Neues Afghanistan-Mandat, neue Aufgaben
Das Bundeskabinett hat am (heutigen) Mittwoch erwartungsgemäß das Mandat für den neuen Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr nach dem Auslaufen von ISAF zum Jahresende gebilligt und dem Bundestag zur Beschlussfassung geschickt. Die Rahmendaten sind seit gestern weitgehend bekannt: Bis zu 850 Soldaten (und nicht, wie zuvor öffentlich genannt, 600 bis 800 Soldaten) sind die Obergrenze für die deutsche Teilnahme an der Resolute Support Mission, die unter NATO-Kommando ab 1. Januar 2015 am Hindukusch beginnt.
Mit der neuen Mission ändern sich auch die Aufgaben der internationalen Truppe, deren Löwenanteil nach wie vor die USA stellen werden. In erster Linie sollen die Afghanen mit Beratung unterstützt werden, ein Kampfauftrag ist im Grunde nicht vorgesehen. Dafür werden wie bislang deutsche Soldaten in der Hauptstadt Kabul und in Masar-i-Scharif im Norden stationiert – im so genannten Nabe-Speiche-Modell, bei dem Kabul die Nabe und die Außenkommandos, wie bislang bei ISAF die Regionalkommandos, die Speiche bilden sollen.
Die (gewachsene) Zahl von Bundeswehrsoldaten für das neue Mandat ist allerdings nicht allein den Beratern geschuldet; ein Teil (vermutlich der überwiegende) des deutschen Kontingents hat andere Aufgaben, die dann auch ohne Kampfauftrag in gefährliche Situationen führen könnten. Im Überblick aus dem Mandatstext:
• Mitwirkung an der Führung von Resolute Support Mission in Afghanistan, auch durch Übernahme der Verantwortung als Rahmennation für den Betrieb der Speiche Nord in Mazar-e Sharif, einschließlich eines Beitrags zur Erstellung eines Lagebildes;
• Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte auf ministerieller, national institutioneller und strategischer Ebene in Kabul sowie auf national institutioneller Ebene, der Korpsebene und auch auf niedrigeren Führungsebenen der afghanischen Spezialkräfte in Mazar-e Sharif;
• Sicherung, Schutz und ggf. Evakuierung und Bergung militärischer und ziviler Kräfte und Mittel der Resolute Support Mission sowie designierter ziviler Kräfte („in extremis support“).
• Sicherstellung des Betriebs des militärischen Anteils Flugplatz Mazar-e Sharif;
• Sicherstellung des Stillstandsbetriebs des strategischen Lufttransportstützpunktes Termez in Usbekistan;
• Verwundetenlufttransport (AIRMEDEVAC);
• Unterstützung des deutschen Generalkonsulates in Mazar-e Sharif mit Personal zur Bearbeitung der individuellen Gefährdungsanzeigen von ehemaligen und aktuellen afghanischen Mitarbeitern des deutschen Einsatzkontingentes (Ortskräfte);
• Beitrag zur zivil-militärischen Zusammenarbeit;
• Rückbau militärischer Infrastruktur, Aussonderung und Verwertung im Einsatzgebiet sowie personelle und materielle Rückverlegung.
Interessant werden dabei neben dem Lufttransport Verwundeter die Aufgabe Sicherung, Schutz und ggf. Evakuierung und Bergung militärischer und ziviler Kräfte und Mittel der Resolute Support Mission sowie designierter ziviler Kräfte. Denn dieser Auftrag ist nicht auf das Einsatzgebiet Kabul, das absehbare Hquptquartier in Bagram und Nordafghanistan beschränkt:
Der Nordatlantikrat hat Afghanistan als Operationsgebiet festgelegt. Ausbildung, Beratung und Unterstützung durch die deutschen Kräfte, finden in Kabul, Bagram und in Mazar-e Sharif, darüber hinaus in Einzelfällen und zeitlich begrenzt auch im übrigen Operationsgebiet statt. (…) Sicherung, Schutz und ggf. Evakuierung und Bergung militärischer und ziviler Kräfte und Mittel der Resolute Support Mission sowie designierter ziviler Kräfte („in extremis support“) sind nicht regional beschränkt und können im gesamten Operationsgebiet stattfinden. Hierfür können auch Spezialkräfte, in der Regel unter Einbindung der afghanischen Sicherheitskräfte, eingesetzt werden.
Im Klartext: Als eigentliche Berater wird wohl nur ein geringerer Teil der bis zu 850 Soldatinnen und Soldaten fungieren, sowohl die Schutzkomponente als auch die Zahl derjenigen, die weiter abbauen, dürfte größer sein.
Die Italiener haben übrigens inzwischen auch ihre Beteiligung an Resolute Support konkretisiert; 500 Soldaten sollen im Westen des Landes, in Herat, stationiert werden – wo bislang auch das italienische ISAF-Regionalkommando war.
Wer (wie ich) über den Begriff Sicherstellung des Stillstandsbetriebs des strategischen Lufttransportstützpunktes Termez gestolpert sein sollte: Seit der vergangenen Woche sind die Transall-Maschinen der Luftwaffe abgezogen; an fliegendem Gerät hat die Bundeswehr in Masar-i-Scharif jetzt noch CH53-Hubschrauber und Heron-Drohnen. Und zum Personalwechsel fliegt inzwischen der (ungeschützte) Truppentransporter Airbus A310 direkt nach Masar.
Zwei Nachträge sind hier noch nötig:
Das Kabinett hat mit dem Mandat auch den Fortschrittsbericht Afghanistan gebilligt: Viel erreicht, aber noch nicht am Ziel
und: die heutigen Meldungen aus Kabul klingen nicht gut.
Khaama Press: Taliban attacks rise by 68 percent in major cities of Afghanistan
After NDS announced 68% increase in violence in big cities, it is the 5th blast in #Kabul in 2 weeks. Kabul police expects more in 3 weeks.
— Khalil Noori (@KhalilNoori) November 19, 2014
(Archivbild August 2012:
)
MAl ein kurzer Bericht von einer heutigen Veranstaltung der Körber-Stiftung die nachdenklich stimmt.
Es trug vor Guido Steinberg zum Thema „Al Qaidas Deutsche Kämpfer““ (Buchvorstellung).
Vortrag soweit in Ordnung bis ein Exkurs zur deutschen Operationsführung im Norden kam.
Tenor: Deutsche völlig passiv, versagt, immer wieder vor dem Gegner verzagt… nur die Amerikaner haben post surge agiert.
Eine Differenzierung in Perioden (bis 2008/2008-12/ab 2012) wurde nicht gemacht.
Anwesend war auch recht starke Offiziersdelegation (vermutlich FüAk Aspiranten). nach Ende des Referats durch Steinberg Fragestunde.
