Neues Afghanistan-Mandat, neue Aufgaben
Das Bundeskabinett hat am (heutigen) Mittwoch erwartungsgemäß das Mandat für den neuen Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr nach dem Auslaufen von ISAF zum Jahresende gebilligt und dem Bundestag zur Beschlussfassung geschickt. Die Rahmendaten sind seit gestern weitgehend bekannt: Bis zu 850 Soldaten (und nicht, wie zuvor öffentlich genannt, 600 bis 800 Soldaten) sind die Obergrenze für die deutsche Teilnahme an der Resolute Support Mission, die unter NATO-Kommando ab 1. Januar 2015 am Hindukusch beginnt.
Mit der neuen Mission ändern sich auch die Aufgaben der internationalen Truppe, deren Löwenanteil nach wie vor die USA stellen werden. In erster Linie sollen die Afghanen mit Beratung unterstützt werden, ein Kampfauftrag ist im Grunde nicht vorgesehen. Dafür werden wie bislang deutsche Soldaten in der Hauptstadt Kabul und in Masar-i-Scharif im Norden stationiert – im so genannten Nabe-Speiche-Modell, bei dem Kabul die Nabe und die Außenkommandos, wie bislang bei ISAF die Regionalkommandos, die Speiche bilden sollen.
Die (gewachsene) Zahl von Bundeswehrsoldaten für das neue Mandat ist allerdings nicht allein den Beratern geschuldet; ein Teil (vermutlich der überwiegende) des deutschen Kontingents hat andere Aufgaben, die dann auch ohne Kampfauftrag in gefährliche Situationen führen könnten. Im Überblick aus dem Mandatstext:
• Mitwirkung an der Führung von Resolute Support Mission in Afghanistan, auch durch Übernahme der Verantwortung als Rahmennation für den Betrieb der Speiche Nord in Mazar-e Sharif, einschließlich eines Beitrags zur Erstellung eines Lagebildes;
• Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte auf ministerieller, national institutioneller und strategischer Ebene in Kabul sowie auf national institutioneller Ebene, der Korpsebene und auch auf niedrigeren Führungsebenen der afghanischen Spezialkräfte in Mazar-e Sharif;
• Sicherung, Schutz und ggf. Evakuierung und Bergung militärischer und ziviler Kräfte und Mittel der Resolute Support Mission sowie designierter ziviler Kräfte („in extremis support“).
• Sicherstellung des Betriebs des militärischen Anteils Flugplatz Mazar-e Sharif;
• Sicherstellung des Stillstandsbetriebs des strategischen Lufttransportstützpunktes Termez in Usbekistan;
• Verwundetenlufttransport (AIRMEDEVAC);
• Unterstützung des deutschen Generalkonsulates in Mazar-e Sharif mit Personal zur Bearbeitung der individuellen Gefährdungsanzeigen von ehemaligen und aktuellen afghanischen Mitarbeitern des deutschen Einsatzkontingentes (Ortskräfte);
• Beitrag zur zivil-militärischen Zusammenarbeit;
• Rückbau militärischer Infrastruktur, Aussonderung und Verwertung im Einsatzgebiet sowie personelle und materielle Rückverlegung.
Interessant werden dabei neben dem Lufttransport Verwundeter die Aufgabe Sicherung, Schutz und ggf. Evakuierung und Bergung militärischer und ziviler Kräfte und Mittel der Resolute Support Mission sowie designierter ziviler Kräfte. Denn dieser Auftrag ist nicht auf das Einsatzgebiet Kabul, das absehbare Hquptquartier in Bagram und Nordafghanistan beschränkt:
Der Nordatlantikrat hat Afghanistan als Operationsgebiet festgelegt. Ausbildung, Beratung und Unterstützung durch die deutschen Kräfte, finden in Kabul, Bagram und in Mazar-e Sharif, darüber hinaus in Einzelfällen und zeitlich begrenzt auch im übrigen Operationsgebiet statt. (…) Sicherung, Schutz und ggf. Evakuierung und Bergung militärischer und ziviler Kräfte und Mittel der Resolute Support Mission sowie designierter ziviler Kräfte („in extremis support“) sind nicht regional beschränkt und können im gesamten Operationsgebiet stattfinden. Hierfür können auch Spezialkräfte, in der Regel unter Einbindung der afghanischen Sicherheitskräfte, eingesetzt werden.
Im Klartext: Als eigentliche Berater wird wohl nur ein geringerer Teil der bis zu 850 Soldatinnen und Soldaten fungieren, sowohl die Schutzkomponente als auch die Zahl derjenigen, die weiter abbauen, dürfte größer sein.
Die Italiener haben übrigens inzwischen auch ihre Beteiligung an Resolute Support konkretisiert; 500 Soldaten sollen im Westen des Landes, in Herat, stationiert werden – wo bislang auch das italienische ISAF-Regionalkommando war.
Wer (wie ich) über den Begriff Sicherstellung des Stillstandsbetriebs des strategischen Lufttransportstützpunktes Termez gestolpert sein sollte: Seit der vergangenen Woche sind die Transall-Maschinen der Luftwaffe abgezogen; an fliegendem Gerät hat die Bundeswehr in Masar-i-Scharif jetzt noch CH53-Hubschrauber und Heron-Drohnen. Und zum Personalwechsel fliegt inzwischen der (ungeschützte) Truppentransporter Airbus A310 direkt nach Masar.
Zwei Nachträge sind hier noch nötig:
Das Kabinett hat mit dem Mandat auch den Fortschrittsbericht Afghanistan gebilligt: Viel erreicht, aber noch nicht am Ziel
und: die heutigen Meldungen aus Kabul klingen nicht gut.
Khaama Press: Taliban attacks rise by 68 percent in major cities of Afghanistan
After NDS announced 68% increase in violence in big cities, it is the 5th blast in #Kabul in 2 weeks. Kabul police expects more in 3 weeks.
— Khalil Noori (@KhalilNoori) November 19, 2014
(Archivbild August 2012:
)
@ Bang50 | 23. November 2014 – 21:21
Wie würde wohl die öffentliche bzw. veröffentlichte Meinung reagieren, wenn es sich in diesem Artikel nicht um SAS-Kräfte, sondern um das KSK gehandelt hätte? Die Vertreter unserer „Zivilgesellschaft“ würden sich empören, die Linkspartei würde ein dutzend Anfragen im Bundestag starten, die Grünen würden sagen „Gewalt ist keine Lösung“ nachdem sie vorher die Entsendung von Bodentruppen gefordert haben, die SPD würde die Verteidigungsministerin medienwirksam einbestellen und in der CDU würden sich alle in die Büsche schlagen. Schließlich ist das ja unpopulär, da will man das eigene Gesicht nicht mit im Zusammenhang sehen. Muslimverbände würden Rassismus unterstellen und Frau Käßmann würde bekunden: „Nichts ist gut in Syrien!“. Selbsternannte Friedensforscher würden erklären, es wäre völkerrechtswidrig, wenn ein Staat Guerilla-Taktiken einsetze. Schließlich seien das ja Hinrichtungen ohne ordentliches rechtstaatliches Verfahren und außerdem sei die Todesstrafe sowieso abgeschafft. Nicht zuletzt würde bekundet, dass unsere Soldaten neoimperialistisch ja nur Öl klauen wollen.
Selbst unsere Gesellschaft würde jegliche wie auch immer geartete Schuld bei unseren Soldaten suchen, statt bei den islamistischen Barbarenhorden. Wahrscheinlich würde konstruiert, dass erst die Anwesenheit unserer Soldaten Ursache für die Gewalt sei, zivilgesellschaftliche Initiativen würden fordern, unsere Jungs sofort heimzuholen. Greenpeace würde betroffen darauf hinweisen, welche enorme Umweltverschmutzung von Pulverdampf ausgehe.
Wieder würde unsere Heimatfront demoralisiert zusammenfallen. Eine Leitkultur, die aufgeklärt die Werte der Freiheit und Aufklärung vertritt, würde höchstens verschüchtert und verzagt auftreten. Die islamistische „Leitkultur“ würde jedoch selbstbewusst und stark den Raum der veröffentlichten Meinung beherrschen.
Unsere Bevölkerung ist nicht bereit und willens, in ihrem Namen töten zu lassen. Unsere Regierung ist nicht bereit, das Land in sicherheitspolitischen Fragen zu führen, setzt somit populistisch (lat.: populus, „Volk“) Volkes Wille direkt und unreflektiert um. Präventive Politik, die der Gefahr vor der Gefahr gewahr wird und sie verhindert, ist bei solchen streng medianwählerorientierten Entscheidungsfindungsstrukturen unmöglich.
