NATO-Festakt zur Erinnerung an deutschen Beitritt vor 60 Jahren: Rückbesinnung auf kollektive Verteidigung
Mit ein bisschen internationaler Prominenz hat Deutschland am (heutigen) Dienstag an den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur NATO vor 60 Jahren erinnert. Der Generalsekretär der Allianz, Jens Stoltenberg, brachte dazu aus den Archiven Zeichnungen mit, die bei der damaligen Beitrittszeremonie angefertigt wurden – unter anderem eine Skizze des damaligen Bundeskanzlers (und zugleich Außenministers) Konrad Adenauer.
Alle drei Redner – neben Stoltenberg Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen – hoben hervor, dass die Rolle der NATO in der gegenwärtigen weltpolitischen Situation gewachsen sei, vor allem gegenüber Russland, aber auch an der Südflanke des Bündnisses. Kollektive Verteidigung muss wieder stärker im Zentrum des Allianzgeschehens stehen, auch im Süden, sagte Steinmeier.
Wie schon vor dem heutigen Festakt erneuerte Stoltenberg den Hinweis darauf, dass neue Herausforderungen für die NATO auch mehr Investition in Sicherheit bedeute, und wie zuvor verwies die deutsche Verteidigungsministerin darauf, dass die Summe des aufgewendeten Geldes nicht alles sei:
Wir haben einen Budgetanstieg. Soweit so gut. Aber für die Zukunft kann das nicht das alleinige Maß sein. Vergangene Woche wurde uns beim Nato-Verteidigungsministertreffen eine Tabelle aller 28 Mitglieder überreicht, die die Ausgaben für 2015 auflistet. Ganz vorne die USA mit knapp vier Prozent ihres BIP für Verteidigung, dann gibt es nur noch zwei weitere Länder, die die 2% erreichen: das Vereinigte Königreich und Griechenland. Der Generalsekretär hat in einem Punkt recht: Von nichts kommt nichts. Damit will ich sagen: wir stehen zum 2% Ziel. Aber wir müssen in Zukunft eine zweite Frage dazu stellen: Wie sieht das Ergebnis der finanziellen Aufwendungen aus? Wie sieht es mit der Einsatzfähigkeit, der Durchhaltefähigkeit, der Ausstattung zu Land, Luft und See aus? Wie ist es um die Führungsstrukturen und den Personalkörper bestellt. Das ist es doch, worauf es im Ernstfall ankommt!
Was übrigens nicht in der veröffentlichten Rede von der Leyens steht: Sie kündigte an, dass die Deutsche Marine künftig Einheiten dem Kommando der Niederlande unterstellen werde, wie schon umgekehrt die Niederlande die 11 Luchtmobile Brigade dem Deutschen Heer unterstellt hatte. (Ich bemühe mich da noch um Einzelheiten.)
Die Rede des NATO-Generalsekretärs gibt’s zum Nachlesen hier.
Die Rede Steinmeiers steht hier, es gibt aber auch eine Serie von Tweets dazu:
#GER60NATO: 60 Jahre #Deutschland in der @NATO – Festakt mit AM #Steinmeier, VMin vd #Leyen + #NATO GS #Stoltenberg. pic.twitter.com/m7IxnB0mDT
— Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) 30. Juni 2015
AM #Steinmeier zu #GER60NATO: Gerade #Deutschland muss heute in bes Weise Stifter v Ordnung sein, die Frieden sichert – auch mit+durch @NATO — Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) 30. Juni 2015
AM #Steinmeier: Unseren baltischen + osteuropäischen Partner sagen wir: Eure Sicherheit ist auch unsere Sicherheit. #GER60NATO
— Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) 30. Juni 2015
#Steinmeier: Wiederherstellung partnerschaftl. Bez. zu #Russland eher Marathon – Umso nachhaltiger müssen wir Langstrecke planen. #GER60NATO — Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) 30. Juni 2015
AM #Steinmeier: Deterrence + détente, dazu steht unser Land auch 60 Jahre nach seinem NATO-Beitritt. #GER60NATO
— Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) 30. Juni 2015
Eigentlich erstaunlich – im Vorfeld hatte sich nämlich das Auswärtige Amt nach Kräften bemüht, die öffentliche Wahrnehmung der Feierstunde herunterzuschrauben. Auf der Terminliste des Bundespresseamtes für den heutigen Dienstag finden sich zwar Veranstaltungen wie Vorstellung der neuen Plakatserie zur Verkehrssicherheitskampagne „Runter vom Gas“ mit neuer Werbefigur für das Helmtragen beim Fahrradfahren durch PStS’in/BMVI Bär, aber kein Wort zur NATO-Veranstaltung. Und auf seiner Webseite behauptete das AA heute morgen noch:
Aber da hatten die noch nicht die Rede der Verteidigungsministerin gehört:
Deshalb müssen wir auch an unserer inneren Bereitschaft arbeiten, unseren Beitrag durchzusetzen. Wir müssen es unserer Bevölkerung erklären….Hier möchte ich der Nato nichts ins Lastenheft schreiben, sondern ihr eine Selbstverpflichtung schenken. Es ist unsere Aufgabe, das, was die Nato tut, auch so zu erklären, dass es Akzeptanz erfährt. Ja, das ist Kärrnerarbeit. Aber wir haben vielleicht verlernt, über den Wert, das Bündnis gut zu sprechen und unsere Sicherheit als Grundvoraussetzung für Wohlstand und Prosperität, auf die Nato zurück zu führen. Werte, die man nicht anspricht, die sind irgendwann vergessen.