Irgendwann steht Offizier Typ „Fallschirmjägermajor“ auf und macht klar das seine eigene Erfahrung im Gefecht bei Kundus ein etwas anderes Bild ergeben hätte was die taktische Bewährung deutscher Soldaten im Gefecht anginge (die Strategischen defizite hat er auch gesehen und angesprochen) ob das Steinberg nicht klar sei?
Stimmung im Publikum: Hätte er nicht etwas mäandert hätte es spontanen Applaus gegeben.
Steinberg hat dann laviert, von anonymen Quellen fabuliert und letzlich nur die lamoryante „nur die amerikaner könnens“ platitüde widerholt.
Mit stellt sich jetzt die Frage: Wenn selbst einem rennomierten Terrorismusexperten die soldatische Leistung deutscher Soldaten a la Isa Khel usw. nicht bewusst ist, hat hier nicht die Kommunikation der Institution auf ganzer Linie versagt? Der Major war geradezu ungläubig frustriert da die Leistung (rein taktischer Natur) seiner Männer offenbar auch von jemandem der es wissen müsste nicht wargenommen bzw. wertgeschätzt wird.
Was das für die Motivation eines Soldaten bedeuten muss der Kameraden verloren hat kann man sich wohl ausmalen. (ich bin dann nachher hin und habe noch mal Anerkennung ausgesprochen. da hat mich selbst ein Oberstleutnant angeguckt als wär ich der Messias ;-) )
Quintessenz. müsste die BW nicht deutlich offensiver die soldatischen Leistungen der eigenen Truppe würdigen wenn sie offenbar jetzt schon in vergessenheit geraten zu drohen? pour encourager le autre nach Außen und Innen?
Sind es wirklich neue Aufgaben?
Rein praktisch unterscheiden sich ISAF 2014 und RSM 2015 nicht wirklich, oder übersehe ich was?
Auch interessant wie man in D weiterhin „in extremis“ sehr eng auslegt.
Nun simuliert man halt nochmal ein Jahr Präsenz und Effektivität.
In der Einsatzvorbereitung gibt es jedoch weiterhin erhebliche Defizite.
Was haben wir daraus gelernt?
Offenbar weniger als Russland aus Georgien in wenigen Wochen im Jahr 2008.
@wacaffe
Ich kenne diesen Major. Gebirgsjäger übrigens, nicht Fallschirmjäger, mit ziemlicher Gefechtserfahrung. Ich kann mir die Situation lebhaft vorstellen…
In der Tat (auch) eine Frage der Kommunikation. Ob es nun generell auf ein Versagen von Kommunikation hindeutet oder mit dem Referenten zu tun hat – ich weiß es nicht…
waren Sie auch da? da hätte ich doch noch einen Rotwein springen lassen ;-)
ad rem vermutlich beides. internes kommunikationsversagen gepaart mit unkenntnis bei Steinberg.
Trotzdem muss das eigentlich jedem Image Menschen bei der BW Gedanken machen.
Den Personalern wie gesagt auch. solche erfahrungen demotivieren wohl wie keine andere.
@wacaffe:
Der Karfreitag/ Isa Khel ist bei aller Leistung der Beteiligten ein Beispiel für das komplette Fehlen einer strategischen, operativen und taktischen Linie.
Eine Reflexion dieser Zusammenhänge findet weiterhin in der Bundeswehr nicht statt.
Stattdessen wird über fehlende Unterstützung der Bevölkerung, anderer Ressorts und NGOs fabuliert.
Nochmal: Da war die russische Armee im gleichen Zeitraum deutlich lernfähiger.
@ memoria
es ging jetzt aber um Offensivoperation Halmazag und die Leistung des Majors und seiner Männer wärend dieser im Oktober, nicht um Karfreitag Isa Khel.
Das war sicherlich kein „Beispiel für das komplette Fehlen einer…. und taktischen Linie.“
strategische und operative ebene sind davon scharf zu trennen, wie ich oben schon angedeutet habe.
mir geht es ja auch eher um das auch von der BW verschuldete perzeptionsdefizit was militärische Leistungen der eigenen Truppe angeht und was das für die Selbstachtung der involvierten Soldaten bedeutet.
aus den gefechtsberichten a la der „panzergrenadier 2011“ könnte, ja müsste man deutlich mehr machen. http://fkpg.de/archiv-der-panzergrenadier/
das ist doch das kerngeschäft!
@wacaffe:
Über Halmazag gibt es ja auch geteilte Meinungen.
Der Bundeswehr fehlt weiter jede Reflexionsfähigkeit.
Die operative Ebene kann man davon nicht trennen – gerade als Stabsoffizier. Ein reines „wir-haben-aber-gut-gekämpft“ ist ebenso unzureichend wie „Nur der Ami kann es“.
Kerngeschäft? Was ist das für die Bw?
Lufttransport? Sanität? Logistik? Führung?
Gewaltanwendung?
Daher kommuniziert man halt auch nicht sinnvoll (siehe Showroom)
Nachtrag zu Halmazag:
http://augengeradeaus.net/2013/10/fernsehen-unser-krieg-mission-afghanistan/#comment-79412
Aber wir sind halt Weltklasse.
Fehler haben Politiker und Zivilisten gemacht.
Dieser Grundtenor – gerade im Offizierskorps – offenbart ein weit über AFG hinausgehendes Problem:
Die kulturelle Unfähigkeit institutionell zu lernen.
Daher wird die Bundeswehr auch für unsere Sicherheit jeden Tag irrelevanter – bleibt aber mindestens gleich teuer.
sie diskutieren gerade an dem thema vorbei das ich hervorheben wollte.
es ging rein um das emotional- empathische Aufmerksamkeitsdefizit hinsichtlich der operationen und dem Phlegma der BW diesbezüglich komunikativ tätig zu werden.
militärfachlich analytisch sind wir doch einer Meinung was nach mehreren Jahren gemeinsamer AG Aktivität doch klar sein müsste ;)
Das sind aber 2 Seiten einer Medaille:
Wenn ich mit mir selbst nicht im Reinen bin, dann kann ich eben auch nicht klar und damit glaubwürdig kommunizieren.
nein!
es gibt eben doch ein richtiges Leben im Falschen. Wer als Leutnant aufgrund katastrophaler höherer militärischer Operationsplanung und innerhalb eines normativ politischen Umfelds agiert das den erfolg des eigenen Handelns a priori unmöglkich macht kann trotzdem objektiv anerkennungswürdige wenn nicht gar -pflichtige leistungen erbringen.