Es muss offenbar erst zur Destabilisierung im unmittelbaren individuellen Erfahrungsraum der deutschen Bevölkerung kommen, bevor eine Handlungsnotwendigkeit gesehen wird. Die Erfahrung der vergangenen Jahrhunderte lehrt, dass es sich auch dann nicht um rationale Problemlösungsstrategien handeln wird. Fühlt sich der deutsche Michel dann bedroht, schlägt er im Rahmen seines „individuellen politischen Engagements zivilcouragiert“ der nächsten Dönerbude die Scheibe ein, HoGeSa lässt grüßen.
Wie in unserer heutigen Gesellschaft Reputationsverlust durch präventive Verteidigung abläuft, kann man u.a. auch am aufkeimenden Antisemitismus aufgrund des Israel-Gaza-Konflikts beobachten. Auch hier wird von interessierten Kreisen in Deutschland erfolgreich kommuniziert: „Seht her, die bösen blutrünstigen Juden morden arme unschuldige wehrlose Palästinenser …“
Wir.haben.fertig!
@ Bang50 | 23. November 2014 – 23:11
Der Westen sollte gelernt haben, dass man keine RPT keine Stabilisierung von Ausssen erreicht, wenn das gueltige Regime nicht kooperiert.
Irak, iran, AFG, Afrika, Ukraine, ….
Den eigenen ‚Handel‘ schuetzt der Westen inzwischen recht erfolgreich, Stichwort ATALANTA. Und er handelt ja auch mit nichtdemokratischen Staaten, China, Saudi-Arabien, uvm..
Die ‚Entwicklungshilfe‘ seitens China in Afrika als positives Beispiel zu nennen ist schon fast zynisch.
Fazit: Der ‚Westen‘ sollte sich aus allen Staemmes- und Religionskriegen heraushalten, es sei denn er will wieder stabilisierende Kolonialmacht werden.
Selbst wenn wir meinen, unser System sei das Ueberlegene, wer sind wir, dies anderen Voelken zu oktroieren?
Andererseits, trotz aller Barrieren studieren Millionen von Moslems und Asiaten an westlichen Universitaeten. Wenn sie daraus nicht die Idee und die Uberlegenheit der westlichen Demokratien mit in ihre Heimat zuruecknehmen und verwirklichen kann es aus deren Sicht ja nicht zu nachahmenswert sein.
@ MikeMolto | 24. November 2014 – 10:04
Als theoretische Annahme: OK.
In der praktischen Welt: Nicht umsetzbar.
Nehmen wir als Beispiel den zweiten Weltkrieg: Auf der Casablanca-Konferenz 1943 haben die Alliierten als Kriegsziel die bedingungslose Kapitulation von Nazideutschland vereinbart. Das Ergebnis ist bekannt, Deutschland wurde unterworfen, unter alliierte Kontrolle gestellt, war bis 1990 nur beschränkt souverän und hat in dieser Zeit gelernt, ein wertvolles Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft zu sein.
Man ist bei Deutschland „in die Vollen gegangen“, meiner Ansicht durchaus mit Erfolg.
Bei all den Konflikten, bei denen man sich mit ein wenig Engagement und ein wenig Einwirken begnügt hat, lehrt die Erfahrung, dass man damit im besten Fall nichts, im Normalfall eher das Gegenteil vom Gewünschten erreicht. Die Ressourcen, die unsere entwickelten Volkswirtschaften in das ökonomisch eher unproduktive Afghanistan umverteilt haben, sind verpufft, verkonsumiert, verbrannt oder schlimmstenfalls heute in den Händen unserer Feinde. Der Status quo ante bellum wird bald wiederhergestellt sein.
Da wir allerdings im Jahr 2014 für Nation-Building im notwendigen Ausmaß in den Problemländern weder die Willenskraft, noch die Ressourcen haben, werden wir uns auf die Verteidigung unserer außen- und sicherheitspolitischen Ziele beschränken müssen.
Ich fürchte, es wird Zeit, dass wir mal selbstkritisch unsere Möglichkeiten abklopfen und unsere Position in der Welt feststellen.
Unsere Werteordnung ist in der Welt eine Minderheit. Export unserer Werteordnung wird in vielen Ländern nicht gewünscht und mit Waffengewalt bekämpft. Die Feinde unserer Werteordnung organisieren sich und rekrutieren ihre Kämpfer selbst in unseren Wohngebieten.
Bei dieser Ausgangsposition sollten wir zusehen, dass der klägliche Rest unserer Werteordnung nicht vollends vernichtet wird, innenpolitisch unsere Hausaufgaben machen (Integration, innere Sicherheit, Gewaltmonopol des Staates …) und außenpolitisch lieber ganz kleine Brötchen backen.
@FvS
Dann nennen sie mal 3 Staaten ausser, Deutschland und Japan wo das funktioniert hat?
btw da war die Motivation aber auch ein Weltkrieg, und könnte auch etwas mit den Verbrechen beider Nationen zu tun haben…
Hatte beschränkte Souveränität zur Folge und es lagen andere Optionen auf dem Tisch(totaler Krieg, unconditional Surrender, Morgenthau Plan)
@ Freiherr vom Stein | 24. November 2014 – 11:01
ThoDan | 24. November 2014 – 11:53
Wie schon gesagt, ein Ueberstuelpen der (westlicher) Werte kaeme auf ein Kolonialsystem heraus, Das hatten wir doch, gefuehlt 50 Jahre, bis ca 1991 in beiden deutschen Staaten bei grundsaetzlich einsichtiger, williger Bevoelkerung und Teil-Regierung.
Welche Macht will dies in der zweiten oder dritten Welt flaechendeckend durchsetzen und durchhalten?
@FvS
„Unsere Werteordnung ist in der Welt eine Minderheit.“
Wer ist denn unser und worin unterscheidet sich diese Werteordnung elementar?
Es geht den meisten Ländern nicht um den Export einer Werteordnung, sondern um Interessen. Es wird in vielen Ländern nicht die Werteordnung mit Waffengewalt bekämpft, sondern bestimmte Gruppen wollen an die Macht und nutzen geschickt den Glauben/Ideologie. Die Grundwerte sind in vielen Kuturen nicht wirklich verschieden, doch Politik und Glaubensgemeinschaften nutzen die Kulturellen Eigenarten für ihren Machterhalt.
Der einfache Afghane will in Frieden sein Einkommen, die Familie beschützen und dies bei unglaublicher Gastfreundschaft. Den Rest an Unterschied finden sie auch im sogenannten westlichen Kulturen.
P.S. Selbst meine Großmutter ging nicht ohne Kopftuch aus dem Haus und Streitigkeiten wurden im Dorf ohne Polizei geregelt, wie in manchen Gegenden in Italien/Griechenland noch heute. Die Werte (Anstand, Respekt, Grundverhaltensregeln) der einfachen Menschen in der BRD haben sich in den letzten 30Jahren in DEU extrem geändert und dies nicht unbedingt zum Guten.
@ ThoDan | 24. November 2014 – 11:53
Ich sage ja gerade (wahrscheinlich genau so, wie Sie denken), dass das eben danach bei anderen Staaten „mit ein wenig Engagement und ein wenig Einwirken“ nicht funktioniert hat. Ich vermute, da gibt es keinen Dissens zwischen uns. Vielleicht könnte man Nordirland nennen, aber da war der relative Ressourceneinsatz je Einwohner auch schon verdammt hoch (und anders gelagert).
Weil ob der ultimativen Bedrohung, die man nach zwei Weltkriegen in Deutschland sah, eine hohe Willenskraft mit damit verbundenem Ressourceneinsatz bei den Alliierten gegeben war, hat man Deutschland niederwerfen und umerziehen können. Und dieses Land musste man nur irgendwo im 20. Jahrhundert abholen und nicht im Mittelalter. Die gesellschaftliche Humanität der Westalliierten hat sie dann zum Marshall-Plan geführt und den Morgenthau-Plan verwerfen lassen.
Nur all diese Involviertheit haben wir in den arabischen Ländern nicht. Somit fehlt uns gesellschaftlich der Durchsetzungswille und wir können nur verlieren.
Die Islamisten hingegen haben eine hohe Motivation, für die sie bereit sind, ihr Leben einzusetzen. Dies gilt für den Islamischen Staat in der Levante, als auch für die Eroberung Europas.
Alles keine Neuigkeit, konnte man seit Jahren in einschlägigen Moscheen hören, auch in Deutschland. Ein Rekrutierungselement bei Islamisten ist ja gerade, die Willenlosigkeit und mangelnde Opferbereitschaft des bundesdeutschen materialistischen Gutmenschen als Chance für leichte Unterwerfung darzustellen.
