Einsatz im Mittelmeer: Neue Priorität Schleuser-Bekämpfung
Die Deutsche Marine hat in den vergangenen Wochen fast 5.700 Menschen im Mittelmeer aus Seenot gerettet – Migranten und Flüchtlinge, die mit nicht seetüchtigen Booten die Überfahrt von der afrikanischen Küste nach Europa versuchten. Die deutschen Einheiten im Mittelmeer, derzeit die Fregatte Schleswig-Holstein und der Tender Werra, sollen zwar auch künftig für die Rettung der Menschen bereitstehen. Priorität bekommt jedoch der Aufklärungseinsatz zur Bekämpfung der Schleuser, wie ihn die Europäische Union als EUNAVFOR MED (European Naval Force Mediterranean) in der zurückliegenden Woche beschlossen hat:
Seit Anfang des Monats befinden sich die Fregatte „Schleswig-Holstein“ und der Tender „Werra“ im Mittelmeer, um die Seenotrettung zu unterstützen. Beide Schiffe sollen EUNAVFOR Med in den nächsten Tagen unterstellt werden und zukünftig in erster Linie zu Aufklärungszwecken eingesetzt werden.
berichtet die Bundeswehr-Wochenzeitung Bundeswehr aktuell in ihrer am (heutigen) Samstag veröffentlichten elektronischen Ausgabe.
Zukünftig in erster Linie zu Aufklärungszwecken – diese geänderte Priorität hatte das Verteidigungsministerium auch schon den Abgeordneten mitgeteilt:
Die Außenminister der Europäischen Union haben am 22.06.15 den Beschluss zum Start der EU-Operation EUNAVFOR MED zur Bekämpfung von Schleuseraktivitäten verabschiedet. Damit wird die erste Phase der Mission eingeleitet, die die Überwachung und Beobachtung von Schleuseraktivitäten auf hoher See zum Ziel hat, um Informationen über die kriminellen Netzwerke zu erhalten. Darüber hinaus werden die Schiffe, die sich an EUNAVFOR MED beteiligen, Flüchtlinge retten, die in Seenot geraten sind.
Deutschland besetzt bis zu vier Dienstposten im Operationshauptquartier in Rom und wird sich auch mit Personal im seegehenden taktischen Einsatzhauptquartier beteiligen. Als maritimer deutscher Beitrag sind die Fregatte SCHLESWIG- HOLSTEIN und der Tender WERRA vorgesehen, die derzeit zur Seenotrettung im Mittelmeer operieren.
Damit bekommt der deutsche Marineeinsatz im Mittelmeer offensichtlich einen grundlegend anderen Charakter: Aufklärung der Schleuser-Strukturen ist der Hauptauftrag, Rettung von Menschen aus Seenot (darüber hinaus) eine zusätzliche Aufgabe. Also ziemlich verändert gegenüber dem, was bislang öffentlich kommuniziert wurde.
(Bei diesem Thema muss ich, leider, die Kommentarfunktion von vorherein auf moderiert setzen.)
(Foto: Soldaten des Einsatzgruppenversorgers Berlin retten am 06.06.2015 weitere Schiffbrüchige aus dem Mittelmeer. Ein Holzboot mit etwa 500 Personen an Bord wird längsseits der Berlin gehalten – Bundeswehr/Hoder)
Interessant wäre wie sich EUNAVFOR MED zusammensetzt.
Welche Nation stellt was für Fähigkeiten.
Wenn ich an Aufklärung denke , dann seh ich einen Tender hier nur bedingt als Mittel der Wahl.
Was ist mit dem Einsatz von UAV, SIGINT, ggf HUMINT / Dienste ???
Wenn ein U-Boot zur Mission gehört, könnte die Werra schon wieder von Interesse sein.
@Fritz
Gebraucht werden -HUMINT, SIGINT, SOCMINT, GEOINT, OSINT, MASINT, IMINT, COMINT.
Nur kann das alles natürlich ausschließlich im Verbund geleistet werden. Irgendwann in Phase 2 und 3 wird dann ggf auch Targeting ein Thema. Schätze dann käme auch zwangsläufig JFC Naples ins Spiel, EU aus sich heraus hat dazu keine Fähigkeiten. JFC ist aber NATO.
Schleuser bekämpfen? Hurra.
Wie muss man sich das vorstellen?
Zuerst werden die Asylanten an Bord genommen und die Schleuser (falls identifizierbar) erschossen, festgenommen oder ebenfalls als Flüchtlinge eingestuft?
Mir tut jeder Kamerad der an Bord eines dort eingesetzten Kriegschiffes Dienst tut aufrichtig leid, weil es die deutsche Wischi-waschi Politik wiedermal versäumt einen klaren Auftrag zu erteilen.
Nach dem Aufgriff (Rettung) der Menschen können diese genausogut nach Lybien zurückgebracht und die Boote zerstört werden. Gerettet ist gerettet.Oder bedeutet gerettet automatisch, dass der Weg ins SchlarAFFENland nun frei ist?