Diese Bewährungen müssen dann offensiv kommuniziert werden sofern man sich als Armee ernst nimmt und vor seinen Soldaten nicht völlig das Gesicht verlieren will.
genau darum und nur darum ging es mir. so war auch der major zu interpretieren. die taktische führung vor Ort ist für höheres systemversagen und institutionelle feigheit nicht verantwortlich zu machen.
(abstraktes gedankenexperiment: aberkennung der medal of honor für alle Vietnamausgezeicneten? Krieg ging doch wegen Strategisch-operativem versagen verloren?)
@wacaffe:
Und warum sollte die Führung derlei kommunizieren – und damit das eigene Versagen deutlich machen?
Da bleibt man halt lieber auf Kuschelkurs.
Gefechte in Afghanistan? Interessiert eh nicht mehr.
Jetzt macht man Attraktivität und Showroom.
@ Memoria:
In der Tat sehe ich im Bezug auf die Mission nur alten Wein in neuen Schläuchen. Wenn Die Ministerin behauptet: „Eine Kampfmission geht zu Ende und die Unterstützungsmission beginnt“ dann ist die Frage, ob ihr jemand schon einmal die Abkürzung „ISAF“ übersetzt hat.
@memoria
Ernsthaft – was verlangen sie von der Bw? Im Einzelnen? Bitte keine Platitüden wie „sinnvolle Kommunikation“ mit sowas schmeisst hier jeder um sich.
Ich persönlich finde es nicht schlecht das wir die Kommunikation über unsere Einsätze nicht all zu offensiv bestreiten. Wer fragt bekommt auch Antworten aber ich muss es nicht jedem auf die Nase binden. Was bei einer ausufernden Berichterstattug passieren kann – können sie ja an Vietnam ablesen.
Viel wichtiger wäre mir als Betroffener erstmal die interne(!) Kommunikation. Solange wir die Themen, Inhalte und Ereignisse der Einsätze noch nicht einmal unter Soldaten pflegen, unterrichten und diskutieren ist z.B. „Lessons learned“ ein Treppenwitz.
Ich würde gerne mal eine Umfrage machen unter Soldaten was sie mir zu Halmazag, Libelle, Southern Cross oder Sharp Guard (für mich verschiedenste Meilensteine) erzählen können. Sie wären bitter überrascht (ich war es bisher all zu oft).
Wenn Soldaten schon nichts über ihre Einsätze wissen, warum sollte ich dann vorneweg alle anderen darüber informieren. Erstmal im eigenen Bereich kehren.
Zum Mandat: mehr als Schulterzucken erzeugt der Text nicht. Warum auch? Das ist typisches Mandatsgewäsch ala „alles kann soll muss aber nich“. Interessant wird es wenn feststeht welche Einheiten welchen auftrag mit wem wie Ausführen soll.
Anhand derer ersten Einsatzberichte kann man sich dann Gedanken über Erfolg und Zweckmäßigkeit der mitärischen(!) Arbeit unter RS machen. Vorher ist es arg Kristallkugellesen.
RS ist wie ISAF lediglich die militärische Komponente eines Gesamtansatzes. Ob sinnig oder nicht müssen andere Entscheiden. Es ist aber nicht der Fokus – eine solche Mission war OEF und da sahs auch in vielen Punkten anders aus. Das sollte man auch immer im Hinterkopf behalten
@Jas:
Ich erwarte von der Kommunikation der Bw gar nichts (mehr).
Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass seine Idee der Kultur der Bw widerspricht.
Das zeigen ja auch ihre Beispiele zur internen Kommunikation.
Gefecht ist halt nicht kulturbestimmend.
Im Grundsatz riecht mir das nach: Zurück zu den Wurzeln!
Man hat gelernt, dass die Afghanen unsere Lebensweise gar nicht wollen und man sie ihnen mit unserem Wertesystem auch nicht „in die Köpfe bomben“ kann und will. Im Prinzip finde ich das gut, es steht uns nicht zu, anderen Völkern unser Wertesystem mit Gewalt aufzuzwingen. Zwischen unseren Werten und denen der Afghanen liegen Jahrhunderte.
In diesem Zusammenhang könnte man jetzt als Exkurs feststellen, dass andere Wertesysteme wie der Kommunismus oder der Islamismus hier durchsetzungsstärker sind, da sie zu einer anderen Brutalität als wir bereit sind. Beispiele hierfür wären die Unterwerfung Südvietnams nach 1975 oder die aktuellen Erscheinungen des Islamischen Staates.
Der Preis unserer aufgeklärten Werte kann eine Unterlegenheit gegenüber archaischen skrupellosen Werten sein. Die Frage, wie wir das Paradoxon auflösen, unsere aufgeklärten Werte unter Einhaltung von Rechtstaatlichkeit, Humanität und mitmenschlicher Feindesliebe gegen gewaltsam vorgehende inhumane Werteordnungen zu verteidigen, ist nach wie vor ungeklärt.
Was uns sehr wohl zusteht, ist dafür zu sorgen, dass von Afghanistan für uns keine Gefahr ausgeht. Darin legitimiert sich wohl das neue Mandat. Von einem entwicklungsorientierten „in der Fläche“ Ansatz geht es zu einem punktuell repressiv orientierten „Special Operations“ Ansatz über. Wir wollen die Afghanen nicht mehr zu unserem „Freund“ machen, sondern die paar Figuren totschlagen, die unser Feind sind. Um den Rest kümmern wir uns nicht mehr. Das Gesicht des afghanischen Staates ist zukünftig nicht mehr der Nato-Soldat, sondern der afghanische Staatsdiener. In den 1970ger Jahren nannte man das mal (strukturell betrachtet) „Vietnamisierung des Konflikts“. Man könnte jetzt Rupert Neudeck und seine Boatpeople fragen, was die individuellen Folgen der Vietnamisierung waren …
Das bedingt im nächsten Schritt, dass das „Lebensmodell Afghanistan“ nicht mit dem „Lebensmodell Deutschland“ kompatibel ist, zumindest im Grundsatz. Es wird also in Zukunft bis auf weiteres eine Abschottung voneinander geben/geben müssen, da die von ISAF beabsichtigte Herbeiführung einer Kompatibilität von Werten und Lebensweisen gescheitert ist.
Von AFG und von den Taliban selbst ging nie eine wirkliche Gefahr aus.
??? Analog zu den russischen Soldaten in der Ukraine, die sich nur verlaufen haben?
Hier wurde vor kurzem ein interessanter Artikel zum Thema Wahrheit gepostet:
http://schumatsky.de/RusslandLuege.htm
Ein ähnliches Verhaltensmuster gibt es auch bei Islamisten, nennt sich Taqīya-Prinzip bzw. wird gern aus Sure 3:28 hergeleitet.