@ wacaffe – Ich denke über naive Annahmen zur Entwicklungspolitik brauchen wir uns nicht streiten. Da sehen wir beide die vorherrschende Mentalität sehr kritisch. Jedoch ist D vielleicht gar nicht so schlecht wie man glauben mag. Die GIZ hat z.B. einen recht guten Ruf. Sie leistet sinnvolle Entwicklungsarbeit in Ländern die nicht so im Scheinwerferlicht stehen und auch mit ihren Sicherheitsproblemen zu kämpfen haben. Zusätzlich gibt ja die Vermutung, dass GIZ auch ganz gerne zur Informationsakkumulation für entsprechende Behörden genutzt wird. Vielleicht also eines der wenigen tatsächlich funktionstüchtigen Instrumente der deutschen Außenpolitik.
@J.R – Deshalb habe ich ja geschrieben, dass es eine Jahrhundertaufgabe ist. Ohne die Großmächte gibt es jedoch überhaupt keine Lösung. Regionale Intervention zerläuft sich zwangsweise, wenn sie nicht die Unterstützung der großen Player geniest. Letztlich muss diese Strategie zu einer Win-Win Situationen führen. z.B. Russland sollte einsehen, dass es davon etwas hat, wenn es den Menschen in Syrien besser geht. Ob das mit oder ohne Assad passiert, ist erst einmal egal. Jedoch sollte der jeweilige Machthaber auch erkennen können, dass es ihm persönlich etwas bringt zu kooperieren. Damit dann auf der anderen Seite nicht über die Stränge geschlagen wird, muss man eben auch zu radikaleren Maßnahmen gegen den Staatschef willens sein Gold oder Blei – so machen es die Drogenkartelle sehr erfolgreich.
Bzgl. punktierter Stiche: Das ist schlicht operative Notwendigkeit um dem radikalen Islamismus zumindest geographisch einzudämmen und den Druck von den angrenzenden/schwachen Ländern zu nehmen. Oder schlagen Sie vor, wir sollten uns einfach zurücklehnen und abwarten welche max. Ausdehnung ISIS erzielen kann? Dann ist es nämlich für jede Entwicklungspolitik zu spät. Ich schätze sie haben hier das Bild Afg. vor Augen, wo genau dieser Fehler gemacht wurde. Man hat mit massiven militärischen Kräften versucht ein Land zu befrieden und gleichzeitig Entwicklungspolitik zu betreiben – jedoch war der radikale Islamismus in dieser Gesellschaft bereits stark verwurzelt und die Bevölkerung feindlich den fremden Kräften gegenüber eingestellt. Ich will mit meiner Entwicklungspolitik jedoch nicht mitten im Feuer etwas aufbauen, sondern eine Brandmauer in Ländern errichten, die noch halbwegs stabil/friedlich sind (siehe Mali). Auf der anderen Seite sind militärische Mittel eben nicht immer Truppen und Bomben, welche die Zivilbevölkerung töten und die Wut auf die Fremden erhöhen. Es reicht ein psychologisches Gefahrenpotential für die islamischen Kämpfer aufzubauen, wenn einer der Kämpfer auf dem Pick-Up Truck eine Kugel vom Scharfschützen in den Kopf bekommt. Diese Art des Gegenterrors wirkt vor allem in der Psyche. In Kombination mit einem angrenzenden Land, wo es den Menschen gar nicht so schlecht geht, stellt sich dann mit der Zeit vielleicht die Überzeugung ein, die AK lieber beiseite zu legen und ein normales Leben zu führen. Im Gehirn muss die Botschaft ankommen:“ Wenn ich für einen Gottesstaat kämpfe, kann ich jederzeit getötet werden, wenn ich die Waffe beiseitelege, erwartet mich ein gar nicht so schlechtes Leben. “ Gold oder Blei?
Was den Zustand unserer Gesellschaft betrifft stimme ich Ihnen zu. Aber auch hier sehe ich nicht, dass es eine Wahl gäbe. Wir können dieses Problem in Angriff nehmen, oder das Problem greift irgendwann uns an.
@ Freiherr vom Stein
Sicher ich für Deutschland fast unmöglich. Jedoch ist es genau die Kriegsführung, welche die Soldaten in Afg. immer gefordert haben und auch langfristig durchzuhalten ist. Einen asymmetrischen Feind bekämpft man asymmetrisch und nicht mit massiven Truppenverbänden. Daher bin gespannt, wie weit UK/USA mit dieser Strategie kommen.
@ MikeMolto
Es mag zynisch klingen, aber die Erfolge Chinas sind unbestreitbar:“ China baut uns Straßen und Infrastruktur, die Amerikaner stellen nur Forderungen“ – so etwa der Tenor in Afrika. Wer macht sein Geschäft jetzt besser? Ziel sollte stets eine Win-Win Situation sein, von der alle Parteien etwas haben.
Etwas aufzwingen will ich weiß Gott diesen Ländern nichts. Der Lebensstandard lässt sich auch ohne ein angelsächsisches System erhöhen, nur diese geistige Schere kann man in Amerika und Europa einfach nicht überbrücken (siehe Diskussion hier und ursprüngliche Ziele ISAF).
@ Elahan | 24. November 2014 – 12:17
Sehe ich etwas anders. Lebensmodelle, Lebenswirklichkeiten und Motivationen sind in der Welt schon recht unterschiedlich. Es gibt ein paar Grundmuster/ethnologische Raster, die sich in unterschiedlicher Ausprägung meist wiederfinden, dass macht unterschiedliche Gesellschaften noch lange nicht kompatibel.
Vieles hängt an unterschiedlichen Entwicklungstadien, vieles hat sich aber auch einfach unterschiedlich entwickelt. Die Globalisierung hat da eine gewisse uniformierende Wirkung, aber auch das ist begrenzt.
Plakativstes Beispiel ist hier die Gleichberechtigung bis hin zur Gleichheit von Mann und Frau. Bei uns heute Grundpfeiler, in anderen Gesellschaften undenkbar. Die Auswirkungen in den Alltag sind enorm.
Natürlich spielt hier Macht und Machtverteilung eine große Rolle. Unterschiede auf der Maslowschen Bedürfnishierarchie wirken sich in allen Gesellschaften ähnlich aus.
Hier muss ich Ihnen leider zustimmen. Liegt darin nicht einer der Gründe, warum mehr und mehr Menschen bereit sind, unsere Werteordnung nicht mehr zu verteidigen oder sich gar einem anderen Wertekoordinatensystem anzuschließen? Die Bindungskraft lässt nach und macht uns zum Übernahmekandidaten.
@Elahan
Daher meine ich, daß das Paschtunwali eine durchaus tragfähige Grundlage für das zusammenleben der Menschen in AFG ist.
Und daß man Frauen schlußendlich mehr Rechte geben bzw. sie auch bilden muß wird sich auch dort herumsprechen.
@ Thomas Melber | 24. November 2014 – 12:52
Ihr Optimismus in Ehren … nur vergessen Sie die Natur des Menschen/des Mannes, der auf der Ebene der Physiologischen Bedürfnisbefriedigung existiert (vgl. Maslow) .
Könnte es sein, dass sich eine Gesellschaft Emanzipation erst einmal leisten können muss? Solange ein Entwicklungsstand gegeben ist, der Arbeitskräfte für einfache Tätigkeiten nötig macht, werden physisch überlegene Männer Frauen dazu zwingen, eben als Arbeitskraft für diese Tätigkeiten zur Verfügung zu stehen. Und solange Lebensglück nicht unwesentlich aus Triebbefriedigung besteht, werden die Inhaber der sozialen Macht peinlich darauf achten, dass da jemand zwecks Befriedigung des Triebes unterwürfig bereitsteht und keine Widerworte geben darf.
Erst der Wohlstand, dann die Gleichberechtigung funktioniert eher als umgekehrt, insbesondere wenn es von außen aufgedrängt wird.
Oder anders gesagt: Waschmaschine, Spülmaschine, Staubsauger, Bier und Verhütungsmittel haben in Deutschland wohl mehr zur Gleichberechtigung beigetragen, als Alice Schwarzer …
@ Bang50 | 24. November 2014 – 12:42
Ich bin ja inhaltlich vollkommen bei Ihnen. Nur wie sagt man es dem deutschen Gutmenschen?
