Neues Afghanistan-Mandat, neue Aufgaben

Das Bundeskabinett hat am (heutigen) Mittwoch erwartungsgemäß das Mandat für den neuen Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr nach dem Auslaufen von ISAF zum Jahresende gebilligt und dem Bundestag zur Beschlussfassung geschickt. Die Rahmendaten sind seit gestern weitgehend bekannt: Bis zu 850 Soldaten (und nicht, wie zuvor öffentlich genannt, 600 bis 800 Soldaten) sind die Obergrenze für die deutsche Teilnahme an der Resolute Support Mission, die unter NATO-Kommando ab 1. Januar 2015 am Hindukusch beginnt.

Mit der neuen Mission ändern sich auch die Aufgaben der internationalen Truppe, deren Löwenanteil nach wie vor die USA stellen werden. In erster Linie sollen die Afghanen mit Beratung unterstützt werden, ein Kampfauftrag ist im Grunde nicht vorgesehen. Dafür werden wie bislang deutsche Soldaten in der Hauptstadt Kabul und in Masar-i-Scharif im Norden stationiert – im so genannten Nabe-Speiche-Modell, bei dem Kabul die Nabe und die Außenkommandos, wie bislang bei ISAF die Regionalkommandos, die Speiche bilden sollen.

Die (gewachsene) Zahl von Bundeswehrsoldaten für das neue Mandat ist allerdings nicht allein den Beratern geschuldet; ein Teil (vermutlich der überwiegende) des deutschen Kontingents hat andere Aufgaben, die dann auch ohne Kampfauftrag in gefährliche Situationen führen könnten. Im Überblick aus dem Mandatstext:

• Mitwirkung an der Führung von Resolute Support Mission in Afghanistan, auch durch Übernahme der Verantwortung als Rahmennation für den Betrieb der Speiche Nord in Mazar-e Sharif, einschließlich eines Beitrags zur Erstellung eines Lagebildes;
• Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte auf ministerieller, national institutioneller und strategischer Ebene in Kabul sowie auf national institutioneller Ebene, der Korpsebene und auch auf niedrigeren Führungsebenen der afghanischen Spezialkräfte in Mazar-e Sharif;
• Sicherung, Schutz und ggf. Evakuierung und Bergung militärischer und ziviler Kräfte und Mittel der Resolute Support Mission sowie designierter ziviler Kräfte („in extremis support“).
• Sicherstellung des Betriebs des militärischen Anteils Flugplatz Mazar-e Sharif;
• Sicherstellung des Stillstandsbetriebs des strategischen Lufttransportstützpunktes Termez in Usbekistan;
• Verwundetenlufttransport (AIRMEDEVAC);
• Unterstützung des deutschen Generalkonsulates in Mazar-e Sharif mit Personal zur Bearbeitung der individuellen Gefährdungsanzeigen von ehemaligen und aktuellen afghanischen Mitarbeitern des deutschen Einsatzkontingentes (Ortskräfte);
• Beitrag zur zivil-militärischen Zusammenarbeit;
• Rückbau militärischer Infrastruktur, Aussonderung und Verwertung im Einsatzgebiet sowie personelle und materielle Rückverlegung.

Interessant werden dabei neben dem Lufttransport Verwundeter die Aufgabe Sicherung, Schutz und ggf. Evakuierung und Bergung militärischer und ziviler Kräfte und Mittel der Resolute Support Mission sowie designierter ziviler Kräfte. Denn dieser Auftrag ist nicht auf das Einsatzgebiet Kabul, das absehbare Hquptquartier in Bagram und Nordafghanistan beschränkt:

Der Nordatlantikrat hat Afghanistan als Operationsgebiet festgelegt. Ausbildung, Beratung und Unterstützung durch die deutschen Kräfte, finden in Kabul, Bagram und in Mazar-e Sharif, darüber hinaus in Einzelfällen und zeitlich begrenzt auch im übrigen Operationsgebiet statt. (…) Sicherung, Schutz und ggf. Evakuierung und Bergung militärischer und ziviler Kräfte und Mittel der Resolute Support Mission sowie designierter ziviler Kräfte („in extremis support“) sind nicht regional beschränkt und können im gesamten Operationsgebiet stattfinden. Hierfür können auch Spezialkräfte, in der Regel unter Einbindung der afghanischen Sicherheitskräfte, eingesetzt werden.

Im Klartext: Als eigentliche Berater wird wohl nur ein geringerer Teil der bis zu 850 Soldatinnen und Soldaten fungieren, sowohl die Schutzkomponente als auch die Zahl derjenigen, die weiter abbauen, dürfte größer sein.

Die Italiener haben übrigens inzwischen auch ihre Beteiligung an Resolute Support konkretisiert; 500 Soldaten sollen im Westen des Landes, in Herat, stationiert werden – wo bislang auch das italienische ISAF-Regionalkommando war.

Wer (wie ich) über den Begriff Sicherstellung des Stillstandsbetriebs des strategischen Lufttransportstützpunktes Termez gestolpert sein sollte: Seit der vergangenen Woche sind die Transall-Maschinen der Luftwaffe abgezogen; an fliegendem Gerät hat die Bundeswehr in Masar-i-Scharif jetzt noch CH53-Hubschrauber und Heron-Drohnen. Und zum Personalwechsel fliegt inzwischen der (ungeschützte) Truppentransporter Airbus A310 direkt nach Masar.

Zwei Nachträge sind hier noch nötig:

Das Kabinett hat mit dem Mandat auch den Fortschrittsbericht Afghanistan gebilligt: Viel erreicht, aber noch nicht am Ziel

und: die heutigen Meldungen aus Kabul klingen nicht gut.

Khaama Press: Taliban attacks rise by 68 percent in major cities of Afghanistan

 (Archivbild August 2012: Mentoring des Advisoring Team der Bundeswehr für ein Infanterie-Bataillon der afghanischen Armee im Außenposten Hazrat-e Sultan – Sebastian Wilke/Bundeswehr)