Wirtschaftsminister verschärft Exportbestimmungen für Kleinwaffen – Keine Gewehrfabriken mehr außerhalb von NATO und EU
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat die Bestimmungen für den Rüstungsexport verschärft: Für so genannte Kleinwaffen, also vor allem Pistolen, Maschinenpistolen und Gewehre, gelten künftig für die Genehmigung der Ausfuhr in Drittstaaten außerhalb von NATO, EU und gleichgestellte Länder (wie Australien und Japan) strengere Regeln. Unter anderem müssen sich die Empfängerländer verpflichten, die Waffen nicht ohne Genehmigung innerhalb des Landes an eine andere Behörde weiterzugeben. Gewehr- und Munitionsfabriken, wie sie zum Beispiel noch 2008 für eine G36-Produktionslinie in Saudi-Arabien genehmigt würden, dürfen künftig grundsätzlich nicht mehr geliefert werden. Allerdings soll ein Vertrauensschutz für bereits erteilte Genehmigungen gelten; Ersatzteile für schon gelieferte Waffen dürften damit ebenso weiterhin eine Exportgenehmigung bekommen wie Zulieferteile für die saudi-arabische Gewehrfabrik.
Die Mitteilung des Wirtschaftsministeriums dazu:
Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, hat heute neue Grundsätze der Bundesregierung für die Ausfuhrgenehmigungspolitik bei der Lieferung von Kleinen und Leichten Waffen, dazugehöriger Munition und entsprechender Herstellungsausrüstung in Drittländer (Kleinwaffengrundsätze) veröffentlicht. Die neuen Kleinwaffengrundsätze treten neben die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom 19. Januar 2000, die weiterhin anzuwenden sind.
Bundesminister Gabriel: „Bei Rüstungsexporten denken viele zu allererst an U-Boote und Panzer – und nicht an so genannte Kleinwaffen. Dabei sind es Kleinwaffen, die in Bürgerkriegen die meisten Menschenleben kosten. Ihre Stückzahl liegt weltweit sehr viel höher als die anderer Rüstungsgüter. Und natürlich werden Kleinwaffen auch in Diktaturen zur Unterdrückung der Opposition eingesetzt. Auf der anderen Seite werden Kleinwaffen bei legitimen, hoheitlichen Aufgaben, etwa zur Grenzsicherung, als reguläre Ausstattung benötigt. Mit den neuen Kleinwaffengrundsätzen legt die Bundesregierung noch strengere Regeln an die Genehmigung von Exporten dieser besonders sensiblen Waffen an.“
Zu den wesentlichen Neuregelungen in den Kleinwaffengrundsätzen gehört das Erfordernis, über die schon jetzt übliche Reexportklausel hinaus in der Endverbleibserklärung die ausdrückliche Zusage zu machen, die Waffen weder an andere Länder noch innerhalb des Empfängerlandes an andere als die genehmigten Empfänger ohne Zustimmung der Bundesregierung weiterzugeben. Eine weitere Neuregelung stellt die grundsätzliche Anwendung des Exportgrundsatzes „Neu für Alt“ sowie für Zusatzbeschaffungen dessen Variante „Neu, Vernichtung bei Aussonderung“ dar. Danach müssen sich die staatlichen Empfänger verpflichten, die durch die Neubeschaffung zu ersetzenden Waffen zu vernichten. Soll durch die Neubeschaffung ein plausibler Mehrbedarf gedeckt werden und stehen daher keine Altwaffen zur Vernichtung zur Verfügung, muss sich der staatliche Empfänger ersatzweise verpflichten, die neu beschafften Waffen bei ihrer Aussonderung zu vernichten. Außerdem enthalten die Kleinwaffengrundsätze die Festlegung, grundsätzlich keine Genehmigungen für den Aufbau neuer Fertigungslinien von Kleinwaffen in Drittländern zu erteilen. Bestimmte Waffen werden grundsätzlich nicht für private Endempfänger genehmigt.
Zum Begriff der Kleinwaffen gibt es keine international einheitliche Definition. Die neuen Kleinwaffengrundsätze orientieren sich an der Definition im Anhang der Gemeinsamen Aktion der EU vom 12. Juli 2002. Als Kleinwaffen werden danach u.a. Maschinengewehre, Maschinenpistolen, vollautomatische Gewehre sowie halbautomatische Gewehre, wenn sie als Modell für Streitkräfte entwickelt und/oder eingeführt werden, definiert. Zudem werden Scharfschützengewehre und Vorderschaftrepetierflinten („Pump-Guns“) durch die Kleinwaffengrundsätze explizit einbezogen.