(Foto: Speech by NATO Secretary General Jens Stoltenberg at the international ceremony to mark the 60th anniversary of the accession of Germany to NATO. The NATO Secretary General shows a sketch of Konrad Adenauer by the American artist, Manuel Bromberg – NATO Photo)
„………….Deutsche Marine künftig Einheiten dem Kommando der Niederlande unterstellen werde…..“
Oups, Rückbesinnung auf Art. 5 und dann Marineeinhaiten den Niederländern unterstellen anstatt das einstmals NATO- und EU-zertifizierte Flottenkommando zu revitalisieren ?…..Es ist nur noch bizarr.
Hier dürfte es sich in erster Linie um das Seebataillon handeln. Bin gespannt auf die Einzelheiten.
Auch wenn ich eine Re-Sensibilisierung der Bevölkerung für den Sinn der NATO für wichtig halte, werde ich jedoch bei Sätzen wie: „Es ist unsere Aufgabe, das, was die Nato tut, auch so zu erklären, dass es Akzeptanz erfährt“ werde ich immer etwas hellhörig. Erinnert mich spontan an das „Nudging“, welches sich die Bundesregierung von den Amerikanern abgeschaut hat.
Es gibt dafür auch andere Begriffe aber das ist ab vom Thema.
@Klabautermann
Die Details im MoU sind entscheidend, sowie die nicht öffentlichen politische Absprachen, die es bestimmt gibt. Dann noch OPCOM/OCON …?
Ansonsten nichts Neues. NLD haben seit einem Jahr ihre „Mariniers“ der DSK ustl. Die machen ein Drittel des Heeres aus.Bin sicher, da kommt noch mehr.
Verkauft sich offiziell gut als Multinationalität, im Hintergrund aber EP 14!!!
@Hutzel
Nach Außen wird soft geshaped, nach Innen soft genudged ;-)
Ach Frau Ministerin … Reden halten können Sie so oft und so lange Sie wollen. Solange da nichts in die tagespolitische Praxis rüberschwappt, solange bleiben ihre Reden genau das, was sie immer waren: ein Satz ganz heiße Luft.
(Man vergleiche Bombastrhetorik MSC 2014 mit den tatsächlich ergriffenen Maßnahmen. Ich komme da nur auf eine passende Titulierung: Symbolpolitik des kleinstmöglichen Aufwandes!)
Die Bemerkung von Herrn Steinmeier:
„Wiederherstellung partnerschaftl. Bez. zu #Russland eher Marathon – Umso nachhaltiger müssen wir Langstrecke planen.“
zeugt von Beschönigungstendenzen.
Bevor von einer Wiederherstellung partnerschaftlicher Beziehungen fabuliert wird sollte Herr Steinmeier erstmal die Tatsache offen aussprechen, dass sich die russische Führung von partnerschaftlichen Beziehungen auch jetzt noch stetig entfernt, ja durch Aktionen wie die finanzielle Unterstützung von EU-feindlichen Gruppen wie „Front National“ eigentlich als entschiedener Feind der EU und der NATO bezeichnet werden muss.
Gestenpolitik und Erwartungsmanagement in bester Merkel’scher Manier ;-)
Tja, das ist traurig, daß solch ein Termin nicht als presserelevant gilt. Bestimmt hat Tilo Jung da einen neuen Ansatzpunkt für eine weitere naive Frage an die Presseabteilung des AA – die stellvertretende Sprecherin wird ihn weiter in ihr Herz schließen. Ich hoffe bloß, die Berliner Strategic Community hat die Zeit des verschwiegenen Festaktes derweil kräftig genutzt, um an einem inhaltsvollen Weißbuch zu arbeiten.
