (Afghanistan) in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 getötet wurden. Er erstattete Strafanzeige gegen einen Oberst und einen Hauptfeldwebel der Bundeswehr. Der Oberst hatte den Luftangriff als militärischer Leiter des Provinz-Wiederaufbauteams (PRT) in Kunduz veranlasst, der Hauptfeldwebel wirkte daran als Fliegerleitoffizier des PRT Kunduz mit. Zwei Tanklastwagen waren von bewaffneten Taliban entführt worden und steckten auf einer Sandbank im Fluss Kunduz fest. In der Annahme, dass die Tanklaster von den Taliban jederzeit zu „rollenden Bomben“ gegen ein in der Nähe befindliches Lager der Bundeswehr umfunktioniert werden könnten und es sich bei den Personen in der Nähe der Fahrzeuge um Angehörige oder jedenfalls Unterstützer der Taliban handelte, wurde der Luftangriff befohlen. Tatsächlich hatte er jedoch eine Vielzahl von Todesopfern, auch unter der Zivilbevölkerung, zur Folge.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 stellte der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts einer Strafbarkeit nach dem Völkerstrafgesetzbuch sowie anderer Delikte mangels zur Anklageerhebung hinreichenden Tatverdachts ein. Einen hiergegen erhobenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung verwarf das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 16. Februar 2011 als unzulässig.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Der Einstellungsbescheid des Generalbundesanwalts vom 13. Oktober 2010 und der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Februar 2011 sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Der Beschwerdeführer verlangt die strafrechtliche Verfolgung einer Handlung, die nach ihrem objektiven Tatbestand zu den Kriegsverbrechen im Sinne des Völkerstrafgesetzbuchs zählt und auch nach allgemeinem Strafrecht als Mord im Sinne des Strafgesetzbuchs einzuordnen ist. Zugleich steht der Vorwurf im Raum, ein Amtsträger habe bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben nicht nur Straftaten begangen, sondern auch den Tod eines Menschen verursacht. Insoweit hat auch der Beschwerdeführer als Vater – vermittelt über Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 und Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG – einen Anspruch auf effektive Strafverfolgung. Weil der Verzicht auf eine effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Integrität staatlichen Handelns führen kann, muss bereits der Anschein vermieden werden, dass sie nur unzureichend untersucht würden, dass gegen Amtswalter des Staates weniger effektiv ermittelt würde oder dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung gestellt würden.
2. Der Bescheid des Generalbundesanwalts vom 13. Oktober 2010 wird diesen Anforderungen gerecht. Er verkennt weder die grundrechtliche Bedeutung des Schutzes des Lebens und die daraus folgenden Schutzpflichten des Staates noch die sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergebenden Anforderungen an die effektive Untersuchung von Todesfällen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei dem Angriff auf die Tankwagen um einen Vorfall mit schwersten Folgen, insbesondere einer großen Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung mit Kindern und Jugendlichen handelte.
Der Bescheid stellt die durchgeführten Ermittlungen dar und leitet daraus ab, dass sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen hinreichenden Tatverdacht ergeben hätten. Die Einlassung der Beschuldigten, sie hätten in der Überzeugung gehandelt, bei den Personen in der unmittelbaren Nähe der Tanklastwagen habe es sich um bewaffnete Aufständische gehandelt, lasse sich nicht widerlegen. Daher sei der subjektive Tatbestand einer Straftat nicht gegeben. Diese Annahme ist nicht willkürlich und aus verfassungsrechtlicher Sicht daher nicht zu beanstanden. Daran hätte auch eine Einvernahme von Zeugen, die die fragliche Bombardierung beobachtet haben, nichts geändert, denn das Ereignis der Bombardierung selbst wie auch der Tod von zahlreichen unbeteiligten Zivilisten standen von Anfang an außer Frage.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Februar 2011 begegnet ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Da die durchgeführten Ermittlungen und deren Dokumentation durch den Generalbundesanwalt den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, kann eine nachfolgende gerichtliche Entscheidung, die dies überprüfen soll, nicht (mehr) zu einer Verletzung des Anspruchs auf effektive Strafverfolgung führen.
Auch Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz werden nicht verkannt. Wenn der Beschwerdeführer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung maßgeblich auch mit Inhalten aus den Ermittlungsakten begründet, ist er gehalten, zumindest den wesentlichen Inhalt der Beweismittel mitzuteilen, aus denen er auszugsweise vorträgt oder gar zitiert. Bei einer nur selektiven Wiedergabe von Teilen der Einlassung des Beschuldigten oder auch der Einvernahme von Zeugen kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer vorliegend nicht gerecht geworden.
(Wie bei diesem Thema erforderlich, bitte ich um Sachlichkeit in den Kommentaren.)
(Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert)
@Der Zeitgeist:
Danke.
Ich glaube viele wollen und können diese Differenzierung vielleicht auch gar nicht vornehmen. Weil sie sich in ihrem Selbstverständnis als Soldat angegriffen fühlen. Wagenburgmentalität?
So bleibt die Mär:
-Alleingelassen von der Politik in aussichtsloser Lage
-Fernab der Heimat
-Einsame Entscheidung in grösster Not
Und jeder der das an Hand der Fakten in Frage stellt läuft Gefahr ein Armchair General oder Sesselpupser zu sein.
Was bedeutet dieser Vorfall in Zukunft für (dienst-)rechtliche Bewertungen anderer Vorfälle, wenn gegen Einsatzregeln (ROEs) massiv verstossen wird?
Die Zusammenfassung der Bewertung von @DerZeitgeist trifft es ziemlich genau.
Wenn ich dann allerdings in einem anderen Kommentar lese
stutze ich doch schon ein wenig. Ich hoffe sehr, dass damit nicht gemeint, ist, dass die rechtliche Überprüfung militärischen Handelns möglichst vor Geheimgerichten und unter Verletzung von Art. 5 Grundgesetz angestrebt werden sollte.
@Der Zeitgeist
„…dass die Bundeswehr als Institution keinen Weg gefunden hat, aus den Ereignissen dienstliche Konsequenzen für Oberst Klein abzuleiten. ….“
Woher wissen Sie das ?? Dienstliche Konsequenzen sind eben dienstliche Konsequenzen und keine „öffentlichen“.
Und wenn das Verfassungsgericht die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung betont, dann kann man imho nicht von einer falschen Entscheidung sprechen. Zwangsläufig war die Entscheidung wahrscheinlich nicht, sie hätte auch anders gefällt werden können…..und damit sind wir eben wieder beim basaltgrauen Fog of War und Führen mit Auftrag, und „mangelnde Fehlerkultur“ bei der BW vermag ich in der Rückschau auch nicht erkennen – eher das Gegenteil.
@T.W.
Art 5 (2) „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“
….und damit ziehe ich mich aus dieser Debatte zurück.
@Mediator
„Als Laie leuchtet es mir nicht ein, warum Deutschland eventuell Entschädigung zahlen sollte für „Kollateralschäden“ zulässiger militärischer Handlungen“
Evtl leuchtet es ihnen ja als Vater ein, Bsp:
In DEU würde es viele Terroranschläge und Geiselnahmen geben (RAF wäre eskaliert), der Staat/Regierung bekommt die Lage nicht in den Griff und holt deshalb Hilfe aus den USA.
Die USA setzen nicht auf Stärkung der Organe für innere Sicherheit in DEU sondern unterstützen DEU mit militärischen Mitteln unter Inkaufnahme von ziv Opfern (Kollateralschäden). Es erwischt ihr Kind. Würden sie nicht versuchen die USA zu verklagen?
Haben Vietnamesen nicht die USA verklagt? Laufen nicht noch Klagen gegen den Rechtsnachfolger des „Dritten Reichs“?
….und es ist wie immer, ein Vergleich hinkt grundsätzlich, sonst wäre es ein Verselb.
Man muss Vorgänge nicht für gut heißen um sie trotzdem nachvollziehen zu können.
@Abu Nasr al-Almani | 20. Juni 2015 – 10:30
Wenn sie da mal keiner urban legend aufgesessen sind?
http://augengeradeaus.net/2013/04/oberst-georg-klein-zum-brigadegeneral-befordert/comment-page-4/#comment-60561
@ Koffer | 19. Juni 2015 – 22:17
Sie schreiben ungewohnt emotional. Das mussten Sie mir gegenüber noch nie und das müssen Sie auch weiterhin nicht.
