Syrien: Vorbereiten auf den Krieg auf Distanz
Knapp 24 Stunden nach der Kriegsrede von US-Außenminister John Kerry sind weitere Details eines offensichtlich geplanten US-Angriffs auf Syrien durchgesickert – und ohne Zweifel sollten sie auch durchsickern. Die zusätzlichen Beweise , dass das syrische Regime hinter der Giftgasattacke vom 21. August steckt, haben die USA bislang noch nicht wie angekündigt vorgelegt; auch die völkerrechtlichen Grundlagen für eine solche Militäraktion sind noch unklar.
Als Sammlung (mit Erweiterungsmöglichkeit) einiges vom (heutigen) Dienstag:
Nach einem Bericht der New York Times (Pentagon Sees Syrian Military, Not Chemical Sites, as Target) soll ein begrenzter Luftschlag dazu dienen, militärische Einrichtungen der syrischen Armee zu zerstören – nicht aber dazu, die – wenn überhaupt erkannten – Chemiewaffendepots der Syrer anzugreifen. Das klingt sinnvoll, weil ein Angriff auf diese Depots auch Kampfstoffe freisetzen könnte. Wie schon seit längerem erwartet, könnten die Angriffe mit Marschflugkörpern des Typs Tomahawk von einem der vier US-Zerstörer im östlichen Mittelmeer (Foto oben: die USS Barry) gestartet werden – und auch dabei bleiben.
Ein solches Vorgehen würde zwar nicht die zum Teil bekannten Lagerorte chemischer Waffen, die Foreign Policy auf einer Karte zeigt, treffen. Vermutlich aber die wichtigsten Standorte der syrischen Luftwaffe, die in der hier vor ein paar Tagen verlinkten Studie auftauche: Required Sorties and Weapons to Degrade Syrian Air Force
US-Verteidigungsminister Chuck Hagel hat seinem Präsidenten Barack Obama volle Einsatzbereitschaft gemeldet, und die Regierungschefs sowohl Großbritanniens als auch Frankreichs haben ihre Unterstützung zugesagt. Wenn auch noch offen bleibt, wie eine britische und französische Beteiligung konkret aussehen könnte. Einen Blick auf die militärischen Optionen aller drei Länder wirft die BBC hier.
Eine Frage bleibt bei all dem bislang unbeantwortet: Was ist letztendlich das Ziel? Nur eine Bestrafung der Assad-Regierung für den geächteten Einsatz chemischer Waffen (und damit auch das deutliche Signal an andere Länder, dass die USA Massenvernichtungswaffen nicht dulden, wenn sie es nicht wollen), eine Verschiebung der Machtbalance im syrischen Bürgerkrieg, oder doch das Ende Assads?
(Foto: MEDITERRANEAN SEA, June 16, 2013 -The guided-missile destroyer USS Barry (DDG 52) is underway in the Mediterranean Sea. Barry is on a scheduled deployment supporting maritime security operations and theater security cooperation efforts in the 6th Fleet area of responsibility – U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 2nd Class James Turner via Flickr unter CC-BY-Lizenz)
@califax | 27. August 2013 – 23:31
Niemand ist in dieser Welt unabhängig. Auch die NGOs nicht.
@ Califax
Zitat: „Qui Bono ist mit Abstand das allerdümmste “Argument”, das man in solchen Diskussionen zu hören bekommt. “
Ist ihre Meinung, die kann man haben, aber als logisch denkender Mensch ist die Frage des möglichen Nutzens einer Operation immer zu beantworten. Ich glaube nicht, das Assad so blöd war, den USA einen Kriegsgrund mit Ansage zu liefern !
Georg:
Es waren Ärzte vor Ort! Nicht jedes Gift wirkt gleich, Phosphorsäureesther wie Sarin sind schon ziemlich typisch. Nicht nur anhand der Symptome und der Behandlung sondern auch wegen der Eigenschaften bzgl. Flüchtigkeit und Aufnahme toxischer Dosen durch Hautkontakt mit kontaminierten Personen. Stoffe dieser Klasse hat man nicht einfach so im Industriebetrieb rumliegen.
Typische Industriegifte mit militärischem Anstrich wären Phosgen und Diphosgen oder diverse Reizgase. Die wirken alle komplett anders.