@ Hohenstaufen
Beschönigungstendenzen ist noch sehr höflich formuliert. Allein die Tatsache, das das Auswärtige Amt diesen Termin „totschweigt“ (bzw es versucht) zeigt schon die selektive Wahrnehmung der Vorgänge und Abläufe. Man könnte Steinmeier und sein Ministerium vorhalten, daß sie sich die Weltlage selber so zurechtlegen, wie es ihnen grade paßt. Aber wohin krampfhaftes Ignorieren einer nicht genehmen Wirklichkeit führt, hat die SED unter Honecker doch eindrucksvoll demonstriert. Vielleicht sollte man Steinmeier mal an dieses historische Beispiel erinnern und wohin ideologisch verbrämte Scheuklappen führen.
/0 Jahre CDU und der Generalsekretär benennt „Frieden, Versöhnung und Freiheit“ in der Reihenfolge. Da paßt NATO nicht rein.
Aber so ist es, wenn man in der Politik Verträge nicht als bindend betrachtet und dann irgendwie alles relativieren muß. Wirkt sich auch auf Bündnisse aus.
Wie sieht das Ergebnis der finanziellen Aufwendungen aus? Wie sieht es mit der Einsatzfähigkeit, der Durchhaltefähigkeit, der Ausstattung zu Land, Luft und See aus?
Auf jeden Fall Schlechter, wenn man weniger als 2% hat. Es ist ein wirklich armseliges Niveau . . .
Die Presse in Deutschland schreibt so gut wie nichts über 60 deutsche Jahre in der NATO!
Woran liegt das?
1.weil unsere Politik SIPO nicht stattfinden läßt.
2.weil die Reden unserer Politiker zu diesem Thema nur hohles Gewäsch beinhalten(s.UvdL)
3.weil unsere Bürger in der Masse satt und zufrieden sind.
4.weil kaum noch ein Bundesbürger sich dafür interessiert, was die NATO für die BRD erreicht hat.
5.weil die momentanen Gefahren in Europa und der Welt von der Politik und den Medien verdrängt werden und zum Teil schön geredet werden.
…es sind sicherlich noch mehr Gründe aufzuführen….
Somit sind Aufrufe nach 2 Prozent Regelungen für unseren Verteidigungshaushalt aus der NATO berechtigt(gerade für Deutschland),werden aber von der Politk in Berlin negiert,weil man diese sowieso nicht durchsetzen könne!
Der Punkt ist aber,man will an der Spree nicht,weil vorher müßte der Bürger aufgeklärt werden und das kostet ja vermutlich Wählerstimmen.
Aber bekanntlich ist wo ein Wille ist, auch ein Weg.Nur am Willen mangelt es bei ALLEN Parteien.
Sonst würde der heutige Aufruf(wenn auch wie hier schon diskutiert zu spät)von GL Kasdorf schnell zu handeln,was die Versäumnisse bei der Bundeswehr(Heer)angeht, mehr Resonanz als z.B. die kleinen gesetzlichen Änderungen zum 1.Juli in den Gazetten finden.
Ohne Aufklärung aus Berlin wird in den Medien weiterhin beispielsweise der Rücktritt eines Hr.Raab von irgendeiner Fernsehsendung mehr Medieninteresse finden als 60 Jahre NATO für Deutschland.
Aus meiner Sicht sind dies erschreckende Tatsachen,die uns und unsere Enkel noch heftig einholen werden.
Zur Marinekooperation mit NL wurde hier schon richtig geschrieben,es wird sich um das Seebataillon handeln.
Damit dürfte wohl das JSS für unsere Marine endgültig gestorben sein und Berlin kann sich wieder einige zukünftige Einsatze ersparen und an kleinere aber effektivere Partner,wie in diesem Fall die Holländer abgeben.
Armes.Reiches?Deutschland.
@ Jens Schneider
Sie vergessen aber, daß die heutige sozio-politische Kultur in Deutschland und die Unfähigkeit der Politik SiPo zu „denken“ Endergebnis der Prozesse unmittelbar nach 1945 ist. Die Welt wollte ein nach innen gewandtes, politisch stabiles und ambitionsloses, militärisch impotentes und strategieaverses Deutschland … Wir Deutsche sind diesen Weg gegangen (mit all der stereotypen „deutschen Gründlichkeit“ die uns manchmal dann doch innewohnt), aber andere haben uns auf diesen Weg gesetzt und in die Richtung gezeigt. Insofern … [Tongue in cheek] Works as intended [/Tongue in Cheek]
EP 14 steigt im Vergleich zum Eckwertebeschluss vom März um zusätzliche 157 Mio. Jetzt 1,17 % des BIP, total 34,366 Mrd. UvdL bekannte sich gestern zum 2%-Ziel. (Gem. SZ).