Zu Ihrer Kritik: 1. Sie scheinen insbesondere meinen letzten Absatz nicht dahingehend interpretiert zu haben, dass sich IBuK und Bundeskanzler vor einen Soldaten zu stellen haben im Rahmen ihrer von der Verfassung vorgesehenen Möglichkeiten. Das sollten Sie aber bitte.
Ich hätte das auch als vornehmste Pflicht angesehen ggü dem damaligen Oberst. Noch dazu Minister Jung als brillanter Jurist,der er im Gegensatz zu Minister zu Guttenberg nun einmal ist, (auch) aufgrund der in seinem Haus nahezu zeitverzugslos hergestellten Informationslage, (auch) fachlich/persönlich hätte bewerten und diese Bewertung mit der gebotenen intellektuellen Dichte hätte kommunizieren können.
Ich kann mir das nur so erklären, dass er der Bundesanwaltschaft nicht vorgreifen wollte, um jeglichen Eindruck der Einflussnahme zu vermeiden. Wir wissen heute, dass dies unangemessen war, und mehr noch: als wenn sich Frau Generalbundesanwältin a.D. Harms sich vom IBuK hätte beeinflussen lassen, jeder der das annimmt soll sich bitte deren Vita anschauen.
2. Aus in „gebotenem Rahmen“ formulieren Sie „muss unterstützen“. Eine Antwort darauf spare ich mir.
Im Regelfall mag ich Ihre erfrischend offensive Art. Im Falle dieser, Ihrer Antwort an mich sind Ihnen vermeidbare Fehleinschätzungen unterlaufen, die ich inhaltlich und obgrund des Belehrungscharakters als unangemessen zurückweise.
@ Der Zeitgeist | 20. Juni 2015 – 10:36
Sachliche Frage, definitiv kein persönlicher Angriff: Waren Sie dabei oder in der Sache konkret eingebunden?
@klabautermann:
Allerdings dürfen diese Schranken nicht beliebig gezogen werden, siehe Artikel 19.
Für die Pressefreiheit gelten besonders hohe Maßstäbe. Das Bundesverfassungsgericht hat das im Cicero-Urteil in folgendem Satz auf den Punkt gebracht:
@klabautermann | 20. Juni 2015 – 11:12
„Woher wissen Sie das ?? Dienstliche Konsequenzen sind eben dienstliche Konsequenzen und keine „öffentlichen“.“
Der Mann ist inzwischen Brigadegeneral. Die Fehlerkultur sieht also so aus, dass Führer, die im Einsatz Mist bauen, in der Bundeswehr irgendwann trotzdem mit Generalsrang unterwegs sind.
Nun werden Sie natürlich entrüstet einwenden, dass hier ganz sicher kein „Mist gebaut“ wurde, da Sie ja auch ausführen, dass Sie nicht von einer falschen Entscheidung sprechen würden.
Dahingehend kann ich eigentlich nur auf den Beitrag verweisen, den der User CRM-Moderator hier dankenswerterweise verlinkt hat: http://augengeradeaus.net/2013/04/oberst-georg-klein-zum-brigadegeneral-befordert/comment-page-4/#comment-60561
und der mit der Legendenbildung in diesem ganzen Fall sehr umfassend aufräumt, und zwar aus der Perspektive eines Führers vor Ort. Der Beitrag sollte eigentlich Pflichtlektüre sein.
Das Grundproblem der Fehlerkultur in diesem Fall ist im Grunde das gleiche wie in anderen Handlungsfeldern der Bundeswehr, nämlich dass es gar keine Fehler gibt. Schon gar keine militärischen Fehler, da die Bundeswehr im eigenen Verständnis der politischen Führung und vor allem in der Kommunikation nach außen gar nicht militärisch handelt. Der letzte Satz in jedem ISAF-Einsatzbericht war immer „Der Auftrag wurde erfüllt“, völlig unabhängig davon, ob das dann tatsächlich der Fall war.
Und weil es so schön bequem ist, keine Fehler zu machen, hat natürlich auch Oberst Klein keine Fehler gemacht, war immer ein untadeliger Offizier, wie es hier schon beschrieben wurde. So konnte sich die Institution Bundeswehr gemütlich zurücklehnen, den Mann weiter befördern und die ganze Aufarbeitung des Falls an den Bundestag und die zivile Gerichtsbarkeit abschieben. Die Urteile, die dann gesprochen wurden, passten ja auch insgesamt in die eigene Legendenbildung, wie man in den Diskussionen hier so eindrucksvoll sieht (die Kommentare im AG-Facebook-Account sind da übrigens noch wesentlich homogener).
In anderen Armeen gibt es ja die Tradition, dass ein militärischer Führer im Einsatz oder gerne auch mal mitten im Zweiten Weltkrieg ohne viel Aufhebens gefeuert wird, pour encourager les autres. Der Luftangriff von Kunduz hätte für die Bundeswehr eine Chance sein können, sich mit dem Themenkomplex „Fehler und Scheitern im Einsatz“ konstruktiv auseinanderzusetzen und entsprechende Verfahren zu finden. Man muss die Leute ja nicht gleich an die Wand stellen, ich vermute, dass das Dienstrecht da auch andere Sanktionsmöglichkeiten vorsieht.
Leider hat man das versäumt, sicher auch aus dem Phänomen heraus, dass Probleme in der Bundeswehr meist primär als politische Gefährdung für den jeweiligen Minister gesehen werden, und sich die schon angesprochene Wagenburg dann um ihn oder sie schließt, um einen Rücktritt zu verhindern.
@CRM-Moderator
Der Kommentar des taktisch zweifellos bewanderten Autors ist interessant, aber ich behaupte, dass er etwas durcheinanderbringen muss, wenn er von einer „im Anschluss an diese Aktion erstmals gegen deutsche in AFG ausgerufene, und mehrheitlich von lokalen geistlichen abgesegnete Intifada“ und einem „derben Bedrohungsanstieg für uns“ schreibt.
Da es Ihnen als Begründung vermutlich nicht ausreicht wenn ich dies mit eigenen Beobachtungen begründe, verweise ich darauf, dass auch den damals verstärkt vor Ort präsenten Medien keine „Intifada“ oder auch nur einfache Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Vorfall aufgefallen sind, und dass die Behauptung des „derben Bedrohungsanstiegs“ nicht mit der Tatsache in Einklag zu bringen ist, dass die Zahl der Vorfälle (und damit auch der vor den Medien nicht zu verbergenden größeren Anschläge als sicherem Indikator) nachweislich nach dem Vorfall zurückging und für Monate auf niedrigem Niveau blieb.
Dass, was der Autor über die „Mehrheit der lokalen Geistlichen“ schreibt, ist schon deshalb unplausibel, weil diese Mehrheit im Raum Kunduz kaum ein Interesse daran hatte, sich in diesem Fall auf die paschtunische Seite zu schlagen. Unter Nichtpaschtunen begrüßte man damals sehr deutlich, dass die Bundeswehr endlich gegen (paschtunische) Aufständische vorging und hätte sich mehr solcher Aktionen gewünscht, während unter Paschtunen erstmal verbreitet Verunsicherung herrschte. Ein nachprüfbarer Indikator dafür ist, dass die Leichen der Getöteten zunächst nicht aus Krankenhäusern abgeholt wurden, weil die Familien Angst hatten, mit dem Überfall auf die Tanklaster in Verbindung gebracht zu werden.
Ich vermute daher stark, dass der Autor die Reaktionen auf den Tanklaster-Vorfall mit denen auf andere Vorfälle (Karikaturen, angebliche Koran-Verbrennung durch ISAF etc.) durcheinanderbringt.
Was die Schwierigkeiten bzgl. Luftnahunterstützung zu dieser Zeit angeht, so hatten diese vermutlich mehr mit McCrystals „Tactical Directive“ zu tun als mit den Folgen des Tanklastervorfalls. Amerikaner und Briten berichteten damals von ähnlichen Schwierigkeiten wie der Autor des Kommentars.
@Sachlicher | 20. Juni 2015 – 12:15
„Sachliche Frage, definitiv kein persönlicher Angriff: Waren Sie dabei oder in der Sache konkret eingebunden?“
Ich war nie Soldat und bin kein Angehöriger der Bundeswehr (mehr). Sicher beeinflusst das auch meine Perspektive auf den Fall, keine Frage.
@Ein Leser
Auch das Cicero-Urteil relativiert nicht den Art 5(2) GG.
