RC N Watch: Der Bock als Gärtner
Sie sind die – offiziell meist nicht eingestandenen – Schwachpunkte der Übergabe in Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte: Die quasi durch Handauflegen und, wenn überhaupt, in Schnellkursen ausgebildeten Hilfspolizeien und Milizen in Afghanistan. Arbaki-Milizen, Afghan Local Police (ALP) oder Critical-Infrastructure-Projekt(CIP)-Hilfspolizisten: Immer wieder gibt es Berichte, wie sich diese Bewaffneten für die Bevölkerung, die sie eigentlich schützen sollen, eher als Bedrohung erweisen. Von simpler Schutzgelderpressung bis zu Vergewaltigung.
Ein besonders krasser Fall in Kundus im Norden Afghanistans ist in den vergangenen Tagen dank der New York Times auch international wahrgenommen worden: Eine 18-jährige Frau wurde vergewaltigt – und ihre Peiniger hängen eng mit der örtlichen Afghan Local Police zusammen.
Lal Bibi is an 18-year-old rape victim who has taken a step rarely seen in Afghanistan: she has spoken out publicly against her tormentors, local militiamen, including several who have been identified as members of the American-trained Afghan Local Police. She says she was raped because her cousin offended a family linked to a local militia commander, who then had his men abduct her around May 17. She was chained to a wall, sexually assaulted and beaten for five days, she said.
Nun hat die afghanische Regierung, genauer: Präsident Hamid Karzai, auf die Vorwürfe reagiert:
The Afghan president responded swiftly to accounts of the rape and abuse of an 18-year-old woman in northern Afghanistan by members of the Afghan Local Police, calling for the disarming of the unit involved on Sunday and ordering that the culprits be brought to justice. (…) In the rape case, Mr. Faizi said, the president told the Interior Ministry to make sure that the local Afghan Local Police unit being accused was disarmed, and that the woman’s attackers be brought to justice, including the unit’s commander.
Es ist nicht der erste Fall, in dem ALP-Kommandeuren und -Angehörigen Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.Und es bleibt die müßige Frage, wie die Taten geahndet werden, die es nicht via New York Times zu weltweiter Wahrnehmung bringen – und vor allem: ob das was an dieser Art von Sicherheitskräften ändert, die ja Teil der Übergabe- und Abzugsstrategie des Westens sind.
hearts and minds …
Herr Wiegold, sowas ist völlig normal. Die ALP hat in den einzelnen Bereichen deutlich mehr Kontrolle über die Fläche als die ANP. Es unterscheidet sich ja, wer wo steht.
Und was denken sie denn, wie die zu ALP’lern werden. ODA Teams bilden die kurz aus, reden ihnen ständig ins Gewissen, dass sie keinen Scheiß bauen sollen und das wars. Ihr Kultur und ihr Sozialverhalten bekommt man aus denn nicht raus. Es gibt ständig Probleme mit denen. Fahren rumm wie die letzten Piraten, hautpsache 8 RPG’s mit Tape an ihren Ranger geklebt, damit das auch schön martialisch aussieht, aber die Waffen dann nicht mehr schnell einsatzbereit sind.
Freund – Feind Erkennung ist bei denen auch ne Katastrophe.
Nur der pure Stumpfsinn („entweder isser einer, oder er ist keiner“) sorgt dafür, dass man die nicht ständig über den Haufen ballert, weil sie es einfach nicht gebacken kriegen, ihre blöden Westen zu tragen.
Abends und nachts sitzen die dann in ihren COP’s und CP’s, können aber ja eh nichts sehen – darum braucht man auch keine Streife laufen – schön lecker Tee trinken.
Die ODA’s bezahlen einfach besser als die HIC … aber man braucht nicht denken, dass diese hässlichen Menschen darum ihre Manieren anpassen.
Das afghanische Gesetz wird mit ihnen nichts gutes vorhaben, dass ist mal klar. Wenn nicht die Familie der Frau die Typen vorher in die Hände bekommt.
