„Schutz am Boden“ statt „Terror aus der Luft“
Eine bewaffnete Drohne der U.S. Air Force vom Typ MQ-9 Reaper (Archivbild, Foto: U.S. Air Force photo/Staff Sgt. Brian Ferguson via flickr unter CC BY-NC Lizenz)
Das Thema bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr ist im Moment ein wenig in den Hintergrund getreten, die Diskussion läuft aber weiter. Das zeigt sich nicht nur an Berichten wie vergangenen Sonntag im ARD-Kulturmagazin Titel, Thesen, Temperamente, in dem – erneut – der umstrittene Drohnenkrieg der USA in Pakistan scheinbar zwangsläufig mit Planungen der der deutschen Streitkräfte für eine Beschaffung der unbemannten Flugsysteme mit Waffen verknüpft wurde.
Luftwaffeninspekteur Karl „Charly“ Müllner, der Ende August schon mal öffentlich über dieses Thema gesprochen hatte (und dafür von der Politik teilweise Prügel bezog), hat das jetzt noch mal versucht klar zu zurren. In einem Interview mit dem Kompass, der Zeitschrift des katholischen Militärbischofs, die sich in der aktuellen Ausgabe des Themas Waffen – ethisch neutral? annimmt. Eine der wesentlichen Aussagen des Luftwaffengerals:
In der öffentlichen Wahrnehmung ist der Einsatz unbemannter bewaffneter Luftfahrzeuge scheinbar fest mit dem sogenannten „gezielten Töten“ verbunden. Im Falle einer Nutzung durch die Bundeswehr wäre jedoch genau das Gegenteil richtig: Wir können mit bewaffneten unbemannten Luftfahrzeu- gen hinterhältige Angriffe auf unsere Soldaten verhindern. Es geht also nicht um die Frage des „Terrors aus der Luft“, sondern um das Ziel „Schutz am Boden“, um Angriffen wirksam begegnen zu können. Und deshalb verwahre ich mich auch gegenüber dem impliziten Vorwurf der Heimtücke, der ja im gleichen Zusammenhang das eine oder andere mal zu hören ist.
Müllner ist in diesem Themenheft nur eine der Stimmen, die zu Wort kommen. In der katholischen Kirche gibt es etliche – und durchaus nicht einheitliche – Meinungen, denen allerdings eines gemeinsam ist: Die Beschaffung bewaffneter Drohnen bedarf einer sorgfältigen auch ethischen Diskussion. Einschließlich der Klärung der Frage, ob – wie in der derzeitigen öffentlichen Meinung in Deutschland vorherrschend – die US-Angriffe in Pakistan nicht doch auch eine Frage des Waffensystems sind. Mit den Worten von Bernhard Koch vom Hamburger Institut für Theologie und Frieden:
Noch etwas kommt hinzu: Auch wenn wir die Frage des Einsatzes von bewaffneten Drohnen und das sogenannte „gezielte Töten“ sachlich und begrifflich auseinanderhalten müssen, weil es gezieltes Töten auch mit Kleinwaffen geben und man mit bewaffneten Drohnen auch wahllos töten kann, so muss man doch konzedieren, dass in der Realität der Gegenwart beides meistens zusammengeht. Gegen das gezielte Töten von Personen, von denen keine unmittelbare Bedrohung ausgeht und die sich nicht in einem rechtsförmigen Verfahren verteidigen konnten, darf man aber große ethische Einwände erheben.
Und zur Ergänzung der Hinweis: Es geht langfristig ja nicht nur um fliegende Systeme, wie die Kollegen von Danger Room herausgefunden haben.
@ klabautermann
Stimmt. Auch bei mir zuhause herrscht eine Art Kalifa, allerdings zum Glück ohne irgendwelche Anzeichen von Kretinismus. Umso mehr hab ich mich über die Anrede „Werter … “ gefreut. Passiert nicht jeden Tag. Ist nun aber auch OT.
Drohnen und Luftnahunterstützung
Die Konzeption der Bundeswehr (KdB) fordert von den Eingreif- und Stabilisierungskräften der Luftwaffe, mit Luftangriffskräften Ziele am Boden und auf dem Wasser unter allen Wetterbedingungen und unabhängig von der Tages- und Nachtzeit präzise und selektiv bekämpfen oder unterdrücken zu können, sowohl in der Tiefe des Raumes als auch in unmittelbarer Nähe zu eigenen oder verbündeten Streitkräften“ (CAS).
Um welche Missionen geht es:
Terrorismusbekämpfung
Konfliktverhütung und Krisenbewältigung mit UN Mandat.
Evakuierungsmissionen in nationaler Entscheidung und Souveränität.
Humanitäre Hilfsaktionen mit UN Mandat
Kennzeichnend für alle Missionen sind:
Bodentruppen der Bundeswehr müssen ohne geeignete Luftnahunterstützung der Bundeswehr auskommen!