Die neuen Grundsätze im Wortlaut hier. Die Vertrauensschutzklausel, die in der Pressemitteilung nicht extra erwähnt ist:
Bei Ersatz- und Verschleißteilen, gleichartigen Ersatzmaschinen sowie Verbrauchsmaterialien für in der Vergangenheit gelieferte Herstellungslinien, wird der Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes berücksichtigt. Genehmigungen werden daher grundsätzlich auch in Zukunft erteilt. Dies gilt nicht für Lieferungen,mit denen eine Erhöhung der Kapazität oder Erweiterung des Produktspektrums beabsichtigt ist (sog. Up-grading).
Bleibt mehr für die Russen und Amis übrig.
Sicherheitspolitisch ist die Vorstellung der Bundesregierung sehr interessant, dass das Vorgehen der Saudis gegen Akteure wie den IS und verwandte Kräfte oder das Vorgehen mexikanischer Behörden gegen Drogenkartelle eine „Unterdrückung von Opposition“ darstellt. Vielleicht sollte man vor dem Hintergrund gleich die Waffenlieferungen an die Bundeswehr verbieten, die bekanntlich in Afghanistan ganz ähnliche „Opposition“ unterdrückt? Vor dem Hintergrund von so viel sicherheitspolitischem Verstand und analytischer Tiefe seitens der Regierung plädiere ich zudem dafür, dass das „B“ in BR Deutschland künftig für eine gelbliche Südfrucht mit rutschiger Schale stehen möge.
Mein erster Gedanke:Hr.Gabriel will sich wieder mal neu profilieren.
Leider hat er meiner Meinung die falschen Visionen.In Zeiten des „neuen kalten Krieges“ brauchen wir eine starke Waffenindustrie MIT Exportmöglichkeiten.
Gleichgestellte auch: http://www.abca-armies.org. Jedoch sind das ja nicht unsere Hauptabnehmer. Neben diesen, und den im Aufmacher genannten wohl auch noch Israel?!
Auch wenn ich eigentlich kein Fan vom SPD-Pop-Beauftragten bin: Ein paar seiner Aspekte sind richtig, auch wenn das nicht klar ausgesprochen wird.
– Es liegt im deutschen Interesse, möglichst wenige Waffen in den Händen potentieller Feinde in der Welt zu haben.
– Es liegt nicht im deutschen Interesse, andere zu befähigen, (bessere) Waffen zu bauen, mit denen dann ggf. unsere Feinde ausgerüstet werden.
– Export von Waffen an Freunde ist OK.
– Waffen sind ein besonderes Exportgut. Sie sollten nicht unter Gesichtspunkten wie Gewinnmaximierung exportiert werden. Bei Waffen/Rüstungsgütern sollten außenpolitische, sicherheitspolitische und industriepolitische Beweggründe im Vordergrund stehen.
Das heißt natürlich im Umkehrschluss, dass man die Haus- und Hoflieferanten der Bundeswehr zwecks Fähigkeitserhalts notfalls subventionieren muss …
@Staatsrechtler: Danke für Ihren Beitrag mit (im Gegensatz zur Regierung) „viel sicherheitspolitischem Verstand und analytischer Tiefe“.
Wenn sich der Schaum vor dem Mund irgendwann gelegt hat und die Sicht auf den Monitor wieder frei ist, dann können Sie ja mal bei Wiki den Aufstand in Bahrain 2011 nachschlagen. Da hat KSA nämlich militärisch die (friedliche) Opposition plattgemacht (mit Soldaten, die G-3s führten…). Vermutlich bezog sich das BMWi darauf und nicht auf die Alibi-Teilnahme der Saudis an den Luftschlägen gegen den IS (übrigens ganz ohne deutsche Kleinwaffen…)…
Und was Mexiko angeht… ach was solls, bevor ich mir die Finger wund schreibe, lesen Sie doch einfach selbst nach, wie „sauber“ der „War on Drugs“ seitens der Regierung geführt wird und wie stark oppositionelle Kräfte dabei unter die Ketten kommen:
http://www.hrw.org/americas/mexico
Verstehe ich das richtig:
Wenn ich als irgendein Staat deutsche Waffen haben will, muss ich also nicht nur zusagen, diese Waffen nicht an das (mein) Ausland zu verkaufen, sondern ich darf dann auch keine interne Umschichtung vornehmen (um bei mir einigermaßen bekannten Begriffen zu bleiben) von:
BW zu Bundespolizei
Bundespolizei zu BW
BW zu BKA (Personenschutz)
und was immer es noch an Möglichkeiten gibt.
Jetzt mal ehrlich: Auf die Möglichkeit, dass mir eine solche (mögliche) Umverteilung in ein paar Jahren vielleicht erlaubt wird würde ich persönlich nicht viel geben und vom Kauf Abstand nehmen.