Kunduz ist vergleichsweise ruhig was das angeht. In Baghlan gibts da ganz andere Kaliber
Interessant ist die Bekundung des Präsidenten. Für gewöhnlich werden diese Frauen verstoßen und anschließend sitzen sie dann in Pol-e-khomri in einer Kurve in Richtung Kilaghay – betteln die Autofahrer an – pennen im Staub auf der Straße usw…
Es stellt sich hier doch wieder die Frage, ob diese Dinge nicht – leider! – unvermeidbar sind.
An einer mangelnden oder zu kurzen Ausbildung kann es doch eigentlich nicht liegen. Soll sich denn der Polizeiausbilder vor die Klasse stellen und erläutern: „Frauen vergewaltigen im Dienst ist untersagt“?
Wenn man sich in Deutschland für den Polizeidienst bewirbt, darf man nicht vorbestraft sein und muss in finanziell geordneten Verhältnissen leben. Im Einstellungsgespräch versuchen dann noch Psychologen zu ergründen, ob denn der Bewerber auch redliche Motive für seinen Berufswunsch darlegen kann und er als Kind keine Tiere gequält hat.
Es ist zu befürchten, dass in Afghanistan nicht sehr viele ideale Bewerber zur Verfügung stehen.
die spannende Frage ist ja warum dieTaliban keine so schlechte reputation haben, sie schöpfen ja im prinzipiell aus dem gleichen Bewerberpool. Das Problem stellt sich ja auch in anderen Ländern, in denen den fundamentalistischen Kräften auch eher zugetraut wird ein stabiles Rechtssystem aufzubauen, als den säkularen.
Man muss mal eine Weile innehalten und sich vergegenwärtigen, was für ein furchtbares Schicksal das ist.
wie war das damals mit „Wave and Smile“ ? Man ist auf Patrolie gefahren und durfte nichts machen, wurde die Patrolie auf solch einen Fall aufmerksam wurde es weitergemeldet und trotzdem ist nie etwas passiert um solche Dinge weiter zu verhindern.
Ich kratz‘ mich gerade hinterm Ohr und überlege, weshalb wir (die BW) mal in AFG angetreten sind, bzw. was uns die Regierenden so als Begründung genannt dafür haben.
Die Taliban loszuwerden war eine wichtige Sache und das hat ja in verhältnismäßig kurzer Zeit ganz gut geklappt. Dann wollten wir Brunnen, Schulen und vor allem Mädchenschulen bauen. Hat auch geklappt.
Daß wir jetzt aber zusehen, wie sich alles ins glatte Gegenteil verkehrt, ist doch geradezu demoralisierend. 10 Jahre im Einsatz, viele eigene Tote in Kauf genommen, jede Menge Geld verheizt und am Ende steht, daß die Vergewaltigungsopfer heute immerhin lesen und schreiben können…
Ich weiß nicht, ob der Link schon mal gepostet wurde. Vor zwei Jahren veröffentlichte Foreign Policy eine Sammlung mit Fotos aus dem Afghanistan der 50er und 60er Jahre. Man fragt sich, wie das Land so im Mittelalter versinken konnte:
Once Upon a Time in Afghanistan…
http://www.foreignpolicy.com/articles/2010/05/27/once_upon_a_time_in_afghanistan
@chickenhawk: Leider ist die Antwort recht einfach: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Da die Sowjets in ihrem Hinterhof gewisse Interessen verfolgten, die den USA nicht passten, zogen sich beide Seite ihre Palladine heran und hetzten sie aufeinander. Sowas hält kein Land aus, das sozial wie wirtschaftlich aufblühen will.
Ein schönes Beispiel dafür ist der Libanon, wo die Ruhe erst wieder einkehrte, als in den Gemetzeln des Bürgerkrieges das Kanonenfutter beider Seiten genügend dezimiert worden war: Überzählige männlich Jugendliche, für die es nichts zu erben gab, nichts zu arbeiten und daher auch nichts zum Heiraten. Für diese Jugend gibt es nur den Kampf. Das mag man zynisch nennen, doch auch in Eoropa war erst Ruhe, nachdem der 2. WK das Problem vorerst gelöst hatte. Frankreich hat in den Vorstädten seiner Großstädte bereits erlebt, wie es sich anfühlt, wenn diese Bevölkerungsgruppe ein gewisses Maß wieder erreicht. Bei uns läßt sich mit Bullshit- TV und H4 der Deckel noch ein bisschen länger drauf halten. Und was dann?