Und, auch wenn es beharrlich ignoriert wird, die eingeschlagene Munition, die man gefunden und dokumentiert hat, sind großkalibrige russische Saringasraketen. Keine Abfallkontainer und keine Eigenbaubömbchen.
Nebenbei:
Die Hundert Toten bei der russischen Theaterbefreiung sind übrigens nicht am Gas gestorben, sondern an der inkompetenten Erstversorgung und Lagerung danach. Teilweise Rettungstod (Unterkühlung im Schockzustand wegen fehlender Decken und Infusionen), teilweise sind sie an der eigenen Zunge erstickt, weil sie falsch gelagert wurden. Die russischen Spezialkräfte, die die Geiselbefreiung durchgeführt haben, waren daran unschuldig. Die Erstversorger danach haben es versaut.
@califax
„Qui Bono ist mit Abstand das allerdümmste “Argument”…“
In der Tat ist die „Cui Bono“-Frage kaum zielführend, weil sie Absichten auch aus strategischen Nebeneffekten schlußfolgern will. In Afghanistan nimmt ISAF abhängig von der angestrebten militärischen Wirkung in Kauf, dass Unbeteiligte Risiken ausgesetzt werden, welche die Unterstützung für ISAF reduzieren. Wenn man die „Cui Bono“-Frage analog zu Syrien anwendet müsste man hier unterstellen, dass ISAF ja grundsätzlich nicht für Kollateralschäden verantwortlich sein kann, weil diese den Aufständischen nützen.
Im Fall Syriens wäre m.E. die Frage relevanter, was denn die strategische Absicht der syrischen Regierung beim Einsatz der C-Waffen gewesen sein könnte, und da gibt es wenig sinnvolle Antworten. Einen C-Waffen Einsatz gegen Zivilisten könnte nur eine krasse Fehlentscheidung erklären, die praktisch ohne erwartbare militärische Wirkung konträr zu einem der wichtigsten strategischen Ziele der Regierung getroffen worden wäre, nämlich eine westliche Intervention zu verhindern. Umgekehrt passt der Vorfall deutlich besser zu den strategischen Zielen der Aufständischen. Auch wenn die „Cui-Bono“-Frage also nicht zielführend ist, so bleiben dennoch Fragen offen.
Ich bezweifle, das Assad geglaubt hat, Obama würde tatsächlich zuschlagen. Er hatte dafür in den letzten Monaten auch keinerlei Veranlassung.
Taktische Ziele beim Einsatz taktischer C-Waffen mit hoher Flüchtigkeit gegen von Aufständischen kontrollierte Stadtteile: Töten oder Schwächen der in den Gebäuden sehr gut verschanzten Verteidiger, Trennung von Zivilbevölkerung und Aufständischen durch Abschreckung.
@ Jundi:
Mögliche Motivationen:
– Strafmaßnahmen gegen die Bevölkerung, vor denen die Oppositionsgruppen keinen Schutz bieten können
– Demonstrieren, dass von außen keine Hilfe zu erwarten ist, und man daher der langfristig dominierende Akteur sein wird.
Beide sind in Bürgerkriegen absolut üblich.
Unter ersterem Gesichtspunkt haben beispielsweise die USA schon in Vietnam ganz Dörfer eingeebnet, der zweite Gesichtspunkt ist ein wesentlicher Faktor im Vorgehen der Aufständischen in Afghanistan.
@J.R., califax
Zu den von Ihnen genannten Zwecken gibt es zahlreiche Mittel, die nicht identisch mit der einzigen Maßnahme sind, die die USA öffentlich als Schwelle zur Intervention definiert haben und davon kaum abrücken können, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Gleichzeitig gibt es gleich mehrere Präzedenzfälle in der US-amerikanischen Außenpolitik, dass man Interventionen mit Vorfällen begründete, deren tatsächlicher Hintergrund sich später als ganz anders herausstellte, vom Golf von Tonkin über Babys in kuwaitischen Brutkästen über das Massaker von Racak bis zu den irakischen Massenvernichtungswaffen. Dies ist ein weiterer Grund, hier besonders skeptisch zu sein.