Werferfehler
Ach Siggi … hör doch endlich auf die Linke zum Kuscheln aufzufordern. Du wirst eh nie Kanzler.
Sorry für die Polemik, zu mehr reicht es bei mir zu dem Thema nicht mehr.
@ADLAS-Doe
„…lesen Sie doch einfach selbst nach, wie “sauber” der “War on Drugs” seitens der Regierung geführt wird.“
Vielleicht sollte Deutschland statt Waffen eher Berater exportieren, die unwissenden Behörden in Staaten wie Mexiko oder Saudi-Arabien erklären, wie man irreguläre Kräfte bekämpft? Unser „sauberer“ Ansatz dazu in Afghanistan war schliesslich so erfolgreich…Sorry für die Polemik.
Es geht noch doller, für jede einzelne deutsche Waffe eine Einzelgenehmigung für jeden einzelnen Nutzer samt Protokoll und Führungszeugnis anfordern.
Ich glaube besser kann man die Exporte chinesischer, russischer, französischer, britischer und amerikanischer Waffen nicht ankurbeln.
@Georg II.: Die Mexikaner bräuchten tatsächlich eher Berater als Waffen – denn das mit dem „War on Drugs“ funktioniert jetzt schon seit Beginn eher mäßig erfolgreich. Da ist das Problem eher, dass man da versucht, das Drogenproblem wie einen irregulären Krieg zu führen. Erkennen übrigens mittlerweile auch Kollegen vor Ort (Kolumbien etwa) und versuchen da (zaghaft) erste andere Ansätze. Man wird sehen. Ob da unbedingt deutsche Berater die Richtigen wären – ich habe da so meine Zweifel, aber die bisherigen Berater haben es jedenfalls nicht gebracht…
Und den Saudis müssen wir eigentlich gar nicht beim Bekämpfen irgendwelcher „Irreguleären“ helfen, die haben sie im eigenen Land nämlich (noch) nicht und beim Niederschlagen der Opposition in Bahrain müssen/sollten wir ihnen ebenso nicht helfen.
Wo war noch mal ihr Punkt?
@Freiherr vom Stein:
1.) „– Export von Waffen an Freunde ist OK.“
2.) „– Es liegt im deutschen Interesse, möglichst wenige Waffen in den Händen potentieller Feinde in der Welt zu haben.“
Der Blick auf die Geschichte – und auch auf aktuelle Ereignisse – macht überdeutlich, dass es „Freundschaften“ zwischen Staaten nicht geben kann, sondern nur temporär gleichartige Interessen. Auch Militärbündnisse und -Partnerschaften sind nichts anderes als Interessengemeinschaften, die keine Ewigkeitsansprüche erfüllen können – und keinesfalls unverbrüchliche Freundschaftsbünde für alle Zeiten. Auch wenn an dieser Legende natürlich aus Legitimationsgründen für militärisches Planen und Handeln seit jeher fleißig gestrickt wird.
Wenn man also keine Freunde zuverlässig identifizieren kann, gilt dieses natürlich genauso auch für „potentielle Feinde“.
Gerade die Verbreitung von Kleinwaffen ist im Hinblick auf diese Problematik bedenklich:
– Mit ihnen ist mit relativ wenig Ausbildungsaufwand auch von nicht militärisch geschulten Personen relativ viel Schaden anzurichten – gerade auch im Hinblick auf die in Mode gekommenen „asymmetrischen Konflikte“.
– Sie sind vergleichsweise preiswert.
– Sie sind über Jahrzehnte ohne Wirkungsverlust lagerfähig.
– Ihre Logistik ist anspruchslos. Unauffälliger Transport auch über weite Strecken und Lagerung sind mit vergleichsweise wenig Aufwand möglich und kaum zu kontrollieren und aufzuklären.
Ich glaube auch nicht, dass sich durch irgendwelche „Vereinbarungen“ über den Weiterverkauf, etc. von solchen Waffen derlei Problematiken wirklich in den Griff bekommen lassen. Wer derlei Dinge einmal in seiner Verfügungsgewalt hat, der hat sie – und tapeziert sich möglicherweise irgendwann einmal grinsend die Wände mit völkerrechtlichen Verträgen.
Zur Klarstellung
„Unter anderem müssen sich die Empfängerländer verpflichten, die Waffen nicht ohne Genehmigung innerhalb des Landes an eine andere Behörde weiterzugeben.“
Dieser Satz bezieht sich nicht auf die Waffenfabriken, sondern auf aus Deutschland gelieferte Gewehre wie im Falle Mexikos, dass eine EVE abgab, die die zu beliefernden Bundesstaaten benannte, später aber auch weitere belieferte
@Wait&C
charmante Idee für eine größere Arbeitsbeschaffungsmaßnahme – angesichts der Stückzahlen :)