Die sogenannte Pressefreiheit ist nicht grenzenlos, das Grundrecht des Rechtsschutzes gilt für Kläger und Beklagte, siehe auch Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
§ 171b
P.S. Spätestens Anfang 2010 war die Chance auf einen langfristigen strategischen Erfolg natürlich verspielt, den eine erfolgreiche Einzelaktion alleine nicht herbeiführen kann. Der erfolgreiche Luftangriff hätte das Potential gehabt paschtunischen Führern vor Ort glaubwürdig zu zeigen, dass ISAF bzw. die Bundeswehr handlungsfähig und -willig ist, und wenn der Aktion stärkere Präsenz in der Fläche gefolgt wäre, hätten sich manche schon aus Eigeninteresse von den Aufständischen abgewandt, und die Aufstandsbewegung wäre im Raum Kunduz dauerhaft geschwächt gewesen. So erkannte man aber rasch, dass die Bundeswehr nun noch passiver wurde als zuvor, und die Amerikaner übernahmen 2010 auf ziemlich rüde Weise den aktiven Teil, wobei sie keinesfalls zurückhaltender vorgingen als Oberst Klein an jenem Tag.
Ganz bei dem Geschehen untergegangen sind übrigens die Ereignisse unmittelbar vor dem 04.09., als die Bundeswehr im Gefecht gegen Aufständische nördlich von Kunduz enorme Leistungen vollbracht hat, die man auch an der Zahl getöteter Aufständischer festmachen kann. Auch das wollte die Politik der deutschen Öffentlichkeit sowenig zumuten wie die an jedem öffentlich nachprüfbaren Indikator belegbare Tatsache, dass der Luftangriff vom 04.09. nicht nur ein taktischer Erfolg war.
Der Zeitgeist | 20. Juni 2015 – 13:04
Ich werde Ihnen niemals die Berechtigung absprechen, schon gar nicht obgrund Ihres „Status'“, hier Ihre Sicht der Dinge darzustellen.
Ich danke Ihnen, ganz sachlich und ehrlich, für Ihre Antwort, die mir hilft Sie als Quelle einzuordnen.
@Der Zeitgeist
Ihre Auffassung ist für mich durchaus nachvollziehbar, ich teile sie nur nicht.
Ich halte ihre Auffassung auch nicht für falsch, ich teile sie nur nicht.
Und ich bin auch nicht der Auffassung, dass die Fehlerkultur der BW darin besteht, sogenannte Führungsfehler („Mist bauen“ wie Sie schreiben) quasi zu kultivieren, indem sie den vermeintlichen Dienstvergeher auch noch befördert. Allerdings bin ich – aufgrund der Erfahrung von 42 Dienstjahren – der Auffassung, dass die Führungskultur der BW durchaus in der Lage ist mit sogenannten „Führungsfehlern“ umzugehen, aber das ist in erster Linie Angelegenheit der Regierung/des Bundestages und ggfls.der Justiz und nicht der Öffentlichkeit. Wenn dann Exekutive/Legislative und Judikative zu einem abschließenden, einvernehmlichen „Urteil“ gekommen sind, dann war’s das aus meiner Sicht und auch die sogenannte freie Presse hat dann imho nicht das Recht, dieses „Urteil“ und sein Zustandekommen grundsätzlich und spezifisch in Frage zu stellen, bzw. zu hinterfragen. Das Verfassungsgericht hat einen Spruch gefällt, damit ist imho der Vorgang bis in die höchste und letzte Instanz abgeschlossen.
Der Zeitgeist | 20. Juni 2015 – 10:36
Sie behaupten: „…kommen da zu einem eindeutigen Ergebnis, nämlich dass der Luftangriff aufgrund einer ganzen Kette von falschen Entscheidungen Oberst Kleins nicht hätte stattfinden dürfen…“
Dabei beziehen Sie sich auf einen Untersuchungsbericht, über den der STERN am 11.08.11 „verzweifelt“ schrieb:
„Manchmal ist der politische Betrieb in Berlin zum Verzweifeln – weil schnöde, kleinkarierte Parteitaktik jede Anstrengung ruiniert. So ist es auch beim Kundus-Untersuchungsausschuss. Eineinhalb Jahre hat er getagt, 55 Sitzungen absolviert, 41 Zeugen befragt, darunter Kanzlerin Angela Merkel, Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Verteidigungsminister a. D. Karl-Theodor zu Guttenberg. Und was kommt heraus? Jede Partei versucht, ihre Akteure in Schutz zu nehmen und die Verantwortung abzuschieben.“
Ich weiß auch nicht von welchen „Kriegsverbrechen/Kein Kriegsverbrechen“ Sie sprechen, die „zivile Gerichte aufzuarbeiten“ hätten.
„Die Generalbundesanwaltschaft (GBA), die wegen des Verdachts auf ein Kriegsverbrechen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte, stellte die Ermittlungen am 16. April 2010 ein, da weder die Vorschriften des Völkerstrafgesetzbuches noch die Bestimmungen des Strafgesetzbuches erfüllt seien. Oberst Klein sei „sich der Verpflichtung bewusst“ gewesen, „zivile Opfer soweit irgend möglich zu vermeiden“, und habe laut Pressemitteilung der GBA „hierbei keine ihm gebotene und praktikable Aufklärung unterlassen.“
Im Februar 2011 wurde auch der Versuch, Oberst Georg Klein wegen Mordes anzuklagen, durch das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückgewiesen.
Die durch den Inspekteur des Heeres eingeleiteten Vorermittlungen zu einem Disziplinarverfahren gegen Klein wurden nach etwa viermonatiger Dauer im August 2010 eingestellt.
Ich empfehle Ihnen, sich selbst erst einmal einen „Überblick zu verschaffen“, bevor sie den „meisten User(n)“ hier unterstellen, den Fall „einfach nicht zu überblicken“
@Abu Nasr al-Almani – CRM-Moderator
Taktik ist ja noch stets in etwa die „Lehre von Einsatz und Führung der Truppe im Gefecht“. Mal abwarten, wie die neue TF dazu formulieren wird, hoffe aber, an Clausewitz ist kein Vorbeikommen.
Kunduz war ein richtig guter taktischer Erfolg. Erfolg lässt sich, in aller Deutlichkeit, daran ermessen, wieviel Gegner getötet und/oder gefangengenommen und wieviel seiner Mittel zerschlagen wurden, um Feind Mittel zur Fortsetzung seiner bisherigen Gefechtstführung zu nehmen.
Taktische Führung dient der Erreichung eines operativen Erfolgs. Auch der konnte nachhaltig konstatiert werden, im Raum Kunduz herrschte für Monate operative Ruhe, da die Taliban Ressourcen an Kämpfern und Unterstützern verloren. Wesentliche Leistung wäre jetzt gewesen, den strategischen Erfolg zu sichern.
Dies wurde infolge der politischen, gesellschaftich/medialen und juristischen Folgen mit dem Ergebnis verfehlt, dass das Momentum der Gefechtsführung verloren ging.
In Summe ergibt sich aus meiner Sicht ein strategischer Erfolg für den Feind.
Strategie in asymmetrischer, künftig eben auch hybrider Kriegführung hat immer auch eine Funktion in der Heimat. Kein Politiker konnte es wagen, taktische Erfolge als Leistung der Truppe zur Erreichung definierter Ziele darzustellen. Auch Wohlgesonnene schrecken vor politischem Suizid angesichts von 80 Mio Zusehern zurück.
Kurz zurück zur Taktik, wirklich sehr gern würde ich wissen, ob sich durch Kunduz etc Auswirkungen auf Lehre und Ausb an der FüAk, an OSH und TrS ergeben. Hoffe sehr, dies ist nicht der Fall, wohlgemerkt in Betrachtung von Taktik.
@klabautermann | 20. Juni 2015 – 13:45:
Und was hat man aus alldem bundeswehrintern (!) gelernt? Mit Blick auf Konzeption, Struktur, Ausbildung, Personalauswahl, Führungskultur, Ausrüstung, etc?
Mir fällt da gar nichts ein.
Mir fallen eher auch nach dem September 2009 erhebliche Defizite in der Ausbildung (u.a. JFST) ein.
Das ist die Fehlerkultur?
Bundestag und GBA haben keine erheblichen Rechtsverstösse festgestellt und daher kann man sich wieder zurücklehnen?
@Abu Nasr al-Almani
Danke für ihre persönliche Einschätzung.
Meine deckt sich mit der des verlinkten Posts.
2 kleine Anmerkungen ohne jetzt alles gegenseitig aufzudröseln.
