Verfassungsgericht bestätigt: Kein Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein
Der umstrittene Luftangriff von Kundus am 4. September 2009 hat für den damaligen Kommandeur des Provincial Reconstruction Teams (PRT) Kundus, Georg Klein, keine strafrechtlichen Folgen. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte in einer am (heutigen) Freitag veröffentlichten Entscheidung, die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den damaligen Oberst sei rechtmäßig gewesen. Insbesondere die Entscheidung der Bundesanwaltschaft, den Luftangriff nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu beurteilen und nicht nach dem Strafgesetzbuch, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Mit einer Beschwerde beim Verfassungsgericht hatte der Vater zweier Kinder, die bei dem Luftangriff getötet worden waren, eine strafrechtliche Ermittlung gegen Klein erreichen wollen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte zuvor einen entsprechenden Antrag ebenfalls verworfen. Die Beschwerden richteten sich nicht nur gegen den damaligen Oberst, sondern auch gegen einen Hauptfeldwebel, der die US-Bomber geleitet hatte.
Neben den Bemühungen, Klein trotz der Einstellung der Ermittlungen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, gibt es auch Klagen auf Schadenersatz wegen des Luftschlages. Das Oberlandesgericht Köln hatte allerdings Ende April auch diese Klage zurückgewiesen.
Zur Dokumentation die heutige Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts im Wortlaut:
Einstellung der Ermittlungen gegen Oberst und Hauptfeldwebel der Bundeswehr nach Luftangriff in Kunduz verstößt nicht gegen das Grundgesetz
Pressemitteilung Nr. 045/2015 vom 19. Juni 2015
Beschluss vom 19. Mai 2015
2 BvR 987/11
Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen einen Oberst und einen Hauptfeldwebel der Bundeswehr nach einem Luftangriff in Kunduz (Afghanistan) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die effektive Untersuchung von Todesfällen werden durch den Einstellungsbescheid des Generalbundesanwalts und die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf gewahrt. Durch einen Luftangriff in Kunduz (Afghanistan) im September 2009 war es zu einer Vielzahl – auch ziviler – Todesopfer gekommen; der Beschwerdeführer ist der Vater zweier getöteter Kinder.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer ist Vater zweier Kinder, die durch einen Luftangriff in Kunduz (Afghanistan) in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 getötet wurden. Er erstattete Strafanzeige gegen einen Oberst und einen Hauptfeldwebel der Bundeswehr. Der Oberst hatte den Luftangriff als militärischer Leiter des Provinz-Wiederaufbauteams (PRT) in Kunduz veranlasst, der Hauptfeldwebel wirkte daran als Fliegerleitoffizier des PRT Kunduz mit. Zwei Tanklastwagen waren von bewaffneten Taliban entführt worden und steckten auf einer Sandbank im Fluss Kunduz fest. In der Annahme, dass die Tanklaster von den Taliban jederzeit zu „rollenden Bomben“ gegen ein in der Nähe befindliches Lager der Bundeswehr umfunktioniert werden könnten und es sich bei den Personen in der Nähe der Fahrzeuge um Angehörige oder jedenfalls Unterstützer der Taliban handelte, wurde der Luftangriff befohlen. Tatsächlich hatte er jedoch eine Vielzahl von Todesopfern, auch unter der Zivilbevölkerung, zur Folge.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 stellte der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts einer Strafbarkeit nach dem Völkerstrafgesetzbuch sowie anderer Delikte mangels zur Anklageerhebung hinreichenden Tatverdachts ein. Einen hiergegen erhobenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung verwarf das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 16. Februar 2011 als unzulässig.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Der Einstellungsbescheid des Generalbundesanwalts vom 13. Oktober 2010 und der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Februar 2011 sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Der Beschwerdeführer verlangt die strafrechtliche Verfolgung einer Handlung, die nach ihrem objektiven Tatbestand zu den Kriegsverbrechen im Sinne des Völkerstrafgesetzbuchs zählt und auch nach allgemeinem Strafrecht als Mord im Sinne des Strafgesetzbuchs einzuordnen ist. Zugleich steht der Vorwurf im Raum, ein Amtsträger habe bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben nicht nur Straftaten begangen, sondern auch den Tod eines Menschen verursacht. Insoweit hat auch der Beschwerdeführer als Vater – vermittelt über Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 und Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG – einen Anspruch auf effektive Strafverfolgung. Weil der Verzicht auf eine effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Integrität staatlichen Handelns führen kann, muss bereits der Anschein vermieden werden, dass sie nur unzureichend untersucht würden, dass gegen Amtswalter des Staates weniger effektiv ermittelt würde oder dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung gestellt würden.
2. Der Bescheid des Generalbundesanwalts vom 13. Oktober 2010 wird diesen Anforderungen gerecht. Er verkennt weder die grundrechtliche Bedeutung des Schutzes des Lebens und die daraus folgenden Schutzpflichten des Staates noch die sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergebenden Anforderungen an die effektive Untersuchung von Todesfällen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei dem Angriff auf die Tankwagen um einen Vorfall mit schwersten Folgen, insbesondere einer großen Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung mit Kindern und Jugendlichen handelte.
Der Bescheid stellt die durchgeführten Ermittlungen dar und leitet daraus ab, dass sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen hinreichenden Tatverdacht ergeben hätten. Die Einlassung der Beschuldigten, sie hätten in der Überzeugung gehandelt, bei den Personen in der unmittelbaren Nähe der Tanklastwagen habe es sich um bewaffnete Aufständische gehandelt, lasse sich nicht widerlegen. Daher sei der subjektive Tatbestand einer Straftat nicht gegeben. Diese Annahme ist nicht willkürlich und aus verfassungsrechtlicher Sicht daher nicht zu beanstanden. Daran hätte auch eine Einvernahme von Zeugen, die die fragliche Bombardierung beobachtet haben, nichts geändert, denn das Ereignis der Bombardierung selbst wie auch der Tod von zahlreichen unbeteiligten Zivilisten standen von Anfang an außer Frage.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Februar 2011 begegnet ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Da die durchgeführten Ermittlungen und deren Dokumentation durch den Generalbundesanwalt den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, kann eine nachfolgende gerichtliche Entscheidung, die dies überprüfen soll, nicht (mehr) zu einer Verletzung des Anspruchs auf effektive Strafverfolgung führen.
Auch Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz werden nicht verkannt. Wenn der Beschwerdeführer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung maßgeblich auch mit Inhalten aus den Ermittlungsakten begründet, ist er gehalten, zumindest den wesentlichen Inhalt der Beweismittel mitzuteilen, aus denen er auszugsweise vorträgt oder gar zitiert. Bei einer nur selektiven Wiedergabe von Teilen der Einlassung des Beschuldigten oder auch der Einvernahme von Zeugen kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer vorliegend nicht gerecht geworden.
(Wie bei diesem Thema erforderlich, bitte ich um Sachlichkeit in den Kommentaren.)
(Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert)
@CRM-Moderator | 20. Juni 2015 – 17:33
„Danke für ihre Selbstkundgabe zu den Teilstreitkräften Lw/Heer.“
Zugegebenermaßen überspitzt. Und sicherlich auch nicht auf jeden Lw/H-Sdt zutreffend. Sollte nur die grobe Zielrichtung meiner Erfahrungen mit den beiden TSK darstellen.
Und nur zur Klarstellung: warum die TSK so unterschiedlich sind habe ich in der Zwischenzeit auch verstanden. Und das ist auch gut so. Früher habe ich die Lw verurteilt, in der Zwischenzeit erkenne ich, dass das im System Lw in sich konsistent ist.
Hauptsache man versucht nicht, das auf uns im Heer umzumünzen, da funktioniert das nämlich nicht…
@Der Zeitgeist | 20. Juni 2015 – 17:37
[Polemik]
Gibt es Ihre Aussage auch in sachlich?
@Koffer | 20. Juni 2015 – 16:48
Ihr Kommentar macht mich wirklich sprachlos.
@Koffer | 20. Juni 2015 – 17:42
„Gibt es Ihre Aussage auch in sachlich?“
Ich habe hier bisher sehr sachlich diskutiert, aber wenn der User „Politikverdruss“ hier versucht, mit zusammengeklaubten Zitaten zu argumentieren, die gar keine Ergebnisse des Berichts wiedergeben, dann geht es auch unsachlich.