Die Teilstreitkraft Luftwaffe kann DSO / KSK Verbände nicht im Sinne „CAS“ unterstützen.
Jets eignen sich auf Grund der hohen Fluggeschwindigkeit und der begrenzten Standzeit nicht für eine Luftnahunterstützung eigener Bodentruppen in komplexen Kampfsituationen.
Jets eignen sich auf Grund der geringen Reichweite nicht zur Unterstützung der DSO/KSK -Verbände bei Befreiungsaktionen in fernen Ländern.
Hubschraubersysteme habe eine kurze Reichweite, hohe Signaturen, mangelnde Durchhaltefähigkeit bei hohem Logistikaufwand und nur eine leichte Bewaffnung.
Einsatz Drohne
Bewaffnete Drohnen eignen sich auf Grund der Latenzzeiten des Datenlinks nicht zur Luftnahunterstützung der eigenen Bodentruppen. Es ist ethisch fragwürdig, ein bemanntes System mit einem relativ sicheren „Arbeitsplatz“ durch einen „Roboter“ zu ersetzen, während die zu unterstützenden Kräfte am Boden extremer Gefährdung ausgesetzt sind. Bei der Auswahl dieser Systeme (Drohne) wird offensichtlich nicht erkannt – oder man will es nicht wissen -, dass bewaffnete Drohnen aufgrund ihrer Bewaffnung und Satelliten-Kommunikationstechnik nur sehr eingeschränkt einsetzbar sind. Die Bewaffnung ist praktisch beschränkt auf einen Flugkörper mit zwei verschiedenen Gefechtsköpfen, die von ihrer Wirkung her Kollateralschäden nicht ausschließen können.
Die Forderung nach der Beschaffung einer bewaffneten Aufklärungsdrohne z.B. Typ MQ-9 auch für die Luftnahunterstützung wird in der Bundeswehr und der Politik z. Zt. intensiv diskutiert. Begründet wird die Forderung oft mit Vermeidung von eigenen Verlusten. Da in asymmetrischen Konflikten eine Flugabwehr seitens der Aufständischen so gut wie nicht existiert, ist diese Diskussion unverständlich. Sie ist erst recht unverständlich, wenn man Hubschrauberbesatzungen des UH Tiger beim geplanten Einsatz in Afghanistan hohen Gefährdungen aussetzt.
Luftnahunterstützung muss zuverlässig sein, sonst ist sie wirkungslos.
Die Zuverlässigkeit hängt von einem sehr komplexen Kommunikationssystem ab, die
erfahrungsgemäß nicht gegeben ist.
Die Überlegung über die mangelnde Effizienz von Drohnen wird unterstützt durch einen amerikanischem Bericht „MQ-9 Reaper Drone: Not a Revolution in Warfare“ von Winslow T. Wheeler, der im Time Magazine in fünf Folgen im Sommer 2012 erschien. Die Quellenangaben, die zum großen Teil von offiziellen amerikanischen Dienststellen stammen, sind überprüft und es wurden keine Diskrepanzen festgestellt.
Die Probleme bei der Nutzung der Drohne sind so komplex, dass man sie nicht auf einer Seite beschreiben kann. Trotzdem eine Kurzbeschreibung von Winslow T. Wheeler:
„To sum it up, I conclude „the proclamation of drones, such as Reaper, to be the future of warfare, a revolutionary transformation, is an empty, data free proclamation. The MQ-9 neither saves money nor improves performance compared to analogous, even primitive, aircraft. Such equipment only has a future in a defense system that prefers to degrade combat performance while increasing cost.”
Das müsste dann aber statt bewaffneter Drohnen auf Flugzeuge, zB Super Tucano hinauslaufen. Dazu die vorhandenen Tornado / EF zur Landesverteidigung, Seezielbekämpfung (wenn wir es wieder wollen / brauchen) etc…
@B. Pattberg
Sehr gut und wieder muss man erkenn, dass man bei LFZ immer ein spezielles Gerät für speziell Einsätze benötigt. Es gibt in der Luftfahrt keine Allzweckplattform. Fliegen ist eben nicht billig und wer gewappnet sein möchte, hat mit „Breite vor Tiefe“ ohne Breite zu haben zwei Dinge falsch gemacht
@Bernhard Pattberg
Zitat: „Bewaffnete Drohnen eignen sich auf Grund der Latenzzeiten des Datenlinks nicht zur Luftnahunterstützung der eigenen Bodentruppen.“
Bitte streichen Sie diesen Passus: Er ist einfach falsch und kann von jedem Soldaten widerlegt werden, der die US-Drohnen in Afghanistan für CAS genutzt hat, oder von ihnen unterstützt wurde. Wie erklären Sie sich bitte, dass seit Jahren die US ODA-Teams Predator/Reaper zur Luftnahunterstützung nutzen, wenn sie diese gar nicht anwenden können?