Es besteht immer die Möglichkeit von Fehlentscheidungen oder außer Kontrolle geratenen Teilen der syrischen Armee mit eigener Agenda, aber wie mal jemand sagte: Auf unwahrscheinlichen Annahmen beruhende Erklärungsansätze erfordern außergewöhnlich gute Belege, und die gibt es noch nicht. Wenn ohne diese Belege gehandelt werden soll, ist für mich klar, dass die Handelnden gar kein Interesse an einer Aufklärung haben.
@Jundi: Nein. Gibt es nicht. Hat es seit Beginn des Bürgerkrieges auch nicht gegeben. Nur Gas kommt durch jede Ritze.
Wobei derzeit einiges dafür spricht, dass der massive Giftgaseinsatz so nicht geplant war, sondern schlicht ein Fehler/Versehen war. Assad würde ja der Glaube in der Bevölkerung, dass Giftgas eingesetzt wird, ausreichen. Massaker-Bilder von hunderten vergasten Toten kann er hingegen nicht gebrauchen. Bisher ist er da ja mit dem Einsatz von Giftgas in kleinen Mengen gut gefahren – die Bevölkerung einschüchtern, aber die eine Intervention fast schon erzwingenden Giftgas-Massaker-Bilder vermeiden.
Gerüchten zufolge wurden die Gasgranaten ausgeliefert, ohne dass die Empfänger über die Natur der Geschosse informiert wurden. Dieses „Versäumnis“ würde auch erklären, warum das Giftgas so massiv ausgebracht wurde – eben wie konventioneller Beschuss.
Meiner Meinung nach besteht das Ziel einer solchen Operation am ehesten darin Assad bzw die Verursacher des Gasangriff zu mahnen um weitere Eskalationen zu verhindern die vielleicht ausarten und ein wesentlich umfassenderes Eingreifen des Westens nötig mach en könnten.
Die realpolitischen Rahmenbedingungen außer Acht lassend, würde ich als jemand der keine wirklichen Kenntnisse über die Fähigkeiten der deutschen Luftwaffe gerne wissen, ob die deutschen, wie von der ARD in einem Beitrag behauptet, ohnehin nicht in der Lage wären sich aktiv an möglichen Luftangriffen zu beteiligen??
Ausgeschlossen dabei AWACS, Patrios, Oker etc. – ich ziele auf die Beteiligung der Luftwaffe ab.
Syrien besitzt chemischen Waffen als strategische Option gegen einen eventuellen Angriff nuklearbewaffneter Israelis.
Solche Waffen in einem Bürgerkrieg einzusetzen ist sinnlos. Die Gefechtsfeldwirkung is minimal und es ist zudem auch noch eine Herausforderung „des Westens“.
Die „Rebellen“ verfügen über eine Menge Waffen aus Libyen. Das Libyen auch (überlagerte) Kampfstoffe hatte ist bekannt. Den Symptomen der Verletzten nach sind jedoch keine militärischen Kampfstoffe sondern eher Industriechemikalien oder Insektizide verwendet worden.
—
Re: 2007
http://www.newyorker.com/reporting/2007/03/05/070305fa_fact_hersh
/Zitat/
To undermine Iran, which is predominantly Shiite, the Bush Administration has decided, in effect, to reconfigure its priorities in the Middle East. In Lebanon, the Administration has coöperated with Saudi Arabia’s government, which is Sunni, in clandestine operations that are intended to weaken Hezbollah, the Shiite organization that is backed by Iran. The U.S. has also taken part in clandestine operations aimed at Iran and its ally Syria. A by-product of these activities has been the bolstering of Sunni extremist groups that espouse a militant vision of Islam and are hostile to America and sympathetic to Al Qaeda.
/Zitatende/
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Als eine Kommission der arabischen Liga in 2012 die Situation in Syrien untersuchte fand sie laut ihrem Abschlussbericht eine „dritte Kraft“ in Syrien die sowohl gegen Demonstranten als auch gegen die Regierungskräfte vorging.
http://www.unmultimedia.org/radio/english/2012/05/kofi-annan-concerned-about-third-force-in-syrian-conflict/
/Zitat/
A third force may be involved in the ongoing conflict in Syria, according to a spokesman for the joint envoy of the United Nations and the Arab League on Syria.
Suspicions about this involvement have been prompted by bomb attacks in Syria that are similar to those carried out by Al-Qaeda.