Ich frage mich, wer ist schuld daran, daß dieselben Schiffe Seenotrettung und Schleuseraufklärung machen sollen? Ist dies der Wille der Politik oder hat die Marine versäumt der Politik klar zu machen, daß man dafür andere Schiffe bzw. Flugzeuge braucht.
Aufklärung ist etwas für Flottendienstboote oder Aufklärungsflugzeuge, aber mit einer Fregatte oder einem Tender aufklären zu wollen, halte ich für einen schlechten Witz! Wenn man schon meint dafür andere Schiffe als Flottendienstboote zu verwenden, dann hätte man wenigstens Schnellboote nehmen sollen, welche schnell aufklären könnten.
Aber so sage ich voraus, daß die ganze Aufklärung nur solange stattfinden wird, bis der erste Flüchtling ertrinkt, weil die deutschen Schiffe mit Aufklärung statt Seenotrettung beschäftigt waren, dann wird die Politik sagen, so war dies nie gemeint oder die Marine hat uns falsch beraten, die Grünen und die Linken werden einen Untersuchungsausschuß durchsetzen, und dann werden Köpfe bei der Marine rollen, um Ministerrücktritte zu vermeiden!
@Fritz: Order of Battle gibt es bei CIMSEC – http://cimsec.org/wp-content/uploads/2015/06/TRITON.png ist etwas veraltet, aber dürfte bei Gelegenheit geupdatet werden
Falls es noch nicht genannt wurde:
Operation Commander wird der italienische Konteradmiral Enrico Credendino. Als seegehendes taktisches Einsatzhauptquartier wird der Flugzeugträger Cavour dienen. Italien stellt mit dem Konteradmiral Andrea Gueglio auch den Force Commander.
Diesem Hauptquartier sollen bis zu 8 Schiffe (auch U-Boote) und 12 Flugzeuge/Hubschrauber unterstehen. Bisher haben sich 14 Staaten entschlossen, sich an der Mission zu beteiligen: Belgien, Deutschland, Luxemburg, Spanien, Finnland, Frankreich, Ungarn, Italien, Litauen, Niederlande, Schweden, Slowenien, Großbritannien und Griechenland.
Quelle: EEAS (siehe http://eeas.europa.eu/csdp/missions-and-operations/eunavfor-med/index_en.htm)
Kampf gegen die Schleuser ist wie der Kampf gegen eine Hydra.
Solange diese Regionen destabilisiert sind und die Menschen keine vernünftige Zukunft vor Augen haben, solange werden unzählige Flüchtlinge nach Europa strömen.
Und alles was man tun kann, ist Mauern und Zäune bauen, Seewege überwachen und die Menschen sich selbst überlassen…
Denn eines ist auch klar, wir können nicht alle aufnehmen!
@P. Rombach
Zur Mission gehören –
Klaus-Peter Kaikowsky | 22. Juni 2015 – 14:24
ITA Träger CAVOUR ist Kommandoschiff. Dabei vier weitere Schiffe, 2 U-Boote acht Lfz / Hubschr. Nationen nicht benannt.
Info gem. @Marno de Boer – Den Haag
@Luftwebel
Der Auftrag komm vom EUMS (European Union Military Staff) nach politischer Entscheidung des europäischen Rates (die Regierungschefs), PK dazu gestern in Brüssel.
Der Auftrag wird, so ist zu erwarten, durch EinsFüKdo und weiter durch die Marine umgesetzt. Entscheidend ist zu Beginn, was die Ziffern 3a, b etc aussagen. Darüberhinaus natürlich die Einsatzmittel, die derzeit vor Ort sind, das ist zufällig eben auch ein Tender. Was folgt, wird sich zeigen.
Von ‚wischi-waschi‘ zu sprechen verbietet sich allein schon deswegen, weil wir die Befehlsgebung nicht kennen. 30-sec-spots im TV von unvorbereiteten, nicht informierten Sprechern, effektheischend zum Besten gegeben, sagen NICHTS aus.
Die Führung liegt logischerweise beim ITA OHQ in Rom. Somit stellt ITA auch den Force Commander.
Die drei beschlossenen Schritte – vereinfacht – sind
– Aufklärung
– Stoppen/Beschlagnahme
– Zerstören, auch in 12 Meilen-Zone und on-shore.
Wir befinden uns jetzt in Phase eins, zu zwei und drei fehlen Zustimmungen libysche Regierung (en) und/bzw des Sicherheitsrates der UN.
Abwarten also, keine operative Hektik!
@closius
wollte mich eigentlich für länger raushalten – aber Ihre Denke- Aufklärung ist was für FD- Boote- deckt sich mit der politischen Wahrnehmung. FD Boote klären auf.
Stimmt, aber auch nicht richtig.
Wiki hilft.
Definitiv nicht geeignet um Schleuserkontakte etc. zu „finden“, oder. Ab und an mal die Physik bemühen und erkennen, viel politischer Wille ist vor allem viel Quatsch.
Beispiel: um Handys „abzuhören“ muss man in Mastreichweite sein, wo liegt die wohl?
Weniger als der Tiefgang eines „Spionageschiffes“ reicht wohl definitiv, von Hoheitsgewässern mal zu schweigen.
Hauptsache „action“ – falls wirklich ein Boot wieder dafür runtersoll, kann man sich das BET sparen, mehr Platz für anderes.