Ach ja – männliche Jugendliche ohne Perspektive gibt es in AFG und der ganzen Region noch ausreichend für zwei oder drei Bürgerkriege…
Ich habe bisher nur positive Erfahrungen mit der ALP in Baghlan gemacht. Sie sind einsatzwillig, haben die Raumkenntis und nach meiner Kenntnis gab es bisher keine green on blue durch ALP.
Natürlich sind das verwegene Typen und ehemalige Ins. Ist auf jeden lustig mit denen Tee zu trinken und deren Kriegsgeschichten zu hören.
Sie sind von der Bevölkerung mehr akzeptiert als ANP, ANCOP usw.
Wenn die die Ruhe, die momentan herrscht durch teilweise Gewalt gegen die Zivilbevölkerung erreicht, dann ist mir das auch egal.
Fakt ist: durch die ALP sind weite Teile Baghlan-Kunduz Korridor befriedet und wir können heute fast überall ohne Einschränkungen operieren.
pi
Hm. „Wenn die die Ruhe, die momentan herrscht durch teilweise Gewalt gegen die Zivilbevölkerung erreicht, dann ist mir das auch egal.“
Mal jenseits aller ethischen Bewertung dieses Standpunkts, Verbrechen achselzuckend hinzunehmen: Dann erreicht man die Ruhe nur vorübergehend. Insofern etwas kurzsichtig.
Interessanter recht aktueller Bericht: Afghanistan Trip Report V: The Afghan Local Police: „It’s Local, So It Must Be Good“ – Or Is It? – May 09, 2012 (pdf)
Die ALP ist ja ungefähr der zehnte Versuch lokale Milizen auzubauen und wird wie die anderen Versuche wohl auch scheitern. Spätestens 2014 wenn das Geld und die SPECOPS Betreuung endet werden die sich wohl wieder auf Strassenraub spezialisieren.
Der Bericht findet das die ALP sehr untershiedlich in der Qualität und Akzeptanz ist. Teilweise sind das nur Stammesbanden die Partikularinteressen durchsetzen. Für Leute aus anderen (Teil-)stämmen sind die dann eher gefährlich.
[sorry, Link entfernt, aufgrund der geübten Praxis… T.W.]
@chickenhawk
sp0n hat auch noch was. es gibt dort auch AFAIK einen artikel aus Hippiesicht, mit weiteren interessanten Bildern. Kann den aber zur Zeit nicht wiederfinden.
Der Text zu den Bildern ist auch sehr erhellend.
„mittelalter…“ versunken sind da höchstens ein paar Blocks in Kabul. Der Wechsel von Enfield zu Kalashnikov stellte für 99% der Bevölkerung doch den einzigen Wechsel dar, den es seit 1950 gegeben hat (vermutlich auch auf längere Frist).
@ T.Wiegold | 04. Juni 2012 – 17:09
Zitat: „Mal jenseits aller ethischen Bewertung dieses Standpunkts, Verbrechen achselzuckend hinzunehmen: Dann erreicht man die Ruhe nur vorübergehend. Insofern etwas kurzsichtig.“
Zweifelsohne ist das richtig, genau so wie man damit ethische Probleme haben kann. Nur sind das alles nicht mehr unsere Probleme, denn die Politik hat den Abzug befohlen. Genau so wenig, wie uns das in Zentralafrika was angeht, genau so wenig geht uns das was in den übergebenen Gebieten Afghanistans noch etwas an. So ist der politische Wille und es gilt das Primat der Politik.