@Patrick Horstmann
Ihre Bekundung von Sprachlosigkeit ist m.E. der falsche Ansatz, wenn „Koffer“ vollkommen richtig Ihren „Kriegsverbrechen“-Behauptungen durch eine sachliche Gegenfrage begegnet. Der richtige Ansatz Ihrerseits wäre m.E. die Worte „Sorry, ich ging hier zu weit“, denn „Kriegsverbrechen“ (also z.B. die absichtliche Tötung Unbeteiligter) hat nun wirklich kein sachkundiger Kritiker Oberst Klein vorgeworfen.
P.S. Es sind ja gerade solche pauschalen und reflexhaften Vorwürfe („Kriegsverbrechen“) und die unschöne Tatsache dass Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft stets den implizierten Verbrechensvorwurf in sich tragen, die bei manchen Soldaten ebenso reflexhafte Überhöhungen von Oberst Kleins Handeln hervorrufen. Man setzt ihn gewiss nicht herab, wenn man ihn im Gegenzug nicht gleich zum „Kriegshelden“ erklärt.
Sache der Bundesregierung wäre es aber gewesen, den Wählern deutlich zu sagen, dass Situationen wie die, in denen Oberst Klein gehandelt hat, in solchen Einsätzen unvermeidlich sind und immer wieder vorkommen werden, und dass die letzte Verantwortung dafür der Bundestag bzw. die von ihm gewählte Bundesregierung tragen. Das wäre auch kein Eingriff in ein Verfahren, sondern einfach eine verantwortungsbewusste Tatsachenbekundung.
Die deutsche Beteiligung an ISAF wurde 2001 übrigens von den Parteien verantwortet, deren Umfeld heute besonders selbstgerechte Töne gegenüber Oberst Klein anschlägt.
Der Zeitgeist | 20. Juni 2015 – 17:37,
ich kann Ihre Unsachlichkeit mir gegenüber nicht nachvollziehen: („Ah, Sie machen Fortschritte. Jetzt haben Sie mal in den Abschlussbericht reingeschaut, gut! Also: Immer vollständig lesen. Ganz wichtig.“)
Der Untersuchungsbericht(17/7400) kommt doch in der Bewertung zu eindeutigen Ergebnissen:
„Die Ausschussmehrheit hat durch umsichtiges Verhalten erreichen können, dass die Versuche, den Einsatz der Bundeswehr insgesamt durch konspirative Theorien und wilde Spekulationen zu skandalisieren und zu diskreditieren, ins Leere gingen und Schaden von der Bundeswehr abgewendet wurde.“(Seite 175)
Ich bitte Sie, lieber „Zeitgeist“, nochmals darum zu verdeutlichen, worum es Ihnen eigentlich geht. Mir vorzuwerfen, ich hätte den Untersuchungsbericht nicht gelesen, können Sie doch nicht ernsthaft als Argument vorbringen. Was also wollen Sie? Wollen Sie hier den Sondervoten (17/7400 Seite 303-364) der Grünen und der Linken noch einmal Geltung verschaffen?
Von militär-politischer Bedeutung ist folgende Feststellung im Untersuchungsbericht:
„Oberst Klein habe nicht über adäquate nationale Wirkmittel verfügt. Er sei gezwungen gewesen, die ISAF-Flugzeuge vor Ort zu halten, um bei Lageverschärfung einen Waffeneinsatz befehlen zu können. Eine frühzeitige Einflussnahme oder eine Deeskalation durch mildere Mittel, z.B. Einsatz der Artillerie oder Kampfhubschrauber, sei ihm verwehrt gewesen. Er habe lediglich die Alternative zwischen Untätigkeit und Luftangriff gehabt. Der Mangel an Eskalationspotential habe nicht zu einer Entspannung der Lage, sondern zu einer sich ständig zuspitzenden Bedrohung des Kontingents und des Feldlagers geführt. Durch den Einsatz der Panzerhaubitze 2000 und des Schützenpanzers Marder ab Frühjahr 2010habe das Eskalationspotential des deutschen Einsatzkontingentes gesteigert und der operative Handlungsspielraum zurückgewonnen werden können.“
Daraus folgt, mein lieber „Zeitgeist“, der Deutsche Bundestag hat seine „Parlamentsarmee“ in Afghanistan im „Regen stehen“ lassen. Es geht um Verantwortung.
Wolfgang Borchert hat es in „Draußen vor der Tür“ so eindringlich niedergelegt, als er den Unteroffizier Beckmann seinem Vorgesetzten gegenüber sagen ließ: „Ich bringe Ihnen die Verantwortung zurück…“
Und dann stelle ich mir vor, Oberst Klein, als Angehöriger unserer „Parlamentsarmee“ wäre vor die auftragserteilenden Abgeordneten getreten und hätte ihnen zugerufen: „Ich bringe Ihnen die Verantwortung zurück!“ Oberst Klein hat dies nicht getan, er trug und trägt seine Verantwortung. Nur die Abgeordneten des deutschen Bundestages waren nicht bereit, ihre Verantwortung zu tragen.
@Politikverdruss, phantastisch, chapeau, so und nicht anders!
@ Politkverdruss
worum es Ihnen eigentlich geht.
Er kritisiert Ihr fehlerhaftes Zitieren des Untersuchungsbericht. Sie zitieren einzelne Passagen des BMVg um zu argumentieren, der Untersuchungsbericht sage aus, dass Oberst klein keine Fehler gemacht habe.
Dabei ist im Bericht das Gegeteil zu Lesen: Sowohl Teile des BMVg (Konteradmiral Krause vom Einsatzführungsstab), der Feldjägerbericht, der COMISAF-Beriucht stellen eindeutige Fehler fest.
Eigentlich ist es einfach nur peinlich, wenn seitens der BW Fehler nicht Fehler und Lügen nicht Lügen genannt werden. Ohne dieses Leugnen des Offensichtlien aus politischen und karieristischen Motiven würde der Kunduz-Luftschlag hier auf Augengeradeaus wohl auch nicht so verbissen argumentiert.
Von militär-politischer Bedeutung ist folgende Feststellung im Untersuchungsbericht:
Das ist keine Feststellung im Untersuchungsbericht, sondern eine Erklärung des Abgeordneten Ernst-Reinhard Beck (CDU/CSU). Womit wir wieder beim fehlerhaften Zitieren aus dem Bericht wären.
Ganz nebenbei ist die Behauptung, Panzerhaubitze und Marder hätten die „Wende“ gebracht, arg gewagt. Persönlich empfinde ich es als Beleidigung gegenüber unseren amerikanischen Verbündeten, welche ab 2010 2500 zusätzliche Soldaten in den Norden verlegt haben.
Und noch kurz zum Thema Verwantwortlichkeit, Treue, Parlamentsarmee: Wann hat Oberst Klein oder ein anderer PRT-Kommandeur direkt das Parlament über die sich verschlechternde Sicherheitslage, oder unzureichende Mittel, informiert?
Tut mir leid, aber bis zum Kundus-Luftschlag war da alles grün, die Mittel angemessen, der Auftrag wurde erfüllt etc.
Nach dem Lesen von 105 ( ! ) Kommentaren zu diesem Beitrag (war eine Woche im Urlaub), stelle ich für mich fest:
Was Vietnam für die Amerikaner vor über 40 Jahre war, was Wackersdorf für die bayrische Polizei vor gut 30 Jahren war, ist der Luftangriff vom 04.09.2009 in Kunduz für die Bundeswehr und die sie beauftragende Exekutive, Legislative und die gesamte deutsche Gesellschaft
Ein Zäsur darüber, dass es nicht ein „bisschen Krieg“ gibt, sondern entweder man schickt die Bundeswehr in einen Kriegseinsatz oder man lässt zu hause in der Kaserne. Wenn man sie allerdings in einen Kriegseinsatz schickt, dann haben die Soldaten alle Ansprüche der Welt auf moralische, körperliche und rechtliche Unterstützung von Politik und Gesellschaft (siehe ich wie @ Koffer , Treues Dienen § 7 SG versus §§ 10(3) und 31 SG).
Diese fehlende Unterstützung der deutschen Soldaten bei einem Kriegseinsatz durch die Exekutive wurde durch das Vorenthalten geeigneter Waffen (siehe Politikverdruss 20:58) im Untersuchungsbericht sehr gut dargestellt.
