Kabinett beschließt Verlängerung des Atalanta-Einsatzes gegen Piraten
Auch wenn die Piraterie vor der Küste Somalias in den vergangenen zwölf Monaten drastisch zurückgegangen ist – die Seeräuber stellen nach wie vor eine reale Gefahr für die Schiffahrt am Horn von Afrika dar: Auf dem Foto oben, beobachtet von einem schwedischen Hubschrauber, machen mutmaßliche Piraten gerade an der somalischen Küste ein Boot zur Kaperfahrt klar. Das Bundeskabinett hat deshalb heute das bestehende Mandat für die Bundeswehr-Beteiligung an der EU-Antipirateriemission Atalanta unverändert bis Ende Mai 2014 verlängert. Das Mandat liegt nun dem Bundestag zur endgültigen Billigung vor.
Wie bisher können für diese Mission bis zu 1.400 Soldaten eingesetzt werden – tatsächlich sind es allerdings jeweils nur rund 300. Derzeit ist die Bundeswehr mit der Fregatte Augsburg und mit einem Seefernaufklärer vom Typ Orion P-3C an Atalanta beteiligt.
Seit knapp einem Jahr haben die Atalanta-Einheiten auch die Möglichkeit, Infrastruktur der Piraten an Land mit Waffengewalt zu zerstören. Diese Erlaubnis für einen Zwei-Kilometer-Streifen entlang der Küste gilt auch für die deutschen Soldaten. Allerdings wurde diese Möglichkeit bislang nur ein einziges Mal genutzt, im Mai vergangenen Jahres. In anderen Fällen, zum Beispiel bei dem beobachteten Piraten-Skiff im Foto oben, verzichteten die Einheiten auf diese Möglichkeit.
(Foto: EUNAVFOR via Flickr unter CC-BY-NC-ND-Lizenz)
Bei einem „Einsatz gegen Piraten“ würden diese auch bekämpft, was bei Atalanta aber offensichtlich nicht wirklich vorgesehen ist und auch nicht wirklich stattfindet. Bei diesem sog. „Einsatz“ handelt es sich wohl doch eher um betreutes Wohnen auf See.
@76er
Offensichtlich kennen Sie die Operation nicht. Das kann ja mal vorkommen.
Seefahrt als „Betreutes Wohnen“ zu bezeichnen zeugt allerdings von totaler Ahnungslosigkeit von der Thematik.
Jetzt fühle ich mich besser …
@ExKaleu
Wie hoch sind die Verluste unter Piraten im Rahmen von Atalanta denn bislang?
@76er
Hängt von der Definition „Verlust“ ab…
Oder fordern Sie jeden unter Piraterieverdacht stehenden, von einer Dhau aufgegriffenen an der Rah aufzuknüpfen? Vllt. noch ein kurzes Seekriegsgericht davor, wie in dem Buch „Der Schattenkrieg“ von Tom Clancy?
Als 76er sollte Sie doch besser als wir wissen welche Caveats und ROE’s da gelten…
Ich sehe jede beschlagnahmte (oder durch die Piraten selbst verklappte) Waffe als „Verlust“, wenn auch materieller Art, für die Piraten an.
Atalanta ist meiner Meinung nach die einzigst sinnvolle Mission !
Afgh. ,MAli usw . sehe ich da wesentlich unnützer , da versucht man seit jahrzehnten zu intervenieren …alles vergebens . Atalanta dagegen finde ich als enorm wichtig … Welthandelswege müssen ungehindert durchgängig sein da es uns alle betrifft …. Aber man sollte dennoch daran Arbeiten, den Menschen (Fischer) dort unten eine Existenz Grundlage zu schaffen , denn sie haben keine andere Möglichkeiten um sich und ihre Familien Durch zu bringen !
Sehr schöne Verbindung zwischen Mandatsverlängerung und (internationalem) taktischem Vorgehen.
@Interessierter:
Nach den öffentlich zugänglichen Informationen ermöglichen die ROE zumindest die Zerstörung von Material – nationale Caveats soll es hier nicht geben.
Aus meiner Sicht wieder ein Beispiel (sogar offiziell dokumentiert), dass oftmals der politische Handlungsrahmen nicht ausgeschöpft wird – jedoch gerne über ROE lamentiert wird.
Man muss nicht nur können, sondern auch wollen.
@Interessierter
„Ich sehe jede beschlagnahmte (oder durch die Piraten selbst verklappte) Waffe als “Verlust”, wenn auch materieller Art, für die Piraten an.“
An Waffen mangelt es in Somalia leider nicht, weshalb man die Piraten damit auch nicht empfindlich treffen kann.
„Oder fordern Sie jeden unter Piraterieverdacht stehenden, von einer Dhau aufgegriffenen an der Rah aufzuknüpfen?“
Das wäre völkerrechtlich problematisch. Luftangriffe gegen die bekannten Piratenstützpunkte an Land wären das jedoch nicht.
„Als 76er sollte Sie doch besser als wir wissen welche Caveats und ROE’s da gelten…“
Es werden ja noch nicht mal die vorhandenen ROEs ausgeschöpft.