/Zitatende/
Seit Beginn der (von den USA als Farbenrevolution angestifteten) Demonstrationen in Syrien befand sich eine „dritte Kraft“ am Boden die durch gezielte Angriffe auf beide Seiten diese gegeneinander aufstachelte um einen Bürgerkrieg zu entfachen. Diese waren die Takfiri Truppen des saudischen Prinzen Bandar.
Was sich jetzt entwickelt ist die Folge des Versagens dieser Truppen. Sie schaffen es nicht die syrische Regierung zu stürzen und brauchen daher direkte offene Hilfe von außen.
Der „Chemiewaffenangriff“ dient nur dem Zweck diese Unterstützung von außen propagandistisch zu rechtfertigen. Ziel war und ist seit 2007 „Regime change“ in Syrien.
Die USA meinen jetzt das sein mit einem beschränkten Angriff aus der Luft möglich. Die Geschichte widerspricht dem. Das hat noch nie so funktioniert und am Ende wird man „boots on the ground“ haben müssen.
Im ersten Kommentar schrieb ich:
/Zitat/
Die falschen Beweise das das gezeigte dann ein “Chemiewaffeneinsatz der syrischen Regierung” war wird nachträglich schon irgendein Geheimdienst, im Zweifel der Mossad, fabrizieren.
/Zitatende/
Das wurde mir dann wiedermal als quasi anti-semitisch vorgeworfen.
Hierzu das wohl in dieser Richtung unverdächtige Wall Street Journal:
U.S., Allies Prepare to Act as Syria Intelligence Mounts
Man verläßt sich also auf „Erkenntnisse“ aus Israel, einem Land das sich im Kriegszustand mit Syrien befindet. Wer glaubt das solche israelischen „Erkenntnisse“ der Wahrheit entsprechen glaubt wohl auch an „unbefleckte Empfängnis“.
Und Details wie „The intelligence, which the CIA was able to verify“ lassen wir außer acht?
SL:
Diese ARD-Darstellung ist falsch. Deutschland hat, wie bereits hier im Blog an anderer Stelle erwaehnt, annaehernd 600 Taurus-Marschflugkoerper, die zumindest von Tornado verwendet werden koennen (ueber den Stand bei der EF-Einruestung weiss ich nichts). Waere eine derartige Beteiligung gewuenscht (was nicht der Fall ist), waere dies einer der ersten Ansaetze. Die Maschinen koennten vom britischen Akrotiri-Luftwaffenstuetzpunkt operieren.
@SL
Na, die Patriot gehören doch auch zur Luftwaffe… Und zudem gibt’s in der Tat, wie mehrfach erwähnt, die Taurus-Marschflugkörper.
Was allerdings (derzeit) nicht einsetzbar vorhanden ist, ist die Waffenwirkung von See an Land.
Und selbst wenn die RBS15 einsatzbereit wären, käme man mit 10 Flugkörpern nicht sonderlich weit. Vielleicht geht ja nach dem Syrien-Einsatz – sollte er tatsächlich so seelastig werden – die Debatte über ein VLS für die F125 wieder los. Oder gar Einrüstung vom Tomahawk in die F124, weil man dann plötzlich eine Fähigkeitslücke erkennt.
Reichweite u Gefechtskopf sind bei RBS Mk15 fuer die aktuellen Szenarien sowieso weitgehend unzureichend, macht also keinen Unterschied. Zu erwartende Flugprofile, die Art der Ziele etc sind alle mehr oder weniger fuer Taurus „wie gemacht“. Die RBS ist u bleibt ein Seezielflugkoerper mit einer sehr sekundaeren Landzielfaehigkeit.
@SL:
Kam das in den Tagesthemen?
Schön wie sich Politik und Medien gegenseitig erklären, dass Deutschland eh nicht handeln könnte, selbst wenn man in Berlin wöllte.
Aber: Weiß Berlin jetzt mal was es will?
Heute wär es ja mal an der Zeit (Verbündete haben sich entschieden, Bundeskabinett kommt regulär zusammen, der Bundestag tagt).
In den Radionachrichten soeben:
Polenz und Niebel befürworten Einsatz, aber ohne Beteiligung der Bundeswehr. Polenz auch für Einsatz ohne UN-Mandat.
