Afghanistan: Snowden-Leak zu ‚Todesliste der NATO‘
Kurz vor dem Ende des ISAF-Einsatzes berichtet der Spiegel am (heutigen) Samstag vorab von einer NATO-Todesliste in Afghanistan. Das Dokument soll vom NSA-Whistleblower Edward Snowden stammen und belegen, dass die NATO-geführte ISAF-Operation auf teils fragwürdiger Grundlage über gezielte Tötungen von Aufständischen am Hindukusch entschieden habe.
Mehr als diese Vorabmeldung kenne ich bislang nicht; bei der obligatorischen Plausibilitätsprüfung fallen mir zwei Dinge auf: Handelt es sich tatsächlich um eine NATO-Liste oder um eine Liste der US-geführten Operation Enduring Freedom (OEF), auf die Snowden aufgrund seines Zugangs zu US-Material eher Zugriff gehabt haben dürfte? Und wenn der langjährige Provinzgouverneur von Balk, Mohammed Atta Noor (Foto oben, mit dem damaligen deutschen Kommandeur im Norden) auf dieser Liste stand – scheint das für ihn, der in den vergangenen Jahren für die Afghanen wie für die NATO immer öffentlich sichtbar war, keine Auswirkungen gehabt zu haben?
Die Spiegel-Vorabmeldung im Wortlaut:
SPIEGEL enthüllt geheime Todesliste aus Afghanistan
Neue Einblicke in die Geheimoperationen der Nato in Afghanistan: Bevor der Kampfeinsatz am Hindukusch nach 13 Jahren in dieser Woche offiziell endet, erhielt der SPIEGEL erstmals einen umfassenden Einblick in die sogenannte Joint Prioritized Effects List (JPEL), auf deren Basis die westliche Allianz in Geheimoperationen zahlreiche tödliche Einsätze durchführte. Die Liste, die zeitweise mehr als 750 Personen umfasste und bislang nur in Auszügen bekannt war, belegt unter anderem, auf welch dünnen und teils willkürlich anmutenden Grundlagen die Streitkräfte Verdächtige für die gezielten Tötungen nominierten. Viele waren Taliban der mittleren und unteren Ebene, manche gerieten nur auf die Liste, weil sie mit Drogen handelten. Zudem verließen sich die Nato-Kräfte den Unterlagen zufolge, die unter anderem aus dem Bestand von Edward Snowden stammen, bei ihrer Zielerfassung in erheblichem Maße auf technische Aufklärung. So nutzten sie einem britischen Dokument zufolge ein System der Stimmidentifizierung, bei dem es ausreichte, wenn ein Verdächtiger sich in einem überwachten Gespräch einmal namentlich identifizierte. „Predator“-Drohnen und mit Sensoren ausgerüstete britische Eurofighter suchten dafür die Funksignale am Hindukusch nach bekannten Mobiltelefonnummern ab. Innerhalb der folgenden 24 Stunden galt diese Stimmenerkennung demnach als „positive Zielidentifizierung“ und damit als Legitimation für einen Luftschlag – dies führte zu Verwechslungen und zum Tod von Zivilisten.
Der als „Top-Secret“ gekennzeichnete Datensatz offenbart erstmals auch die Kriterien, nach denen die Nato in Afghanistan über Leben oder Tod von Gegnern entschied. Der Tod von unschuldigen Zivilisten wurde bei den gezielten Tötungen explizit in Kauf genommen, wenn die Bedeutung des Ziels dies zu rechtfertigen schien. Selbst hohe Regierungsmitglieder finden sich auf der JPEL-Liste, etwa der mächtige Provinzgouverneur Atta Mohammed Noor.
Jennifer Gibson von der Menschenrechtsorganisation Reprieve sagt angesichts der neuen Erkenntnisse, der Krieg gegen den Terror und gegen die Drogen sei in Afghanistan offenbar „faktisch verschmolzen“: „Das ist aus juristischer Perspektive extrem problematisch.“ Die Organisation will die neuen Fakten nun prüfen und dann über rechtliche Schritte gegen die beteiligten Regierungen entscheiden.
(Archivbild: Mohammed Atta Noor mit dem damaligen deutschen Kommandeur im RC North, Brigadegeneral Frank Leidenberger, im März 2010 –
ISAFmedia via Flickr unter CC-BY-Lizenz)
Plausibilitätscheck, Stolperfalle 1: Snowden als Quelle. -> Unglaubwürdig.