Einen Gegner beeindruckt man durch entschlossenes, kraftvolles Auftreten, nicht durch ein zögerliches Handeln. Dies wurde von dem Kommentar von @ Abu Nasr al-Almani 13:07 Uhr deutlich geschildert.
Für die Analysten von historischen Schlachten sei an den Kommentar von @ Koffer 14:09 Uhr erinnert:
„Ich möchte das nochmals betonen! Eine Armee macht Fehler, das ist die Natur des Krieges. Diese müssen minimiert werden. Trotzdem werden sie auftreten.
Wenn man nicht zu jemandem steht, selbst WENN er einen Fehler gemacht hat (Kriegsverbrechen natürlich ausgenommen), dann versteht man nicht wie Soldaten funktionieren.“
Die Bundeswehr hat genügend Gegner im parlamentarischen Bereich. Einige fordern sogar deren Abschaffung, bzw. die bündnispolitische Neutralität. Andere stimmten einem Einsatz wie im Kosovo nur zu, damit das rot-grüne Projekt nicht vorzeitig scheiterte, damit solche Gesetze wie die „Homo-Ehe“ noch geschaffen werden konnten.
Damit will ich keineswegs etwas gegen die gleichgeschlechtliche Partnerschaften sagen, ich will nur darauf hinweisen, dass wesensfremde Gründe zum Einsatz der Bw führten.
Also den Verlust der deutschen Unschuld bei einem Kriegseinsatz der Bundeswehr wird auch kein Verfassungsgerichtsurteil wieder aufheben !
Die deutsche Gesellschaft muss lernen, dass eine Armee im Einsatz etwas anderes ist, als eine Armee in der Kaserne !
@J.R. | 20. Juni 2015 – 21:55
„Und noch kurz zum Thema Verwantwortlichkeit, Treue, Parlamentsarmee: Wann hat Oberst Klein oder ein anderer PRT-Kommandeur direkt das Parlament über die sich verschlechternde Sicherheitslage, oder unzureichende Mittel, informiert?“
Ein PRT Kdr hat kein direktes Vortragsrecht im DEU BT! Also ist die Aussage etwas polemisch.
Unabhängig davon weiss ich, weil ich auch persönlicher Erfahrung, dass auch vor 2009 wiederholt Erweiterung operativen Möglichkeiten gefordert wurde. Auch mehrfach und offensiv.
Natürlich im Regelfall a.d.D. – wie sich das gehört – aber eben auch bei diversen Feldbesuchen.
Zu behaupten, dass die PRT Kdr Ihrer Pflicht nicht nachgekommen sind ist nahezu unverschämt!
Gerne gebe ich zu, dass auf dem Weg nach oben gefiltert wurde. Ich kann nicht sagen auf welcher Ebene dann die Forderungen schlussendlich geblockt worden sind.
Häufig hörte man ja z.B. in 2008, dass es der BefH EinsFüKdo gewesen sein soll.
Später hörte man diesbezüglich nicht viel gutes über den StAL/ Ltr EinsFüSt.
Aber so oder so: die PRT Kdr haben gemeldet und gefordert!
@Georg | 20. Juni 2015 – 22:19
„Die deutsche Gesellschaft muss lernen, dass eine Armee im Einsatz etwas anderes ist, als eine Armee in der Kaserne !“
+1
Seit nunmehr sechs Jahren gibt es kein Argument mehr, dass nicht von allen Involvierten oder auch nicht Involvierten beackert wurde, auch hier im blog.
Vorgestern wurde nun höchstrichterlich zugunsten von BrigGen Klein entschieden.
Warum also weiter im alten Deklamationsrhythmus?
Einen hab ich aber eben auch deklamatorisch noch, wenn auch keinen Beitrag zur nicht erforderlichen juristischen Aufarbeitung, die ist nämlich beendet.
@J.R. „Wann hat Oberst Klein oder ein anderer PRT-Kommandeur direkt das Parlament über die sich verschlechternde Sicherheitslage, oder unzureichende Mittel, informiert?“
Hätte er das gemacht, müsste aus dem O K. sofort ein Oberstlt K.geworden sein, wegen Ungehorsams. Der Kdr PRT, wie jeder andere, meldet a.d.D. Die Unterrichtung erfolgt dann via EinsFüKdo etc, etc. Und sonst nichts!
J.R. | 20. Juni 2015 – 21:55
„Tut mir leid, aber bis zum Kundus-Luftschlag war da alles grün, die Mittel angemessen, der Auftrag wurde erfüllt etc.“
Ja, so muss es gewesen sein!
@ Koffer
Ein PRT Kdr hat kein direktes Vortragsrecht im DEU BT! Also ist die Aussage etwas polemisch.
Nein. Abgeordnete kann man anschreiben, genauso wie Journalisten. Oder einfach eine öffentliche Stellungnahme veröffentlichen. Vermutlich hätte es gereicht, in einem Interview einfach mal Tacheles zu reden.
Dies wurde unterlassen. Wie man das bewertet ist natürlich Ansichtssache. Letztlich spielt halt auch eine Rolle, wem man sich verpflichtet fühlt. Wenn wirklich Volk und Parlament als die verwantwortlichen Entscheider betrachtet werden, dann würde sich aus dem Schönfiltern durch Vorgesetzte in Fragen von Leben und Tod erst recht Handlungsbedarf ergeben.
Und bevor jetzt die Ungehorsam-Keule ausgepackt wird: Andere PRT-Kommandeure sind an die Öffentlichkeit gegangen. Allerdings auch erst nach dem Luftschlag. Disziplinarisch belangt wurde von denen meines Wissens niemand.
@ J.R.
Alle Politiker die es hören wollten, haben bei ihren Besuchen in Kunduz sicherlich diverse Hinweise auf Waffenwünsche bekommen.
In der offiziellen Bewertung der Wünsche vor Ort war dann spätestens beim GI, General Schneiderhan Schluss. Der Einsatz durfte aus innenpolitischen Gründen nicht in die Nähe eines Kriegseinsatzes gestellt werden. Damit hat nach dem 04.09. erst KTzG, der nachfolgende Verteidigungsminister, gebrochen.
Soldaten haben militärische Vorgesetzte und diese Vorgesetzte haben sich für die berechtigten Anliegen der unterstellten Soldaten einzusetzen.
Dass im Zuge der Aufarbeitung der deutschen Fehleinschätzung über den Charakter des Einsatzes in AFG auch die nachfolgenden Kommandeure interviewt wurden, ist nicht der individuellen Leistung der nachfolgenden Kommandeure anzulasten, sondern der gesteigerten medialen Aufmerksamkeit nach dem Luftschlag.
Im Übrigen betrachte ich den von Ihnen verlinkten Artikel der Zeit „Das Kunduz-Syndrom“ als Meilenstein im Journalismus über den AFG-Einsatz der deutschen Soldaten und der Absurdität bzw. der inneren Widersprüche des Auftrages (Zusammenarbeit mit den lokalen Warlords um einen Staatenaufbau abzusichern).
@J.R. | 20. Juni 2015 – 22:59
„Nein. Abgeordnete kann man anschreiben, genauso wie Journalisten. Oder einfach eine öffentliche Stellungnahme veröffentlichen.“
?! Wir sind doch keine Politiker!
Die relevanten Argumente wurde auf den vorgeschriebenen Wegen vorgebracht und engagiert vertreten. Persönlich kann ich das bis zur B7 Ebene bestätigen.
Also was sollen die Anwürfe gegen die PRT Kommandeure?
„Vermutlich hätte es gereicht, in einem Interview einfach mal Tacheles zu reden.“
Weil ja auch PRT Kommandeure täglich Interviews geben. Und vor allem solche, in dem sie grundsätzliche Fragen der Operationsführung thematisieren…
@ Koffer
Die Interviews gab es. Ob ein „Wir können nicht ausschließen, dass sich die Lage weiter verschlechtert“ (Oberst Klein im Juni 2009) der tatsächlichen Situation gerecht wird mag jeder für sich entscheiden.
@Politikverdruss | 20. Juni 2015 – 20:58
„Ich bitte Sie, lieber „Zeitgeist“, nochmals darum zu verdeutlichen, worum es Ihnen eigentlich geht. Mir vorzuwerfen, ich hätte den Untersuchungsbericht nicht gelesen, können Sie doch nicht ernsthaft als Argument vorbringen.“
Wie es J.R. freundlicherweise schon erklärte: Sie zitieren einzelne Stellungnahmen, die vor dem Ausschuss gegeben wurden, und stricken dann daraus Ihre These, dass der Untersuchungsausschuss insgesamt kein Fehlverhalten feststellen konnte.