Zitat: „Es ist ethisch fragwürdig, ein bemanntes System mit einem relativ sicheren „Arbeitsplatz“ durch einen „Roboter“ zu ersetzen, während die zu unterstützenden Kräfte am Boden extremer Gefährdung ausgesetzt sind. “
Ich war Angehöriger dieser Bodentruppen. Mir kommt es nicht im Traum in den Sinn eine „Solidarität des Sterbens“ von Kameraden der Luftwaffe einzufordern. Ganz im Gegenteil: Wo „Reachback“ machbar ist, solle man dieses auch nutzen, um Gefährdungen zu reduzieren! Mit Robotern hat eine Drohne auch nichts gemein. Sie wird ferngesteuert, da gibt es einen entscheidenden Unterschied.
Zitat: „Bei der Auswahl dieser Systeme (Drohne) wird offensichtlich nicht erkannt – oder man will es nicht wissen -, dass bewaffnete Drohnen aufgrund ihrer Bewaffnung und Satelliten-Kommunikationstechnik nur sehr eingeschränkt einsetzbar sind. Die Bewaffnung ist praktisch beschränkt auf einen Flugkörper mit zwei verschiedenen Gefechtsköpfen, die von ihrer Wirkung her Kollateralschäden nicht ausschließen können.“
Offensichtlich eignen sie sich für den Einsatz in Afghanistan, Iran, Irak, Pakistan, Mali, Jordanien, Syrien, Libyen und in wahrscheinlich drei Dutzend weiteren Krisenregionen, ohne das es schon in der Zeitung steht. Spricht nicht gerade für eine gewaltige Einschränkung?
Bei welcher Waffe wollen Sie Kollateralschäden ausschließen können? Selbstverständlich gibt es bei den eingesetzten Raketen und gäbe es auch bei den 8kg GPS-Kleinstbomben Kolateralschadenskreise und Splitterwirkung. Die sehen aber deutlich anders aus, als die der typischen GBUs oder Bordwaffen anderer CAS-Optionen. Selbstverständlich kann man aber auch Effektoren entwickeln, wo der Kolateralschadenskreis und die Splitterwirkung möglichst berechenbar ist. Grundsätzlich gilt das aber, egal ob das Wirkmittel von einer Drohne oder einem bemannten System angewendet wird.
Zitat: „Begründet wird die Forderung oft mit Vermeidung von eigenen Verlusten. Da in asymmetrischen Konflikten eine Flugabwehr seitens der Aufständischen so gut wie nicht existiert, ist diese Diskussion unverständlich.“
Es gibt da eine ganze Reihe Unterschiede! Wenn sie beispielsweise Artillerie einsetzen, sperrt dies Teile des Luftraumes für bemannte Systeme. Wenn aber Verbündete, die über keine so hoch entwickelte Luftraumordnung verfügen (z.B. ANA) Geschütze (D30) einsetzen, dann können sie plötzlich bemannte Systeme in einer Operation gar nicht mehr nutzen! Bei einer Drohne geht man das Risiko ein. Ganz im Gegenteil: Die ersten Drohnen wurden sogar zur Artilleriefeuerleitung entwickelt, um das Risiko für Beobachter zu minimieren.
Zitat: „Die Zuverlässigkeit hängt von einem sehr komplexen Kommunikationssystem ab, die erfahrungsgemäß nicht gegeben ist.“
Meine Erfahrung aus 195 Einsatztagen Afghanistan 2010 sagt aber, dass es funktioniert hat, ich weis nicht wo Sie Ihre Erfahrungen her haben. Die Zuverlässigkeit der optischen Verbindung (downfeed Rover-3) war weit höher und das Bild wesentlich stabiler, als bei jeder anderen CAS-Plattform, da die Fast-Mover i.d.R. mit Abschattungen durch Gebirge zu kämpfen hatten.
Klingt jetzt irgend wie so wie die Berechnung des Luft- und Raumfahrttechnik Professors, dass die Hummel gar nicht fliegen kann. Gut das sie es nicht weis…
Mein Fazit:
Drohnen sind sicher nicht das alleinige Wundermittel und es gibt sicher Szenarien, wo einige der heutigen Drohnenmuster aufgrund elektronischer Gegenmaßnahmen oder Luftabwehr unbrauchbar sind. Sie stellen aber in bestimmten Szenarien und Situationen Fähigkeiten zur Verfügung, die man so mit bemannten Systemen nur unter Inkaufnahme von höheren Risiken bekommt.
Mit Verlaub und um Fassung ringend: Bei Ihrer Argumentation „Es ist ethisch fragwürdig, ein bemanntes System mit einem relativ sicheren „Arbeitsplatz“ durch einen „Roboter“ zu ersetzen, während die zu unterstützenden Kräfte am Boden extremer Gefährdung ausgesetzt sind. “ dreht es mir fast schon den Magen um, gerade wenn ich an die ein oder anderen Bilder gefallener Kameraden denke. Ich bitte Sie Ihre Schreibtischstrategieen und Ethik zu überdenken…
@Stefan H.
Danke und Zustimmung.