@ FvS
Die Taliban waren ein nach innen gerichtete national-religiöse Stammesherrschaft. Ihr außenpolitisches Interesse war auf Pakistan ausgerichtet.
AFG ist doch nur in den Fokus geraten, weil sie die saudischen Attentäter des 11./9. samt ihrer Hintermänner nicht ausgeliefert haben. Nach der offiziellen Drohung hätten das wohl die wenigsten muslimischen Staaten getan.
Freiherr vom Stein | 20. November 2014 – 10:08
Wirklich DIE (=alle) Islamisten? – Der Taqiiya bedienen sich die Anhänger der Schiat Ali, unter den Sunniten ist es gar verpönt.
Islamisten im Sinne derer, die sich den Islam zur Durchsetzung politischer Ziele zueignen (ISIS et al) wollen ihre Ideologie nicht verstecken; im Gegenteil.
na ja, das Prinzip der plausible deniability ist bestimmt auch von Putin oder dem Propheten erfunden worden.
Zurück zum Thema: solange in der afghanischen poppy-industry mehr Arbeitsplätze existieren als in den Sicherheitsstrukturen wird sich in diesem Land nicht viel ändern.
Die Beteiligung der NATO an RS ist imho eine reine Solidaritätsgeste gegenüber den USA, die das Land aus geo-strategischen Gründen weiterhin unter ihrer Kontrolle halten wollen.
Vor allem muß der AFG Staat wohl daueralimentiert werden; Mittel, die dann eben bei uns fehlen.
@ Roman | 20. November 2014 – 10:46
Außer Kuba und Nordkorea fallen mir keine weiteren Staaten ein, die bei der Verfolgung von al-Qaida nicht kooperiert haben. Und bei diesen beiden Staaten war es nicht relevant.
Selbst Länder wieder Sudan haben damals gesagt: „Holt sie euch!“
Wäre Ihre Behauptung richtig, hätten sich die Taliban von al-Quaida distanziert. Aber die Taliban und 55 Brigade al-Qaidas waren halt zu eng verwoben …
@ dxx | 20. November 2014 – 11:01
Im Islam gibt es wohl mindestens so viele unterschiedliche Auslegungen der heiligen Schriften wie in anderen Weltreligionen. Die Auslegungen der Islamisten zeichnet aus, dass ihre Auslegung das religiöse Fundament für ihr Morden liefert/liefern soll. Je nach gerade gelagerter Motivation werden dann auch Sunniten oder Schiiten zu „Ungläubigen“ definiert, weil sie eben nicht der „einzig wahren Auslegung der Islamisten“ folgen – und anschließend dahingemetzelt. Diese Vorgehensweise können wir auf der arabischen Halbinsel doch gerade mal wieder live und in Farbe beobachten. Diese Islamisten wollen ihre Ideologie selbstverständlich nicht verstecken. Daher begründen sie ihre eigenartige Weltsicht ja mit dem Koran und sehen sich in Mohammeds Tradition.
@ Thomas Melber | 20. November 2014 – 12:14
Man könnte ja die EU-Mittel für Gaza streichen und nach Afghanistan lenken …
Natürlich fehlt jeder Euro, der für Entwicklungshilfe ausgegeben wird, im eigenen Land. Daher sollte sich Deutschland langsam so etwas wie eine außen- und sicherheitspolitische Strategie zulegen, die dann eben auch Ausgaben für Entwicklungshilfe plausibel rechtfertigen müsste.
Nach ISAF light sieht mir dieses Mandat nicht aus. Sehe ich das richtig, dass deutsche Soldaten nur noch in Kabul und Mazar-e Sharif eingesetzt werden sollen? Was ist mit der übrigen Nordregion? Ausbildung, Beratung und Unterstützung auf Korpsebene und – für die Spezialkräfte auch auf niedrigerer Führungsebene – in Mazar-e Sharif? Wenn der Kommandeur des 209. ANA Corps nach Kunduz oder Badakhshan will, bleibt der deutsche Advisor dann in MeS? Und die Spezialkräfte, wenn das AFG PRC außerhalb von MeS zum Einsatz kommt? Wenn das ein Mentoring nur noch innerhalb der Feldlager in MeS ist, gibt es da schon einen deutlichen Unterschied zu ISAF 2014.
Und was ist eigentlich mit Unterstützung für die ANSF, gerade „in-extremis“? Kein Close-Air-Support mehr, sondern nur noch für eigene Kräfte und Zivilisten der Nachfolgeoperation?
Sehen das die anderen an Resolute Support beteiligten Nationen, insbesondere natürlich die Amerikaner, genauso? Und falls nicht, läuft das wieder darauf hinaus, dass seitens des HQ in Kabul Forderungen an MeS gestellt werden, die, weil deutsch, nicht erfüllt werden können?
Falls das so sein sollte, klingt das eher wie ISAF vor 2008/9; wir wollen zwar mitspielen, aber mit den „bösen“ Dingen nichts zu tun haben.
Bin jedenfalls mal gespannt, wie das Bundestagsmandat im Ergebnis aussieht…
Ach ja, gibt’s auch eine neue Taschenkarte, die im Wesentlichen auf Notwehr beschränkt ist?
RSM gibt es doch nur weil die Amerikaner aus strategischen Gründen in AFG bleiben wollen.
@Thomas Melber
> RSM gibt es doch nur weil die Amerikaner aus strategischen Gründen
> in AFG bleiben wollen.
Ist „strategische Gründe“ eine Umschreibung für „über Afghanistan wirkende Regionalpräsenz“? Grosses Engagement dafür sehe ich nicht aber als Nebeneffekt wird das sicher gerne mitgenommen, auch wenn man das billiger in den Nachbar-Stans bekommen kann. Und solange in Afghanistan kein Ramstein 2 entsteht ist das sowieso nur eine Elefantenmücke.
Die Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung in Afghanistan nicht nur die einfachere Erklärung, auch die genannten Truppenkontingente sehen eher nach Nationbuilding denn Ramstein 2 aus.
@Wait&C
For nation building muß es dort erst einmal state building geben (staatliche Strukturen, Verwaltung, u.a.).
RSM wird die staatliche Ordnung nicht aufrechterhalten können wenn die TB nicht mitspielen. War nicht ein amerikanischer Großstützpunkt geplant, ähnlich wie im Irak?
@streifen:
Genau diese Fragen (Begleitung, Auslegung in extremis, ROE) stelle ich mir auch.
Aber wer stellt diese Fragen an der richtigen Stelle? Gerade bei in extremis gibt es wohl in anderen Landesteilen eine andere Auslegung. Haben wir hier wie 2008/2009 wieder faktische caveats?