Mein unsachlicher Beitrag kam teilweise daher, dass ich mir nicht sicher war, ob Sie das mit Absicht tun, hier also nur trollen, oder ob Sie es wirklich nicht verstehen. Wenn es tatsächlich eine Verständnisfrage ist, dann müssten Sie Sich vielleicht einfach etwas ausführlicher informieren, wie ein solcher Untersuchungsausschuss arbeitet.
@J.R. | 20. Juni 2015 – 23:26
„Die Interviews gab es. Ob ein „Wir können nicht ausschließen, dass sich die Lage weiter verschlechtert“ (Oberst Klein im Juni 2009) der tatsächlichen Situation gerecht wird mag jeder für sich entscheiden.“
Natürlich gibt es auch hin und wieder Interviews. Erst reicht seit 2009. Aber darum geht es doch gar nicht.
Ihr reichlich seltsame Unterstellung die PRT Kdr hätte nicht wahrheitsgemäße Meldungen abgegeben und keine Forderungen gestellt!
Das ist doch absurd. Es ist vor allem nicht war.
Die Forderungen sind gestellt worden. Regelmäßig, beharrlich, engagiert!
Sie sind nur von der militärischen Führung und der politischen Leitung abgelehnt worden. Aber das ist nicht Schuld der Ebene A16 und das Gegenteil zu behaupten ist reichlich dreist.
@Abu Nasr al-Almani | 20. Juni 2015 – 20:34
Nochmals: Ich empfehle, sich den Beschluss des BVerfG vom 15.05.2015 – oben von Herrn Wiegold verlinkt – in seiner Gesamtheit anzuschauen.
Dort wird das Ermittlungsergebnis der Generalstaatsanwaltschaft unter Randziffer 7 wie folgt referiert:
„Soweit danach eine Strafbarkeit nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB in Betracht komme, weil dafür die Durchführung eines Angriffs mit militärischen Mitteln ausreiche, sei der objektive Straftatbestand zwar erfüllt. Der subjektive Tatbestand, ein direkter Vorsatz (dolus directus 2. Grades) in Bezug auf die Verletzung oder Tötung von Zivilpersonen oder die Verursachung der Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaße, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht, sei jedoch nicht gegeben. Die Einlassung des Beschuldigten, er habe aufgrund der ihm vorliegenden Informationen mit Sicherheit angenommen, dass nur Aufständische bei den zu bombardierenden Tanklastern vor Ort und eine Schädigung von Zivilpersonen ausgeschlossen gewesen sei, sei nicht zu widerlegen …“.
§ 11 VStGB beschreibt Tatbestände von „Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung“. Die Generalstaatsanwaltschaft ist – um es einmal weniger juristisch und verkürzt auszudrücken – davon ausgegangen, dass Oberst Klein zwar objektiv verbotene Methoden angewandt hat, seine Aussage, dass er es nicht gewusst und gewollt hat, aber nicht widerlegt werden kann. Für eine Strafbarkeit bedarf es rechtlich aber beider Komponenten: der Erfüllung des objektiven Straftatbestandes UND das Wissen und Wollen des Täters dieses zu tun (subjektiver Straftatbestand).
Das Ergebnis der Generalstaatsanwaltschaft halte ich persönlich im Ergebnis für richtig. Tatsache ist aber, dass die Generalstaatsanwaltschaft wegen der Begehung eines Kriegsverbrechens gegen Oberst Klein ERMITTELT hat. (Übrigens, ich halte die Generalstaatsanwaltschaft für ausreichend sachkundig solche Vorwürfe zu prüfen.)
In einer Situation, in der die Generalstaatsanwaltschaft die Begehung eines Kriegsverbrechens durch einen Kommandeur der Bundeswehr PRÜFT, hielte ich es für verfehlt, wenn sich der IBuK als Teil eines Verfassungsorgans „vor seine Männer stellt“. Nur darum ging es in der Diskussion mit @Koffer.
Meine Sprachlosigkeit gegenüber des Kommentars von @Koffer bezieht sich im übrigen auf seine Gesamtargumentation, die nicht nur in dem fraglichen Kommentar, sondern im gesamten Thread zum Ausdruck kommt.
@Patrick Horstmann:
„Für eine Strafbarkeit bedarf es rechtlich aber beider Komponenten: der Erfüllung des objektiven Straftatbestandes UND das Wissen und Wollen des Täters dieses zu tun (subjektiver Straftatbestand).“
Und das ist genau der Punkt. Danke. Sauber herausgearbeitet. Wir erinnern uns an die Aussage des JTAC, der bezweifelte ob er und O Klein auf der selben Geschäftsgrundlage arbeiteten [ROE].
@J.R.:
„Ganz nebenbei ist die Behauptung, Panzerhaubitze und Marder hätten die „Wende“ gebracht, arg gewagt. Persönlich empfinde ich es als Beleidigung gegenüber unseren amerikanischen Verbündeten, welche ab 2010 2500 zusätzliche Soldaten in den Norden verlegt haben. “
Gut das sie das nochmal aufgreifen. Die Legende vom Befreiungs- und Befriedungsschlag durch O Klein ist nämlich das, was es ist: Eine Legende. U.A. die TF 373 hat nämlich genau in diesem Sommer mit den Aufräumarbeiten im RC North begonnen. Man hat die Hilferufe erhört.
Das amerikanische Spezialkräfte von den Hausherren in Kunduz nicht sehr freundlich empfangen worden sein sollen ^^, passt da nur ins Bild…..
http://www.spiegel.de/politik/ausland/task-force-373-die-dreckigste-seite-des-krieges-a-708507.html
@Koffer:
Ich bin immer noch perplex, wie sie Auftragstaktik / Befehlstaktik vs ROE ausspielen wollen. Das Recht zur Selbstverteidigung besteht in beiden Fällen. Bei konstruierten Selbstverteidigungsszenarien sieht die Sache dann anders aus. Sowohl bei der Auftragstaktik als auch der Befehlstaktik.
@all:
Was war den eigentlich der Auftrag? Mal in Ruhe durchlesen.
https://de.wikipedia.org/wiki/International_Security_Assistance_Force#Auftrag
Guten Morgen an die Runde,
@ CRM-Moderator
Obwohl Sie (auch aufgrund der Zeitverschiebung in ihrem Kommentar) wahrscheinlich vor Ort sind und damit vieles aus erster Nähe mitbekommen haben, kann ich Ihrer Aussage von 04:59 Uhr nicht zustimmen.
2009 ging es um die Frage, befindet sich Deutschland in AFG im Krieg, bzw. hat sich der ISAF-Einsatz nach Kapitel VII der UN-Charta zu einem Kriegseinsatz entwickelt oder nicht. Zu diesem Zeitpunkt hat sich die Regierung und die höheren militärischen Vorgesetzten die objektiven Fakten vor Ort geweigert anzuerkennen.
Für die Amerikaner war dies immer klar, dass der AFG-Einsatz ein Kriegseinsatz war, die Aufteilung in OEF und ISAF war mit dem gemeinsamen Oberbefehl nur noch pro forma (also u.a. für die Deutschen, damit die ihrer Bevölkerung verkauften konnten, ihre Armee befindet sich in einem Hilfseinsatz für das afg. Volk)
Ja, ROE wurden missachtet, ja Deutschland hat getötet, aber bitte nicht mit zweierlei Maß messen. Die Amerikaner haben vom ersten Tag an in AFG getötet und dabei sehr viele unschuldige Hochzeitsgesellschaften bombardiert. Wenn ausgerechnet die Amerikaner, in Form des damaligen ISAF Kommandeurs General McChrsytal, die Deutschen heftig angriff und dabei noch unfaire Methoden anwendet (Journalist der Washington Post bei der offiziellen Befragung von Oberst Klein anwesend), dann ist dies kein Beleg für unsere Schuld und deren Unschuld.