1. Ich glaube kaum, dass der Autor irgendwas durcheinander gebracht hat bzgl. des zeitlichen Zusammenhangs mit anderen Vorfällen. Denn das ist ein Datum, dass keiner vergisst der unten involviert war. [Analog 11.09.2001]
2. „dass die Zahl der Vorfälle (und damit auch der vor den Medien nicht zu verbergenden größeren Anschläge als sicherem Indikator) nachweislich nach dem Vorfall zurückging und für Monate auf niedrigem Niveau blieb.“
Damit meinen sie aber nicht den regelmässigen Rückgang der Insurgentenaktivität im jährlichen Rhythmus zum Beginn des Winters.
@Patrick Horstmann | 20. Juni 2015 – 7:03
„Die Forderung, der/die Verteidigungsminister/-in hätte sich (frühzeitig) vor oder hinter Oberst Klein stellen müssen, zeigt ein seltsames Verhältnis zur Gewaltenteilung.“
Wieso? Der IBuK soll ja nicht in die Judikative eingreifen.
Er soll sehr wohl aber seiner Treue/Fürsorgepflicht nachkommen.
Erst recht in einem Fall, der zwar emotional schwierig, von den Fakten her aber ganz einfach ist.
Das lernt man schon als jüngster Unterführer: Wer sich nicht vor seine Männer stellt, der verliert ihr vertrauen.
„ein Menge schwieriger tatsächlicher und rechtlicher Aspekte aufweist.“
Wo? Die Fakten waren innerhalb von zwei Tagen geklärt und seit 6 Jahren kommen keine neuen Fakten hinzu…
„Wie das Ministerium die Rolle von Oberst Klein bewertet, hat es durch seine Beförderung zum Brigadegeneral und seine weitere Verwendung meiner Meinung nach hinreichend deutlich gemacht.“
Achja? Man hat also eine hoffnungsvolle Karriere zunächst für fast zwei Jahre auf Eis gelegt und darüber hinaus (so hört man) den „Anstellwinkel“ des betroffenen nachhaltig verändert und Sie glauben wirklich, dass habe dienstintern keine massive und verstörende Wirkung?
@ediator | 20. Juni 2015 – 9:25″
Was von politischer Seite aber durchaus zu betrachten wäre ist die Tatsache, dass solche Verfahren militärische Einsätze durchaus auch behindern können und wenn es nur die Schere im Kopf des verantwortlichen Soldaten ist, der sich im Zweifelsfall nicht solchen Konsequenzen aussetzen will.“
+1
Deswegen hätte sich damals die Leitung der Exekutive verbal vor ihn Stellen müssen (ohne natürlich in die Justiz manipulierend einzugreifen), aber wenn Führer in dieser schwierigen Zeit keine emotional-verbale Unterschätzung von denjenigen bekommen in deren Auftrag sie handeln, dann ist das eine Gefahr für die Schlagkraft unserer Streitkräfte
„Weiterhin sollte aus rechtlicher Sicht klargestellt werden, welche Klagen möglich sind. Als Laie leuchtet es mir nicht ein, warum Deutschland eventuell Entschädigung zahlen sollte für „Kollateralschäden“ zulässiger militärischer Handlungen.
Muss es glücklicherweise ja auch nicht :)
Da hat es ja auch weitere, diesbezügliche Urteile in Bezug auf den Kosovo-Krieg gegeben.
„So etwas wie Gerechtigkeit in Kriegen ist leider nur ein frommer Wunsch und nicht jedes Leid wird und kann entschädigt werden.“
Leider haben Sie hier Recht.
„Ohne zu wissen ob es so ist, finde ich aber den Versuch, aus Leid mit juristischen Mitteln noch ein Geschäft zu machen, wiederlich.“
+1
@Der Zeitgeist | 20. Juni 2015 – 10:36
„Verfahrensfehler: JA
Falsche Entscheidung: JA
Entscheidung nachvollziehbar: JA
Kriegsverbrecher: NEIN“
Hmmm. Das ist eine sehr interessante Formulierung. Aber ich denke sie ist falsch. Wenn ich mich ihren Kategorien anschließen würde, dann würde ich eher so formulieren:
Verfahrensfehler: JA
Entscheidung nachvollziehbar: JA
andere denkbare Optionen: JA
in Abwägung aller Möglichkeiten die richtige Entscheidung: UNKLAR
Kriegsverbrecher: NEIN
@T.Wiegold | 20. Juni 2015 – 11:03
„Natürlich muss im Rechtsstaat der Einsatz von Waffengewalt, auch im Auslandseinsatz, auf Verhältnismäßigkeit geprüft werden, aber dies sollte sachlich und möglichst ohne großes Medienecho möglich sein.“
„stutze ich doch schon ein wenig. Ich hoffe sehr, dass damit nicht gemeint, ist, dass die rechtliche Überprüfung militärischen Handelns möglichst vor Geheimgerichten und unter Verletzung von Art. 5 Grundgesetz angestrebt werden sollte.“
Hmm, natürlich trifft Sie als Journalist das jetzt in Ihrem Kern, aber ich halte Ihre Kombination der Worte „Geheimgerichte“ mit dem Zitat für „schwierig“.
Niemand hat hier Geheimgerichte gefordert.
Aber gleichzeitig sollte mEn 1. auch einerseits akzeptiert werden, dass man in DEU gewissen Dinge „unfaufgeregter“ und „sachlicher“ abwicklen kann, als das in der Causa Oberst Klein geschehen ist und 2. ist nicht jedes militärische Handeln gerichtlich kontrollierbar. Das ist das Wesen des Krieges. Und weil das furchtbar ist und im Krieg nun einmal Unschuldige sterben, ist der Krieg ansich ein Sünde, eine Tragödie und ein Verbrechen an der Menschheit und sollte grundsätzlich vermieden werden.
Aber wo er nun einmal statt findet, muss man in „System“ Krieg denken und muss die diesbezüglichen Maßstäbe anwenden.
Natürlich gibt es auch im Krieg eine Form der Verhältnismäßigkeit (eine sehr weite) und eine Form des Rechts (das Völkerrecht), aber es ist eben kein normales „Verwaltungshandeln“…
Leider geht das nicht
@Sachlicher | 20. Juni 2015 – 12:15
„Sie schreiben ungewohnt emotional. Das mussten Sie mir gegenüber noch nie und das müssen Sie auch weiterhin nicht.“
Dann nehme ich dies zurück und bitte mein Ungestüm nachzusehen.
„Zu Ihrer Kritik: 1. Sie scheinen insbesondere meinen letzten Absatz nicht dahingehend interpretiert zu haben, dass sich IBuK und Bundeskanzler vor einen Soldaten zu stellen haben im Rahmen ihrer von der Verfassung vorgesehenen Möglichkeiten. Das sollten Sie aber bitte.“
+1
@CRM-Moderator | 20. Juni 2015 – 11:00
„Was bedeutet dieser Vorfall in Zukunft für (dienst-)rechtliche Bewertungen anderer Vorfälle, wenn gegen Einsatzregeln (ROEs) massiv verstossen wird?“
Bei taktische Entscheidungen im Heer ist das nicht so einfach, wie Sie es gerade zu beschreiben versuchen. Mir ist bewusst, dass die Lw ein im Vergleich zum Heer „umgedrehtes“ Gehorsamsverständnis hat, aber das Heer tickt hier nun einmal anders.
Und das ist gut so!
Im Heer sind (oder sollten sein) formale Vorschriften sakrosankt. Fast alles was Gefechtsführung betrifft (unterhalb eines Kriegsverbrechen natürlich!) ist aber die Entscheidung des Führers.
Das Problem mit der Bw ist, dass sie noch nicht gelernt hat mit dieser Unabhängigkeit der Führer und Unterführer zu leben und die Ergebnisse zu akzeptieren, auch wenn man selbst meint es besser gemacht zu haben.
@Der Zeitgeist | 20. Juni 2015 – 12:49
„„Woher wissen Sie das ?? Dienstliche Konsequenzen sind eben dienstliche Konsequenzen und keine „öffentlichen“.“
Der Mann ist inzwischen Brigadegeneral. Die Fehlerkultur sieht also so aus, dass Führer, die im Einsatz Mist bauen, in der Bundeswehr irgendwann trotzdem mit Generalsrang unterwegs sind.“
Hmm, abgesehen davon, dass eine taktisch erfolgreiche Entscheidung sofern sie rechtlich zumindest hinnehmbare Entscheidung ist, kein „Mist bauen“ sein kann, möchte ich auf zwei Dinge hinweisen:
1. Wir werden sehen, ob es bei Ihm nicht doch noch erhebliche Konsequenzen haben wird (denn er war ja mal für große Karriere vorgesehen, ob das noch klappen wird, sei dahingestellt).