Und in Kabul wird es auch nicht ruhiger – Beschuss auf deutsche Kräfte:
http://tinyurl.com/m5gtz57
Die Amerikaner scheinen RSM anders zu interpretieren:
http://www.nytimes.com/2014/11/22/us/politics/in-secret-obama-extends-us-role-in-afghan-combat.html
Das erinnert sehr an die Diskussionen bei der ISAF-Ausweitung auf das gesamte Land.
Die Deutschen wollen zwar groß mitmachen, aber nicht da wo es unbequem wird (Kampf, ROE).
Gibt es deutsche caveats – in offizieller Form oder de facto („cllearing remarks“)?
SPON berichtet über diesen NYT-Artikel: http://www.nytimes.com/2014/11/22/us/politics/in-secret-obama-extends-us-role-in-afghan-combat.html?hp&action=click&pgtype=Homepage&module=first-column-region®ion=top-news&WT.nav=top-news&_r=1
Damit haben wir wieder einmal einen klassischen mission dissent in Sachen RSM.
Ich frage mich ernsthaft, wie die BW in extremis support leisten will unter diesem veränderten US-amerikanischen conops.
@memoria war mal wieder schneller ;-)
Hier noch der komplette Mandatstext:
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/032/1803246.pdf
Eine Begleitung der jeweils zu beratenden Afghanen ist landesweit möglich.
@ Freiherrchen
Man hat gelernt, dass die Afghanen unsere Lebensweise gar nicht wollen und man sie ihnen mit unserem Wertesystem auch nicht „in die Köpfe bomben“ kann und will.
Wow, wenn sie schon die Steile These aufstellen, bei ISAF sei es um Aufzwingen von Lebensweisen oder dem Reinbomben von Wertesystemen gegangen, dann können Sie solche Unterstellungen sicherlich auch belegen?
Was anderes:
Thomas Ruttig hat einen differenzierten Artikel über das für und wieder von RSM geschrieben: In Afghanistan bleiben oder abziehen? (Gedanken zum Welt-Interview von Tom Koenigs)
„Eine Begleitung der jeweils zu beratenden Afghanen ist landesweit möglich.“
Ja, es ist aber wohl die Landesweite Begleitung von Ausbildungsoperationen, abseits von aktiven Operationen gemeint. Meiner Meinung nach insb. bei der Ausbildung von Spezialisten eine höchst sinnvolle Flexibilisierung des Mandates.
@ J.R.
ich denke schon das sich gerade Deutschalnd den Vowrwurf machen lassen muss zumindest in seinem verantworungsbereich maßgeblich an dem governance/menschenrechts/gedöns mission creep beteiligt gewesen zu sein der Ziele postuliert hat die in er afghanischen gesellschaft schlicht nicht zu erreichen sind. egal mit welchem truppen.- bzw. zeitansatz.
hätte man von vorneherein bzw. ab ca. 2006 einen dezidierten CT Ansatz gefahren und sich dementsprechend mit Dostum/Atta/Karzaiclan also den eigentlich relevanten Akteuren arrangiert „ihr unterbindet internationalistischen Terror ausgehend von eurem herrschaftsbereich gegen begrenzte subventionen, der rest ist uns egal…“
hätte man zumindest das primärziel der Mission „Emissionskontrolle“ erreicht.
Das gegenwärtige systemoktroy wird spätestens mit Ende RSM zusammenbrechen entweder ökonomisch/militärisch oder beidem zusammen oder als irrelevante formale hülle vor sich hindämmern.
im endeffekt hätte man dann auch warlordistan jetzt aber eben mit internationalem jihadistenzirkus. im prinzip also status quo ante bellum.
das wäre schon bitter
@ wacaffe
1) Ihnen fällt schon auf, dass sich Ihre Aussage auch inhaltlich von der des Freiherrchens unterscheidet? :)
2) Zum „governance/menschenrechts/gedöns“: Da geht jetzt einiges Durcheinander, also der Reihe nach.
– Zum Einen ist das schlicht kein entweder/oder. Die Bundeswehr hat nicht in Sachen Sicherheit versagt, weil Schulen und Krankenhäuser aufgebaut wurden. (Tatsächlich kann man nichtmal guten Gewissens das Gegenteil behaupten, nämlich dass das Geld für die selbstzentrierten Bundeswehr-Feldlager anderswo gefehlt hätte.)
– Es ist jetzt auch nicht so, dass „governance/menschenrechts/gedöns“ ein Schwerpunkt der Bundesregierung ist. Der Mangel an Mitteln, Personal, Koordination und strategischem Konzept spricht da in meinen Augen eine eindeutige Sprache.
– Es ist jetzt auch nicht so, dass die Afghanen mit Bildung, Gesundheitsversorgung, öffentlicher Sicherheit, funktionierender Verwaltung, unparteiischen Gerichten, wirtschaftlichen Perspektiven oder dem Bekämpfen von Korruption nichts anfangen könnten. Im Gegenteil, in so ziemlich allen Befragung zu Situation und Zukunft des Landes rangieren diese Punkte ganz oben. Da ist die These vom „Lebensweise aufdrücken“ halt ganz ganz grob ignoranter Irrsinn, der oft eher dem eigenen vorgefassten orientalistischen Weltbild denn dem Meinungsbild in der afghanischen Bevölkerung geschuldet ist. Besonders traurig ist halt, dass man zwar im Bereich Bildung und auch bei der Gesundheitsversorgung etwas erreicht hat. Aber bei vielen der anderen Punkten besteht tatsächlich die Gefahr, dass die Taliban einem in der öffentlichen Wahrnehmung den Rang ablaufen. Das ist halt schon peinlich.
3) Den CT Ansatz haben sowohl OEF als auch Petraeus ausprobiert. Hat imho nicht funktioniert.
Ganz allgemein stellt sich halt die Frage, ob man mit einem „langatmigen, lokalen, involvierten“ Ansatz nicht besser fährt als mit einem „kurzsichtigen, top-down, beratenden“ Ansatz.
Gerade in Sachen „Schulung“ hat es gerade beim Small Wars Journal einen netten Denkanstoss: „What if the Military Has Been Focusing on the Wrong Thing the Whole Time?“. Der Grundtenor ist in etwa „Wenn Überzeugung ohne Weiterbildung über Weiterbildung ohne Überzeugung siegt, haben wir dann nicht den falschen Schwerpunkt gesetzt“? (Ist an der Stelle nichtmal fatalistisch gemeint – das deckt sich durchaus mit den positivien Erfahrungen von Ausbildern vor Ort.)
Und dann wäre man auch wieder bei dem Punkt: Was qualifiziert gerade die Bundeswehr, anderen zu erklären wie man Krieg führt oder für Sicherheit sorgt?
@ J.R.
strategic patience wäre für einen „Erfolg“ jedes Strategieansatzes definitiv nötig.
die hat der westen aber nicht. D schon gar nicht.