Ernsthaft, ich habe inzwischen soviele „Enthüllungen“ mit Quelle Snowden vor der Nase gehabt, bei denen die von ihm und seinen Anhängern getroffenen Schlußfolgerungen nicht nur unbelegt waren sondern manchmal sogar direkt den als Beleg gehandelten Dokumenten widersprochen haben…
Was man wohl glauben kann: Snowden hat irgendeinem Bürokraten eine Liste von Namen gestohlen. Wozu diese Liste diente, weiß Snowden vermutlich selbst nicht.
Nun, targeting umfaßt mehrere Optionen – das geht vom normalen key leader engagement (KLE) über polizeiliche Maßnahmen (Festnahme) bis hin zu kinetischen Aktionen. Die Liste alleine besagt erst einmal gar nichts. Und daß Warlords („Drogenhändler“ – welche?) darauf stehen ist wohl nur für den SPIEGEL überraschend.
Sog. signature strikes haben natürlich immer das Risiko von erhöhten Kollateralschäden, schlußendlich entscheidet dann die Führung anhand des Lagebildes, ob „engaged“ wird.
Alles in allem ist der Neuigkeitswert eher gering.
Eine Abgrenzung zwischen ISAF und OEF mit Blick auf die JPEL ist aus meiner Sicht eine überaus deutsche Sichtweise.
Spätestens 2006/ 2007 wurden ISAF-intern die Voraussetzungen zur Abarbeitung der JPEL (fusion cell / ASIC, ISAF SOF) geschaffen. Unter der Führung von McChrystal und Petraeus gab es dann hier einen echten Schwerpunkt.
Wir hatten zwar stets rechtliche (!) Bedenken hier uneingeschränkt teilzunehmen. Aber in den Stäben waren Deutsche hieran zweifellos beteiligt. Trotz der rechtlichen Bedenken. Fürsorge?
Die Probleme beim Targeting zeigt diese PBS-Reportage aus meiner Sicht sehr gut (anhand eines Parlamentskandidaten in Badakshan): http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/kill-capture/&ved=0CCMQtwIwAA&usg=AFQjCNH–2ZLwfa-83tdBric53QFEBBARQ&sig2=09GbCaChhHBREqh0oyg8kA
Auch interessant das ausführliche Interview mit Petraeus.
Nachtrag.
Hier der korrigierte link:
http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/kill-capture/
@ Memoria
Falls der Link nicht fehlerhaft ist und die entsprechende Quelle schlicht und ergreifend nicht mehr existiert:
Welche primären Probleme wurden aufgeführt bzw. welche Aussagen von Petraeus wären hervor zu heben?
Und eine Minute später, hat sich das Problem in Luft aufgelöst…
Tja, dann schauen wir mal selber nach.
Noch ein Zufallsfund zum Thema JPEL und ISAF:
http://www.stroebele-online.de/themen/sicherheit/erststimme/erststimme/4279530.html
Man gibt damit ja indirekt durch Abgrenzungen zu, dass es i.R.v. ISAF eine kill/ capture JPEL gibt.
Mal sehen wie groß die mediale und parlamentarische Aufregung dieses Mal ist.
@all
Nur als Hinweis: Es soll auf dieser Liste auch Personen geben, bei denen der Hinweis ’no kinetic‘ steht. Was den Hinweis von TMS stärkt und die Bezeichnung ‚Todesliste‘ doch ein wenig infrage stellt.
Falls, FALLS, diese Liste echt ist, enthält sie eine Liste von Zielpersonen. Und mehr weiß man nicht. Eine Zielperson kann das Ziel von allem möglichen sein. Auch von Anwerbung oder Beeinflussung.
Der Begriff „Todesliste“ ist natürlich eine mediale bzw. politiische Zuspitzung.
Man kann ja Effekte in Netzwerken durch positive und negative „Anreize“ erreichen. Nichtkinetisch durch Geld, Erpressung (z.B. persönlicher Lebensstil, Straftaten), etc. – eigentlich ganz normales nachrichtendienstliches Geschäft. Kinetisch wiederum kann Festnahme (inkl. Tötung als Notwehr) oder gezielte Tötung sein.
Neu ist daran eigentlich nichts.