„Könnte es sein, dass sich eine Gesellschaft Emanzipation erst einmal leisten können muss? “
Darf ich mal dran erinnern, dass es die Gleichberechtigung der Frau seinerzeit nur mit Mühe und Not in unsere Grundgesetz geschafft hat, gegen den Widerstand weiter Teile der CDU/CSU. Und jetzt verlangen wir von überwiegend mittelalterlich islamisch geprägten Stammeskulturen, dass sie das in wenigen Jahren und von aussen aufgedrängt stemmen sollen. Und wenn sie es schaffen, lassen wir sie am langen Seil runter, siehe Tunesien.
Ohne ein trägfähiges politisches Konzept, dass den kulturellen Eigenheiten dieser Länder Rechnung trägt, ist jede militärische Aktion früher oder später zum Scheitern verurteilt.
Nein, wir verlangen gar nichts. Das ist eine Scheindiskussion die hier geführt wird. Kein Land der Welt muss dem angelsächsischen System folgen. Seit China ist auch klar, dass Marktwirtschaft nicht unbedingt Demokratie benötigt. Wir sollten uns nur endlich von diesem Zwangsbeglückungswahn verabschieden.
Ziel ist es, für Menschen lebenswürdige Umstände zu schaffen.
Nicht mehr aber auch nicht weniger.
@Tomcat
Bevor hier wieder der Totale Kulturrelativismus ausbricht sei darauf verwiesen das die gelebte gleiberechtigung in D auch vor der Aufnahme ins Grundgesetz und auch innerhalb der CDU der Heute in islamisch orientaluschen kulturräumen praktizierten um lichtjahre voraus war.
Aber ein schönes Beispiel für fvs these: reflexhaft wird bei Erklärungngsversuchen externer Phänomene selbstbezichtigung betrieben.
Opfer-und BeuteGesellschaft ist eben nicht nur materiell sondern auch ideell Realität
@FvS
Reden wir vom Irland des to Connaught or to Hell, dem Irland Michael Collins und Eamon de Valeras, der Bowlermen, dem Burnt Cork der Black and Tans….
Oder vom Kongo, dem Juwel der britischen Krone Indien(arm betraten sie das reiche Land… wie verliesen sie das Land?)
Ich sehe keinen Grund der das Aufzwingen westlicher Demokratie legitimieren könnte und welche Philosophie rechtfertigt das aufoktroyieren einer unerwünschten Regierungsform?
Wir Deutsche sind, wie ich letztes Jahr in Churchills Museum gelernt habe, eine Heroisches oder Autoritäten kritisch gegenüberstehende bzw anti heroische Gesellschaft.
Hat seine Vorteile, wenn irgendwelche Vorgesetzten blinden Gehorsam verlangen, sich Kleingeistigkeit gebeugt werden oder das Leben gegen höheres Gut eingetauscht werden soll aber auch seine Nachteile eben in dem Bereich.
Nicht alle Kulturen – Gesellschaften geben auf die gleichen Fragen und Probleme die gleichen Antworten.
@Bang50
d.h. eine Wohlmeinende Regierungsform mit Achtung vor den Rechten der Menschen und Bürger
hm angelsächsisches System
@ ThoDan – Kann man so sehen, muss man aber nicht. Es gibt in jedem Menschen (egal aus welcher Kulur, Ideologie etc..) ein mehr oder weniger ähnliche Vorstellung dazu, wie ein würdiges Leben aussehen sollte. Ich rede daher eher über die unteren Stufen der Maslow Bedürfnisse: Existenzsicherheit (Nahrung, Wasser, Dach über dem Kopf) und ein Mindestmaß an physischer Sicherheit.
Gilt das schon als Export westlicher Ideale?
@Bang50
Ich habe da auf etwas höher eingeordneten Ebenen „dieser Pyramide“ diskutiert, Gesellschaftsform, Struktur/Form von Schicksalsgemeinschaften/Familien, Regierungsform usw…
@Freiherr vom Stein
was das Ideal angeht, bin ich doch bei ihnen.
Die Wirklichkeit sieht aber auch bei uns anders aus und leider was ihr Beispiel angeht:
„Plakativstes Beispiel ist hier die Gleichberechtigung bis hin zur Gleichheit von Mann und Frau. Bei uns heute Grundpfeiler, in anderen Gesellschaften undenkbar.“
war die DDR und die stätischen Zentren in AFG uns da vor 30Jahren voraus.
Die Gleichberechtigung beginnt doch erst in unseren Gesellschaften unten gelangen.
Noch vor wenigen Monaten konnten viele nicht glauben, dass eine Frau Verteidigungsminister kann.
@ elehan
„war die DDR und die stätischen Zentren in AFG uns da vor 30Jahren voraus.“
eine immer wieder gern behauptete DDR errungenschaft die aber mit der realität wenig zu tun hat.
Rate sich mal frauenanteil im Politbüro/ZK/“parlament“/führungspositionen bei kolchosen/VEB’S usw. zu gemüte zu führen. da sehen sie dann wie emanzipiert der arbeiter und bauernstaat war.
gleichberechtigung hieß vor allem auch weibliches produktionspotential maximal für die aufrechterhaltung des apparatschikpatriarchats einzusetzen.
Jetzt schaue ich hier mal rein und glaube, ich spinne… die Kommentare tendieren teilweise Richtung Bällebad, von der Wortwahl her auch eher Richtung Trollwiese. DDR-Gleichberechtigung im Thread über Verlängerung des Afghanistan-Mandats? seriously?!
Im Moment schützen wir den Drogenanbau (siehe Werte)
@Elahan
Wenn die Eliminierung des Drogenanbaus wirklich gewollt wäre hätte man dafür auch eine Lösung mit Umsetzung. Das würde auch das Problem des warlordism reduzieren.
Unterstützung gäbe es von RUS und vom Iran, die selber darunter leiden (insbesondere der Iran). Übrigens gibt es selbst in AFG eine große Zahl Drogenabhängiger.
@Wacaffe
Es geht um die Frage was wir in AFG erreichen wollen und Werte nur an zB scheinbarer Gleichberechtigung fest zu machen, wollte ich ja gerade mit den Beispielen DDR/AFG konterkarieren.
Im Moment geht es uns um ein stabiles AFG (wenigstens im Norden). Den rechtlichen Rahmen für den einfachen Bürger auf dem Land können wir nicht setzen und gewährleisten.
@Elahan
Man könnte AFG auch einfach zwischen dem Iran und Pakistan aufteilen.
@Thomas Melber: Russische Unterstützung zur Eliminierung des Drogenanbaus können Sie vergessen, weil die russische Mafia am Transport durch die RF nach Odessa und Sevastopol und von da weiter nach Rotterdam profitiert. Und zwar ordentlich. Da geht es um Milliarden.
Iranische Unterstützung können Sie vergessen, weil die Drogenumschlagrouten durch den Iran unter der Kontrolle der Revolutionären Garden stehen. Auch da geht es um Milliarden.
Die Idee mit der Aufteilung war eh ein Witz, nicht war?
Thomas Melber
„Man könnte AFG auch einfach zwischen dem Iran und Pakistan aufteilen.“
In jedem Fall wäre eine bewachte Grenze zwischen Nord und Süd AFG eine nicht abwegige Idee.
@ wacaffe
tut mir leid aber “engagiert” und “kritisch” sind nun wirklich die phrasen unwörter des jahrzents.
[…]
genau das hat man zehn jahre in afghanistan (auch sonstwo, sprengt aber den rahmen) versucht und ist damit voll gegen die wand gefahren.
Eben nicht.
Das deutsche Afghanistan-Kontingent ist imho das Gegenteil:
– Unkritisch. Wie wird denn beispielsweise auf einen korrupten Partner oder Vorgesetzten reagiert? Gar nicht, weil keine Handhabe. Wird halt hingenommen. Und oft scheint man es gar nicht so genau wissen zu wollen was abgeht, man könnte ja mitverantwortlich gemacht werden. Schönes Beispiel ist das Totschweigen der Miliz-Realität im RC Nord.
– Distanziert. Man sieht sich nicht als politischen Akteuer, scheut Verantwortung, bleibt unverbindlich und deklariert soviel wie möglich zum „afghanischen Problem“. Es wird nicht versucht Leverage aufzubauen, man sieht sich vor allem als Lehrer der unverbindlich berät und mehr nicht.
Anschauliches Beispiel sind da die seit Jahren andauernden Kämpfe zwischen „regierungsfreundlichen“ Milizen in Khanabad. Zu Lasten der Bevölkerung, und zu Gunsten der Taliban. Für die BW kein Thema. Übergriffe durch „Verbündete“ zählen ja nichtmal als „sicherheitsrelevanter Vorfall“.
