Seenotrettung im Mittelmeer: ‚Schleswig-Holstein‘ und ‚Werra‘ als Ablösung
Die Deutsche Marine stellt sich auf einen langfristigen Einsatz zur Rettung von Migranten aus Seenot im Mittelmeer ein und wird Anfang Juni erneut zwei Schiffe entsenden. Die Fregatte Schleswig-Holstein und der Tender Werra sollen in den nächsten Wochen die Fregatte Hessen und den Einsatzgruppenversorger Berlin ablösen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am (heutigen) Mittwoch auf Anfrage von Augen geradeaus!. Beide Schiffe seien für einen Mittelmeer-Einsatz von vier Monaten vorgesehen und sollten dann von zwei weiteren deutschen Kriegsschiffen abgelöst werden.
Die Hessen und die Berlin waren aus dem Einsatz- und Ausbildungsverband der Marine herausgelöst worden und hatten eigentlich auf der Rückreise von der Ausbildungstour das Mittelmeer nur durchqueren sollen. Beide Schiffe hatten vor der Küste Libyens hunderte von Menschen aufgenommen, die versucht hatten, mit seeuntauglichen Booten das Mittelmeer in Richtung Italien zu überqueren.
Ursprünglich war nur der Tender Werra als Ablösung vorgesehen gewesen; in der Spitze des Verteidigungsministeriums setzte sich aber die Ansicht durch, dass Deutschland mit mindestens zwei Einheiten an der europäischen Seenotrettungsmission teilnehmen müsse.
Die Einzelheiten des von der EU beschlossenen Pakets zum Vorgehen gegen die Schleuser der Migranten sind unterdessen noch in der Abstimmung unter den EU-Mitgliedsländern. Erst nach dieser Abstimmung und einem Operationsplan soll geprüft werden, ob und wie sich Deutschland auch mit militärischen Mitteln daran beteiligt. Unter anderem ist als erste Stufe des Vorgehens die Aufklärung von Schleuser-Infrastruktur geplant.
Ergänzung: Die europäische Grenzschutzagentur Frontex teilte ebenfalls heute mit, dass sie das Gebiet ihrer Operation Triton, der Seenotrettungsmission, deutlich ausweiten will. Das Suchgebiet soll künftig bis 138 Seemeilen (255 Kilometer) südlich von Sizilien reichen:
Frontex expands its Joint Operation Triton
Frontex Executive Director Fabrice Leggeri signed the amended operational plan of the Joint Operation Triton, expanding its operational area and bringing in a number of additional experts, vessels and aircraft.
The operational area will be extended to 138 NM south of Sicily. During the peak summer season, Triton will deploy 3 airplanes, 6 Offshore Patrol Vessels, 12 patrol boats, 2 helicopters, 9 debriefing and 6 screening teams.
(Foto: Aufnahme von schiffbrüchigen Flüchtlingen auf der Fregatte Hessen am 14. Mai – Bundeswehr/Jonack)
Die Schleswig-Holstein ist eigentlich als Ablösung für die Bayern bei Atalanta vorgesehen.
Seenotrettung im akuten Fall ist Pflicht aller Seefahrer, also auch der Marine. Der Marine das als Aufgabe mit Priorität vor Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen zuzuweisen, ist Mißbrauch dieser Kräfte.
Dazu chartert man eine Fähre o.ä., erklärt das Schiff der Sichtbarkeit halber kurzerhand zum Staatsschiff (wenn man das will) und los geht’s.
Aber wir bohren ja lieber Brunnen, bringen kleine Mädchen in neu errichtete Schulen, fliegen für Verbündete – nein, keine bösen Waffen, sondern – Sanitätsmaterial nach Afrika usw.
Man kann nur hoffen, dass uns unsere Verbündeten auf’s Dach steigen, weil wir uns aus militärischen Aufgaben herausstehlen, indem wir die ohnehin zu wenigen militärischen Kräfte absichtlich mit Gutmenschaufgaben binden.
@Uwe:
ich würde ihnen in allen Punkten rechtgeben, wenn sie nicht am Ende dieses sinnfreie G-Wort gebraucht hätten
@Uwe:
Ich denke Sie vermischen hier zwei dinge die man klar trennen muss.
1.
„Aber wir bohren ja lieber Brunnen, bringen kleine Mädchen in neu errichtete Schulen, fliegen für Verbündete – nein, keine bösen Waffen, sondern – Sanitätsmaterial nach Afrika usw.“
Hier rächt sich, dass so gut wie alle Politiker den zivilen Teil der Aufgaben, die bei Nationbuildig, Peacebuilding, etc. anfallen als Kernauftrag der BW verkauft haben um in der Bevölkerung die nötige Unterstützung für den jeweiligen Einsatz zu bekommen.