Aber in einem Land in dem man sich wundert, dass Streitkräfte außerhalb der Notwehr töten und Nachrichtendienste die Gesetze von Gastländern ignorieren vielleicht schon.
Die Empörungswelle hält sich hoffentlich in Grenzen.
Gehe mal davon aus, dass Foristen im Thread die JPEL bzw. ein Tgt aus der JPEL schriftlich in den Fingern hatten.
Targeting ist ein Tool zur Operationsplanung. Es folgt dem Targetingcycle:
Guidance – Target Development – Weaponeering – Kräfteansatz/Operationsplanung ( inklusive Collateral damage Assessment) Ausführung – Combat Assessment (Battle damage Assessment) – und dann geht das wieder von vorn los.
Hier mal ein paar gute Links zu entsprechenden Schaubildern. Die entsprechende NATO- Vorschrift kann man bestimmt auch finden. Das werde ich aber nicht hier reinposten.
http://www.globalsecurity.org/military/ops/air.htm
http://fas.org/irp/doddir/dod/jp3-56_1/3-56_1ch4.htm
Im Rahmen von Targetdevelopment wird eine JTL (Joint Trageting List) erstellt. Dort findet man (ganz salopp gesagt) alle Ziele, die möglich sind. Daraus wird eine NSL (No Strike List) extrahiert, um Ziele ganz bewusst aus der Operationsplanung zu nehmen ( Schulen, Krankenhäuser, Kirchen usw.). Bereits vor den ersten Boots on ground, gibt es eine JPL, die vom NAC bereits genehmigt ist! Vorrangig finden sich dort Infrastrukturziele. Diese preapproved targets sind wichtig, um überhaupt schnell Entscheidungen über notwendig werdende Angriffsziele zu treffen.
Und es wird eine Joint Prioritized Target List (JPTL) erstellt. Auf ihr findet man eben priorisiert, alle targets, die für eine Operation eine effektorientierte Relevanz haben.
Gerade im Rahmen von ISAF, aber auch in der aktuellen Targetinglandschaft findet man die JPEL. Das ist nichts anderes als eine JPTL, nur das man das Wort target durch effect ersetzt hat, um so deutlicher zu machen, dass es eben nicht nur um Kinetik geht.
Der Artikel ist also sehr reißerisch, das kann man alles auf kleiner Flamme kochen, hat aber eben auch einen wahren Kern.
Eine Todesliste ist die JPEL jedoch insgesamt gesehen nicht. Denn es kann als Ziel für Personen capture, influence/shape oder eben kill ausgegeben werden. Generell steht immer capture im Vordergrund. Schließlich kann man unter Umständen noch wichtige Informationen bekommen. Ist eben semioptimal für diese Maßgabe, wenn die Zielpersonen sich einer Gefangenname durch afghanische und Koalitionskräfte mit Hilfe massiven Waffeneinsatzes entziehen wollen und dann eben nicht mehr capture im Vordergrund stehen kann.
Sorry für die vielen Anglizismen, aber targeting lebt von diesen Fachtermini auch im Deutschen. Ich bin gespannt was da noch kommt. Da werden viele Politiker garantiert das ganz große Fass aufmachen, wo gar keines ist.
Dürfte auch eine erneute Bewährungsprobe für die Öffentlichkeitsarbeit des BMVg werden.
Wirkt man der zu erwartenden, hysterisch aufgeladenen Debatte fachlich und sachlich entgegen, oder lässt man zu, dass die Opposition eine Obstfliege zum Mammut aufbläht?
Wenn man das ganze mal nicht negativ beleuchten möchte, so schreibt man als Journalist vielleicht:
Koalitionskräfte planen ihre Operationen genau und präzise.
Durch E. Snowden wurde eine sogenannte Todesliste, die JPEL veröffentlicht. Diese stellt sich nach tieferen Recherchen als der Ausfluss eines komplexen Planungsprozesses der Militärs heraus, in der verfügbare Mittel auf ein bestimmtes Ziel projizierte werden, um Effekte zu erzielen. Der größte Mehrwert dieser Liste ist die Vermeidung der Gefangennahme/Beeinflussung und Zerstörung oder Tötung von nicht operationsrelevanten Zielen.
