Start von EUNAVFOR MED: Deutsche Einheiten für Seenotrettung & Aufklärung

Die EU-Außenminister haben am (heutigen) Montag formal den Startschuss für die erste Phase der Operation EUNAVFOR MED (EU Naval Forces Mediterranean) gegeben: Neben die Seenotrettung von Migranten soll auch die Bekämpfung der Schleuser und ihrer Infrastruktur im Mittelmeerraum treten.

European Union militaries were ordered to step up surveillance in the south-central Mediterranean Sea in preparation for possible combat against human-trafficking gangs operating out of Libya.
In a prelude to the bloc’s riskiest military venture ever, EU foreign ministers meeting in Luxembourg approved the dispatch of five warships, two submarines, three reconnaissance planes, three helicopters and two drones to monitor smugglers and help with rescues at sea.

“The targets are not the migrants; the targets are those that are making money on their lives and too often on their deaths,” EU foreign policy chief Federica Mogherini told reporters on Monday.

berichtet die Wirtschaftsagentur Bloomberg vom Außenministertreffen in Luxemburg. Ob es über die Phase der Informationsgewinnung hinaus weitere Aktionen gibt, wird allerdings vor allem von der Zustimmung des UN-Sicherheitsrats abhängen.

(Nachtrag: Die Pressemitteilung des EU-Ministerrats dazu hier.)

Zum deutschen Anteil: Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sollen die beiden Schiffe, die bisher schon für die Seenotrettung bereit stehen, zugleich auch als Aufklärungseinheiten in die erste Phase von EUNAVFOR MED eingebunden werden. Konkret sind das derzeit die Fregatte Schleswig-Holstein und der Tender Werra.

Die Aussagen dazu von Oberst Ingo Gerhartz für das Verteidigungsministerium und Martin Schäfer für das Auswärtige Amt vor der Bundespressekonferenz:

 

BPK_EUNAVFORMED_22jun2015     

 

Die Briten (vermutlich auch andere) setzen dagegen auf zusätzliche Einheiten zusätzliche Fähigkeiten für diese Aufklärungsmission, wie der Telegraph berichtet:

Britain has committed HMS Enterprise, a Royal Navy warship, to the operation. The vessel is equipped with a Survey Motor Launch and was deployed in search-and-destroy operations against pirates in the Gulf of Aden and Somali basin.
Officers at GCHQ, the government listening station, will take part in eavesdropping operations against the smugglers, including detecting their money flows.
A small team of six British police officers have been deployed to Sicily to gather intelligence on the operations from migrants coming ashore.
Britain has also offered the use of surveillance drones.

(Korrektur: Wie ich inzwischen erfahren habe, ist die HMS Enterprise, ein Forschungsschiff, als Ersatz für das Landungsschiff HMS Bulwark vorgesehen – offensichtlich an dieser Stelle bei den Briten eine Reduzierung der Fähigkeiten, zumindest bei der Seenotrettung.)

Deutschland scheint dagegen an diesem Punkt zurückhaltend – jedenfalls wollte der AA-Sprecher, wie oben nachzuhören ist, zu einer deutschen Beteiligung über die beiden Marineeinheiten hinaus nichts sagen.

Nachtrag: Das Transkript des Audios oben:

FRAGE WIEGOLD: Herr Schäfer, Herr Gerhartz, die EU-Außenminister haben heute EU NAVFOR Med gebilligt. Können Sie vielleicht ein bisschen etwas dazu sagen, vor allem auch, in welcher Form und in welchem Umfang sich Deutschland an der geplanten ersten Phase der Bekämpfung der Schleuserkriminalität beteiligen wird?

GERHARTZ: Ich kann gerne beginnen. Die Außenminister haben das ja heute auf den Weg geschickt. Zur deutschen Beteiligung: Die Fregatte „Schleswig-Holstein“ und der Tender „Werra“ befinden sich schon seit einigen Tagen im Mittelmeer befinden; die Fregatte „Schleswig-Holstein“ hat dort auch schon mehrere Flüchtlinge gerettet. Das wird auch unser Beitrag in dieser Phase eins sein. Die Fregatte „Schleswig-Holstein“ verfügt eben auch über umfangreiche technische Möglichkeiten zur Aufklärung.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Das heißt, die gleichen Einheiten, die für die Seenotrettung bereitstehen, sollen auch die sein, die die Aufklärung betreiben; es sind keine weiteren, zusätzlichen Assets geplant?