@BlueBaret hängt doch stark vom Verständnis von sinnvollen EInsätzen ab. In afgh/Mali wird versucht, das Problem nachhaltig zu lösen, in Somalia wird von vornherein aufgegeben was die Ursachen angeht und nur die Symptome bekämpft.
@ Skalg
Naja, beide sollen in der Theorie irgendwie helfen das „Staatsversagen“ beider Länder in den Griff zu kriegn. Aber gerade am Mali-Einsatz fällt es mir schwer etwas nachhaltiges zu erkennen. Und auch bei Afghanistan steht das „nachhaltig“ zwar irgendwie im Auftrag, findet sich aber kaum in der Durchführung. Ein paar GIZ-Projekte sind zwar nett, aber strategisch vorausgedacht ist da nicht viel.
Besonders krass in Mali, wo das Hauptziel des BMZ zu sein scheint, möglichst schnell irgendwelche Wahlen durchzuführen, damit man wieder Geld in eine korrupte Kleptokratie pumpen kann. Auch wenn die GIZ in Mali auf operativer Ebene durchaus einige gute Projekte durchgeführt hat: Auf strategischer Ebene scheint das BMZ nicht mehr hinzubekommen, erst recht keine strategische Planung.
Und auch beim AA fragt man sich, wo die Planung eigentlich herkommen soll: In der Zentrale arbeiten „nur“ 2100 Mitarbeiter. Der BND hat dreimal soviele Mitarbeiter wie die AA-Zentrale. Selbst im BMVg arbeiten 3000 Mitarbeiter, wobei die Bundeswehr selbst nochmal über 80.000 zivile Mitarbeiter verfügt (allein die BW-Uni München kommt auf 1100 Beschäftigte). Ist halt eine generelle strategische Schieflage in Deutschland.
Aber nicht nur da.
Besonders interessant ist mal wieder die Kostenberechnung der Piraterie vor Somalia. Von den 6 Mrd. $ Schaden in 2012 sind 1,09 Mrd. $ Militärkosten. (Lösegelder machen gerade mal 0,06 $ Mrd. aus.)
Zum Vergleich die Hilfe an Land: Irgendwas unter 0,5 Mrd. $ im Jahr (0,24 Mrd. für humanitäre Hilfe, 0,16 Mrd. $ für den Militäreinsatz (2010), 0,03 Mrd. $ für die somalische Regierung).
Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass die ganze maritime Chose los ging, weil es der internationalen Staatengemeinschaft nicht wichtig genug erschien, etwas gegen die illegale Thunfisch-Fischere vor Somalia zu tun (Umfang gerade mal 0,3 Mrd., aber verheerend für die Somalier).
Ist halt wieder so ne Frage von Recht/Gerechtigkeit und strategsicher Politik. Und bei beidem spielt Geld und Wirtschaften eine deutlich stärkere Rolle als das Militär. Auch mit Küstenangriffen und so weiter bleibt Atalanta eine Fähnchen-Aktionismus, der mehr Kosten verursacht als das eigentliche Problem, und der bestenfalls kurzfristig Symptome verdrängen kann. Strategie ist was anderes.
Kleine Nachbemerkung:
Die UN hat die Tage nochmal 20.000 weiteren Soldaten für Somalia gefordert. Macht sich irgendwer hier Hoffnungen, dass der „Schutz der Weltmeere“ so wichtig genommen wird, dass diesmal europäische Boots on the Ground geschickt werden? Ich auch nicht.
> Die UN hat die Tage nochmal 20.000 weiteren Soldaten für Somalia gefordert.
Betreutes wohnen auf See ist personalintensiv … SCNR
Den Nutzen von ATALANTA (zusammen mit der NATO Operation OCEAN SHIELD und weiteren internationalen Kräften in dem Gebiet) kann man hier leicht ablesen: http://eunavfor.eu/key-facts-and-figures/
Aus meiner Sicht ist die große internationale Beteiligung erstaunlich, denn es scheinen ja doch ziemlich viele unterschiedliche Staaten ohne große Vorbedingungen oder Verhandlungen Schiffe und Manpower bereit zu stellen. Frage ist dann natürlich immer: Wie gut klappt die Zusammenarbeit mit Chinesen oder Indern oder zwischen EUNAVOR und US-Taskforce? Gibt es mitteilbare praktische Erfahrungen und sachdienliche Hinweise?
„Zivi a.D. | 18. April 2013 – 12:51
Aus meiner Sicht ist die große internationale Beteiligung erstaunlich, denn es scheinen ja doch ziemlich viele unterschiedliche Staaten ohne große Vorbedingungen oder Verhandlungen Schiffe und Manpower bereit zu stellen. Frage ist dann natürlich immer: Wie gut klappt die Zusammenarbeit mit Chinesen oder Indern oder zwischen EUNAVOR und US-Taskforce?“
Ich kann nichts zur tatsächlichen Zusammenarbeit sagen, aber anderen schwimmenden Einheiten als den üblichen Verbündeten zum Beispiel bei ihrer Reaktionsgeschwindigkeit und -Entfernung zu Oberflächenkontakten zusehen können ist nach meinem Wissenstand nicht uninteressant für Marineangehörige.