Nicht die Militärs vor Ort entscheiden wer auf die Liste kommT. Sie unterbreiten Vorschläge. Jede Nation hat ihre nationalen Vorbehalte und Prozeduren, um die Politik zu Hause um Bestätigung zu bitten. Etc. etc.
Was in DEU „nervt“ ist die Scheinheiligkeit der pol Fü: jeder weiß, daß targeting gemacht wird aber man tut so, als ob das nicht stattfände bzw. man will es gar nicht (nicht so genau) wissen, insbesondere, wenn es doch kinetisch werden könnte.
Ergänzung zu Eule:
Targets sind natürlich nicht nur Personen, wobei diese in den bisherigen, aktuellen Szenarien im Vordergrund stehen.
http://www.nato.int/nrdc-it/magazine/2009/0911/0911d.pdf
(nicht eingestuft, sehr leicht zu finden, wie auch das amerikanische FM) – es gibt da noch einen zweiten Folgeteil.
Wieso Nachtrag? Ich spreche doch auch von Infrastrukturzielen.
Nachtrag:
http://armypubs.army.mil/doctrine/DR_pubs/dr_a/pdf/fm3_60.pdf
Nota:
Allgemein zugänglich, im Netz frei verfügbar, approved for public release, distribution is unlimited. Soweit zur angeblichen Geheimniskrämerei.
Die Vorabmeldung liest sich nach einer Fortsetzung eines früheren Artikels, den man bei einer Suche nach „JPEL“ auf spiegel.de findet:
„Abschusslisten made in Germany“, 8/2010
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-72462683.html
(englische Version: http://www.spiegel.de/international/germany/capture-or-kill-germany-gave-names-to-secret-taliban-hit-list-a-709625.html)
@ Eule
Eine derartige Auseinandersetzung mit der Thematik wäre ein angenehmes, verspätetes Weihnachtsgeschenk der Medien.
Nur, alleine die Begrifflichkeit „Ziel“, angewandt auf ein menschliches Wesen, würde einen Journalisten hierzulande in der Regel den Job kosten.
Dass Menschen auch Ziele sein können, ist nach Auffassung einiger Angestellten in diesem Bereich, eine Aussage, die nur von antidemokratischen Militaristen getroffen wird, welche das Ziel verfolgen die Parlamentsarmee in eine neue Wehrmacht zu verwandeln.
Na, dann ist wohl die Polizei nah am Rand der GESTAPO wenn sie von Zielpersonen spricht?!
Das ist wirklich ein sehr leidiges Thema.
@Ein Leser:
Den Link (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-72462683.html) wollte ich auch gerade einstellen.
Es zeigt neben einigen interessanten Details (nationales Genehmigungsverfahren durch EinsFüKdoBw) auch die mediale Empörung und das Wegducken der Politik.
@Eule:
Nach meinem Eindruck ist unser Targeting jedoch schon von Bedenkenträgerei und Verantwortungsdiffusion durchsetzt.
Der Prozess gem. AJP ist ja das eine, die nationale Umsetzung ja das andere. Ressortübergreifend…
Das Thema ist ja nicht AFG-spezifisch zumindest der Intel-Anteil ist ja auch bei anderen Einsätzen von elementarer Bedeutung (force protection). Wenn man u.a. bei EUTM Mali die Führung übernehmwn will und auch im Irak eine führende Rolle über nehmen will, dann sollte man in dem Bereich mal die Hausaufgaben machen. Gleiches gilt für die Bündnisverteidigung (Speerspitze unter deutscher Führung).
ISAF war da nach meinem Eindruck für uns nicht gerade ein Katalysator für große Fortschritte im FGG 2.
Im Gegensatz zu bspw. den Skandinaviern.
Oder bin ich da zu pessimistisch?
@Patrick S.
Daher heißt das ja auch High Value Individual (HVI) – quasi VIP Status.
Das EinsFüKdo genehmigt nicht. Es ist nur Teil im Prozess. Es wird auf politischer Ebene im BMVg genehmigt.
@memoria: Je nach Kontingent konnte man schon im FGG 2 Fortschritte erkennen und gute Arbeit leisten. Man darf hier nicht vergessen, dass Targeting eben nicht FGG 2 ist! Das Target Development ist vorrangig FGG 2. Targeting ist FGG 5! Operational planning. Und so wurde das auch in ISAF ausgeplant. Im FGG 2 waren „nur“ Target Support cells ausgebracht. Für das gesamte Targeting waren die Operationsplaner verantwortlich. Und das waren Schweden und Norweger. Aber die Verzahnung war natürlich enorm.