Da könnte man dann noch einen dritten Punkt hinzufügen:
– Abhängigkeit. Die Bundeswehr und eigentlich das gesamte deutsche Engagement sind vom Wohlwollen einiger Regionalgrößen abhängig. Wahrscheinlich repräsentieren die sogar die Mehrheit der Bevölkerung. Nur ist man eben kein „Honest Broker“ mehr, und entsprechend erschwert ist der Zugang zu den anderen Bevölkerungsgruppen.
fallschirmbrigade nach aleppo weil IS/Assad/FSA alle doof ergo selbst intervenieren? […] D hat hier schlicht keine ausreichende Kenntnis und folglich auch keine leverage.
Ja, die massive Intervention wäre eine bewährte Option, und die Erfolgsaussichten wären sogar gut. Dass der politische Wille nicht da ist, und diverse europäische Streitkräfte kaum in der Lage wären Truppen zu stellen, ist halt der andere Punkt.
Ein anderer Ansatz wäre, Sonderbevollmächtigte vor Ort zu schicken, die vor Ort Einfluss aufbauen und schauen dass die Mittel an die richtigen Stellen gelangen. Gibts in verschiedenen Geschmacksrichtungen, von CIA bis „staatliche 1-Mann-Unternehmen mit einem Jahresbudget von 100.000$“.
Vermutlich könnte jemand vom Fach noch diverse andere Optionen aufzählen.
Aber gerade der Punkt „keine ausreichenden Kenntnisse“ ist halt nur ne billige Ausrede. In Afghanistan haben zum Beispiel die Niederländer, aber auch die Sondergesandten des State Department, das Gegenteil bewiesen. (Und ich würde vermuten, dass auch die deutschen Sonderbeauftragten sehr viel mehr wissen oder ahnen als in den öffentlichen Berichten auftaucht.)
da assad wohl kaum die kurden bzw. sunni gebiete wieder einnehmen kann und will wird es irgendwann zu einer lagestabilisierung kommen.[…]
diese überlegungen muss sich aber nicht die deutsche gesellschaft […] machen
Wie diese „Lagestabilisierung“ aussieht zeigt der folgende Artikel ziemlich gut: Whoever saves a life. Bombenterror durch das Regime und Vormarsch von ISIS. Und das obwohl in Aleppo die „Front“, anders als an vielen anderen syrischen Orten, seit knapp einem Jahr recht konstant ist.
Und ja, da muss sich die deutsche Geselllschaft durchaus Gedanken machen wir sie zur Not anderer Menschen steht.
@ Bang50
Bzgl. punktierter Stiche: Das ist schlicht operative Notwendigkeit um dem radikalen Islamismus zumindest geographisch einzudämmen und den Druck von den angrenzenden/schwachen Ländern zu nehmen. Oder schlagen Sie vor, wir sollten uns einfach zurücklehnen und abwarten welche max. Ausdehnung ISIS erzielen kann?
Nein, der Kernpunkt der Kritik ist: Für sich genommen wirken weder Luftkrieg noch CT mit Special Forces. Damit wird eben kein Druck weggenommen, es ist nur ein aktionistisches Placebo.
Mir wäre kein einziger Fall bekannt, wo diese Mittel ein solches „psychologisches Gefahrenpotential“ aufgebaut hätten, dass die Zahl der Militanten abgenommen hätte. Pakistan, Afghanistan, Irak, Kolumbien oder Mexiko mal sicherlich nicht.
Würde man einem Experten für organisiertes Verbrechen was davon erzählen, dass ja Luftkrieg und Spezialkräfte das Mittel zu dessen Bekämpfung seien, würde er einen wohl auslachen. Das hier ist gerade wieder eine sehr militäreigene Diskussion.
Ohne eine „Ordnungsmacht“ on-the-ground, die eine Schwächung der Militanten auch ausnutzen und in mehr Sicherheit ummünzen kann, folgt auf eine „Enthauptung“ schlicht der der nächste Warlord/Militante/Mafiaboss. Wobei es nicht unwahrscheinlich ist, dass der noch radikaler eingestellt ist als sein Vorgänger. Zumindest scheint das die Erfahrung aus Pakistan, Afghanistan und Mexiko zu sein.
(Tatsächlich scheitert das ganze in der Praxis aber schon an vielen kleineren Details. Etwa der fehlenden Aufklärung. Oder dass die Bomben/Hit-Teams aufgrund der unausweichlichen Kollateralschäden von der Bevölkerung als größere Gefahr gesehen werden und diese damit auf die Seite der Machthaber drängt. Oder dass es für die Machthaber vor Ort einfacher ist Verrat zu sanktionieren, als es für Aussenstehende ist Kollaborateuere anzuwerben. Und so weiter…)
Ich schätze sie haben hier das Bild Afg. vor Augen, wo genau dieser Fehler gemacht wurde. Man hat mit massiven militärischen Kräften versucht ein Land zu befrieden und gleichzeitig Entwicklungspolitik zu betreiben – jedoch war der radikale Islamismus in dieser Gesellschaft bereits stark verwurzelt und die Bevölkerung feindlich den fremden Kräften gegenüber eingestellt.
Hier liegen Sie imho sehr falsch. Weder war der radikale Islamismus in Afghanistan stark verwurzelt, noch war die Bevölkerung den Ausländern feindlich eingestellt (von vielleicht einigen Ecken im Süd-Westen Afghanistans abgesehen).
Ist jetzt nicht bös gemeint: Aber vielleicht sollte man sich an der Stelle wirklich nochmal das Hinwegfegen der Taliban durch ein recht geringes Kräfteaufgebot und die nachfolgende Aufbruchsstimmung im Land erinnern.
In vielerlei Hinsicht war Afghanistan ein Best-Case-Szenario. Eben weil alles so friedlich und willkommend war hat man doch überhaupt die BW hingeschickt.
Und solange es nicht geknallt hat war doch für den deutschen Michel alles gut, genau wir bei den anderen Bundeswehreinsätzen und Entwicklungshilfemissionen.
Erst seit dem Verschlechtern der Sicherheitslage sind doch die ganze Lücken im Konzept auch für den Desinteressierten nicht mehr zu übersehen (und natürlich haben es ab da dann schon immer alle gewusst).
Das deutsche Engagement in Afghanistan wird ja seit einiger Zeit auch gar nicht mehr als „Problemlösung/Zukunftsarbeit“ verkauft („Wir machen Dinge besser“), sondern nur noch als „Flickschusterei“ („Ohne uns wären die Dinge noch schlimmer“).
Das reicht vielen nicht.
Jetzt kann man es sich natürlich einfach machen, und sagen „Die Politik muss halt liefern“. Aber können das Abgeordnete bei einem solch schwierigen Thema wirklich? Und das ist an der Stelle nicht mal zynisch gemeint: Auch Ansätze wie die Tobin-Steuer oder die Energiewende sind nicht im Parlament entstanden.
Müssten die Lösungs-Ansätze nicht viel mehr von den „Experten“ vorausgearbeitet und beworben werden? Und diese außen- und sicherheitspolitische Konzeptlosigkeit nicht genau das der Punkt, an dem es in Deutschland trotz 10 Jahren Afghanistan-Realität so extrem düster ausschaut (von einigen wenigen Machern wie beispielsweise Winfried Nachtwei, Thomas Ruttig oder Reinhard Erös vielleicht abgesehen)?