Zeitansatz für das was Sie vorschlagen ist dann wohl eher 30 jahre+ mit immer noch ungewissem ausgang. abgesehen davon ist man dann schnell auf dem „mission civilizatrice“ pfad der dem gegner wieder propaganda material liefert.
bevor man sich daher in Afghanistan mit eher peripheren problemen beschäftigt sollte man lieber mal in richtung lybien schauen. stichwort erste IS kontrollierte Stadt.
bzgl. CT hat nicht funktioniert. doch hat es definitiv. ist eine frage was CT grundsätzlich im Stande zu leisten ist. gemessen an der dezimierung der kader des gegners sogar sehr erfolgreich. erfolg ist eben schon dann eingetreten wenn die organisationsfähigkeit beim kontrahenten eingeschränkt wird. das ganze muss man dann eben a la „whack-a-mole“ solange durchhalten bis abnutzung beim Feind eintritt. (Im Irak war man da schon auf gutem weg ist dann aber abgezogen/ bzw. wurde dämlicherweise von den Irakern hinauskomplimentiert) strategic patience also auch hier.
Guten Morgen werte Fachleute,
ich zitiere:
„Sicherung, Schutz und ggf. Evakuierung und Bergung militärischer und ziviler Kräfte und Mittel der Resolute Support Mission sowie designierter ziviler Kräfte (“in extremis support”) sind nicht regional beschränkt und können im gesamten Operationsgebiet stattfinden. Hierfür können auch Spezialkräfte, in der Regel unter Einbindung der afghanischen Sicherheitskräfte, eingesetzt werden.“
…..dann auf die nächsten 13 Jahre, nur dieses mal mit 1/3 der Kräfte und mit noch schwächeren rudimentären taktischen Luftransportkapazitäten.
Wer verfasst solche gefährlichen Wunschvorstellungen, die normativ und faktisch nicht haltbar sind!?
Gruß
FvS
„Von AFG und von den Taliban selbst ging nie eine wirkliche Gefahr aus.“
Stimmt, und vor 9/11 war ihr Treiben nicht besser als IS, und uns war es egal, Menschenrechte, Frauenrechte war alles nicht unsere Baustelle …
Und so wird es wieder sein, nur eine Frage der Zeit bis die Talis den Laden wieder übernehmen. Sollte der Erfolg des IS anhalten, wird es umso schneller gehen.
Hoffe nur, dass wir keine Kameraden mehr verlieren, …
@ TomCat – Zitat:“Hoffe nur, dass wir keine Kameraden mehr verlieren, …“
Ich erlaube mir mal diesen Gedanken weiter zu führen: Die angesprochene Entwicklungen im nahen Osten dürften kaum einen Zweifel daran lassen, dass wir in Zukunft noch viele Kameraden verlieren werden. Daher mag dieser Wunsch kurzfristig und mit Blick auf Afg. in Erfüllung gehen. Langfristig werden wir dem Kampf nicht enfliehen können. Auf diese offensichtliche, zukünftige Auseinandersetzung ist man in der deutschen Politik, Gesellschaft oder innerhalb der BW wieder einmal nicht mental vorbereitet. Ich befürchte daher, dass in Zukunft unnötig viele Soldaten wegen der momentanen Ignoranz sterben werden.
@ Bang50 | 23. November 2014 – 16:43
Lohnt es sich denn noch, für das Deutschland des Jahres 2014 zu kämpfen? Würde es einem überhaupt noch wer danken? Wir könnten doch einfach aufgeben und uns unterwerfen! Viele Möchtegern-Kalifen stehen doch schon in den Startlöchern, um hier den Laden zu übernehmen. Einfach zum passenden Zeitpunkt auf Pascha umschulen, Und Frau von der Leyen, Frau Merkel und Frau Roth haben nichts mehr zu sagen. Die Übernahme durch einen archaischen Islamismus nennen wir dann tolerante Willkommenskultur, die integrativ als Zukunftsplan im Rahmen der Agenda 2030 umgesetzt wird und alles ist in Butter. Und wer was dagegen sagt, ist ein Nazi …
;-)
Aber im Ernst: Richtige Analyse, nur was tun?
Wieder warten, bis Medien und Politik das Ganze als Brunnen bohren und Mädchenschulen bauen verkaufen und sich anschließend wundern, warum Särge aus Kampfhandlungen zurückkommen?
Wieder die GTZ (heute GIZ) allerlei Genderprogramme in Afghanistan auflegen lassen und nicht merken, dass man damit die einheimische Bevölkerung gegen sich aufbringt, weil die Inhaber der sozialen Macht daran nicht gerüttelt haben wollen?
„Ich befürchte daher, dass in Zukunft unnötig viele Soldaten wegen der momentanen Ignoranz sterben“
… das ist zu befürchten, aber es ist umso tragischer wenn sie „umsonst“ sterben, für nichts und wieder nichts, weil die Ignoranten nichts dazu lernen. Der militärischer Einsatz ist auch immer ein Zeichen für ein eglatantes Versagen der Politk. Im Nahen Osten braut sich gerade eine Katastrophe zusammen, die AFG als Kindergarten erscheinen lassen wird. Und alle sitzen rum und glauben die Peschmergas werdens richten …
@ Freiherr vom Stein
Auf operativer Ebene zumindest mal: http://www.funker530.com/sas-kill-200-isis-fighters-in-four-weeks/
Auf der strategischen Ebene wird es schwierig. Ich denke eine Lösung für den gesamten Osten kann nur durch eine langfristig angelegte Strategie der großen Mächte erfolgreich sein (USA, Europa, Russland, China). Diese müssen gemeinsam entsprechend Druck auf die lokalen Nationen/Staatschefs ausüben, während man gleichzeitig entsprechende Nester militärisch angreift und somit den Druck erhöht. Jedoch dürfte es schon alleine eine Jahrhundertaufgabe sein die großen Mächte zu einer gemeinsamen Strategie zu bewegen und nochmal eine gewaltige Aufgabe, diese Strategie zum Erfolg zu führen.
Aber vielleicht haben die radikalislamischen Krieger auch etwas Gutes: Russland wird an seinen eigenen Grenzen immer weiter unter Druck geraten. Vielleicht geht manchen Betonköpfen in Moskau dann ein Licht auf, dass der Kalte Krieg vorbei ist und Europa nicht ein Feind, sondern ein Partner ist, der für die langfristige Integrität der russischen Nation von großer Bedeutung ist.
@ Tom Cat
Daher ist es unser aller Aufgabe dafür zu sorgen, dass es nicht umsonst war. Und sei es nur durch eine bessere Strategie/Vorbereitung für die nächste Auseinandersetzung.