Dies ist sehr bedenklich und führt zu einer krassen Schieflage zwischen der Wahrnehmung in Deutschland und der Einsatzrealität.
2.
„Seenotrettung im akuten Fall ist Pflicht aller Seefahrer, also auch der Marine. Der Marine das als Aufgabe mit Priorität vor Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen zuzuweisen, ist Mißbrauch dieser Kräfte.“
Da Deutschland momentan nicht im Krieg ist und wir die Schiffe nicht von einer in Auflösung befindlichen Front abziehen müssen geht ihre Kritik an der Sache vorbei. Natürlich kann die BuReg+BuTag der Marine Aufträge erteilen, die nicht primär den Charakter eines Kampfauftrages haben. Problematisch wird es nur, wenn die Politiker versuchen Seenotrettung als Kernauftrag der Marine zu verkaufen.
Und das wir (als Deutsche) uns aus „militärischen Aufgaben herausstehlen“ liegt nicht an der tatsächlichen Verfügbarkeit der militärischen Kräfte, sondern an dem Willen der Politiker und vor allem an dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung.
Also, so ganz erschließt sich mir nicht die Begründung, warum man neben dem Tender auch noch eine Fregatte in den Seenotrettungseinsatz schickt, insbesondere weil ich fest davon ausgehe, dass für diese Fregatte andere Vorhaben geplant waren. Das schafft also weitere „Verdrängungseffekte“, es sei denn, die ursprünglichen SLH-Vorhaben werden gestrichen
Nun weitet FRONTEX auch noch das Operationsgebiet aus………demnächst prügelt man sich wohl um Schiffbrüchige …….
@klabautermann,
Als gepanzerte Landratte wage ich die Vermutung anzustellen, die Fregatte der geplanten, bewaffneten EU-Mission als ’stand-bye-force‘ zur Seite zustellen.
Ich vermute mal eher, dass „man“ einen stillen Abgang aus Atalanta macht…..wird ja zunehmend unübersichtlicher wg Jemen………….
Deutsche Regierungen befleißigen sich mit Sicherheit keines „stillen Abgangs“. Man meldet sich ab, nachdem zuvor im NATO/EU- Rahmen versucht würde, Ersatz zu finden.
@ Uwe
Es wird aber keine Seenotrettung betrieben, sondern es werden Schleusertätigkeiten übernommen.
Die wenigsten Schiffe sind dafür geeignet, um an einem Ziel anzukommen, also bestand die Gefahrensituation von Anfang an. Die Insassen handeln bewusst in die Gefahr hinein.
@Klaus-Peter Kaikowsky
Haben Sie die Ironie-Tags vergessen ?
;-)
Ja ja schicken wir die Marine ruhig weiter in jede Ecke der Welt, dank der Schaumweinsteuer hat der Kaiser ja eine Hochseeflotte……ohhhh moment mein Fehler wir haben ja weder einen Kaiser noch eine Flotte.
Mal im Ernst es werden die maximalen 4 Monate Auslandseinsatz propagiert, alles um Leute an Bord der seegehenden Einheiten zu bringen, und dann immer wieder das gleiche, übrigens seit Jahren schon ( habe selber 8 Jahre Seeerfahrung mit diversen Einsätzen) wir fahren erstmal los und schauen dann wie wir durchhaltefähig werden.
Bei teilweise 200 Abwesenheitstagen (Wache im Heimathafen NICHT mitgerechnet) pro Jahr brauch sich über die momentane Personalsituation niemand wundern. Doch wenn weiterhin zu allem Ja und Amen gesagt wird, wird sich auch daran nichts ändern.
Für Flüchtlingsrettung gibt es mit Sicherheit andere (bessere??) Mittel als eine deutsche Fregatte und einen Tender.
Es geht schon wieder los… ‚es werden Schleusertätigkeiten übernommen‘, steht jetzt schon hier, demnächst kommt erneut ‚die Marine leistet kriminelle Beihilfe für Schleusertätigkeit‘, usw, und so fort.
Also setze ich sofort alle Kommentare in diesem Thread auf moderiert; es scheint anders nicht zu gehen.
„in der Spitze des Verteidigungsministeriums setzte sich aber die Ansicht durch, dass Deutschland mit mindestens zwei Einheiten an der europäischen Seenotrettungsmission teilnehmen müsse.“
Den Satz finde ich besonders schön, da er nett umschreibt, das man Argumenten gegenüber nicht mehr aufgeschlossen zu sein scheint.