@ J.R.
ihr plädoyer für mehr engagement in allen ehren aber wenn man sich wirklich ihrer vorstellung gemäß auch mit den, hinter den von ihnen kritisierten milizen stehenden, power brokern angelegt hätte hätten sie die deutschen verlustzahlen noch mal mit faktor X multiplizieren können. Ohne das die Taliban dadurch ihre freunde geworden wären oder das letztendliche endstadium deutlich vom sich jetzt abzeichnenden abgewichen wäre.
die kooperation mit Atta uns co. hat man nur gemacht weil klar war das es anders nicht geht. konsequenz eines vorgehens gegen deren interessen wäre deutlich höhere gefechtsintensität mit kollateralschäden usw. gewesen. mädchenschulen wären auch nicht mehr drin gewesen. warum das jetzt die ethisch überlegene strategie hätte sein sollen erschließt sich mir nicht wirklich.
das mit den „fehlenden kenntnissen“ sollte auch kein aufruf zum fatalistischen duckmäusertum sein, sondern lediglich darauf hinweisen das diejenigen die man aus anfänglich hehren motiven unterstützt hat diese entweder nie geteilt haben oder im laufe des konflikts andere prioritäten entwickeln als „inklusive konfliktbewältigung u.Ä.“. stichwort blowback.
human terrain teams/embedded kulturanthropologen usw. kann man alles machen, nur nutzt es letzlich wenig wenn das strategisch operative umfeld einen erfolg aus militärischen/kulturellen/ökonomischen/religiösen gründen im einsatzgebiet und an der heimatfront (strategische geduld/verlusttoleranz usw) nicht zulässt.
afghanistan q.e.d., auch bei den niederländern
@ J.R
Zitat:“ Nein, der Kernpunkt der Kritik ist: Für sich genommen wirken weder Luftkrieg noch CT mit Special Forces. Damit wird eben kein Druck weggenommen, es ist nur ein aktionistisches Placebo.“
Also lassen wir die ISIS einfach mal machen – ich bin auf das Ergebnis gespannt. Der Ansatz mit Bodentruppen hat ja auch in Afg. gar hervorragend funktioniert. Aber wenn schon mein Ansatz als aktionistisches Placebo zum Scheitern verurteilt ist, dann ist es der Bodentruppenansatz gewiss (notwendiger Kräfteansatz für ausreichende Abdeckung, Abnutzung, massive Verluste in der Zivilbevölkerung, leichtes Angriffsziel, anfällig für Propaganda etc…)
Darüber wie Afg. am Anfang ausgesehen hat und wie dort die Chancen standen, herrscht Einigkeit. Es ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass jetzt die Taliban dort das Zepter schwingen und die Bevölkerung wegen vielen Fehlern (gerade in der Entwicklungspolitik und nicht nur durch das Militär) dem Westen feindlich gesonnen ist. Entwicklungspolitik ist somit nicht mehr möglich. Das Zeitfenster ist geschlossen und daran ändert auch ein verdienter Herr Nachtwei, Ruttig oder Erös nichts mehr. Die operative Lage lässt hier keinen Spielraum mehr zu und idealistische Ziele sind ab diesem Punkt schlicht gefährlich für diejenigen, welche es dann ausbaden müssen.
Entwicklungspolitik ist das richtige langfristige Instrument. Entwicklungspolitik funktioniert aber höchstens in einer sicheren Umgebung. Auch eine Millionen Soldaten in Afg. hätten diese sichere Umgebung nicht herstellen können, weil Taliban und Co diese Kräfte durch ihre Asymmetrie unterlaufen. Das ist ein ganz praktisches/operatives Problem oder wie Sie sagen, eine militäreigene Diskussion. Das Ignorieren dieses Problems ist jedoch wieder typisch für die sehr zivil geprägte Diskussion, die offensichtlich dogmatische und keine pragmatische Gründe hat, das Militär auszuklammern.
P.s Genauso wenig wird mein Ansatz (der übrigens keine Luftschläge vorsieht, siehe meinen Beitrag) dort irgendjemanden direkt besiegen können oder eine sichere Umgebung herstellen. Aber es wird erreicht, dass die Bewegungsfreiheit zumindest eingeschränkt wird. Was wiederrum die Anforderungen an Organisation und Logistik für die islamischen Kämpfer erhöht. Was wiederrum zu sinkender Effektivität und somit sinkender Kontrolle über die Region führt. Das bedeutet wiederrum, die islamischen Kämpfer müssen ihre Kräfte zusammenhalten und können sich nicht beliebig ausdehnen. Das nimmt wiederrum den Druck von den angrenzenden Ländern. Die Opferbereitschaft der islamischen Kämpfer mag zwar in jedem Propagandavideo glorifiziert werden. Wie hart die Gotteskrieger nach vielen Jahren diffuser Bedrohung dann noch tatsächlich sind, wird man feststellen müssen. ISAF war dieser diffusen Bedrohung trotz völliger Überlegenheit nicht gewachsen und ist daran zerbrochen. Die islamischen Kämpfer mögen vielleicht daran nicht zerbrechen, aber schwächen wird es sie und jemand der im Geist geschwächt ist, der wird auch einfacher mit anderen Werkzeugen zu bearbeiten sein.
Anm: Im 2Wk wurde Simo Häyhä dafür berühmt, die Soldaten der Roten Armee unter solchen psychischen Druck gesetzt zu haben, dass diese die von Häyhä kontrollierten Waldgebiete nicht mehr betreten wollten: http://en.wikipedia.org/wiki/Simo_H%C3%A4yh%C3%A4
@J.R.
Treffer, dazu kommt noch, dass die Afghanen mit Bildung sehr enttäuscht sind von dem Agieren der Deutschen in den letzten Jahren.
Der Vorwurf ist: -wir stehen mündlich für Recht und Ordnung und unterstützen und schützen in der Tat die Kriminellen in AFG-
@wacaffe
„Aber ein schönes Beispiel für fvs these: reflexhaft wird bei Erklärungngsversuchen externer Phänomene selbstbezichtigung betrieben.“
So reflexartig wie der Versuch jedes Eingreifen mit Mädchenschulenbauen zu rechtfertigen, und gleichzeitig Regime wie Saudi-Arabien am Leben zu halten.
Wir sind Lichtjahre voraus, und versuchen immer wieder diese „Rückständigen“ in unser Zeitalter zu beamen. Das kann ja nur schiefgehen. Vielleicht sollten wir einfach mal die Realtiäten anerkennen. Die sind nicht wie wir, und werden und wollen es auch nicht sein. Daran sollten wir unsere Politik ausrichten, und da ist für mich Seitenlinie angesagt. Wir haben in Europa 400 Jahren und 100 Mio. Kriegstote gebraucht, um dahin zu kommen wo wir heute sind. Das hat die orientalisch islamische Welt noch vor sich.
Wenn man sich diesen Artikel hier durchliest: http://www.heise.de/tp/artikel/43/43410/1.html…….dann kann man die hier geführte Diskussion eigentlich nur belächeln.
Das „westfälische“ Wertemodell ist ein Auslaufartikel auf diesem Planeten. Das wird die euro-atlantische Werte- und SchickSchal-Gemeinschaft weder mit Bomben noch mit Mädchenschulen in die Herzen und Köpfe der zweiten und dritten Welt hinein bekommen, denn sie hat dieses „Modell“ selber seit dem WW1 bereits zu stark korrumpiert und entwertet.
@ klabautermann | 25. November 2014 – 10:27
Verstehe jetzt nicht richtig, was Sie sagen wollen.
Das Abgleiten der Türkei unter Erdogans Führung ist ein Problem, das dringend auf die außen- und sicherheitspolitische Agenda gehört.
Der TP- Artikel ist aber wieder mal gewohnt schlecht, vermischt er doch berechtige Kritik an Erdogan mit ideologischem Unfug.
Auch in Deutschland gilt, dass Frauen und Männer nicht gleich sind, sondern vor dem Gesetz (!!!) gleich und gleichberechtigt sind.
Siehe:
Sehr bewusst spricht das Grundgesetz von Gleichberechtigung von Mann und Frau, nicht von Gleichheit. Erdogan versucht regelmäßig, aus der naturgegebenen Ungleichheit von Mann und Frau eine Ungleichbehandlung vor dem Gesetz herzuleiten, was wir wiederum grundsätzlich ablehnen.
Kontextabhängige Unterschiedlichkeiten wie Schwangerschaft mit dem daraus folgenden gesetzlichen Mutterschutz etc. ändern nichts an der grundsätzlichen Gleichheit vor dem Gesetz.
Von einer Gleichheit von Mann und Frau spricht das Grundgesetz nirgendwo. Im Gegensatz, der Grundgesetzgeber hat großen Wert auf die Individualität des Menschen gelegt:
Siehe:
Oder meinen Sie, dass das von Erdogan propagierte Lebensmodell eine höhere Anziehungskraft entwickeln wird und sich deswegen durchsetzt? So nach dem Motto: Kein Mann will im Gender-Sozialismus eine Familie gründen und ernähren, keine „Emanze“ will Kinder kriegen, also wird dieses Lebensmodell mit der Zeit aus biologischen Gründen aussterben und durch von der Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion angeleitete Menschen bevölkerungstechnisch ersetzt werden? Alles nur eine Frage der Zeit …
Wenn ich die letzten Artikel hier lese, dann dämmert es mir, warum in Deutschland keine Sicherheitspolitische Diskussion möglich ist. Nicht weil wir eventuell lieber „vor uns selbst kapitulieren“ wie das hier ja Tenor zu sein scheint. Sondern weil es einfach nicht möglich ist sich zu Konzentrieren, man driftet lieber in die Gesellschaft- und Sozialwissenschaften ab und versucht der Einfachheit halber lieber gleich die universalität des Seins universal zu ergreifen.