Ergo ist die Frage an sich falsch gestellt, Memoria.
Da hat er mal eben noch gut eingeschoben! Das kauf ich dann schon und stimme zu!
@memoria:
Sie sind zu pessimistisch was die deu Rolle im fgg 2 angeht. Deutsche stoffze spielen beim verfassen der ajp’s in diesem Bereich eine nicht zu unterschätzende Rolle. und nicht nur im Bereich s2-‚zaun‘. Im täglichen Dienst wird auch viel unverkrampfter mit der Thematik (hier vor allem targeting) umgegangen als man es glauben mag. Man hat hier doch eine recht lange Leine vom Ministerium.
Durch den Einschub hat er jedoch nicht ganz unrecht. ISAF hat uns doch ein wenig Know how im Bereich Infrastrukturtargeting gekostet. Auch im FGG 2. es war einfach zu sehr die Konzentration auf Personen. Wir haben das doch bei Pegasus gemerkt, das wir in dem Bereich eine ausbaufähige Kaltstartfähigkeit haben.
@Eule:
Mir ist schon klar, dass Targeting eine FGG-übergreifende Thematik ist, aber ohne Intel keine action. Daher die Frage. Und genau die Schwankungen zwischen den Kontingenten sind Anzeichen für ein systemisches Problem – insbesondere in im Bereich der AusbildungAusbildung.
@EloKa:
Danke. Hoffentlich bleibt die Leine lang und die Lernkurve steil.
Diese Schwankungen nur auf mangelnde Ausbildung bei Deutschen zu beziehen verstehe ich nicht. Eben genau weil im Bereich Targeting so viele mitmischen. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass es bei uns eher die Skandinavier waren, die ihre Johnnys schickten.
Die Ausbildung in Deutschland ist solide und auf einem deutlichen Aufwärtstrend!
@ Eule
Ja, ist ein leidiges Thema. Aber nun mal ein real vorhandenes, welches die öffentliche Debatte ab und an beeinflusst.
Das ähnliche Kritik (wenn auch nicht in dieser Qualität) an Polizeikräften geübt wird, dürfte Ihnen bekannt sein.
Ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass die von Ihnen angedachte Behandlung der Thematik durch Journalisten, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht in dieser Form umgesetzt werden wird. Wobei ich davon ausgehe, dass Ihnen die Intention meines Kommentares klar war.
@ Thomas Melber
Ja, kann man als Entscheidungsträger so umdeuten. Wobei es nach Lesart der Gutmenschen noch zu nah am „nicht mehr zeitgemäßen, technokratischen und kalten Militärsprech“ ist.
@Patrick:
Mir war schon klar worauf das abzielte. Da haben Sie vollkommen recht. Mein Hinweis auf die Polizei war ein Anflug polemischen Ausdrucks meines Ärgers über die immer wiederkehrende Verdrehung von Tatsachen durch einige Medien.
Bin ich auch von ausgegangen. Also alles kein Problem.
(Ah, fiktive Streitpunkte, wo kein Streit ist. Man merkt, es weihnachtet…)
@Eule:
Danke.
Gut, dass es „wenigstens“ in diesem zentralen Bereich der Ausbildung im Bereich MilNW Fortschritte gibt.
Hier noch ein Klassiker zum Thema (von T.W.):
http://www.focus.de/politik/deutschland/afghanistan-im-zweifel-toeten_aid_229838.html
Ich bin, was die rechtlichen Grundlagen angeht, in keinster Weise versiert und immer wieder über die Verquickung von nationalem Recht (insbesondere Strafrecht) und internationalen Rechtsgrundsätzen erstaunt.
Die deutsche Haltung, Grundsätze der Verbrechensbekämpfung hierzulande auch in Kriegsgebieten anwenden zu wollen, erscheint mir doch ein wenig bizarr. Da sehe ich keine Übereinstimmung der Maßstäbe („vor Gericht stellen“) und der äußeren Umstände.