Über Sinn und Unsinn der Aktion, und hier meine ich Aktionismus, ist schon alles geschrieben worden.
Ich schrieb neulich bei Brunos Aufschrei, das da bald noch einer quicken müßte – wird er wohl auch bald tun, wenn dann, und das ist einem, mir Bekannten in Berlin, von seinen geistigen Vorturnern verkündete Absicht, das die Marine an allen bisherigen Verpflichtungen festhalten muss. Diese kennt ja mittlerweile ab B Ebene nur noch Steuerbordlichter (grün) und insofern wird man diese Herausforderung annehmen – da bin ich sicher!
So fährt man Material aber vor allem auch Personal ohne Not auf.
@ T.W.
Nein, so böse wie das sich anhören kann war das gar nicht beabsichtigt. Die Marine hat den legitimen Auftrag bekommen und gut ist.
Ich wollte eigentlich darauf hinaus, dass die gern genommene „Pflicht zur Rettung Schiffbrüchiger“ ja hier nicht zutreffen kann, da das Schiff / Boot seit Beginn der Fahrt eigentlich nicht seetüchtig war.
Das entbindet uns zwar nicht von einer Reaktion auf die Ereignisse, aber die Folgen sind schon etwas skuriel.
@Gast 12:52
Ich denke nicht, dass ich das vermische. Nur haben Sie es differenzierter ausgedrückt. Voll einverstanden mit Ihrer Formulierung!
Vielleicht ergänze ich auch noch, dass ich gegen die Wahrnehmung von „Gutmenschaufgaben“ an sich gar nichts einzuwenden habe (@Schwarzwolf 12:12: in offizieller Kommunikation würde ich sicher ein anderes Wortwählen – aber den platten Ausdruck versteht doch jeder). Aber, wie Sie ja auch sagen, das als typischen Teil der Aufgaben unserer Streitkräfte dazustellen, beruht doch nicht bloß auf unschuldiger Unkenntnis unserer Politiker. Da wird doch bewusst ein falsches Bild gezeichnet, und das geht mir gegen den Strich.
Monatelang hat sich die SLH auf ihren Atalanta Einsatz vorbereitet.
Die Arbeit ist jetzt also umsonst gewesen.
Mit Seenotrettung forciert man doch das Schleusertum nur, es brauchen immer weniger Leute Angst vor Schiffbruch zu haben, es wird doch alles getan sie zu retten.
@ T.Wiegold
Kleine Korrektur: Die Deutsche Marine beteiligt sich (noch) nicht an einer „europäischen Seenotrettungsmission“. Die Schiffe sind da im rein nationalen Auftrag.
Ich sag’s gerne noch mal: Wer grundsätzlich über die EU-Politik in dieser Frage debattieren möchte und immer wieder darauf pocht, dass Rettungsmaßnahmen die Schleuser unterstützen, wird sicherlich im Internet Foren finden, wo das in seinem Sinne debattiert wird.
Ich melde mich mal zu diesem Thema mit einer nichtrepräsentativen Meinung eines Angehörigen der SH. Auch wenn derjenige mir glaubhaft versichterte, damit die Stimmung der „gesamten“ Besatzung widerzuspiegeln.
Ich möchte das nicht bewerten und stelle das jetzt einfach mal ins Forum.
1. Wie @Gast2 schon schrieb: Die ganze Vorbereitung für den Atalanta-Einsatz wenige Tage vor der Abreise für die Katz.
2. AVZ-Satz statt Stufe 4 (78€ netto/Tag) nun Stufe 2 (46€ netto/Tag). Macht bei 4 Monaten -3900€ netto.
3. Ein erheblich Mehraufwand für die Besatzung an Zusatz-Wachen etc.
4. Ein erheblich größere psychische Belastung (Tote/Todkranke/….)
Sollte ich falsch liegen, dann bitte sofort korrigieren und mich ins Achtung stellen. Ich bin kein Marine-Insider.
Don´t shoot the messenger.
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/auslvzv_1995/gesamt.pdf
P.S.: Sollte jemand die monetäre Motivation als zynisch empfinden, dann ist das eben so.
@CRM-Moderator: Es hilft aber nichts, vor Lybien kann das Besatzungsmitglied erheblich effektiver wirken, nämlich deutlich mehr Leben retten und schützen. Die Hälfte seines Lebens übt der Soldat vergebens. SCNR
Hallo,
Bin neu hier und hab mal ne Frage weiß irgendwer wer dann die Operation Atalanta übernimmt wenn die SH im Mittelmeer operiert? So viel Fregatten sind ja sicher nicht so schnell dafür einsatzbereit und voll ausgerüstest bzw. die Besatzung voll ausgebildet und trainiert….