@FvS
Mein Kommentar geht einfach in die Richtung, dass jeder „Export“ des westfälischen Wertemodells so lange zum Scheitern verurteilt ist solange wir es in unseren eigenen 4 Wänden nicht wirklich praktizieren und durchsetzen. Will sagen: es gibt keine „universelle Nation“, also muß jedes nation building auf den geschichtlich-kulturellen Entwicklungslinien und -stufen der jeweiligen Gesellschaft aufbauen oder es wird früher oder später scheitern. Insofern bin ich ein Gegner jeder Art von Interventionen, die einen regime change als mission objective haben….das führt einfach nur ins never-ending chaos. Allerdings befürworte ich ordnungspolitische Robustheit und Wehrhaftigkeit in unserer eigenen Gesellschaft auf der Grundlage des westfälischen Modells.
@Freiherr vom Stein
Es mag sein, dass die geistige Elite und unser sehr gutes Grundgesetz (nicht vom Volk entwickelt) das so sieht.
Die Realität ist aber, auch in Deu eine andere. Ein anständiger Afghane ist nicht. ungerechter oder gewalttätiger als als ein Europäer.
Die Frage ist, wer ist an der Macht, wer stellt die Regeln auf und wie setzt man sie durch. Gleichberechtigung ist in AFG im Moment nicht das Problem, bei uns im Übrigen auch nicht, obwohl manche Politiker in DEU dies anders shen und uns mit Gender terrorisieren ( Die MinisterInnen (w/m) hatten beschlossen)
Bildung hilft nur dem, der sie hat und zur Wirkung bringen kann, leider bekommen die gebildeten Afghanen sehr schlecht Arbeit.
@Frank
Das ist eben die Folge davon, dass in der Politik und somit auch in weiten Teilen der Gesellschaften das westfälische Wertemodell quasi universell gültig und somit quasi global verbindlich ist. Damit erhebt man dieses Modell zur global gültigen staatlichen und gesellschaftlichen Norm und wundert sich dann, dass der Wertekanon dieses Modells von anderen Staaten oder Gesellschaften anders geordnet und gewichtet wird als von uns.
Damit die Debatte mal wieder zum Thema Afghanistan zurückkehrt…. das aktuell von Reuters:
U.S. to leave more troops than first planned in Afghanistan: sources
„Allerdings befürworte ich ordnungspolitische Robustheit und Wehrhaftigkeit in unserer eigenen Gesellschaft auf der Grundlage des westfälischen Modells.“
Genau, und dieses Modell sollte wir bewahren und weiterentwickeln, und wenn andere das haben wollen, gerne. Wenn nicht, auch gut, aber wir müssen unser Model nicht an jeder Ecke der Welt wie Sauerbier anbieten, oder anderen gar überstülpen. Gleichzeitg gilt es gerüstet zu sein, und mehr als das was wir jetzt haben, falls einer auf die Idee kommt uns sein Modell über zu stülpen.
@ Zimdarsen | 25. November 2014 – 12:45
Da muss ich Ihnen widersprechen. Ein anständiger Afghane muss gewalttätiger sein, als ein Europäer, weil er sonst kein anständiges Leben führen könnte und wahrscheinlich von vielen anderen mit Gewalt unterworfen würde. Siedlungsraum und soziales Umfeld bedingen, dass ein Afghane, will er anständig überleben, ein anderes Verhältnis zu Gewalt haben muss, als der durchschnittliche Mitteleuropäer.
Darum (wie Herr Wiegold verlinkt) schickt Obama auch wieder mehr Soldaten und nicht das Peace Corps oder gendergerechte Sozialarbeiter.
@ klabautermann | 25. November 2014 – 12:32
Volle Zustimmung.
@ Frank | 25. November 2014 – 12:30
Ich fürchte eher, es ist genau umgekehrt.
Weil wir heute zu viel „Schalspur“ haben und Studium generale verpönt ist, sind die Lösungen, die unsere Apparate so produzieren, so flach, wenig durchdacht und eben nicht problemlösen, so dass uns der Laden mittelfristig um die Ohren fliegt, weil sich so viel ungelöst aufgestaut hat. Wer nicht die Breite der Möglichkeiten kennt, hat halt oft Schwierigkeiten, für ein konkretes Problem die passende Lösung zu entwickeln.
Oder anders gesagt: Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.
@Freiherr von Stein.
Auf Ihre Antwort möchte ich gerne wie folgt reagieren:
1.)War bei ISAF nicht eines der Hauptprobleme, dass man mit dem Hammer versucht hat anstatt zu Nageln auch zu schweißen, zu sägen und zu polieren ?
Keiner wird bestreiten das die „Vernetzte Sicherheit“ elementarer Natur ist. Nur auch hier gilt es den Leisten ihre Schuster zu lassen.
In diesem Hause nennt man das glaube ich: Tiefe vor Breite.
@all
2.)Bin ich froh das wir wieder den roten Faden gefunden haben! Dies war meine primäre Absicht.
@T.W.
Der vollständigen Ignoranz ihrer Person wegen, würde ich behaupten, der Blog wurde geentert.
Bitte wieder das Ruder übernehmen, kompletten Tread auf die Trollwiese und die entsprechenden Kommentatoren wahlweise vors Kriegsgericht oder gleich über die Planke schicken!
Ich kann mich E. nur anschließen. Unter dem Deckmantel politischer Diskussionen ufert es zuweilen doch ziemlich aus. Tatsächlich sach- und fachkompetente Kommentare gehen in dieser Flut geradezu unter. Man kann hier scheinbar eine Herausbildung von zwei Polen beobachten: Auf der einen Seite die teilweise arg obskuren politischen Diskussionen, auf der anderen Seite Fachdiskussionen, die in ellenlangen Posts technische Details – vorzugsweise von Hubschraubern – diskutieren. Ich lese die deutschsprachigen SiPo und Mil. Foren und Blogs seit ca. 10 Jahren mit und muss leider sagen, das AG in den letzten paar Monaten massiv an Lesbarkeit und auch an inhaltlicher Ergibigkeit eingebüßt hat. Schade!
„We at Stability have just launched one of the most exciting special collections in a long time. Entitled „Back to the Future: Afghanistan 2024″, collection editor Dorn Townsend bring together fascinating and forward-looking pieces by high-profile contributors such as COIN expert David Kilcullen, the EU’s Michael Semple and UNODC’s Jean-Luc Lemahieu.
Please do share information about this collection with students, colleagues and others.“
Das mache ich doch gerne (habe die Texte aber noch nicht gelesen):
http://www.stabilityjournal.org/collections/special/back-to-the-future-afghanistan-2024
Freiherr von Stein schrieb: „Selbst unsere Gesellschaft würde jegliche wie auch immer geartete Schuld bei unseren Soldaten suchen, statt bei den islamistischen Barbarenhorden. Wahrscheinlich würde konstruiert, dass erst die Anwesenheit unserer Soldaten Ursache für die Gewalt sei, zivilgesellschaftliche Initiativen würden fordern, unsere Jungs sofort heimzuholen. “
Deine Argumente blenden sehr sorgfältig aus, dass die Situation im Irak („islamistische Barbarenhorden“) erst dadurch entstanden ist, dass eine funktionierende Regierung militärisch beseitigt wurde und anschließend die Besatzer nicht in der Lage waren, etwas Adäquates zu installieren.
Mit einer mehr nach innen gerichteten Politik, trotz einiger Schwächen, siehe Deutschland, wäre das nicht passiert.
Du vermeidest sehr konsequent, die Vorteile dieses Ansatzes auf strategischer Ebene zu sehen, du beschränkst dich auf tatsächlich vorhandenene taktiosche Schwächen, die aber durch solide Strategie vermieden werden können.
Gerade als Deutsche sollten wir nach zwei Weltkriegen einiges zur Wertigkeit von Taktik und Strategie gelernt haben, scheint aber schwieriger zu sein, als gedacht.
Es ist Unsinn, schlechte Strategie durch taktisches Flickwerk, nichts anderes sehen wir im Irak, kompensieren zu wollen. Da nutzt deine Elequenz kein bisschen.
Das kleinere Übel wäre, anzuerkennen, dass IS etwas schafft, nämlich einen staatliche Struktur zu schaffen, und aus dieser Tatsache vielleicht andere Schlüsse zu ziehen.
@ Ulenspiegel | 26. November 2014 – 9:07
Leider blenden Sie viel Realität aus.
Aber fangen wir bei den Gemeinsamkeiten an.
Richtig ist, dass Deutschland eine solide außen- und sicherheitspolitische Strategie braucht und dieses tagespolitisch taktische Lavieren ein Ende haben muss.