Auch erschließt sich mir die, für Einige, quasi-religiöse Bedeutung des GG (und Gesetzen im Allgemeinen) nicht so ganz. Unantastbar? Auf ewig gültig? Nach diesem Maßstab dürfte unsere aktuelle IBUK ohne Erlaubnis ihres Gatten nicht berufstätig sein. Wobei, in diesem Bereich versteht man offensichtlich, dass sich die Welt und die Umstände verändert haben.
Wie weit wird die Realitätsverweigerung zukünftig ausgereizt? Mittellose Taliban gehören auf Kaution frei, da nur geringe Fluchtgefahr besteht?
Bin bisher davon ausgegangen, dass man es mit einem selbstauferlegten Verbot der gezielten Tötung zu tun hat. Oder findet sich da tatsächlich eine bindende Rechtsgrundlage?
@Patrick S.
Das Wehrstrafrecht gilt eben auch im Auslandseinsatz, ins. §1a – Auslandstaten (in Bezug auf das deutsche Strafrecht).
Der Dienstherr wäre schon aus Fürsorgegründen verpflichtet, gerade für den Bereich targeting eindeutige Regelungen zu erlassen.
@Memoria
Was dieser T.W. alles geschrieben hat im Laufe der Jahre ;-)
Diese Geschichte aus dem Jahr 2007 war allerdings, ehe auch aus deutscher Sicht in Afghanistan ein ’nicht-internationaler bewaffneter Konflikt‘ herrschte.
Die Forderung nach Rechtsgrundlagen für targeting in ISAF ist obsolet. Es ist m. E. nach alles klar geregelt und der Targeteer hat auch Handlungssicherheit. Und unser Rechtsberater sah keine dieser Probleme (im Jahre 2013).
Viel interessanter wäre doch die grundlegende Frage zu klären, wann wir uns im Krieg befinden! Und das bitte an der Realität orientiert. Würde ISAF als Kriegseinsatz gelten, hätten wir keine Not für gesonderte Regelwerke.
Das löst natürlich nicht die Problematik für andere Einsätze, die dann eben nur als Krise verstanden werden.
Wichtig ist ein Verständnis zu etablieren, dass targeting nicht als gezieltes Töten vereinfacht. Das ist einfach nur falsch!
@T.Wiegold:
Schon klar, es zeigt aber sehr schön, wie sehr juristische Argumente vorgeschoben wurden. Wie auch bei der Mandatsdiskussion um den Irak in diesen Tagen erkennt man:
Angebliche rechtliche Probleme lassen sich auf einmal politisch lösen.
Zudem wird ja sehr plastisch dargestellt, dass ein gewisser GenMaj Kasdorf zu dieser Zeit mit diesen Fragen auch betraut wurde. Wie konnte man dann dies rechtlich rechtfertigen?
Wie so oft: Wenn es gerade politisch paßt dann versteckt man sich hinter Paragrafen. Gerne macht man international was anderes, weil es eben auch politisch in den Kram paßt.
Daher bin ich immer sehr skeptisch, wenn ich höre wir könnten im sicherheitspolitischen Bereich etwas aus völker- und verfassungsrechtlichen Gründen nicht tun.
@Eule:
ISAF war nach langem hin und her ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt, ergo (Bürger-)Krieg.
Genau dies meinte ich mit systemischen Denkblockaden…
Zeigte sich besonders plastisch bei offensiven C-IED-Maßnahmen.
Da liegen wir ja wohl alle auf einer Linie. Das Krieg politisch nicht sexy ist, dürfte klar sein. Das dieser Terminus jedoch für Soldaten eine Handlungssicherheit im Sinne des verfügbaren „Werkzeugkastens“ birgt, dürfte ebenso klar sein.
Und die Deklaration eines Szenarios als Krieg muss eben durch die Politik trotz aller Bedenken realistisch ins Kalkül gezogen werden. Ich hoffe, dass ISAF dazu beigetragen hat. Wenn auch nur bei einigen wenigen.
@ Thomas Melber
Danke.
Tja, dann bleibt aktuell wohl nur die Option Amtshilfe+Neubewertung Finaler Rettungsschuss+Schussabgabe d. Präzisionsschützen eines SEK…
Was das Thema Fürsorgepflicht angeht:
Meine mich da an eine Diskussion bezüglich Auslandseinsatz auf dem afrikanischen Kontinent zu erinnern. Themenkomplex: Schusswaffengebrauch/ Minderjährige/ weibliche Kombattanten
Zum Thema ausbildung MilNW:
Es gibt Fortschritte, aber die Ausbildungseinrichtungen ist strukturell auf den Brocken MilNW nicht eingestellt. Qualitativ ist die Ausbildung im Jahr 2014 viel besser als in den Jahren davor. Und das Personal an der SchStrat tut sein Möglichstes!