Heute muss was kommen. Es war schon unglaublich, dass gestern kein Ton von Regierungsseite zu hören war den ganzen Tag, obgleich die halbe Welt über das Thema sprach.
Und zu Niebel: Der Herr scheint mir nie so recht in Entscheidungsfindungsprozesse eingebunden zu sein und hat entsprechend wenig Ahnung, was die Kanzlerin so denkt. Er erzählt schlicht meistens Quatsch.
@dallisfaction:
Zustimmung zu gestern und zu Niebel.
Heutige BPK wird sicher wieder eine Glanzstunde des entschlossenen „vielleicht-sowohl-als-auch“.
Sagt die Kanzlerin auch mal persönlich was?
Frage mich wie diese Eliten entscheiden wollen, wenn es echt mal dringenden Handlungsbedarf gibt.
Jetzt könnte endlich mal der Bundessicherheitsrat eine wichtige Rolle spielen, wenn nicht … Ach naja, lassen wir das.
@KeLaBe:
Selten so gelacht.
Man sitzt es eben aus – aber will immer auf Augenhöhe mit GBR und FRA sein.
@T.W.
Glückwunsch zum Zeit-Artikel. Gerade Leitartikel auf zeit.de!
@ J.R. Beitrag 0:32
Danke für den verlinkten Artikel (The National). Die Behauptungen in dem Artikel scheinen mir ziemlich realitätsnah zu sein und damit für mich glaubwürdig.
Russland beginnt wohl, Landsleute aus Syrien auszufliegen.
The Aviationist:
http://theaviationist.com/2013/08/28/russian-evacuation-syria/?fb_source=pubv1#.Uh21jhYhGp0
Da kann man auf der Seite unter T.W.’s Artikel gleich weiter lesen, unter der Überschrift:
Kolumne Wir Amis – Warum niemand Deutschland ernst nimmt.
Wobei mir gerade der Gedanke kommt, ob wir nicht einfach nur so sind, wie uns die Sieger des 2. WK haben wollten
Wir sind so, weil unser politisches System straighte Entscheidungen und „klare Kante“ nicht erlaubt. Für jede kleinste sicherheitspolitische Entscheidung muss das Parlament befragt werden. Dann kommt noch dazu, dass aktuell gefühlt 90% der Parlamentarier auf Sardinien oder Korsika im Sommerurlaub sind. Letztlich ist Syrien eine große Unbekannte kurz vor der Wahl, die niemand anpacken mag.
Unser politisches System ist so aufgebaut (worden), daß genau das dabei herauskommen muß. Und zwar von denen, die es heute vielleicht gerne anders hätten.
Vielleicht sollten alle froh sein, daß es so ist, wie es ist. Um zwischen pazifistischen „Aus allem Heraushalten“ und „Überall dabei sein“ hin und her zu schalten, braucht es ein paar Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Wir kriegen aber nicht mal eine Entscheidung hin, ob wir eher den angelsächsischen oder den französischen Weg begleiten wollen. Von einem eigenen Weg ganz zu schweigen.
Daß man ein paar Fahrdienstleiter im Urlaub nicht ans Telefon kriegt, kann ich mir schon vorstellen. Aber MdBs sollten in einer V-Fall- ähnlichen Situation schon zu erwischen sein…
Sollen wir jetzt AlQaeda in Syrien unterstützen nur um „straighte Entscheidungen und “klare Kante” “ zu zeigen?
Dass viel der Meinung sind, dass man die syrischen Terroristen unterstützen und nicht den heidnischen Assad ist mir ein Rätsel, vor allem wo doch A.M. Sabilität als bedeutungsvoller als Menschenrechte und Demokratie sieht. Leider wird auch innerhalb der Bevölkerung nicht unterschieden, denn viele sind gegen Assad und gegen die Terroristen. Die Strafaktion der USA wird in jedem Fall die syrische Bevölkerung treffen, den Osama Normalbürger. Da ist es schon bemerkenswert wie jemand mit besten Beziehungen zum Mutterland des Wahabismus ein Konstrukt schafft, dass innerhalb der muslimischen Welt für Schrecken sorgt und als Werkzeug der USA dient ohne, dass die doch so gut informierte westliche Welt Notiz nimmt. Takfir ist mit Sicherheit eines dieser Werkzeuge.