Und leider, ging es schon lang nicht mehr um den Auftrag in AFG, der war in der Petersberg Konferenz von 2001 schon falsch angelegt worden, weil man von einer falsche Realitätseinschätzung in AFG ausging (Feudalgesellschaft versus zentralregierten Staat, islamischer Staat versus Demokratisierungsversuche, Mädchenschulen, Frauenrechte usw.).
Ein Ausdruck der Hilflosigkeit der Situation vor Ort, zeigt der oben verlinkte Artikel der Zeit „Das Kunduz-Syndrom“ ja auf. Man war mit der Zusammenarbeit der lokalen War-Lords angewiesen, weil eine Zentralregierung keine effektive Staatsverwaltung aufbauen konnte.
Nachdem Sie zur Zeit wahrscheinlich vor Ort sind, sehen Sie ja wie die Situation von Tag zu Tag in Norden instabiler und fragiler wird und dies ist nicht die Schuld von zu viel Kampf, zu viel militärischer Macht, sondern eher von zu wenig Kampf, wie das Aufräumen der Amerikaner mit der TF 373 im Anschluss an die Bombardierung bewieß, aber das will die deutsche Öffentlichkeit und Politik ja nicht hören !
@Georg:
Ich will/wollte keine Schuld/Unschuld-Vergleiche zwischen den Nationen ziehen.
Und ja, Gen McChrystal hatte damals gerade einen Strategiewechsel befohlen.
„The changes are aimed at fulfilling McChrystal’s view that the primary mission of the international forces is not to conduct raids against Taliban strongholds but to protect civilians and help the Afghan government assume responsibility for maintaining security. „The focus has to be on the people,“ he said in a recent interview.“
hDDp://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2009/07/30/AR2009073003948.html
hDDp://www.theguardian.com/world/2009/aug/31/general-mcchrystal-afghanistan-bull
@ CRM-Moderator
Zitat:
„… that the primary mission of the international forces is not to conduct raids against Taliban strongholds…“
Wie passt diese Aussage mit dem Einsatz der Taskforce 373 nach der Bombardierung im September 2009 mit dem Auftrag der gezielten Tötung von Taliban-Anfüheren und Unterstützern zusammen ?
LG Georg
@CRM-Moderator
Die Äußerungen McChrystals gegenüber den Medien waren bereits Teil seiner Strategie, die auch den Rückhalt in den heimischen Zielgruppen berücksichtigte. „To protect civilians“ war in diesem Zusammenhang eher rhetorisch zu verstehen. Es ging um die Kontrolle der Bevölkerung in Räumen mit Präsenz von Aufständischen durch stärkere Präsenz von Infanterie in der Fläche nach dem Vorbild der Erfahrungen im Irak. Man wollte nach dem Muster der „Anbar Awakening“ u.a. die Unterstützung lokaler Führer gewonnen werden, die oft eher aus pragmatischen denn aus ideologischen Gründen mit den Aufständischen kooperierten, und von denen man meinte, dass sie ISAF und GIRoA unterstützen würden, wenn man ihnen Sicherheit garantieren würde. Zudem hatte sich gezeigt, dass sich aus Präsenz in der Bevölkerung Erkenntnisse über Netzwerke der Aufständischen ergeben, die man dann in präziseren Aktionen der Spezialkräfte umsetzen konnte. Auch McChrystal sagte ja nicht, dass so etwas nicht mehr stattfinden sollte, sondern dass es nur ein Bestandteil von vielen des Vorgehens sei.
Der deutschen Seite warf man weniger den Luftangriff vor als die mangelnde Umsetzung und Beteiligung am damals praktizierten Ansatz, dessen Risiken in der hohen Exponierung der eigenen Kräfte und daraus resultierenden Verlusten in einer Größenordnung liegen, die die deutsche Öffentlichkeit wohl nicht verkraftet hätte, was alle Bundesregierungen richtig erkannt hatten.
Daher übernahmen die Amerikaner diese Aufgabe im Norden 2010 in einer der für die deutsche Sicherheitspolitik bislang peinlichsten und bloßstellendsten Aktionen, die bislang öffentlich aber kaum thematisiert wurde.
Da auch die Amerikaner nicht genügend Kräfte über ausreichende Zeiträume auffahren konnten und die afghanische Seite sich weitgehens resistant für Ausbildung und „Nation Building“ zeigte, scheiterte der amerikanische Ansatz jedoch.
Sie nehmen mit Kommandounternehmen gezielt die Führungsköpfe raus.
Sie marschieren aber nicht mit grösseren Truppenverbänden und schweren Waffen auf – Stichwort: Collateral Damage.
Kommt das ungefähr hin?
@Politikverdruss:
Es scheint die grosse Legende des AFG-Krieges zu werden:
Der Bundestag hat uns im Stich gelassen.
Bei genauerer Sicht auf die Dinge merkt man, dass bei ROE (s.o.) Und Ausrüstung der Bubdestag nicht der Bremser war.
Im Stich gelassen wurde die Truppe vielmehr von vielen Zwischenebenen.
Bereits beginnend im Kontingent und bis hoch zum GI. Der beispielsweise noch im Sommer 2009 den Einsatz der PzH ablehnte.
Bereits damals gab es mehrfach Forderungen aus dem Parlament u.a. zur Verbesserung der Steilfeuerkomponente. Abgebügelt, wie sovieles, durclh militärische Berater im BMVg.
Wer hat da wen im Stich gelassen?
Es wäre eine Freude, wenn man hier nach Jahren nicht mehr die alten Märchen von den aufrichtigen Soldaten und den inkompetenten Abgeordneten, die die Soldaten im Stich lassen wiederhole würde.
@Koffer:
Auch auf der Ebene der PRT Kdr war das drängen nach anderen ROE und Ausrüstung nicht immer vorhanden.
Plakatives Beispiel: der LVU vor der Kanzlerin im April 2009 (siehe ZEIT-Artikel). Sowie einige andere Beispiele, die ich vor Augen habe.
Man hat es gemeinsam verbockt – und keiner will daraus etwas lernen.
@ Memoria
Ja, man hat es gemeinsam verbockt, die höheren Offiziere im vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Politik
@ Abu Nasr al-Almani
Ja die Aktion ist peinlich, man hätte der deutschen Bevölkerung eben den ISAF -Einsatz verkaufen müssen als das, was er tatsächlich war, ein Nato-Bündnisfall und nicht ein humanitäres Projekt.
@ CRM-Moderator
Zitat: „Sie nehmen mit Kommandounternehmen gezielt die Führungsköpfe raus.
Sie marschieren aber nicht mit grösseren Truppenverbänden und schweren Waffen auf – Stichwort: Collateral Damage.
Kommt das ungefähr hin?“
Und dafür ist das amerikanische OEF und ISAF-Kontingent von 13000 auf über 40000 Soldaten erhöht worden, klingt für mich eher unglaubwürdig und nach einer Doppelstrategie, zu haus für die Medienfront , in AFG mit dem Einsatz von massiver Power.
@ Abu Nasr al-Almani | 21. Juni 2015 – 9:35
„Daher übernahmen die Amerikaner diese Aufgabe im Norden 2010 in einer der für die deutsche Sicherheitspolitik bislang peinlichsten und bloßstellendsten Aktionen, die bislang öffentlich aber kaum thematisiert wurde.“
+1!!!!!!!!!!
@Georg: Manpower.
Der Zeitgeist | 20. Juni 2015 – 23:27,
ich nehme zur Kenntnis, dass Sie ihren Beitrag als unsachlich einstufen. Nun fordern Sie mich auf, ich müsste mich „etwas ausführlicher informieren, wie ein solcher Untersuchungsausschuss arbeitet.“
Woher wissen Sie wie informiert ich bin? Ich bitte sie nochmals, diese persönlichen Angriffe zu unterlassen.
Erneut sprechen Sie von „Fehlverhalten“ (Oberst Klein). Worauf stützen Sie ihre Aussage? Die Mehrheit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses hat kein Fehlverhalten festgestellt. Und die vielen unterschiedlich motivierten Einzelstimmen und Sondervoten sind doch kein Maßstab, den Luftschlag von Kundus einzuordnen.
Ich komme nochmals auf mein STERN-Zitat zurück. Der STERN hat es richtig eingeordnet. Statt sich ihrer staatspolitischen Verantwortung gegenüber den vom Parlament entsandten Soldaten bewusst zu werden, haben viele Abgeordnete des Deutschen Bundestages auf dem Rücken der Soldaten einen parteipolitischen „Kleinkrieg“ angezettelt und ausgetragen. Ein unglaubliches Versagen!