Tender und U_Boot- genau, braucht kein Mensch mehr.
Den DEU Tendern fehlt die Laderampe, ansonsten haben die tolle Ferngläser und BZ Besatzungen, welche aus der nicht hinterlegten Rolle „Hilfe“ für DEU mehr machen, als jeder Hosenanzug.
@All
Nach meiner ersten dienstlichen Passage „Gibraltar“ vor über 20 Jahren, musste ich als „Führer der Seewache“ in der Syrte durch Felder mit toten Menschen und Tieren „pflügen“.
Eintrag ins Schiffstagebuch, der Weg ist das Ziel, damals nachdenkend,- heute- nur noch mehr Scheinheiligkeit, widerlich.
Hauptsache der Herbst kommt bald.
P.S, Bald soll uvdl die Schiffe wärend ihrer „wir müssen uns im hafen mal auskotzen zeit“ besuchen- ihr Termin kollidiert leider mit der Rettungszeit. EinsFüKdo sucht eine elegante Lösung. “ nur uvdl und ihrem Besuch ist es zu verdanken, das heute niemand ertrunken ist….“ oder so…
Besatzung freut sich auf selfies.
@KPK
na dann ist ja alles jut- Hauptsache einer versteht die Welt.
@KPK
Wie viele Andere in der „SiPo“ Verantwortung haben Sie nicht begriffen, wo die „Flucht“ oder die Gauckmäßige „Vertreibung“ anfängt.
NICHT am Mittelmeer.
Dort zu helfen sollte der Plan sein.
Wo ist dieser?
Mehr Leo, Boxer oder welche Tiere für wen, wie viele. auch immer – NEIN.
what for hell is SOC MINT, new in the atp seria?
@Les Grossman
SOCMINT, social media intelligence; sammeln, auswerten, countering von Einträgen in sozialen Netzwerken. Ist Untermenge von OSINT.
Da gibt’s viel zu tun, in Nordafrika, da die Herren „Schleuser“ ja eher selten via Kamelmelder kommunizieren. Und ganz zufällig ergeben sich dann Anknüpfungen für SIGINT und ELoKa.
Den Rest Ihrer Einträge versage ich mir zu kommentieren.
Zurückhaltung wird von mir freudig begrüßt (und jetzt bitte auch nicht weiter kommentiert).
Was passiert eigentlich mit deren Booten? Werden die an Ort und Stelle versenkt?
Haben wir, die EU, was verpasst? Laut „Zeit online“ hat sich der Balkan zur erfolgreichen Transferroute für Flüchtende alternativ zum Mittelmeer entwickelt.
„Während die europäische Öffentlichkeit auf das Meer vor Lampedusa blickt, während eine Militärmission versucht, gegen Schlepperbanden an der libyschen Küste vorzugehen, und die EU über Flüchtlingsquoten streitet, hat sich der Balkan zu einer Hauptroute für Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten entwickelt: Mittlerweile dürften es Zehntausende sein, die über die Türkei nach Griechenland gelangen und dann über Mazedonien und Serbien in den Norden Europas ziehen.“
Die Hauptroute ist offensichtlich von der TÜR-Küste aus Athen, Skopje, Belgrad. Dann – geteilt – entweder über Kroatien oder (noch, bis der Zaun steht) Ungarn, weiter Österreich/Deutschland. Da Viele Bahngleisen folgen, kommt es wiederholt, bei Nacht zu Todesfällen.
Zu evtl nötigen Maßnahmen seitens der EU/Frontex ist bislang nichts zu hören.
@Closius: Es wird schlicht nicht vorkommen, dass eine Einheit eine akute Rettung ablehnt mit der Begründung „muss noch Aufklärungsauftrag abarbeiten“. Die Trennung ist so nicht zu ziehen. Und abgesehen von Interviews mit den Flüchtlingen ist die Aufklärung offensichtlich an Land, also mit Erde unter den Füßen, durchzuführen (und ggf. noch dazu aus der Luft). Was da gerade läuft werden wir wohl eher nicht erfahren.
@Wundermann
Nach Anbordnahme der Schiffbrüchigen wird deren Boot in den allermeisten Fällen als Hindernis für die Seeschifffahrt deklariert und durch Versenkung beseitigt. Dazu wird zuvor die Antriebsanlage nebst zugehörigen Betriebsstoffe zur Vermeidung von Umweltschäden entfernt und vom Feldjägerkommando asserviert.
Anschließend freut sich das Oberdeckswaffenpersonal, statt Killertomate ein realistischeres Übungsziel bekämpfen zu dürfen und die 11er dokumentieren am Schornstein die Versenkung mit etwas schwarzer Farbe und einer Schablone, die einen Außenborder im Umriss zeigt.
@KPK:
Verpasst? Olle Kamellen. Well, vielleicht für #Neuländer in den Redaktionen.
Sollte der Heron nächstes Jahr in Afg einpacken dann ergeben sich jetzt schon genug Einsatzräume (Afrika/Balkan/Mittelmeer).
P.S.: Die EU ist letztendlich planlos und versucht sich in Event-Based Decision Making.