2. Wenn er, selbst WENN er einen Fehler begangen hätte, nicht befördert worden wäre, dann hätte nie wieder ein DEU Oberstlt oder Oberst eine Entscheidung getroffen und wir hätten aufgehört eine Armee zu sein.
Ich möchte das nochmals betonen! Eine Armee macht Fehler, das ist die Natur des Krieges. Diese müssen minimiert werden. Trotzdem werden sie auftreten.
Wenn man nicht zu jemandem steht, selbst WENN er einen Fehler gemacht hat (Kriegsverbrechen natürlich ausgenommen), dann versteht man nicht wie Soldaten funktionieren.
@Abu Nasr al-Almani | 20. Juni 2015 – 13:07
+1
@ Abu Nasr al-Almani:
Bzgl. der vermeintlich ausschließlich positiven Wirkung wäre ich vorsichtig…hier zeichnete sich auch unter den Afghanen eine unterschiedliche Meinung ab, und wenn ich das so sage merke ich, dass ich selbst nicht genau differenziere…denn: was sind Afghanen….in der Analyse gilt es zwischn den einzelnen Ethnien und zusätzlich zwischen Interessenvertretern zu unterscheiden.
Aus vielen Gesprächen mit „Afghanen“ (ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit habe ich erfahren, dass wir grundsätzlich einen „Nationalitätenbonus“ genießen bzw. genossen. Auch wenn es politisch nicht opportun klingen mag. Unsere Vergangenheit (33-45) mit all den Verbrechen gegen die Menschlichkeit wird unter einer Vielzahl der Afghanen nicht so negativ bewertet wie sie tatsächlich zu bewerten ist. Möglicherweise ist das auch ein Aspekt bei der Bewertung des Vorfalls, vor allem durch die AFG Administration. Das Gleiche durch ausschließlich US-amerikanische Kräfte….ich denke die Reaktionen hierauf in AFG selbst wären weitaus „eruptiver“ gewesen.
Wenn ich die „Operation 04.09.09“ als strategische Niederlage bezeichne, dann nicht so sehr auf das rein Militärische bezogen. Vielmehr werte ich die ISAF-internen , die Bw-internen, die politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in der Folge als strategisch negativ. Vor allem die Naivität mit der die bundesdeutsche politische Administration seinerzeit, beginnend mit dem 05.09.2009, in der Beurteilung der Ereignisse und in der Kommunikation dessen ans Werk ging suchte seinesgleichen.
Aber vielleicht ist dies ja systemimmanent…wenn man die Ereignisse rund um das G 36 betrachtet.
@klabautermann | 20. Juni 2015 – 13:45
„Wenn dann Exekutive/Legislative und Judikative zu einem abschließenden, einvernehmlichen „Urteil“ gekommen sind, dann war’s das aus meiner Sicht und auch die sogenannte freie Presse hat dann imho nicht das Recht, dieses „Urteil“ und sein Zustandekommen grundsätzlich und spezifisch in Frage zu stellen, bzw. zu hinterfragen. Das Verfassungsgericht hat einen Spruch gefällt, damit ist imho der Vorgang bis in die höchste und letzte Instanz abgeschlossen.“
Das tut ja auch niemand ernsthaft, auch ich nicht.
Sie beschreiben ja den Strang der juristischen Aufarbeitung, der in der Entscheidung mündete, dass es sich hier nicht um ein Kriegsverbrechten handelte, was ich ganz genauso sehe.
Ich bezog mich hingegen vor allem auf dienstrechtliche Aufarbeitung des Fehlverhaltens von Oberst Klein, das zu dem Luftangriff geführt hat, und das in verschiedenen Untersuchungsberichten, insbesondere im Abschlussbericht des Untersuchungssauschusses, dokumentiert ist.
@Politikverdruss | 20. Juni 2015 – 13:50
„Dabei beziehen Sie sich auf einen Untersuchungsbericht, über den der STERN am 11.08.11 „verzweifelt“ schrieb:“
Lesen Sie doch nicht den STERN, lesen Sie den Abschlussbericht selbst doch einmal durch. Dort ist das Vorgehen von Oberst Klein in jedem einzelnen Schritt dokumentiert und beschrieben, inwiefern er damit die ROE verletzte, um den Luftangriff herbeizuführen.
Ich verstehe jetzt nicht ganz, was Sie mit Ihrem Einwand bezwecken. Der ganze Ablauf dieser Nacht ist insgesamt sehr gut dokumentiert. Haben Sie denn eine andere Version der Ereignisse vorliegen, die Sie für glaubwürdiger halten?
„Ich weiß auch nicht von welchen „Kriegsverbrechen/Kein Kriegsverbrechen“ Sie sprechen, die „zivile Gerichte aufzuarbeiten“ hätten.“
Deutsche Gerichte haben entschieden, dass das Vorgehen Oberst Kleins kein Kriegsverbrechen war. Die Entscheidung des BVerfG, die Herr Wiegold in seinem Beitrag hier beschreibt, ist Teil dieses Stranges der Aufarbeitung, wie ich bereits schrieb.
„Ich empfehle Ihnen, sich selbst erst einmal einen „Überblick zu verschaffen“, bevor sie den „meisten User(n)“ hier unterstellen, den Fall „einfach nicht zu überblicken““
Nun ja, offenbar haben ja zumindest Sie den Gang meiner Argumentation hier bisher nicht verstanden, anders als andere User hier.
Ich trage ja gerne zur weiteren Erklärung bei, bin mir aber nicht ganz sicher, wo genau jetzt eigentlich das Problem liegt.
@Memoria, muss – mal wieder – eine Lanze für STF brechen. Zugebenermaßen, die Anfänge mit deutschen Durchfallerquoten >50% zu Beginn der Ausb an der NLD AGOS (Air Ground Operations School) waren schlimm. (Dies lag weder an der NLD-Schule noch an den kommandierten DEU LT, sondern an deren Auswahl und Vorbereitung).
Aber, inzwischen sind wir auf gutem Weg, das Material stimmt oder ist ordentlich in der Spur. Die Ausb, jetzt in FRA läuft, das Können der Fhr JFST und JFSCT ist nachweisbar, zu JFSCG erlaubte ich mir keine Aussage. Was fehlt, ist aus meiner Sicht die Anerkennung VON und Kenntnisse ÜBER STF sowie deren Ausb- und Einsatzbedingungen in Ebene TrFhr.
Die Teams, in erster Linie Lu/Bo brauchen runs, runs und nochmal runs. Und Einsätze.
@Memoria
„Konzeption, Struktur, Ausbildung, Personalauswahl, Führungskultur, Ausrüstung“ der BW sollen also Ihrer Auffassung nach auf den Kopf gestellt werden anhand eines rechtsverstossfreien Führungsvorganges,der zudem als militärisch erfolgreich bewertet wird ? Aus einem Fehler lernen, der keiner war, ist ziemlich schwer.
Hm. dann fangen Sie mal an.
Aus meiner Sicht hat dieser Vorgang Kunduz sowohl in den Kpfen von Politik als auch BW schon mal zweierlei bewirkt:
1. „Krieg“ hat seine eigenen Regeln, und deswegen
2. schickt man die eigenen Soldaten besser nicht nur mit passiven, sondern auch mit wirksamen aktiven Schutzmitteln und wirklich robusten ROE in einen Krieg.
Die Umsetzung dieser Erkenntnisse wird noch eine Weile andauern, aber nachdem man die Schockstarre nach der politischen Schockwelle in Berlin nun langsam überwunden hat – und nun wohl endgültig durch den Spruch des Verfassungsgerichts – kommt langsam Fahrt auf. Die Drohnen- und die G36-Debatte sind da für mich Indizien.
@KPK:
Meine Bewertung bezieht sich insbesondere auf die Einsatzvoirbereitung in I.-O. Im Jahr 2010. Dort war die ROE-Ausbildung auch nach dem 04.09.09 sehr rudimentär.
Was zu erheblicher Kritik in der Einsatzauswertung führte (und dann auch zu halbherzigen Konsequenzen).
Für mich nur ein Beispiel für die unzureichenden Konsequenzen aus dem September 2009.
Aber alles wird gut – man ist ja schon beinahe Weltklasse…
@Koffer | 20. Juni 2015 – 14:09
„in Abwägung aller Möglichkeiten die richtige Entscheidung: UNKLAR“
Gut, wie gesagt, hier kann man natürlich zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Ich bezog mich eher auf die „Aktenlage“, wie sie halt dokumentiert ist. Allerdings ist die Argumentation, dass es die richtige Entscheidung war, da sie ja zu positiven Effekten für den Einsatz geführt hätte, nicht mehr so klar, wie sie oft dargestellt wird. CRM-Moderator hatte ja den entsprechenden Beitrag verlinkt, wo das sehr gut ausgeführt wird, also z.B. die Fatwa als Folge des Angriffs oder auch die Probleme, die es bei späteren CAS-Anforderungen durch deutsche Truppen gab, weil man den Deutschen dann erstmal nicht mehr über den Weg traute.