@CRM-Moderator: Wer die monetäre Motivation als zynisch empfindet, ist sicherlich gerne bereit, für den normalen Tagessatz x Monate von Heim und Familie abwesend zu sein.
Wer geht denn nun in den Ersatz bei Atalanta?
Am Horn von Afrika ist es doch seit geraumer Zeit sehr ruhig. Da ist doch eine P-3C als alleiniger deutscher Beitrag für ein paar Monate denkbar. Und dann ein EGV…
@Ottone:
Fallen ihnen sonst noch Orte auf der Welt ein, wo Soldaten deutlich mehr Leben retten und schützen?
ATALANTA ist ein Einsatz. Die Vorbereitung/Übung dafür hat viel Zeit und Geld benötigt. Wer übernimmt diesen Einsatz? Wer übt jetzt vergebens dafür?
P.S.: Wieso messen sie eigentlich die Effektivität eines Soldaten daran, wieviel Leben er retten und schützen kann? Wessen Leben?
@Deichpirat
Ob in Berlin auch so gedacht wird?
@CRM-Moderator: Weil unter dem Strich ATALANTA die gleiche Aufgabe hat: 1 .Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung (die Lieferungen des World Food Programme sind derzeit eher weniger bedroht), und 2. Schutz von Seeleuten (auch hier ist es sehr ruhig geworden).
@Ottone:
Unterm Strich is immer irgendwie was mit Weltfrieden.
Ansonsten sehe ich doch deutliche Unterschiede in den beiden Missionen.
– Bei ATALANTA wird versucht die Probleme der Zurückgebliebenen zu lindern.
– Bei „???“ oder nennen wir es „Einsatz zur Rettung von Migranten aus Seenot im Mittelmeer“ retten wir die Flüchtenden [bei ihrer versuchten illegalen Einwanderung].
@CRM-Moderator
Man sollte hier m.E. die politische Außendarstellung von der eigentlichen sicherheitspolitischen Motivation unterscheiden. Bei Atalanta geht es doch primär um die Abwehr von Piratenangriffen, und der Schutz der Hilfslieferungen ist eher ein Thema der politischen Kommunikation mit der man bestimmten Vorwürfen begegnen will. Auch die geplante Operation gegen Schlepper (wenn sie denn stattfindet) hätte primär das Ziel, illegale bzw. ungesteuerte Migration über das Mittelmeer zu reduzieren, und das humanitäre Argument ist v.a. InfoOps angesichts des moralisch aufgeladenen Klimas in den meisten EU-Staaten, in denen wesentliche Teile der meinungsbildenden Landschaft es nicht akzeptieren, dass man zum Schutz eigener Interessen mililitärisch handelt.
@T.W. Fregatte Hessen rettet 96 Menschen aus Seenot.
Meldung unter bundeswehr.de
@ T.Wiegold:
Ignorieren der Realität hilft leider nicht. Seenotrettung durch dritte Einheiten ist leider ein zentrales Planungselement der Schleuser – um nicht zu sagen das Geschäftsmodell. Dass die Marine damit eine gewisse „Rolle“ erfüllt, kann damit auch nicht negiert werden. Allerdings ist natürlich auch kein Kausalzusammenhang im juristischen Sinn zu sehen. Dennoch bitte keine Zensur a priori, nur weil nicht opportun. Differenzierung ist angesagt!
laut marine.de verließ am 1. juni die fregatte „schleswig-holstein“ mit ihrer besatzung ihren heimathafen wilhelmshaven. ziel ist das HORN VON AFRIKA !!!!!!. dort sollen die marinesoldaten an der eu-pperation atalanta teilnehmen und die fregatte „bayern“ ablösen und voraussichtlich anfang november 2015 nach wilhelmshaven zurückkehren.
von der teilnahme am seenoteinsatzes mit dem tender werra ist überhaupt keine rede….hier der (leider lange) link:
http://www.marine.de/portal/a/marine/!ut/p/c4/PYwxC8IwEEb_0V2KgsbNUgeXDi62bmd7lGByKelVQfzxJoN-D97y4MMbZoSebiJ1Uchjh_3gDvcXBEpAD13ZewZ2spC-GUjJkyj904LX8jEyDFFYi5VFXfaUSGOCOSb1pawp5QJuxN5UTW125rfqY7vtqbV2v2nO9QXnEI5fRWckwA!!/
[Der URL-Verkürzer speziell für Bundeswehrseiten, bw2.link, ist oben in einem der Reiter mit einem Klick erreichbar… T.W.]