@Eule, 19:44
Ich denke, eine juristische Bewertung steht noch aus. Bisher wurden nur „Checkpoint-Zwischenfälle“ verhandelt und die causa Kundus.
Je nach Bewertung der Drohneneinsätze könnte da auch etwas anderes dabei herauskommen.
Immerhin haben wir ja nun eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für solche Sachen (Kempten).
http://augengeradeaus.net/2012/10/kempten-kunftig-zentrale-staatsanwaltschaft-fur-auslandseinsatze/
Ein weiteres Problem sehe ich in der Verfügbarkeit von gutem und vor allem einsatzerfahrenem MilNw-Personals. Das braucht derzeit nämlich jeder. Durch den Aufwuchs in der Neustrukturierung der Bw saugt immernoch jeder Org-Bereich kräftig die Erfahrungsträger.
Das BAPersBw muss deshalb viele Quereinsteiger auf DP bringen. Und darunter leiden wir dann in der FOC!
@Memoria,19:48
Die in Frage kommenden Straftaten sind aber Offizialdelikte, da muß dann ermittelt werden sofern es einen hinreichenden Tatverdacht gibt. Alles andere wäre Rechtsbeugung, und da hat die Politik eben nichts zu sagen (obwohl die Staatsanwaltschaften natürlich weisungsgebunden und nicht unabhängig sind).
Danke für die Punkte, Thomas Melber.
@Eule:
Vielen Dank für die Antworten.
Deckt sich mit meinen Eindrücken.
Man hat erkannt, dass hier Handlungsbedarf besteht.
Die notwendigen Konsequenzen (qualitativ und quantitativ) lassen jedoch noch auf sich warten.
Aber man ist wohl wenigstens auf einem guten Weg – im Gegensatz zu anderen Bereichen (Fliegerei).
@Thomas Melber:
Dann schauen sie sich die Verfügung zur Einstellung des Verfahrens gegen Oberst Klein an.
Dort bezieht man sich mehrfach auf politische Einordnungen.
Das andauernde Hin- und Herschieben von Verantwortung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative zeigt dieses Thema besonders prägnant.
Die Bundesregierung – insbesondere in der ersten Amtszeit Merkel – hat die Soldaten rechtlich und tatsächlich über Jahre im Stich gelassen. Die Doppelzüngigkeit beim Targeting war hier nur die Spitze des Eisberges an Verantwortungslosigkeit.
Es ist eine Phrase, aber Gut Ding will Weile haben. Wir sind froh, dass wir aufwachsen. Und dabei geht es uns wie anderen Bereichen auch. Die Schlüsselstellen liegen bei Personal/Ausbildung und Technik/vorrangig IT.
@Patrick S. „Die deutsche Haltung, Grundsätze der Verbrechensbekämpfung hierzulande auch in Kriegsgebieten anwenden zu wollen, erscheint mir doch ein wenig bizarr.“:
Aber ist die Nichtanwendung weniger bizarr?
Wir haben da einen vor sich hinköchelnden Bürgerkrieg mit externer Beteiligung, dessen Ende nicht absehbar ist. Der Krieg ist keine Ausnahmesituation sondern er ist der Alltag, in dem die Menschen leben und der Menschen und Gesellschaft prägt.
Die jungen kennen nichts anderes als den Krieg, die älteren sind teilweise in andern Kriegen aufgewachsen, wo es Friueden gazwischend
@Eule:
Das Thema IT wollte ich besser nicht anschneiden…
Im Bereich MilNW kann man aus meiner Sicht mit Ausbildung und Personalauswahl sehr viel voranbringen.
Daher schaue ich da mittlerweile auch positiv hin.
Nachtrag zu Memoria 20:21.
Sehr treffend. Jedoch hat man ja schmerzlich aus diesen Fehlern gelernt. Das verbinde ich mit der Hoffnung, dass kommende Konflikte schneller einer konkreten Zuordnung, gerade im juristisch sattelfesten Gefüge, durch die Politik erfahren.