„2. Wenn er, selbst WENN er einen Fehler begangen hätte, nicht befördert worden wäre, dann hätte nie wieder ein DEU Oberstlt oder Oberst eine Entscheidung getroffen und wir hätten aufgehört eine Armee zu sein.“
Genau! Und damit beschreiben Sie ja auch die Misere der Fehlerkultur in der Bundeswehr. Unter normalen Umständen wäre das Scheitern mit Konsequenzen ein Anreiz für alle anderen, es besser zu machen. Ein Ausleseprozess, mit dem ich idealerweise an der Spitze Leute stehen habe, die den Mut und auch die Umsicht haben, Entscheidungen zu treffen, die dann sogar richtig sind! Nur funktioniert Bundeswehr eben genau nicht so, und das Führungspersonal sieht dann auch entsprechend aus.
@klabautermann:
Man kann auch unterhalb von Rechtsverstössen – gerade als Soldaten – Fehler machen und daraus lernen.
Das war aus meiner Sicht hier der Fall.
Aus ihrer Sicht wohl nicht.
Die Argumente hierzu sind hier schon mehr als genug ausgetauscht.
Mir zeigt dies vorallem, dass man in der Bw schon erhebliche Probleme hat Fehler zu erkennen und anzuerkennen (siehe Herr Weise).
Ihren Punkten 1. und 2. stimme ich uneingeschränkt zu (wie ich hier glaube ich oft genug dargestellt habe). Diese Punkte sollte man aber auch wieder an der FüAk verstehen.
@CRM-Moderator
Vielleicht hatte der Autor subjektiv einen anderen Eindruck von der Entwicklung. Unmittelbar nach dem Tanklaster-Vorfall gab es ja durchaus Gründe anzunehmen, dass die Lage sich auch hätte anders entwickeln können als sie es dann tatsächlich tat. Vielleicht stand sein Erleben unter dem Eindruck entsprechender Warnungen oder Annahmen, aber die Zahlen bzgl. der Vorfälle stützen die Bewertung einer verschlechterten Bedrohungslage nun einmal nicht. Die internen Zahlen stützen dies im Übrigen auch nicht, aber auf die kann ich mich hier ja nicht berufen.
Man kann davon ausgehen, dass alle Vorfälle der Bundeswehr bei denen es Verwundete oder Gefallene gab (mit Ausnahme sehr weniger Bereiche) die Medien erreichen. Nach dem 04.09. geschah im Raum Kunduz von Seiten der Aufständischen daran gemessen erstmal deutlich weniger als davor, und der Winter bricht hier erst viel später ein. Hier die recht zuverlässigen Zahlen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwischenf%C3%A4lle_der_Bundeswehr_in_Afghanistan#2009
Einen „derber Bedrohungsanstieg“ gab es faktisch nicht, auch wenn dies vielleicht die subjektive Erwartung bei vielen war, und die behauptete „Intifada“ ist auch nirgendwo belegt. Größere Demonstrationen gab es in Kunduz häufiger, und sie sind auch medial bei weniger kontroversen Anlässen gut dokumentiert. Wie kann erklären Sie es sich, dass sich trotz der damals besonders starken Medienaufmerksamkeit nichts dergleichen nach dem 04.09. berichtet wurde? Hätte man eine „Intifada“, also einen Massenaufstand, verbergen oder übersehen können?
Christoph Reuter war damals als einiger der wenigen deutschen Journalisten auch in den paschtunischen Räumen der Provinz unterwegs. Er ist ein erfahrener Journalist, was Krisengebiete angeht. Auch er beschreibt weder in seinen Artikeln noch in seinem Buch etwas in diese Richtung und bestätigt die z.B. im geleakten Feldjäger-Bericht dokumentierten Beobachtungen über die entweder vorwiegend positive Reaktion (bei Nichtpaschtunen) und die zunächst gespannte, zurückhaltende Passivität (bei Paschtunen).
Was immer der Kamerad in seinem Kommentar in diesen beiden Punkten beschrieben hat: Es hat so nicht stattgefunden, und er selbst erläutert diese Punkte ja leider auch nicht näher. Vielleich liest er hier ja mit und kann erklären, wie er das meinte?
@Der Zeitgeist
Die „dienstrechtliche Aufarbeitung“ ist offensichtlich erfolgt, denn sonst wäre der Herr General noch immer Oberst.
Die Justiz hat (nun abschließend) festgestellt, dass das deutsche Strafrecht nicht greift, sondern das Völkerstrafgesetzbuch, damit ist auch zivilrechtlich das Thema durch.
Das von Ihnen so bezeichnete „Fehlverhalten“ ist also die Verletzung von ROE….ist das Brechen von Regeln (nicht Gesetzen !!!) zulässig, um eine mittelbare Bedrohung effektiv auszuschalten, ein dienstliches Fehlverhalten ? Nö, ist es nicht – das ist eben Führen mit Auftrag.
@Koffer:
„Bei taktische Entscheidungen im Heer ist das nicht so einfach, wie Sie es gerade zu beschreiben versuchen. Mir ist bewusst, dass die Lw ein im Vergleich zum Heer „umgedrehtes“ Gehorsamsverständnis hat, aber das Heer tickt hier nun einmal anders.
Und das ist gut so!“
Aha.
Jetzt bin ich vielleicht etwas begriffsstutzig…… wie muss ich mir das vorstellen?
@Memoria
Ich bin ja bei Ihnen in Sachen mangelnde Fehlerkultur in der BW, allerdings ist der Kunduz-Vorgang imho das falsche Beispiel. Selbst die allerbeste Intensivausbildung in Sachen ROE kann und darf den taktischen Führer nicht davon abhalten, diese Regeln in einer sehr konkreten Lage ggflls zu brechen oder zu beugen – im Sinne von „mitdenkender Einzelkämpfer“. Wenn wir ROE als Korsettstange um die Entscheidungsfindung der taktischen Führer im Gefecht ziehen, dann können wir Führen mit Auftrag einstampfen und gehen wieder zurück zum Führen mit Befehl.
@Memoria | 20. Juni 2015 – 14:33
Sorry, für den von Ihnen genannten Zeitraum haben Sie absolut recht. Zumindest für Lu/Bo war’s dramatisch schlecht und zusätzlich gab’s noch handfeste Auffassungs-/Zuständigkeitsunterschiede zweier TSK. Bo/Bo, war stehts in guten Händen bei Art, OK.
Überraschenderweise ist zur Zusammenarbeit mit Deutscher Marine wenig bis nichts zu vernehmen. Verständlich, als ja seitens zumindest DEU Marine keine Bekämpfung von Landzielen mit Beobachtung von Land bisher jemals gefordert war.(Hat Marine überhaupt Mittel dazu?) Immerhin gibt zwar es die Naval Gunfire Support (NGS)-Ausb aber, bin mir ziemlich sicher, das einmalig reicht nicht.
@klabautermann:
Dass Pressefreiheit nicht grenzenlos ist, da sind wir uns doch völlig einig. Was ich versuche ist, zu erklären, wie grundlegend die Bedeutung von Pressefreiheit (und auch von Öffentlichkeit allgemein) für unsere Gesellschaft ist und dass sie schwer in der Waagschale liegt.
Zum GVG § 171b: Da geht es um den Schutz von Persönlichkeitsrechten. Das ist etwas anderes als das Intereresse der Exekutive an Geheimhaltung. Für letzteres ein schönes Beispiel wäre das Thema Geheimdienstaufsicht. Da organisiert man ganz viel im Geheimen und muss immer wieder feststellen, dass es ohne das Licht der Öffentlichkeit sehr schwer ist, einen Laden einen Ordnung zu halten.
Nichtöffentlichkeit (speziell bezüglich Handlungen der Exekutive) ist eine Hypothek, bei der man gut beraten ist, sie nur aufzunehmen, wenn man wirklich muss und nicht schon, wenn sie nützlich erscheint.
@klabautermann:
Da sind wir uns bzgl. ROE einig, trotzdem hätte man aus dem 4. September einiges lernen können – ja lernen müssen.
Denn der ganze Verlauf war alles andere als proferssionell. Dies wird jedoch durch Schutzreflexe im Apparat verdeckt.