Anmerkung: In diesem speziellen Fall sehe ich tatsächlich kein Politikversagen. Die Politik in Europa, Russland oder den USA hätte nichts tun können um die Ausbreitung des radikalislamischen Gedankenguts zu verhindern. Ein schönes Beispiel konnte man in einem von er Scholl Latour Bücher finden: Dort berichtete er, wie der radikale Islamismus schon kurz nach dem Ende der Blockfrontation von wahhabitischen Emissären gestreut wurde. Diesen Flächenbrand haben wir nicht verschuldet (auch wenn es gern behauptet wird). Die USA haben das Feuer zwar mit ihrer plumpen und großspurigen Art noch mehr angefacht, trotzdem wäre das Feuer auch ohne die USA (mit etwas Verzögerung) so groß geworden.
Sehr treffender NYT-Bericht zur Wirklichkeit (außerhalb der Ministerien und Stäbe) – eine Autostunde von Kabul entfernt:
„In areas like this, it is the government that operates in the shadows, following the dictates of the Taliban in order to stay alive. Afghan soldiers in Tagab district will not leave their base except for one hour each day starting at 9 a.m., when the Taliban allow them to visit the bazaar as long as the soldiers remain unarmed.“
http://www.nytimes.com/2014/11/23/world/hours-drive-outside-kabul-taliban-reign.html
memorias NYT bericht demonstiert auch mal wieder wie leicht der deutschen Politik ihre realitätsverweigerung gemacht wird.
in situ recherchen bzw. qualifizierte berichterstattung a la chivers findet schlicht nicht statt. Stattdessen Agenturrecycling und Pressekonferenzjournalismus.
@ bang50
bezüglich verstärktem engagement im nahen osten. ich würde eher sagen das gegenteil wäre nötig. konsequentes containment an der arabischen peripherie bei gleichzeitigem nichteinmischungskurs egal was binnenarabisch vor sich geht.
assad wieder auf dem vormarsch? so what?
kurdistan unabhängig? na dann macht mal.
IS/Sunnistaat? wie siehts denn mit der müllabfuhr aus?
irgendwann hat sich dann ein stabiles neues equilibrium gebildet und egal wer an der macht ist braucht nach der sturm und drang phase wieder abnehmer für sein Öl und möchte nen Benz chauffieren.
Formel wäre konsequente sicherung der europäischen außengrenzen (inklusive flüchtlingsproblematik) und arabisch nationale/konfessionelle/ethnische konflikte ausbrennen lassen.
von außen irgendeine neue ordnung installieren zu wollen führt nur zu neuen „Iraks“, „Syriens“ usw. ergo artifiziellen kosntrukten die den kern für zukünfitge konflikte schon in sich tragen.
@ wacaffe | 23. November 2014 – 22:03
100% d’accord. zu Teil II.
@ wacaffe – Dieser Vorschlag schlägt in die Kerbe: Wir verteidigen nur unsere Landesgrenzen und alles andere ist und egal. Verzeihen Sie mir, aber es hört sich so ein bisschen an als würde man den Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass das böse dieser Welt an einem vorbei zieht.
Der Punkt mit dem radikalen Islamismus ist jedoch: Containment funktioniert noch weniger als bei der Eindämmung kommunistischer Ideale. Weil es keine Lehre zur Staatsorganisation ist, die ein gehobenes Maß an Koordination und know how bedarf, sondern ein falsches Versprechen für gescheiterte und hoffnungslose Menschen. Der radikale Islamismus braucht keinen Staatskörper als Wirt. Durch das Internet verbreitet sich dieses Versprechen auf der ganzen Welt und bricht dort an die Oberfläche, wo Staatsstrukturen/Gesellschaften schwach und Menschen hoffnungslos sind.
In einer globalisierten Welt kann man es sich aber schlicht nicht leisten den gesamten Osten, Afrika etc… an diese Ideologie zu verlieren:
• Weil auch Europa früher oder später unter Druck gerät, wie Russland in den letzten Jahren.
• Weil wir Handel treiben und entsprechende Passagen durch diese Welt brauchen.
• Weil auch viele dieser Länder Handelspartner sind.
• Weil wir mal nicht eben einen großen Teil der Welt der totalen Steinzeit überlassen können, ohne auf der Insel Europa massiven Immigrationsdruck zu erleben (so hoch können Sie die Zäune nämlich nicht bauen)
Die Heilung für diese Krankheit ist eine Perspektive für diese Menschen. Dazu bedarf es aber Aufbau von Strukturen (nein, ich rede nicht von nation building) in den entsprechenden Ländern und ein Mindestmaß an Sicherheit/Frieden. Der radikale Islamismus zertrümmert jedoch genau diese Strukturen, da die Prediger wissen, dass von einem funktionierenden Staatswesen die größte Gefahr für ihre Ideologie ausgeht (Bildungsfeindlichkeit etc…).
Um die offene Ausbreitung in weiteren Staaten zu verhindern, schlage ich deshalb tatsächlich eine Art containment vor. Nur richtet sich mein comtainment nicht nach Landesgrenzen und sieht keine klassischen militärischen Verbände vor. Durch punktierte Stiche (international) sollen vor allem die operativen Möglichkeiten eingedämmt und den Kämpfern ein Preis abgerungen werden für ihre Aktionen (was gerade auch die Anti-ISIS Strategie von USA/UK ist). Auf der anderen Seite muss es jedoch eine langfristige Strategie geben, welche funktionierende Strukturen herausbildet. Dazu bedarf es aber keiner „Brunnenbohrer“ oder „Erbauer für Mädchenschulen“, sondern einer abgestimmten Strategie der großen Mächte für sinnvolle Entwicklungspolitik (siehe China in Afrika) und Notfalls den gewissen Nachdruck für korrupte Staatswesen.
P.s Im Idealfall sollte der Westen bei dieser Strategie niemals direkt wahrgenommen werden (sowohl bei militärischen Aktionen als auch in der Entwicklungspolitik) um keine Angriffsflächen für Gegenaktionen oder Propaganda zu bieten.