Als ehemaliger Soldat, der 40 Jahre den grauen Rock getragen hat, werde ich das „meinen Abgeordneten“ nie vergessen.
Memoria | 21. Juni 2015 – 9:53,
Ich weiß nicht genau, wer als „Hauptbremser“ aufgetreten ist. Dass Herr Schneiderhan aber dazugehörte, da stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu. Und auch, dass Vorgesetzte der Zwischenebenen sich lieber im „vorauseilenden Gehorsam“ hinter dem Primat der Politik versteckten als sich in die „Feuerfront“ zu stellen und die „Lebenslüge deutscher Afghanistan-Politik“ zu durchbrechen.
Eine schöne Aufgabe für das Militärgeschichtliche Forschungsamt( ich weiß, die sind auch schon wieder umbenannt). Aber vermutlich müssen wieder ausländische Historiker die „Kastanien aus dem Feuer“ holen.
Kurzum, lieber Memoria, in dieser Frage passt kein Blatt zwischen uns.
@Politikverdruss:
Danke für die Antwort. Das freut mich.
Es ist eben genau dieser vorauseilende Gehorsam auf vielen Ebenen, der vorallem auch Bundeswehrverdruss erzeugt.
Ein Beispiel: Noch im Jahr 2007 waren Generale im BMVg davon überzeugt, dass „die Politik“ den Einsatz von Mörsern in AFG nie erlauben würde. Ein halbes Jahr später war dies mit Aufstellung der QRF politisch (!) kein Thema. Nur leider war das Heer nicht in der Lage den politischen Willen aus dem Stand heraus umzusetzen (absurder Aufwand für einen Mörserzug, Erfolg vorallem durch Initiative des Zugführers).
Diese „politisch nicht gewollt“-Denke wird aber in Dresden und Hamburg weiterhin eingeimpft.
Eine auch nur ansatzweise Selbstreflexion gibt es nicht (siehe Kasdorf-Interview im DLF von heute).
Daher ist Politikverdruss durchaus nachvollziehbar, aber man sollte nicht vergessen, dass Militärverdruss mindestens ebenso angebracht ist.
Aber da sind wir uns ja dankenswerterweise einig.
@Patrick Horstmann | 21. Juni 2015 – 0:29
1. Es waren Ermittlungsverfahren. Dieses war obligatorisch in der Einleitung. Daraus abzuleiten, der GBA hätte tatsächlich angenommen O Klein wäre ein Kriegsverbrecher ist mehr als nur gewagt.
2. Wenn Sie übrigens den Beschluss des BVerfG im Original zitieren, dann wäre ja vielleicht auch noch folgendes ganz interessant gewesen: Der Text des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB (ja ich weiss Gesetzestexte belasten nur in der Diskussion) sagt
„mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen […] in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht,“
Das spannende daran ist (und das hatten Sie vermutlich vergessen zu erwähnen), dass O Klein sogar zivile Tote hätte in Kauf nehmen dürfen (oder noch präzisier „als SICHER erwarten“ können), sofern das militärische Ziel im Verhältnis zu den „Nebenfolgen“ gestanden hätte.
Und in Kenntnis dessen behaupten Sie immer noch, dass weder BefH EinsFüKdo, noch GI, noch IBuK noch BK eine moralische und dienstliche Verpflichtung hatten sich vor einen ihrer Offiziere zu stellen?
Interessant…
@CRM-Moderator und @J.R.
„„Ganz nebenbei ist die Behauptung, Panzerhaubitze und Marder hätten die „Wende“ gebracht, arg gewagt. Persönlich empfinde ich es als Beleidigung gegenüber unseren amerikanischen Verbündeten, welche ab 2010 2500 zusätzliche Soldaten in den Norden verlegt haben. “
…Gut das sie das nochmal aufgreifen. Die Legende vom Befreiungs- und Befriedungsschlag durch O Klein ist nämlich das, was es ist: Eine Legende. U.A. die TF 373 hat nämlich genau in diesem Sommer mit den Aufräumarbeiten im RC North begonnen. Man hat die Hilferufe erhört.“
Da stimme ich Ihnen beiden allerdings nachdrücklich zu.
@CRM-Moderator | 21. Juni 2015 – 4:59
„Ich bin immer noch perplex, wie sie Auftragstaktik / Befehlstaktik vs ROE ausspielen wollen.“
Ich spiele hier gar nichts gegen einander aus.
Im Rahmen von Gefechtsführung muss man sich einfach mal von dem netten-friedensortientieren-scheinbare-Sicherheit-stiftenden-Inlands-Verwaltungshandeln-Denken lösen.
Führen mit Auftrag heisst: das ist die Hauptschussrichtigung – die 3a, linke Grenze – Völkerrecht, rechte Grenze – Fürsorge für die Männer. Fragen? Keine! Dann: Gedanken machen – planen – Befehle geben – angreifen – Erfolg haben.
@Abu Nasr al-Almani | 21. Juni 2015 – 9:35
„Daher übernahmen die Amerikaner diese Aufgabe im Norden 2010 in einer der für die deutsche Sicherheitspolitik bislang peinlichsten und bloßstellendsten Aktionen, die bislang öffentlich aber kaum thematisiert wurde.“
Leider haben Sie Recht. Eine Schande für uns :(
@Memoria | 21. Juni 2015 – 9:53
„Auch auf der Ebene der PRT Kdr war das drängen nach anderen ROE und Ausrüstung nicht immer vorhanden.“
Nicht jeder PRT Kdr war gleich schneidig und aufrecht im Handeln. Zugegeben.
Aber es hat genügend eindeutige Aussage und engagieret Anträge gegeben.
Das hat nicht die Eben bis A16 verbockt. Und wenn ich das so sagen darf noch nicht einmal die Ebene bis B7. Es scheiterte an der militärischen Führung und politischen Leitung.
Ich stimme Ihnen in sofern zu, dass es diesmal nicht die Schuld des BT war. Ich glaube, dort hätte man das vielleicht sogar durchgehen lassen. Aber solche Dinge wurde ja nie aus dem Hause heraus offiziell artikuliert. Die Schuld liegt diesmal bei den hohen Generalen und der politischen Leitung des BMVg.
@Memoria | 21. Juni 2015 – 12:19
„Es ist eben genau dieser vorauseilende Gehorsam auf vielen Ebenen, der vorallem auch Bundeswehrverdruss erzeugt.“
Leider haben Sie hier vollkommen Recht. Auch das Beispiel mit den Mörsern ist gut gewählt :(
@all:
Ich bedanke mich für den regen Meinungs-/Erfahrungsaustausch.
Dafür dass das alles eigentlich „nicht diskussionswürdig“ war [ ;o) ] haben wir doch den ein oder anderen Teilaspekt etwas genauer ausleuchten können. Ich hab´ was draus gelernt und ich hoffe das auch andere vielleicht die ein oder andere „storyline“ [narrativ] bzw. Teilaspekt im nachhinein etwas kritischer sehen bzw. gänzlich neu bewerten.
Ca. 6 Jahre her als die richtig heisse Phase in und um Bad Kunduz begann….
@Patrick Horstmann
Warum hat Oberst Klein nicht gewusst, das er verbotene Methoden eingesetzt hat?
Wie kann das das sein? Wie ist das zu erklären?
@Georg
Nur, was kann und darf die politische Führung tun, wenn die militärische Führung ihr abrät bzw. erklärt der Einsatz bestimmter Mittel ist falsch, unzweckmässig oder nicht sinnvoll?
@ThoDan | 21. Juni 2015 – 14:13
„Warum hat Oberst Klein nicht gewusst, das er verbotene Methoden eingesetzt hat?“
Fog of war?
Und nebenbei: es ist nicht gesagt, dass es verbotene Methoden waren. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist ja nie durchgeführt worden, da sie gar nicht notwendig war, da das Verfahren bereits an den subjektiven Tatbestandsmerkmalen scheiterte.
@ Tho Dan
Zitat: „Nur, was kann und darf die politische Führung tun, wenn die militärische Führung ihr abrät bzw. erklärt der Einsatz bestimmter Mittel ist falsch, unzweckmässig oder nicht sinnvoll?“
Die Generäle haben die Regierung ja nicht im luftleeren Raum beraten, sie haben das vorweggenommen, was die Regierung hören wollte, also
– kein militärischer Konflikt in AFG in Form eines Krieges
– der Wiederaufbau geht planmäßig voran
– vernetzter Ansatz ist der richtige Weg usw.