Zudem versucht auch die türkische Regierung von Anbeginn des Bügerkrieges einen Anlass für ein Eingreifen zu finden und es kann doch keiner glauben, dass wenn die US oder türkische Regierung einen Vorwand benötigen, dass ihre Geheimdienste dazu nicht in der Lage wären diesen zu liefern (einschl der Beschaffung russischer Munition).
@dallisfaction | 28. August 2013 – 10:48:
Und wo ist da der Unterschied zur aktuellen gehandhabten Situation in UK, wo das Unterhaus morgen, 2 Werktage vor Ende der parlamentarischen Sommerferien, zu einer entschließenden Sondersitzung zusammentritt?
@dallisfaction
Wer soll denn entscheiden? Wo ist das Problem? Wurde Deutschland oder einer seiner Verbündeter angegriffen? Gibt es irgendwo auf der Welt eine Entwicklung im SiPo Bereich die plötzlich kam? Aber so ist es wenn man weder Plan A noch Plan B hat.
Es ist gut, dass unsere Soldaten durch das Parlament entsendet werden ggf wäre ein Volksentscheid für militärische Aktionen die am Ende 17Mrd kosten noch besser!
Für den V-Fall und den Bündnisfall genügen die vorhandenen Regularien.
@Tom
Das wüsste ich auch gerne. Ich sehe jedenfalls keine Bemühungen seitens der Regierung die politische Position auf einen breiten parlamentarischen Konsens zu stützen. Und das führe ich auf Sommerpause und Wahlkampf zurück.
@dallisfaction:
Eben. Da die Situation in DEU und GBR vergleichbar ist (Sommerpause, Parlament wird benötigt), ist Ihre obige Kritik an „unser[em] politisches System“ für mich nicht nachvollziehbar.
@califax
Ich hatte bisher immer von einem Luftangriff gelesen. Wo kommen da jetzt die Giftgasgranaten ins Spiel?
@ Memoria
Hatte es als Online-Beitrag gelesen bei Tagesschau. Und ja interessantes sich gegenseitig den „Ball zu spielen“ zwischen Medien und politischen Entscheidern. Hierzu wäre eine entgegengesetzte Aussage im öffentlichen Raum von einer gestandenen Persönlichkeit mal interessant – a la wir könnten, wenn man uns benötigen würde bzw. wenn man Wert auf unseren Beitrag legen würde.
@CWendt | 28. August 2013 – 6:53
Und Details wie “The intelligence, which the CIA was able to verify” lassen wir außer acht?
Sie glauben sicher auch das der NSA keine Daten über U.S. Bürger abhört und unser Internet nur überwacht um uns vor „Terroristen“ zu schützen. Beides haben der U.S. Präsident und sein oberster Geheimdienstchef noch vor kurzem öffentlich erklärt.
Das war noch glaubwürdiger als eine anonymes „the CIA was able to verify“.
Wo bitte sind die Beweise? Und wenn man die hat warum hat dann die U.S. Regierung versucht die UN Untersuchungen vor Ort zu stoppen?
Warum will man in Washington nicht das die UN Beobachter herausfinden was die 300 Menschen dort umgebracht hat?
Und warum ist der Tod dieser 300 Menschen eigentlich wichtiger als der Tod von über 1,000 Menschen in Ägypten die wegen Protesten gegen eine Militärputsch von eben diesem niedergeschossen wurden? Wo war denn da die Aufregung?
Das Luftangriffs-Szenario wird vor allem von Verfechtern der These, es sei die Regierung gewesen, vorgetragen. Nach dem Motto „Luftfahrzeuge sind die besten delivery systems, nur die Regierung besitzt eine Luftwaffe, ergo wars die Regierung.“
Die faktische Erkenntnislage im oeffentlichen Kreis dazu ist bisher null. Szenarien von Experten zu chemischen Kampfstoffen, die ich bisher gelesen habe, fokusieren eher auf Artilleriesysteme, speziell 122 mm MLRS-Raketen, die als „gut geeignet“ eingeschaetzt werden. Solche koennen durchaus auch von den Rebellen verwendet werden, wobei fachgerechte Anwendung dennoch ein Stolperstein bleibt. Artilleriegranaten sind eine weitere Moeglichkeit. All das ist seit Jahrzehnten operativ/trainingsseitig erprobt u effizient.