Lernfähigkeit sieht anders aus.
Aber auch nur ein Mosaikstein im Niedergang einer Organisation, die dereinst von engagierten Soldaten und Ziviisten aufgebaut wurde und die heute von Beamten (mit und ohne Uniform) verwaltet wird – und dabei ihren Organsiationszweck schon lange nicht mehr erfüllen will und kann. Dafür aber viel Geld kostet und hochdotierte Posten bereithält.
@Ein Leser
Zustimmung, aber manchmal kommen eben „Schutz von Persönlichkeitsrechten“ und das „Intereresse der Exekutive an Geheimhaltung“ zusammen, nämlich dann wenn ein Angehöriger der Exekutive im Rahmen seiner hoheitlichen Tätigkeit juristisch und medial „unter Beschuss“ kommt. Ich habe einmal sehr nah erlebt, welche Folgen nicht nur dienstlich sondern auch privat/familiär eine unverhältnismäßige große press-coverage für einen Soldaten haben kann. Da hat man dann als Vorgesetzter aus Fürsorgegründen schon fast die Pflicht „Geheimhaltung“ zu betreiben.
@Memoria
Als lernende Organisation würde ich die BW auch nicht bezeichnen ;-)
@klabautermann | 20. Juni 2015 – 14:50
„Das von Ihnen so bezeichnete „Fehlverhalten“ ist also die Verletzung von ROE….ist das Brechen von Regeln (nicht Gesetzen !!!) zulässig, um eine mittelbare Bedrohung effektiv auszuschalten, ein dienstliches Fehlverhalten ? Nö, ist es nicht – das ist eben Führen mit Auftrag.“
Das hätte ich ja nie gedacht, dass ich das einmal im Bezug auf das Führen mit Auftrag und die Deutsche Marine sagen würde, aber:
+1
;)
Uneingeschränkte Zustimmung!
CRM-Moderator | 20. Juni 2015 – 14:52
„Bei taktische Entscheidungen im Heer ist das nicht so einfach, wie Sie es gerade zu beschreiben versuchen. Mir ist bewusst, dass die Lw ein im Vergleich zum Heer „umgedrehtes“ Gehorsamsverständnis hat, aber das Heer tickt hier nun einmal anders.
Und das ist gut so!“
„Jetzt bin ich vielleicht etwas begriffsstutzig…… wie muss ich mir das vorstellen?“
Steht in den unmittelbar folgenden Absätzen. Einfach lesen ;)
Oder den Punkt von @Klabautermann, der zielt in die gleiche Richtung (wenn auch nicht aus Sicht des Heeres ;) ).
@klabautermann | 20. Juni 2015 – 15:23
„Zustimmung, aber manchmal kommen eben „Schutz von Persönlichkeitsrechten“ und das „Intereresse der Exekutive an Geheimhaltung“ zusammen, nämlich dann wenn ein Angehöriger der Exekutive im Rahmen seiner hoheitlichen Tätigkeit juristisch und medial „unter Beschuss“ kommt.“
Das sehe ich grundsätzlich auch so, allerdings denke ich, dass von diesem Mittel sehr zurück haltend gebrauch gemacht werden muss, sondern ist der Vertuschung Tür und Tor geöffnet.
Der Zeitgeist | 20. Juni 2015 – 14:14
„Das BMVg hielt dagegen, nachrichtendienstliche Erkenntnisse zu geplanten Anschlägen hätten „nachvollziehbar“ einen verdichteten Bedrohungshintergrund geschaffen, durch den der Luftschlag „militärisch angemessen“ sei.“ (Deutscher Bundestag, Drucksache17/7400, S.147)
Dazu alle juristischen Entscheidungen bis hin zu der des Bundesverfassungsgerichts.
Was wollen Sie uns denn nun sagen? Stimmt, ich habe den „Gang Ihrer Argumentation nicht verstanden“, kann aber nachvollziehen, dass Sie „nicht ganz sicher(sind), wo genau jetzt eigentlich das Problem liegt.“
Das BMVg gelangte zu der Auffassung, der Luftschlag sei „militärisch angemessen“. Das ist das militärische Ergebnis jahrelanger Untersuchungen eines „Gefechts“ von wenigen Stunden. Ein „rechtsstoßfreier Führungsvorgang, der zudem militärisch erfolgreich war“.(Klabautermann)
Der Sachverhalt Luftangriff Kundus ist parlamentarisch untersucht, militärisch und juristisch bis in die höchste Instanz verhandelt und inzwischen„unumstritten“. Lediglich in den Medien wird zuweilen noch behauptet, der Luftangriff sei „umstritten“, was angesichts der juristischen Entscheidungen und militärischen Bewertungen nur noch mit „Kopfschütteln“ zur Kenntnis genommen werden kann.
@Koffer
Ich habe mich immer darum bemüht in meinem Kopf Operationsführung nicht mit Gefechtsführung zu verwechseln. Und das hat wohl geholfen ;-)
Und ROE sind operative Führungsmittel, die im Gefecht zu berücksichtigen, aber nicht kadavergehorsamartig einzuhalten sind.
@klabautermann | 20. Juni 2015 – 15:43
„Ich habe mich immer darum bemüht in meinem Kopf Operationsführung nicht mit Gefechtsführung zu verwechseln. Und das hat wohl geholfen ;-)
Und ROE sind operative Führungsmittel, die im Gefecht zu berücksichtigen, aber nicht kadavergehorsamartig einzuhalten sind.“
Man man man, da werde kleinlaut und sage nur noch eines:
+1
@Klaus-Peter Kaikowsky | 20. Juni 2015 – 13:52
Ihren Ausführungen zur Taktik und zur taktischen Führung kann man nur zustimmen. Aber ich gehe nicht davon aus, dass Sie bei der Gesamtbewertung eines Einsatzes auf der taktischen Ebene stehen bleiben wollen.
Auch die Erreichung eines operativen Erfolges unterliegt in Streitkräften eines Rechtsstaates rechtlichen Grenzen.
Ansonsten könnte man mit einer „rein taktischen Argumentation“ auch die Erschießung von Kombattanten rechtfertigen, die sich ergeben wollen oder Flächenbomardements ohne Rücksicht auf zivile Opfer. Beides würde eigene Ressourcen schonen und den operativen Erfolg fördern.
@Koffer | 20. Juni 2015 – 14:09
So einfach, wie Sie es darstellen scheint der Sachverhalt und die rechtliche Bewertung ja wohl nicht zu sein. Das zeigt schon die äusserst kontroverse Diskussion hier unter zumeist Kundigen in den letzten Stunden.
Der/die IBuK ist gerade kein militärischer Unterführer, sondern Teil des Verfassungsorgans Bundesregierung. Es geht auch nicht darum das der/die IBuk nicht in die Judikative eingreifen sollte. Das wäre ohnehin verfassungswidrig. Es geht darum, auch keinen „bösen Schein“ der Einflussnahme oder Parteilichkeit zu erwecken.
Die Vorwürfe gegen Oberst Klein umfassten unter anderen den der Begehung eines Kriegsverbrechens. Das ist etwas anders, als dass sich ein Unterführer „vor seine Männer stellt“, weil jemand durch einen Fahrfehler die Kette seines Panzers geschmissen oder einen wichtigen Ausrüstungsgegenstand verloren hat..
@Koffer:
Immer noch suche ich den Zusammenhang zum „umgedrehten Gehorsamsverständnis“ [welches?] der Lw.
Ich glaub´ jetzt hab ich sie [beide] verstanden.
Sie wollen sich mit der Krücke „Auftragstaktik“ ggf. über geltende ROEs hinwegsetzen?
Interessanter Ansatz.
@Patrick Horstmann | 20. Juni 2015 – 16:11
„Auch die Erreichung eines operativen Erfolges unterliegt in Streitkräften eines Rechtsstaates rechtlichen Grenzen.“
Ja, allerding sehr weiten. Das ist die Natur des Krieges. Deswegen ist Krieg ja auch furchtbar.
„Ansonsten könnte man mit einer „rein taktischen Argumentation“ auch die Erschießung von Kombattanten rechtfertigen, die sich ergeben wollen oder Flächenbomardements ohne Rücksicht auf zivile Opfer. Beides würde eigene Ressourcen schonen und den operativen Erfolg fördern.“
Nein, tut es nicht. Es stärkt den Willen des Gegners und schwächt die Moral und Disziplin der eigenen Truppen.
(Mal ganz abgesehen davon das es auch unmenschlich und ein Kriegsverbrechen wäre.)