„Der radikale Islamismus braucht keinen Staatskörper als Wirt.“
richtig, irgendeinen wirt braucht er aber.
aus perspektive des realpolitischen selbstschutzes wäre genau hier der ansatzpunkt. einwanererungspolitik/unregulierter flüchtlingsstrom aud arabisch/islamischem milieu etc.
nationale sicherheit beginnt zuallererst just dort. in der eigenen nation. da ließen sich die meisten defizite der von mir vorgeschlagenen strategie auffangen. zuwanderungsrecht/asyrecht/grenzsicherung(national/eu) usw.
wenn das gewährleistet ist kann man durchaus über ad hoc interventionen nachdenken sofern tatsächlich bedrohungen an den außengrenzen entstehen die ein eingreifen erfordern. dann aber nur wenn sie tatsächlich die eigenen interessen (im engen sinne) tangieren. menschenrechte usw. bleiben außen vor. „team europe postmodernism police“ hat dann mal pause.
wenn auch nur in form „strafexpedition“ mit minimaler eigenexposition. in/out.
es geht nicht um dogmatischen isolationimus wie Sie wohl vermuten, sondern um realistische abschätzung der eigenen einflussmöglichkeiten (gering) bzw. willen (noch geringer) blut und kapital zur zivilisierung eines kulturraumes (naher osten) einzusetzen.
wenn man der erkenntnis zustimmt (muss man ja nicht) heiß das rezept selbstschutz und konzentration auf das wesentliche auch wenn in der folge diverse zeitgeistige orchideen a la „völkergemeinschaft“, „globale verantwortung“ und „homo ehe auch in waziristan“ dran glauben müssen.
irgendwann wird auch in diesem erdteil bvernunft im aufklärerischen sinne obsiegen. dann aber aufgrund eigener erkenntnis und nicht wegen externer pädagogik.
bis dahin muss man sich darauf konzentrieren die eigene nationale stärke nicht durch überdehnung bzw. innere unterwanderung (salafisten in deutschland) zu schwächen.
@ Bang50
Die Heilung für diese Krankheit ist eine Perspektive für diese Menschen. Dazu bedarf es aber Aufbau von Strukturen (nein, ich rede nicht von nation building) in den entsprechenden Ländern und ein Mindestmaß an Sicherheit/Frieden.
Da gebe ich Ihnen vollkommen recht.
Ob das top-down durch eine „Strategie der Großen Mächte“ umsetzbar ist, bleibt fraglich. Karzei, Gadaffi und Assad waren alle gut Freund mit den von Ihnen aufgezählten „Großmächten“. Die Bevölkerung hat aber trotzdem nicht davon profitiert.
Und gerade diese Mischung aus Unterdrückung und wirtschftlicher Perspektivlosigkeit bildet doch den Nährboden für Gegenbewegungen, und das zu recht. Der militante Islamismus ist letztlich nur eine der Ausprägungen dieser regionalen Spannungen – leider eine, die umso stärker wird je länger die Gewalt anhält und moderatere Gegenbewegungen im Sand verlaufen.
An der Stelle sollte man dann durchaus die Frage stellen, welche Möglichkeiten die Staatengemeinschaft/“Großmächte“/whatever überhaupt haben, diese Regime mit Gesprächen an der Spitze dazu zu kriegen sich selbst abzuschaffen. Oder auch nur dazu, Macht abzugeben und die kleptokratischen Übergriffe zu reduzieren.
Egal ob Karzai, Assad, Maliki und diverse andere: Da sieht die Bilanz nicht gut aus.
Ohne Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten sieht es für internationales Engagement da mau aus. Zu hoffen, dass sich jene egoistischen Eliten, die den Karren an die Wand gefahren haben, plötzlich reformieren weil man ihnen viel Geld gibt und nett zuredet, ist naiv.
Ob politisch der Wille zu einem kritischeren, engagierteren Vorgehen da ist bleibt fraglich. (Dass NGOs entsprechend Vorgehen ist mittlerweile standard, aber eben auch nur der Tropfen auf den heißen Stein.)
Dabei kostet das noch nichtmal viel, und auch keinen Blutzoll. (Und gerade mit dem Zugang zum europäischen Wirtschaftsraum gibt es auch ein extrem starkes Machtinstrument.) Wenn es schon dazu nicht reicht, wozu dann das Tagträumen über Militärphantasien?
Wie weit nach unten das Controlling und das Aussieben der Korrupten und Unfähigen reichen muss, damit für ein Land letztlich netto was dabei rum kommt, kann man ja gerne diskutieren.
Dass es ohne geht ist naiv. Allerding war der Trend unter Frau Merkel, auch gerade mit Herrn Niebel, ja das Gegenteil: Was für die deutsche Wirtschaft gut ist, ist für Deutschland gut. Der Rest ist bestenfalls „besorgniserregend“, falls es überhaupt kommentiert wird. Und wenn’s knall ist man halt „besorgt“ und schickt eine Handvoll Bundeswehrsoldaten ins Nachbarland. Warum auch nicht: Frau Merkel wird sicherlich nicht dafür abgewählt, dass sie mit Diktatoren gut kann und dem arabischen Frühling die kalte Schulter gezeigt hat.
Von daher: Es ist halt nicht so, dass man nicht könnte. Aber dazu müßte man halt wollen, und sich Mühe geben. Vielen Deutschen scheinen die Menschen in anderen Ländern das nicht mehr wert zu sein.
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Was man aber ganz schnell vergessen sollte ist das Märchen von den „punktierten Stichen“. Sich zum Kettenhund der Regimes zu machen, welche die Probleme heraufbeschworen haben und durch das eigene An-die-Macht-Klammern friedliche Lösungen verhindern, soll jetzt genau was bringen? Dauerkrieg und Repression als Endzustand? Dass genau das die Radikalen stärkt hatten wir doch schon…
@ J.R.
„Ob politisch der Wille zu einem kritischeren, engagierteren Vorgehen da ist bleibt fraglich. “
tut mir leid aber „engagiert“ und „kritisch“ sind nun wirklich die phrasen unwörter des jahrzents.
realität lässt sich nicht duch noch so viel „kritische engagiertheit“ (meist mit provinziellem mutter theresa drall) wegdiskutieren.
genau das hat man zehn jahre in afghanistan (auch sonstwo, sprengt aber den rahmen) versucht und ist damit voll gegen die wand gefahren.
agieren sie doch mal kritisch und engagiert in syrien. was heist das denn konkret? fallschirmbrigade nach aleppo weil IS/Assad/FSA alle doof ergo selbst intervenieren?
bezüglich dauerkrieg und repression: Krieg dauert so lange wie sich seine teilnehmer von seiner fortführung mehr als von seiner beendigung versprechen bzw. eine seite unterliegt. da assad wohl kaum die kurden bzw. sunni gebiete wieder einnehmen kann und will wird es irgendwann zu einer lagestabilisierung kommen.
diese überlegungen muss sich aber nicht die deutsche gesellschaft, sondern die syrische bzw. die irakische und deren bestandteile machen (sunna stämme usw.). D hat hier schlicht keine ausreichende Kenntnis und folglich auch keine leverage.
„kritisch und engagiert“ ist eben kein ausreichender ersatz für hard power und interessen besonders wenn es so (selbstun-) kritisch gemacht wird wie hier üblich.