Alle Luftschläge gingen ohne Erfolg aus
-Deutsche Städte Rache an den Juden ( es wurden danach mehr ermordet )
-Vietnam
-Libyen 80er
-irak 1991 ( Rache an den Schiiten )
-Irak 1998 (USA war die Sache ohne Erfolg)
-Serbien 1999 und der Sturz blieben aus
Und jetzt könnte das zu einem Flächenbrand auslösen
Und was ist wenn Syrer erst richtig gegen die Rebellen losgehen, und kommt doch nur der Bodenkrieg
Weil erst der Bodenkrieg brachte gegen Deutschland und Kosovo und Irak den Erfolg der Luftkrieg nicht
@califax, J.R:
Ich finde Ihre Begründungen für den taktischen Einsatz dieser C-Granaten durch Assads Truppe für sehr plausibel, zumal in so einer festgefahrenen Situation.
Je mehr jemand in die Ecke gedrängt wird, umso wenig wählerischer wird er bei der Wahl der ihm noch zur Verfügung stehenden Waffen sein und umso eher lässt er sich auch zu langfristig irrationalen Strategien hinreißen.
@b, jundi:
Es gibt so weit ich weiß keinen Staat, der selbstlos für die Menschenrechte eintritt ohne irgendwelche Eigeninteressen. Glaubwürdigkeit im Staatenhandeln ist dann für mich eher die Frage, zu welchem Anteil auch humanitäre Aspekte in die Entscheidungen einfließen, wie schwer es sich ein Staat mit Einsatzentscheidungen macht , wie grausam ein Krieg dann geführt wird und wie nachhaltig die einst gesteckten Ziele verfolgt werden. Und da halte ich den Ball bei meinen Erwartungen auch sehr flach.
Die Beweisdiskussion gibt mir wenig, weil man rote Linien ja beliebig so definieren kann, dass sie schon zu Beweisen passen. Das meine ich ganz neutral.
Wer aber rote Linien zieht, hat meist auch den Willen einen Einsatz zu bestreiten, denn sonst verfängt die Drohung ja nicht. Also ist für mich der Einsatzwille von Obama jetzt gegeben.
Fragt sich nur noch in welchem Umfang und für welche Ziele.
@klabautermann Danke für den Stratfor Link.
Dort habe ich einen Artikel über drei mögliche Einsatz-Szenarien gefunden, die alle auf die C-Waffen-Einsatzfähigkeit von Assads Regime abzielen:
1. begrenzte Strafaktion (limited punitive strike) mit:
Tomahawks auf unter 100 eher symbolische Ziele wie Regierungseinrichtungen, Kommando- und Kommunikationszentren und am Giftgasangriff beteiligte Artellerieeinheiten
um:
Die Glaubwürdigkeit der USA wiederherzustellen,
Dem Regime klarzumachen, dass es für den Giftgaseinsatz bezahlen muss.
Assad vom künftigen C-Waffen-Einsatz abzubringen ohne ihn abzusetzten oder in größerem Umfang in dem Konflikt Partei zu ergreifen und hinterher Verantwortung übernehmen zu müssen.
2. Einsatzfähigkeit der C-Waffen ausschalten (Cripple the Regime’s Chemical Weapons Delivery Capability)
durch:
Zerstörung der C-Waffen-Einsatzfähigkeiten durch die syrische Luftwaffe, Raketen- und Artillerieeinheiten,
zusätzlich zu den Kommando/Kommunkationseinrichtung.
mit:
vielen Tomahawk-Zerstörern, Flugzeugträgern, Landerechten auf Zypern,Türkei, Jordanien oder Griechenland.
Gefahr eines Stockens ist hoch.
tiefer Verwicklung in den Konflikt.
3. Sichern von Syriens C-Waffen – Invasion
Derzeit scheint die begrenzte Strafaktion in Frage zu kommen und bevorzustehen
Abgesehen von der Verlässlichkeit der Beweise für einen massiven Angriff mit C-Granaten von Assad, frage ich mich, was Obama dazu treibt, jetzt in dieser begrenzten Weise eingreifen zu wollen.