Es ist also nicht so, dass die politische Führung unter Angela Merkel, Franz Jung, StS Dr. Wichert und GI General Schneiderhan, etwas anderes in AFG tun wollten. Es sollte Ruhe herrschen, damit der AFG-Einsatz kein innenpolitisches Thema wird.
Mehr sollte und wollte die politische und militärische Führung des BMVg und das unterstellte Einsatzführungskdo nicht erreichen.
Werter CRM-Moderator | 21. Juni 2015 – 13:42
Sie entsinnen sich doch? Es war einmal zu Anfang dieses Fadens:
Der Zeitgeist | 19. Juni 2015 – 17:53:
“ …Ach echt? Reden wir von dem gleichen Mann, der durch Vorspiegelung falscher Tatsachen die NATO-Einsatzrichtlinien bewusst verletzt hat?“
Die hier bislang eingestellten Kommentare geben bislang keinerlei Anlass, meine Meinung zu vorgenannter Auslassung von Der Zeitgeist – und nur darauf bezog ich mich – zu ändern: Nicht diskussionswürdig.
@Georg:
„Die Generäle haben die Regierung ja nicht im luftleeren Raum beraten, sie haben das vorweggenommen, was die Regierung hören wollte“
Und eben das ist keine fachliche Beratung, aber trotzdem Alltag in dieser Republik.
Die Verantwortung hierfür tragen mindestens zur Hälfte diejenigen, die so realitätsfern, zum Teil wahrheitswidrig, die Politik „beraten“ haben. Genau solche Leute sind heute Vorsitzender der Stauffenberg-Stiftung.
Solche Sachzusammenhänge sollte man in diesem Blog nicht so häufig ignorieren.
Es wäre längst überfällig zu erkennen, dass die militärische Führung ein wesentlicher Teil des Problems und nicht Teil der Lösung ist.
Aber das passt hier allzu viel Leuten nicht ins Weltbild und daher kann ich es wohl nochmal 10 Jahre wiederholen – ohne Erfolg.
Bald geb ich es auf…
@Koffer
Das Szenario hatte ich nicht auf dem Schirm:
Er hat aus seiner Sicht der Situation nicht gesehen/erkannt, das seine Mittel in der „wirklichen“ Situation verboten sind?
@Georg
Liest sich für mich: die Generale haben vergessen, wem sie Treue geschworen haben, wer ihr Souverän ist?
Also Eidbrecher!
@ Memoria | 21. Juni 2015 – 14:53:
“ … Es wäre längst überfällig zu erkennen, dass die militärische Führung ein wesentlicher Teil des Problems und nicht Teil der Lösung ist.“
Ich jedenfalls – Berufsoldat, seit Juni 2014 im Ruhestand, aber noch sehr gut vernetzt – stimme Ihrer zuvor zitierten Ansicht ausdrücklich zu.
Memoria | 21. Juni 2015 – 12:19,
Das Kapitel „politisch nicht gewollt“-Denke in puncto Afghanistan-Einsatz ist ja noch nicht einmal ansatzweise „aufgearbeitet“.
Die „politisch-nicht-gewollt“-Apologeten scheinen sich inzwischen in die Stiftungen unterschiedlichster Couleur zu verkrümeln. So taucht Generalleutnant a.D. Glatz neuerdings als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Stiftung Wissenschaft und Politik auf. (http://www.swp-berlin.org/wissenschaftler-detail/profile/rainer_glatz.html)
Es gilt vermutlich, die „Rückzugsgefechte“ abzusichern.
@Koffer | 21. Juni 2015 – 13:06
Ja, ich bleibe bei meiner Meinung. Sie werden sich wundern, ich stimme Ihnen sogar weitgehend zu, was Ihre einzelnen Feststellungen angeht. Nur halte ich Ihre Schlussfolgerungen für falsch.
Und: Gesetzestexte belasten nicht unbedingt die Diskussion, sondern können sehr erhellend sein (altes Juristenbonmot: Ein Blick in das Gesetz erleichtert oft die Rechtsfindung).
Die Formulierung in § 11 Abs. Nr. 3 VStGB
“ … und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen […] in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht, …“
beschreibt gerade den subjektiven Tatbestand. Nach den Feststellungen der Generalstaatsanwaltschaft war der objektive Tatbestand (Einsatz unverhältlicher Mittel) erfüllt, aber der subjektive Tatbestand („… dabei als sicher erwartet …“) nicht nachgewiesen werden kann.
Das war doch der Kern der Ermittlungen: Was objektiv geschehen ist, war schnell klar (darauf haben sie ja an anderer Stelle hingewiesen). Aber zu ermitteln, welche Erkenntnislage im konkreten Zeitpunkt im Gefechtsstand in Kundus vorlag, wie valide die Informationen objektiv und aus der Sicht der Beteiligten waren, was sie gewusst und gewollt haben, als die Entscheidung getroffen haben, die Tanklastzüge zu bombardieren ist schwierig. DAS sind aber die entscheidenden Aspekte, um die STRAFRECHTLICHE Verantwortung zu beurteilen.
Und in einem weiteren Punkt gebe ich Ihnen Recht: Oberst Klein hätte den Tod von Zivilisten in Kauf nehmen dürfen.
Ich hoffe Herr Wiegold erlaubt mir einen kurzen Exkurs in das deutsche Strafrecht (und es geht hier um deutsches Strafrecht. Das VStG ist nationales Recht).
Das deutsche Strafrecht kennt drei Formen des Vorsatzes.
– dolus directus 1. Grades: Es kommt dem Handelnden im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB darauf an, mit unverhältnismäßigen Mitteln zivile Opfer zu verursachen. Das ist natürlich strafbar.
– dolus directus 2. Grades: Der Handelnde weiss, dass er mit UNVERHÄLTNISMÄSSIGEN Mitteln zivile Opfer verursacht. Auch das ist strafbar.
– dolus eventualis: Der Handelnde weiss, dass er unverhältnismäßige Mittel einsetzt und nimmt dabei billigend in Kauf, das zivile Opfer entstehen. Mag man moralisch fragwürdig finden, ist aber nicht strafbar nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB.
Überaupt nicht von § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB umfasst ist die fahrlässige oder gar die nicht vorhersehbare Verursachung ziviler Opfer. Das VStGB nimmt daher sehr wohl Rücksicht auf die tatsächlichen Umstände und Gegebenheiten in Kriegs- und Gefechtssituationen.
Im hier diskutierten Fall war relativ schnell klar, dass der objektive Tatbestand des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB vorlag (Bombenabwurf – ohne vorherige Show of Force – auf eine Gruppe mit keinen oder wenigen Aufständischen, aber vielen Zivilisten). Auch, dass kein dolus directus 1. Grades vorlag stand ausser Frage. Es war aber zu prüfen, ob ein dolus directus 2. Grades nachgewiesen werden kann. Um das feszustellen, bedarf es einer umfangreichen Aufklärung, wer was wann gewusst und gewollt hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat auch den dolus dircectus 2. Grades verneint, das wurde durch das OLG Düsseldorf bestätigt, das gesamte Ermittlungsverfahren hat das BVerfG jetzt letzlich als verfassungsgemäß angesehen.
Und ja, in einer solchen Situation hätte ich es für verfehlt gehalten, wenn die Bundeswehrführung auch nur den Anschein erweckt hätte, sie würde staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und deren gerichtliche Überprüfung durch eine eigene Bewertung vorgreifen zu wollen.
@Koffer / ThoDan:
„Warum hat Oberst Klein nicht gewusst, das er verbotene Methoden eingesetzt hat?
Wie kann das das sein? Wie ist das zu erklären?“
„Fog of War?“
Sein JTAC hat zu Protokoll gegeben, dass er sich nicht sicher war, ob er und O Klein auf der selben Geschäftsgrundlage arbeiten würden. Das bedeutet im Kern, dass O Klein, Kommandeur des PRT KDZ, die ROEs nicht durchdrungen hatte. Was aber im Nachhinein völlig egal ist.