Richtig ist auch, dass wir uns sehr genau überlegen müssen, wann wir Militär ins Ausland schicken und welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen. Ich würde das an vitale bundesdeutsche Interessen knüpfen. Was wieder die Frage eröffnet, was das sind und was das beinhaltet. Liegt es im deutschen Interesse, einen Bürgerkrieg zu stoppen, damit bei uns nicht mehr so viele Flüchtlinge aufschlagen? Dürfen wir ein Land mit der Begründung Responsibility to Protect besetzen? Bei dieser Frage wird es dann schon kompliziert.
Die Frage Irakkrieg 2003 ist für die deutsche Außenpolitik (offiziell?) nicht relevant. Deutschland hat in der Achse Paris, Berlin, Moskau diese Intervention abgelehnt. Mit dieser wirkungslosen Ablehnung haben die neuen Achsenmächte 2003 sicherlich Islamisten und Saddam Husseins Kader dazu ermutigt, weiter in den Kampf zu ziehen. Islamisten haben gelernt, dass der Rest der Welt zerstritten ist und sie damit eine Chance haben, zu gewinnen. Wesentliche Kader des Islamischen Staates in der Levante setzen sich ja bekanntermaßen aus alten Kadern Saddam Husseins zusammen.
Ihre Glorifizierung des Baath-Partei-Regimes im Irak von 1979 bis 2003 kann ich nicht nachvollziehen. Dieses Regime war nach innen und außen brutal und menschenverachtend. Der ethnisch/religiös fragmentierte Irak wurde mit roher Gewalt zusammengehalten. Die Mitglieder des Hussein-Clans begangen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Zeitvertreib. Die „Barbarenhorden“ gab es schon zu dieser Zeit, nicht selten in irakischer Regierungsverantwortung.
Wenn der Irak eine Chance haben soll, im 21. Jahrhundert anzukommen, muss er offenbar seinen eigenen “Dreißigjährigen Krieg“ ausfechten und eine Basis des Miteinanders zu finden.
Was wir gerade im Irak sehen, ist der Versuch der alten Baath-Kader unter islamischem Feigenblatt unter dem Namen Islamischer Staat im Irak wieder an die Schalthebel der Macht zu gelangen. Barbarenhorden werden nicht besser, wenn man ihnen Regierungsverantwortung überlässt.
Die Ursache für die Gewalt im Irak nun in der Intervention 2003 zu suchen, entspricht nicht den historischen Tatsachen. 2003 wurde allenfalls ein brutaler Korken von einem jahrhundertealten Konflikt genommen und viele Spieler sahen nach dem Sturz Husseins ihre Chance.
Ich halte Ihre diesbezügliche Argumentation für absurd. Das erinnert mich an die zweifelhaften Zeitgenossen, die regelmäßig die Opfer der Bombardierung deutscher Städte im zweiten Weltkrieg betrauern und die Schuld dafür den Alliierten geben.
PS: Wann hatte ich Ihnen das „du“ angeboten? Ich würde es bevorzugen, wenn wir hier respektvoll miteinander kommunizieren. Im deutschen Kulturkreis ist es üblich, dass man sich unter Unbekannten mit „Sie“ anredet. Man drückt damit seinen Respekt vorm Gegenüber aus und lässt erkennen, dass man Anstand und Sitte gelernt hat.
@ wacaffe, Bang50
die kooperation mit Atta uns co. hat man nur gemacht weil klar war das es anders nicht geht.
Wir sind uns glaub alle einig, dass die Mittel für mehr auch gar nicht ausgereicht hätten.
Liegt wohl auch an der deutschen Interpretation von ISAF als Blauhelm-light: Hauptaufgabe war es die Warlords von einem neuen „Sturm auf Kabul“ abzuhalten. Eben deswegen der Aufbau einer kabulzentrierten Kasernenarmee. Und die Drohung amerikanischer Luftschläge hat ja auch dazu geführt, dass die Warlords die Panzer in der Garage gelassen haben, und unter Karzai Teil des Systems wurden.
Womit das deutsche Engagement halt kaum was zu tun hat ist Unterstützung beim Schaffen von Sicherheit. Verkauft wurde es aber als „Wir schaffen Sicherheit damit Entwicklungsarbeit greifen kann“. Stimmt halt schlicht nicht.
In Gebieten die fest in der Kontrolle des regionalen Machthabers sind, scheint es die Bundeswehr nicht zu brauchen (Mazar-i Sharif, Kunduz Stadt, Taloqan). Und in Gebieten in denen diese wenig Einfluss haben, etwa weil dort eine andere Bevölkerungsgruppe dominiert, scheint auch die Bundeswehr nicht beim Schaffen von Sicherheit zu unterstützen (Khanabad, Pul-i Khomri, Char Darah). Was bewirkt der Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan also? Was soll er bewirken? (Und die Frage ist ja nicht neu, siehe etwa „Zahnlos in Faizabad“ von 2004.)
Und Sicherheit ist eben nicht nur eine militärische Problemstellung, sondern auch eine politische. Dem in durchschnittlichen Bahnen denkenden lokalen Machthaber können die Minderheiten-Gebiete doch reichlich egal sein; der hat für die soviel über wie ein bayrischer Ministerpräsident für den Länderfinanzausgleich: Sind nicht seine Leute, warum sollte er also für die Resourcen abzweigen?
Gerade Deutschland hat sich da auch krampfhaft rausgehalten, nie versucht den „Honest Broker“ zu spielen oder gar Einfluss auf die innerafghanische Tagespolitik zu nehmen.
Das Ergebnis ist, dass die Gesellschaft in manchen Landstrichen ziemlich schwach aufgestellt war: Keine politische Teilhabe, keine wirtschaftliche Perspektive, keine funktionierende Verwaltung, keine Sicherheitskräfte. (FP hat da grad einen Artikel, der den Grundgedanken hier etwas ausführlicher aufgreift: „Getting Past the Way of the Gun“)
(Kurzer Einwurf: Langfristig gerät „Entwicklungspolitik funktioniert aber höchstens in einer sicheren Umgebung.“ da ja durchaus in ein Dilemma: Wenn man für derzeitige Sicherheit vom Warlord abhängt, aber langfristige Sicherheit und Entwicklung nur möglich ist indem man die Macht des Warlords beschneidet und andere teilhaben läßt, wie löst man das?)
Und an der Stelle ist dann auch die These „1 Mio Soldaten wären nutzlos, weil Asymmetrie“ schlicht falsch. Tatsächlich ist die Auseinandersetzung für die asymmetrisch schwächere Seite ein Up-hill-Battle. Wenn ich die Zahlen richtig im Kopf hab, dann sind 2009 etwa 300 Kämpfer nach Kunduz eingesickert. 300 Fremde auf 1 Mio. Einheimische ist eigentlich kein Selbstläufer, im Gegenteil.
Aber ein paar Dutzend Kämpfer in einem nur aus einzelnen Dörfern bestehenden Landstrich, ohne irgendwelche staatlichen Strukturen, sind dort auf einmal der dominierende Machtfaktor. Und es ist eben nicht so, dass irgendwer versucht hätte sie davon abzuhalten sich dort einzunisten. Die Bundeswehr hat es in vielen Fällen nichtmal mitgekriegt.
Und auch wenn wenn man sich das derzeitige Bandenproblem in Kundus oder Baghlan anschaut, dann stehen dahinter eben nicht die Attas und Dostums. Sondern schlecht organisierte Banden von vielleicht einigen dutzend Mitgliedern, die von der Bevölkerung gehasst werden, und die nur deshalb schalten und walten können weil sich für diese Landstriche niemand „wichtigeres“ interessiert. Militärisch stehen die in der Nahrungskette ganz unten.
@“Freiherr“
Ein anständiger Afghane muss gewalttätiger sein
Nö. Schlicht sachlich falsch.
Sollten Sie tatsächlich Universalgelehrten-Ambitionen haben können sie sich
a) gerne in Gewalt-Theorie kundig machen (etwa Randall Collins, Dave Grossman, Stathis Kalyvas)
b) oder über die Lebensbedingungen in Afghanistan informieren. (Auch gerade über „Fence Sitting“, und wieviele „Dorf-Machtübernahmen“ tatsächlich mit Gewalt einhergehen – A Battle in Baghlan ist vielleicht ein guter Einstieg.)
Oder anders ausgedrückt: Wie andere Menschen auch wird der durchschnittliche Afghane keine selbstmörderischen Tendenzen entwickeln wenn jemand deutlich stärkeres vorbeikommt, sondern still halten und sein Schutzgeld zahlen.