Glaubwürdigkeit als Machtfaktor in der Region?
Glaubwürdigkeit bei der Ächtung von C-Waffen und Überschreiten von selbstgesetzten Roten Linien? wie schon von @Memoria, KaLeBe ausgeführt
Demonstration seiner Entscheidungsstärke nach Innen und Außen ?
Disziplinieren von Assad?
Erhalten eines „zur Vernunft gebomten“ Assads, um die einsickernden Krieger im Zaum zu halten und Assads Menschenrechtsverletzungen zu begrenzen?
Strafaktion? So was kann einem nur einfallen, wenn man einen Saat personalisiert! Wen trifft man denn mit einer Strafaktion? Die Bevölkerung und die Soldaten eines anerkannten Staates, die in der Mehrheit ihre Pflicht tun.
Die Verursacher werden nicht bestraft und es ist auch nicht Ziel dies zu tun. Die Koalition der Willigen greift in einen Bürgerkrieg ein und destabilisiert die Region noch weiter.
@ dallisfaction
Zitat: „Wir sind so, weil unser politisches System straighte Entscheidungen und “klare Kante” nicht erlaubt. Für jede kleinste sicherheitspolitische Entscheidung muss das Parlament befragt werden.“
Sie sehen also den Einsatz der Bw in einem Krieg, obwohl wir nicht angegriffen werden, owohl es keinen Bündnisfall gibt, obwohl es kein UN-Mandat gibt, obwohl die UN-Inspektoren noch nicht ihren Abschlussbericht über den Urheber des Giftgasangriffes vorgelegt haben, als „kleinste sicherheitspolitische Entscheidung“ ?
Sowohl das Anordnen zum Töten von Menschen, als auch das Risiko als Soldat getötet zu werden, ist die „kleinste sicherheitspolitische Entscheidung“ ?
Ich halte es da mit der Rede des Bundespräsidenten zum 50. Geburtstag der Bw im Jahre 2005, als er einen amerikanischen Senator zitierte, der im amerikanischen Bürgerkrieg um Entsendung neuer Truppen gebeten wurde. Wer so überzeugt ist von dem Einsatz, der solle doch bitte seine eigenen Sohn als ersten Freiwilligen schicken.
Wann werden die USA bestraft für ihre Massaker und Kriegsverbrechen. zb:
fallujah : https://www.google.de/search?q=fallujah+children&client=firefox-a&hs=G7d&rls=org.mozilla:de:official&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ei=0sodUo-aEqHC7Abrt4DQCw&ved=0CAkQ_AUoAQ&biw=1280&bih=649&gws_rd=cr
Vietnam : https://www.google.de/search?q=fallujah+children&client=firefox-a&hs=G7d&rls=org.mozilla:de:official&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ei=0sodUo-aEqHC7Abrt4DQCw&ved=0CAkQ_AUoAQ&biw=1280&bih=649&gws_rd=cr#fp=1&q=vietnam+agent+orange++children&rls=org.mozilla:de%3Aofficial&tbm=isch
Jetzt geht das USA-bashing wieder los… *facepalm*
@Voodoo Nein, nur einige vergessen zu schnell.
http://www.berliner-zeitung.de/politik/giftgas-in-syrien-auch-die-rebellen-haben-chemiewaffen-,10808018,24134746.html
http://www.youtube.com/watch?v=MetcL9m8SU8
Habe ich jetzt richtig verstanden, dass noch nicht einmal klar ist, _wie_ das Giftgas zum Einsatz gebracht worden ist (Luftangriff vs. Granatenangriff)? Aber trotzdem ist schon klar, _wer_ es zum Einsatz gebracht hat?
Ich meine, ich hätte irgendeine Geschichte von einem Überlebenden gelesen. Und da stand irgendetwas von Flugzeugen drin.
Aber das ist natürlich auch kein echter Beweis und kann beliebig erfunden sein.
Es ist nur eines klar, dass es eine unbestimmte Zahl von Opfern (syrische Bürger, pro und kontra Regierung), durch einen unbestimmten Stoff in einem bestimmten Gebiet gab.
@Tom
Achso, jetzt verstehe ich die Frage. Der Unterschied ist, dass Cameron auch alleine entscheiden könnte, wenn es die Dringlichkeit gebietet.