@Georg | 21. Juni 2015 – 14:37
„Die Generäle haben die Regierung ja nicht im luftleeren Raum beraten, sie haben das vorweggenommen, was die Regierung hören wollte, also“
Leider:
+1
@Patrick Horstmann | 21. Juni 2015 – 15:37
Ich bin nicht der Meinung, das durch GBA und BVerfG abschließend festgestellt wurde, dass ein Einsatz unverhältnismäßiger Mittel vorgelegen hat.
Ein solche weitreichende Bewertung hätte außerdem zweifelsohne weiterer Ermittlungen und eines ordentlichen Gerichtsverfahrens bedurft.
Im Kern wurde das Verfahren ja mangels Erfüllung der subjektiver Tatbestandsmerkmale eingestellt. Da kommt es auf die objektiven Tatbestandsmerkmale ja gar nicht mehr an!
Um auf die objektiven Tatbestandsmerkmale zurück zu kommen, ist ja immer noch nicht geklärt wie viele Personen überhaupt zu Tode kamen (eher 50 oder eher 140?!). Davon abhängig wäre dann ja auch die Frag zu klären gewesen wie viele dieser Toten Zivilisten waren. Hätte geklärt werden müssen ob diese Zivilisten durch ihre Teilhabe an einer Straftat (Abzapfen des Benzins) sich nicht wissentlich in eine Gefahrensituation begeben haben. etc. etc.
Aber lassen wir diese Fragen einmal alle beiseite. Der Kern Ihrer Aussage ist ja, dass sie das nicht kümmert und sich die höheren Vorgesetzten (BefH EinsFüKdo, GI, IBuK und BK) so oder so von dem Verfahren auch nur in Meinungsäußerungen hätte fern halten müssen.
Diese Ansicht, frei nach dem Motto „Fiat iustitia et pereat mundus“, passt vielleicht in die schöne Friedenswelt eines sonntagnachmittaglichen Rotweins auf der Terasse, aber eben nicht zum Einsatz von Streitkräften.
Wenn die militärische Führung und politische Leitung Soldaten in den Einsatz schicken, dann haben sie die Pflicht zu diesen Soldaten zu stehen.
Damit meine ich nicht, dass sie Schuldige vor der Gerechtigkeit bewahren sollen indem sie in ein unklares Verfahren eingreifen.
Aber in diesem Fall waren die wesentlichen politischen, militärischen und moralischen Fragen sehr früh geklärt.
Das sich da niemand von den hohen Damen und Herren vor jemand gestellt haben, der dort nur aus einem einzigen Grund war – weil er Deutschland treu und tapfer dient – ist schäbig und hat gar nichts mit der Rechtsstaatlichkeit, sondern vielmehr mit Treulosigkeit und Feigheit zu tun! So verliert man seine Soldaten :(
@CRM-Moderator | 21. Juni 2015 – 16:46
„Sein JTAC hat zu Protokoll gegeben, dass er sich nicht sicher war, ob er und O Klein auf der selben Geschäftsgrundlage arbeiten würden. Das bedeutet im Kern, dass O Klein, Kommandeur des PRT KDZ, die ROEs nicht durchdrungen hatte.“
Hihi, das ist ja mal lustig. BG Klein mangelnde intellektuelle Kapazität vorzuwerfen hat vermutlich noch niemand getan…
Der Kern ist eher, ob der JTAC verstanden hat, wie ROE in der NATO Praxis gehandhabt werden, nämlich sehr weit in der Auslegung.
Ansonsten käme man aufgrund der unterschiedlichen militärischen Prägungen und sprachlichen Verwirrungen auch zu gar keinem Ergebnis.
Nur wir hier in DEU glauben häufig, dass eine ROE so klar und eindeutig wie ein Ausführungskommando im Formatdienst.
@Koffer | 21. Juni 2015 – 17:42
Schön dass Sie im Besitz der allein selig machenden Wahrheit sind und “ … in diesem Fall … die wesentlichen politischen, militärischen und moralischen Fragen sehr früh geklärt [waren] …“.
Nur zwei kurze Anmerkungen dazu:
1. Es erscheint mir doch einigermaßen widersprüchlich, wenn Sie einerseits Ihre Position für unverrückbar zu erklären, andererseits aber die Feststellung der Generalstaatsanwaltschaft der objektive Tatbestand des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB sei erfüllt, für nicht ausreichend halten, sondern nur ein „ordentliches Gerichtsverfahren“ zur Feststellung dieser Tatsache akzeptieren.
2. Es ist schon befremdlich, wenn Sie eine Diskussion mit inzwischen über 140 Kommentaren im Ergebnis für überflüssig erklären, weil alle “ politischen, militärischen und moralischen Fragen“ ja in Ihrem Sinne klar sind.
Von meiner Seite ist alles zu dieser Sache gesagt. Leider konnte ich offensichtlich Ihre feste und unerschütterliche Meinung nicht annähernd ins Wanken bringen.
@Patrick Horstmann | 21. Juni 2015 – 18:38
„2. Es ist schon befremdlich, wenn Sie eine Diskussion mit inzwischen über 140 Kommentaren im Ergebnis für überflüssig erklären, weil alle “ politischen, militärischen und moralischen Fragen“ ja in Ihrem Sinne klar sind.“
Zugegebenermaßen war das eine sehr schlechte Formulierung.
Ich hätte vielleicht statt dessen sagen sollen:
Aber in diesem Fall waren die wesentlichen Fakten sehr früh geklärt.
Lediglich die politische, militärische und moralische Einordnung des Geschehenen bedurfte weiter Diskussionen.
Aber um auf den Kern meiner Rede zurück zu kommen: das hätte die höhere Führung nicht davon abhalten dürfen ihren Teil der gegenseitigen Treuepflicht einzuhalten. Gerade in solchen Zeiten beweist sich wahrer Charakter…
@Koffer: Ich habe garnichts vorgeworfen. Hihi.
„Der Kern ist eher, ob der JTAC verstanden hat, wie ROE in der NATO Praxis gehandhabt werden, nämlich sehr weit in der Auslegung.“
Ich bitte um Beispiele ähnlicher massiver Verstösse gegen ROEs mit ähnlichen schweren Folgen, die nicht zur Sanktionierungen (Disziplinarmassnahmen) geführt haben.
@CRM-Moderator | 21. Juni 2015 – 19:18
„Ich bitte um Beispiele ähnlicher massiver Verstösse gegen ROEs mit ähnlichen schweren Folgen, die nicht zur Sanktionierungen (Disziplinarmassnahmen) geführt haben.“
Gegenfrage: Nennen Sie mir bitte einen einzigen Vorfall in dem ein Verstoß gegen ROE im Rahmen von operationellen Entscheidungen zu einer Disziplinarmaßnahme geführt hat.
So funktioniert das nämlich nicht! ROE sind im Rahmen operationeller Entscheidungen nur ein Anhalt und werden von allen NATO Staaten gewöhnlich sehr weit ausgelegt.
ROE dürfen in ihrer Bindewirkung nicht mit der 3/2 oder der 37/10 verwechselt werden.
@Koffer:
„Gegenfrage: Nennen Sie mir bitte einen einzigen Vorfall in dem ein Verstoß gegen ROE im Rahmen von operationellen Entscheidungen zu einer Disziplinarmaßnahme geführt hat.“
Bitte sehr. Im Fall O Klein sind die Besatzungen der beiden F-15E Callsign Dude 15 und Dude 16 aus dem Einsatz entfernt worden.
hDDp://www.sueddeutsche.de/politik/afghanistan-us-piloten-fuer-angriff-von-kundus-bestraft-1.71842
http://www.spiegel.de/politik/ausland/bombardement-bei-kunduz-us-kampfpiloten-warnten-schaerfer-vor-luftangriff-als-bisher-bekannt-a-665331.html
Jetzt hätte ich gerne ein Beispiel von Ihnen.
Hier ein sicherlich bekannter Link mit einigen Infos bzgl der Aircrews.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-68885074.html
@CRM-Moderator | 22. Juni 2015 – 1:32
„Bitte sehr. Im Fall O Klein sind die Besatzungen der beiden F-15E Callsign Dude 15 und Dude 16 aus dem Einsatz entfernt worden.“
1. sind das keine deutschen Soldaten. 2. wissen Sie genau, dass diese nur „scapegoats“ waren um die Anwürfe des US COM ISAF gegen den DEU PRT Kdr zu untermauern.
Neuer Versuch…