GERHARTZ: Das ist korrekt.

DR. SCHÄFER: Es wäre, glaube ich, von meiner Seite aus ganz ungehörig, wenn ich das jetzt hier von Berlin aus bewerte, während der Außenminister sicherlich in wenigen Minuten in Brüssel selber vor die Presse tritt, um die Entscheidung, die er selber gefällt hat, vor Ihren Kollegen zu vertreten. Insofern versuche ich gerne, spezielle Fragen zu beantworten; aber ich glaube, die Entscheidung ist soweit. Es hat eine Entscheidung über einen Operationsplan gegeben, der alle drei Phasen umfasst, die ja bereits vor Monaten analytisch-politisch so angelegt worden sind. Heute ist darüber hinaus der förmliche Beschluss ergangen, die erste Phase in Gang zu setzen. Das begrüßen wir außerordentlich, und jetzt müssen wir gemeinsam versuchen, in dieser ersten Phase so schnell und so effizient wie nur irgend möglich voranzukommen. Dann wird sich bald sicherlich die Frage stellen, ob, wann, wie und auch mit welcher deutschen Beteiligung eine zweite Phase umgesetzt werden kann. Ich glaube aber, es ist jetzt zu früh, um sich da schon irgendwie auf eine Timeline oder konkrete Beiträge zu verständigen.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Die erste Phase besteht ja ausschließlich aus Intelligence im weitesten Sinne, also auf Aufklärung und Zusammenführung von Ergebnissen. Sind neben dem militärischen Anteil, den die Bundeswehr mit den beiden Schiffen stellt, in irgendeiner Form auch polizeiliche Erkenntnisse oder was auch immer als deutsche Beteiligung an der ersten Phase geplant?

DR. SCHÄFER: Es gibt bereits die von Herrn Gerhartz angesprochene Beteiligung der Bundeswehr und Deutschlands an dieser ersten Phase. Was es darüber hinaus geben könnte, werden wir sehen. Jedenfalls geht es darum, jetzt von einer Phase, in der wir uns um Seenotrettung gekümmert haben die weiter auf der Agenda bleibt , einzusteigen in eine Phase, die heute förmlich begonnen hat, in der es um mehr geht, nämlich nicht nur um Seenotrettung darum geht es natürlich immer noch , sondern auch um einen wirklich wirksamen Kampf gegen die Schleuserkriminalität, so wie sie sich in diesem Raum des Mittelmeers abspielt.

Ich möchte darüber hinaus die Gelegenheit Ihrer Frage nutzen, um darauf hinzuweisen, dass auch Außenminister Steinmeier heute Morgen, vor dem Beginn des Außenministertreffens in Brüssel, darauf hingewiesen hat, dass diese Schleuserrouten außerordentlich beweglich sind und dass wir auch er, der Außenminister in großer Sorge sind über die Zunahme der Zahlen von Flüchtlingen, die auf anderen Routen, nämlich insbesondere über die Türkei so muss man annehmen und über Griechenland, illegal in die Europäische Union einreisen. Das ist auch ein Thema, das wir in unseren Beratungen in Brüssel auf dem Schirm haben müssen einfach deshalb, weil die Erkenntnis zwar nicht neu, aber dennoch genauso wichtig ist, dass sich Schleuserrouten angesichts veränderter politischer Großwetterlagen oder veränderter Maßnahmen sehr schnell verändern können. Es bleibt dabei: Es braucht ein Gesamtkonzept, ein Konzept, das humanitäre Fragen genauso berücksichtigt wie alle anderen Fragen in diesem Fall die Bekämpfung der Schleuserkriminalität.

(Foto: Die Besatzung der Fregatte Schleswig-Holstein rettet am 20.Juni 2015 74 Kilometer nordwestlich von Tripolis 471 Menschen – 362 Männer, 88 Frauen und 21 Kinder – aus einem Holzboot – Bundeswehr/Achim Winkler)