Ein paar Minuten Krieg und Frieden (mit Wortlaut TV-Duell)

TV-Duell

Die Außenpolitik, die Frage nach Deutschlands Rolle in der Welt kam im TV-Duell der Spitzenkandidaten Angela Merkel und Peer Steinbrück am Sonntagabend praktisch nicht vor (wenn man das Thema Euro mal nicht als außenpolitisches Thema im eigentlichen Sinne ansieht). Und als es vorkam, ging es nur um das deutsche Verhalten bei einem möglichen Militärschlag gegen Syrien – für ein paar Minuten, nach mehr als einer Stunde Wie würde Ihr Geldbeutel wählen.

Zur Dokumentation hier unten die Passage zum Thema Syrien. Wie mir schon gestern Abend aufgefallen war: Merkel stellt ein UN-Mandat in eine Reihe mit einer möglichen Selbstmandatierung von NATO oder EU. Und Steinbrück sagt zwar nicht direkt, dass die deutschen Patriot-Staffeln in der Türkei bei einer solchen Auseinandersetzung abgezogen werden sollten, er kündigt aber schon an, die Bundeswehr um jeden Preis aus dem Konflikt heraushalten zu wollen – eine interessante Frage, falls ein US-Angriff auf Syrien wiederum zu Angriffen auf die Türkei führen sollte, zu deren Abwehr die deutschen Flugabwehreinheiten ein Mandat des Bundestages haben.

Der Wortlaut, mit den Fragen von Peter Kloeppel (RTL) und Maybrit Illner (ZDF):

Kloeppel: Wir haben eben gerade viel über Amerika gesprochen. Es gibt offenbar viele Kontaktpunkte, nicht nur im Internet, sondern auch auf anderen Knotenpunkten dieser Welt. Ein Thema, das uns in den letzten Tagen intensiv beschäftigt hat, gestern Abend auch nochmal ganz besonders beschäftigt hat, ist die Frage über das Vorgehen der Amerikaner, aber auch anderer Staaten, bezüglich des Giftgas-Angriffs und möglicher weiterer Giftgas-Angriffe in Syrien. Die Amerikaner haben entschieden, wir lassen jetzt erst mal den Kongress entscheiden, verhalten uns aber durchaus eigenständig, wenn der Kongress sagt, ja, ist in Ordnung, in Syrien militärisch einzugreifen? Würde sich Deutschland unter Ihrer Führung zu einer Beteiligung eines Militärschlages in Syrien entschließen?

Steinbrück: Nein, und ich würde es auch höchst bedauern, wenn die Amerikaner, ohne ein entsprechendes völkerrechtliches Mandat zu haben, sich zu einem Militärschlag entscheiden würden, weil ich glaube, dass die Lage der Menschen in Syrien nicht verbessert, dass damit die Gewalt ja nicht beendet ist, und vor allen Dingen, dass die Völkergemeinschaft auseinandergetrieben und der UN-Sicherheitsrat und die ganze UN dabei entwertet wird. Ich habe deshalb die Hoffnung, dass nächste Woche auf dem G20-Treffen, an dem Frau Merkel teilnimmt, mindestens am Rande sich die wichtigsten Partner zusammensetzen, um zu erörtern, wie dann der Druck auf Syrien erhöht werden kann – jenseits und unter der Schwelle eines militärischen Strafaktes, den ich nicht für richtig halte.

Kloeppel: Wenn Amerika aber zuschlägt, würden Sie dann als Bundeskanzler beispielsweise deutsche Besatzungsmitglieder aus AWACS-Flugzeugen abziehen? Dass deutsche Schiffe beispielsweise, die im Mittelmeer Lauschaktionen durchführen, dass die das nicht mehr tun dürfen? Dass die Patriot-Batterien, die in der Türkei stehen, abgezogen werden? Würden Sie das alles tun?

Steinbrück: Ich würde als Bundeskanzler nur auf der Grundlage eines völkerrechtlichen Mandates agieren und selbstverständlich nach einer entsprechenden Beschlusslage des Deutschen Bundestages.

Kloeppel: Das heißt also, Sie würden diese Batterien abziehen? Sie würden keine Besatzungsmitglieder in diese Flugzeuge hineinlassen?

Steinbrück: Nein, ich würde jedenfalls dafür Sorge tragen, dass deutsche Truppeneinheiten, auch die Patriot-Einheiten an der türkisch-syrischen Grenze, in keinster Weise involviert sind, und in der Tat, dass Bundeswehroffiziere, darum geht es ja, die teilweise zu den Besatzungen von AWACS-Maschinen gehören, die Bundesrepublik Deutschland nicht in die Verlegenheit bringen, auch nur indirekt an einem solchen Militärschlag, der, ich wiederhole, kein völkerrechtliches Mandat hätte, teilzunehmen. Ich habe die große Hoffnung, dass wir auf dem G20-Treffen eine Art Vierergruppe zusammenbringen —

Illner: Das sagten Sie schon, Herr Steinbrück.

Steinbrück: Entschuldigen Sie, nur noch den Satz – die in der Lage sind, auch auf Russland und China nochmal zuzugehen vor dem Hintergrund eines völkerrechtswidrigen Aktes, wie es ihn so in diesem Jahrhundert noch nicht gegeben hat.

Illner: Damit ist auch dieser Satz zu Ende. Angela Merkel, wie würden Sie entscheiden, wie werden Sie sich verhalten? Wird sich Deutschland an einem Militärschlag gegen Syrien beteiligen, ja oder nein?

Merkel: Nein, Deutschland wird sich nicht beteiligen, und Deutschland kann sich im Übrigen auch nur beteiligen, wenn es ein NATO-Mandat oder ein UN-Mandat gibt oder ein europäisches Mandat. Wir versuchen alles, und da bin ich deshalb auch sehr froh, dass wir dafür Tage Zeit haben, dass wir den UN-Prozess jetzt nochmal in Gang bringen. Selbstverständlich werde ich, so wie ich jetzt schon in dieser Woche mit dem russischen Präsidenten telefoniert habe, am Rande von G20 viele Gespräche führen. Wir haben schon das ganze G8-Treffen im Juli damit verbracht, dass wir uns mit Syrien sehr stark beschäftigt haben.

Es muss ein politischer Prozess in Gang kommen. Deutschland wird sich aber in keinem Fall an der Sache beteiligen. Dennoch brauchen wir eine kollektive Antwort der UNO auf den Missbrauch und die Verletzung des Chemiewaffen-Abkommens und den Chemie-Einsatz. Das ist nicht irgendein kleines Vorkommnis, das ist ein wahnsinniges Verbrechen. Das ist eine Konvention von 1925, die hier einfach gebrochen wurde. Da werde ich auch mit dem russischen Präsidenten und dem chinesischen Präsidenten alles daransetzen, dass wir hier eine gemeinsame Antwort der Vereinten Nationen bekommen.

Illner: Dann sind wir also für eine Reaktion, nur eben nicht dabei. Und kommen jetzt zu den letzten Fragen…

Merkel: Entschuldigung, bei der UNO sind wir immer dabei. Wir sind dafür, und das ist Deutschlands Aufgabe, eine gemeinsame Haltung der Völkergemeinschaft zu finden und alles zu tun, damit die Völkergemeinschaft auf so einen Vorfall nicht gespalten reagiert. Und da wird sich Deutschland als Mittler einbringen.

(Foto: ARD/Max Kohr/S2)