„So einfach, wie Sie es darstellen scheint der Sachverhalt und die rechtliche Bewertung ja wohl nicht zu sein. Das zeigt schon die äusserst kontroverse Diskussion hier unter zumeist Kundigen in den letzten Stunden.“
Doch ist er. Die Diskussion dreht sich um die taktisch-operativ-polititsche Einordnung.
Aber die Fakten und der rechtliche Rahmen stand bereits 72h nach dem Vorfall fest und seit dem sind auch keine neuen Informationen dazu aufgetaucht.
„Der/die IBuK ist gerade kein militärischer Unterführer, sondern Teil des Verfassungsorgans Bundesregierung.“
Umso schlimmer, dass er sich illoyaler und untreuer verhält als es von den jüngsten Uff/Fw/Offz-Anwärter erwartet wird.
Da ist doch etwas faul in unseren Streitkräften, wenn sich die militärische Führung und die politische Leitung nicht so verhalten, wie wir es von ihr erwarten können und wie sie es auch durch die verfassungsrechtlich gebotene Fürsorge/Treuepflicht auch müsste.
Treue ist eine wechselseitige Verpflichtung und auch der IBuK und der GI sind dazu verfplichtet (in Kombination mit Fürsorge).
„Es geht auch nicht darum das der/die IBuk nicht in die Judikative eingreifen sollte. Das wäre ohnehin verfassungswidrig. Es geht darum, auch keinen „bösen Schein“ der Einflussnahme oder Parteilichkeit zu erwecken.“
Was für ein „böser Schein“? Wenn man weiß, dass ein tadelloser Offizier seine Pflicht erfüllt hat und dabei allerhöchsten eine „taktisch-operativ umstrittene“ Entscheidung getroffen hat (und das stand ja schon wenige Stunden nach dem Vorfall fest), warum sollte man das nicht sagen?
Ganz im Gegenteil: das ist der Teil den die politische-militärische Führung einlösen muss um ihre Seite der gegenseitigen Treue zu erfüllen.
„Die Vorwürfe gegen Oberst Klein umfassten unter anderen den der Begehung eines Kriegsverbrechens.“
Seit wann? Wo gab es hierfür ernsthafte Ansätze? Wer (außer Geldmachern und Linkspolitikern) hat das jemals glaubhaft behauptet?
„Das ist etwas anders, als dass sich ein Unterführer „vor seine Männer stellt“, weil jemand durch einen Fahrfehler die Kette seines Panzers geschmissen oder einen wichtigen Ausrüstungsgegenstand verloren hat..“
Ach, ist es das?
D.h. nur Landser haben ein Recht auf gegenseitige Treue und Offiziere nicht mehr?
Interessant…
@CRM-Moderator | 20. Juni 2015 – 16:22
„Immer noch suche ich den Zusammenhang zum „umgedrehten Gehorsamsverständnis“ [welches?] der Lw.“
Archetypen Lw vs. H:
Lw –> Innendienst locker, fast schon undiszipliniert, Vorschriften sind nur ein Anhalt, Einsatzbetrieb: verkniffen, Checklisten abarbeitend, keine Kreativität zulassen, kein Risiko eingehen
Heer –> Innendienst formal verbiestert Vorschriften bis auf das letzte Komma einhalten, enges Verständnis von Disziplin, Operation/Gefecht: Vorschriften sind nur ein Anhalt. die 3a schlägt alles (außer Völkerrecht)
„Sie wollen sich mit der Krücke „Auftragstaktik“ ggf. über geltende ROEs hinwegsetzen?“
1. keine Krücke, 2. „Führen mit Auftrag“, 3. überspitzt und unsauber formuliert, aber im Ergebnis: jepp
Hm. Wir drehen uns hier ziemlich im Kreis, u.a. weil die verschiedenen Ebenen munter vermischt werden…
@Koffer
Bedauerlich, dass der Generalbundesanwalt nicht auf Ihre juristische Expertise gehört hat und deutlich länger brauchte als 72 Stunden. Im Ernst: Diese Aussage ist nicht haltbar und genau diese Vermischung….
Wie schon viele, viele Kommentare eher geschrieben: Es scheint nur die Sichtweise Kriegsheld oder die Sichtweise Kriegsverbrecher akzeptiert zu werden. Dass es dazwischen viele Abstufungen gibt, scheint nicht akzeptabel?
@T.Wiegold | 20. Juni 2015 – 16:55
„Bedauerlich, dass der Generalbundesanwalt nicht auf Ihre juristische Expertise gehört hat und deutlich länger brauchte als 72 Stunden. Im Ernst: Diese Aussage ist nicht haltbar und genau diese Vermischung….“
Sorry, aber da stimme ich Ihnen nicht zu.
Der Generalbundesanwalt hat für die Aufarbeiten, Bewertung und das korrekte Verfahren so lange gebraucht.
Aber die wesentlichen Fakten standen bereits mit der Sofortmeldung des Kontingentführers ans EinsFüKdo fest und seit dem haben sich nur noch Details verändert.
Das zeitaufwendige ist das abwägen, das hinterfragen, das kontrollieren.
Dafür braucht es eine unabhängige Justiz, denn rein theoretisch hätte die Bw ja auch die Fakten fälschen können.
Aber nach über einem Jahr hat der Generalbundesanwalt im Prinzip nichts anderes getan als bestätigt, dass der Erst-Bericht des Kontingentfühlers zutreffen war (in Bezug auf die Fakten, die Zusammenstellung dieser Fakten hat ja kaum mehr als die von mir flapsig formulierten 72h gebraucht, da gab es lediglich eine Unklarheit – das war der Feldjägerbericht, aber das ist ja auch sehr schnell gerade gerückt worden) und das die Entscheidung richtig, oder zumindest zulässig war (und auch das ist ja nur eine Bestätigung, dass der Führer vor Ort im Rahmen seines eigenen Abwägungsprozesses – und der hatte weniger als 72h gedauert – „richtig“ – oder zumindest zulässig – gehandelt hat).
„Wie schon viele, viele Kommentare eher geschrieben: Es scheint nur die Sichtweise Kriegsheld oder die Sichtweise Kriegsverbrecher akzeptiert zu werden. Dass es dazwischen viele Abstufungen gibt, scheint nicht akzeptabel?“
Witzigerweise verwende ich das Beispiel immer im Rahmen der Führerausbildung um eine Dillemmatadiskussion bei den jungen Unterführern zu erzwingen. Und die Diskussion ist immer sehr erhellend :)
@Koffer 16:51
Danke für ihre Selbstkundgabe zu den Teilstreitkräften Lw/Heer.
Jetzt kann ich ihre Aussagen auch besser einordnen.
Abschliessende Frage von mir – wir sind ja nun bei der Auftragstaktik, die ggf. ROEs ausser Kraft setzt [auch ohne Zeitdruck und mit verfügbarem Beraterstab]:
Was war denn der Auftrag in Afg und spiegelte sich dieser Auftrag in den ROEs wider?
@Politikverdruss | 20. Juni 2015 – 15:42
„Das BMVg hielt dagegen, nachrichtendienstliche Erkenntnisse zu geplanten Anschlägen hätten „nachvollziehbar“ einen verdichteten Bedrohungshintergrund geschaffen, durch den der Luftschlag „militärisch angemessen“ sei.“ (Deutscher Bundestag, Drucksache17/7400, S.147)“
Ah, Sie machen Fortschritte. Jetzt haben Sie mal in den Abschlussbericht reingeschaut, gut!
Das Problem ist jetzt, dass Sie darin nicht nur die Statements vom BMVg lesen müssen, sondern vor allem den Bewertungsteil, der ja die eigentlichen Ergebnisse enthält. Weil sonst hätten Sie ja keinen Untersuchungsausschuss gebraucht, sondern hätten nur die Pressemitteilungen der Bundeswehr lesen müssen.
Das können Sie Sich so ähnlich vorstellen wie wenn Sie versuchen, Sich über ein Gerichtsverfahren zu informieren, und dann nicht das Urteil lesen, sondern nur das Plädoyer der Verteidigung. Da bekommen Sie dann auch nicht das Ergebnis, sondern nur das Statement von einer Seite.
So ähnlich funktioniert es bei so einem Untersuchungsausschuss. Da werden auch ganz viele Zeugen gehört, die alle was dazu sagen dürfen. Und wenn Sie dann nur die Statements einer Seite lesen, dann wissen Sie hinterher gar nicht, zu welchem Ergebnis der Untersuchungsausschuss gekommen ist.
Also: Immer vollständig lesen. Ganz wichtig.