Aufgrund der „Abzug-Sofort“ Schreier in Deutschland und anderen Nato-Staaten hat man sich dafür entschieden, bis 2014 auf den Einsatz eigener Kräfte verzichten zu wollen und die Afghanen ihren Kram selbst machen zu lassen. Das führt dann dazu, dass dies eben dem afghanischen Entwicklungsstand entsprechend geschieht und wir überhaupt nicht mehr die Möglichkeit haben werden, auf solche Dinge Einfluss zu nehmen. Wir werden also in naher Zukunft vermehrt wieder zahlreiche – nennen wir es – Handlungen Offizieller erleben, die wir mit unserem Normen- und Wertekonzept nicht vereinbaren können. Die Auffassung, dass sich „Sicherheitsorgane“ zwecks sexueller Befriedigung einfach bei der örtlichen Bevölkerung „bedienen“, gehört wahrscheinlich noch zu den eher harmlosen Vorkommnissen. Wie in früheren Zeiten werden sich auf den Schutz ihrer Untertanen bedachte Dorfälteste dafür ein paar Jungs und Mädchen von außerhalb „halten“, die dann entsprechend zum Bacha Bazi etc. zur Verfügung gestellt werden können – so als eine Art in „Naturalien“ gezahlte Steuer. Ob die dann als „Flüchtlinge“ geduldet werden, gekauft oder geraubt wurden, ist dann für uns auch nicht mehr relevant, denn wir haben ja auf politische Anordnung hin eine „Übergabe in Verantwortung“ vollzogen.
Ja, auch das sind die Konsequenzen eines unüberlegten Abzugs bis 2014.
Grundsätzlich muss man leider feststellen: Weil man gelernt hat, dass unserer Bevölkerung der Durchhaltewille für Nation-Building und nachhaltige humanitäre Interventionen fehlt, wird man zukünftig rein an den eigenen Sicherheitsinteressen argumentierend agieren. So ist der Wille des Souveräns.
Etwas zynisch könnte man formulieren: Es ist der Wille des deutschen Volkes, dass zukünftig wieder afghanische Sicherheitskräfte beim Dorfbesuch Lustknaben und Freudenmädchen zur Verfügung gestellt bekommen. Dieser Wille wird mit unserem Abzug bis 2014 vollzogen.
@ Sun Tzu
Nicht für alles ist das Deutsche Volk schuld !
Wenn die Afghanen keinen Anstand haben, ist dies nicht unsere Schuld !
Wir sind auch nicht dafür verantwortlich sie zu anständigen Menschen zu erziehen.
Vergewaltigung gibt es in AFG, in Asien, in Afrika und in abgewandelter Form in tausenden europäischen Bordellen !
Dies ist nicht alles der Willen des deutschen Staates, wird aber weitgehend toleriert.
Was Sie betreiben ist eine Instrumentalisierung der Volksentrüstung um einen totgeweihten Einsatz zu verlängern, genauso wie uns die rot/grüne Bundesregierung 2002 mit Frauenrechten, Mädchenschulen, Entwicklungspolitik in diesen Auftrag hineingeredet hat.
Dabei war es damals schon klar, dass die Bundesregierung einzig aus Bündnissolidarität mit den Amerikanern nach AFG gegangen ist. Konsequenterweise hat Bundeskanzler Schröder den Einsatz auch gleich mit der Vertrauensabstimmung verbunden und beim Scheitern wäre das rot/grüne Projekt gescheitert gewesen.
Einige Abgeordnete der Grünen haben dann wohl abgewägt was ihnen wichtiger war, die gesetzliche Regelung der Homo-Ehe oder der Nicht-Einsatz der Bw – genauso wie beim Kosovo Feldzug. Letztendlich haben sie sich dann für das rot /grüne Projekt entschieden und die Bw in den Einsatz geschickt.
Es ist unredlich dieses Argument der Bundesregierung für die Öffentlichkeit (Aufbau eines Staatswesen usw.) wider besseres eigenes Wissen zu missbrauchen.
Wir sind aus Bündnissolidarität reingegangen und gehen aus Bündnissolidarität gemeinsam raus – egal ob der Auftrag erfüllt ist oder nicht !
ja der endsieg steht vor der tür, in 10 jahren ist nichts erreicht worden, aber bald, ja bald ist der kraftakt geschafft, allein die Heimatfront muss noch ein klitzekleines bischen länger halten.
Genau so muss man das auch den Herren und Damen der Politik erklären, insbesondere denen, die uns das Abenteuer AFG überhaupt eingebrockt haben.
@ Georg | 04. Juni 2012 – 18:58
Nicht für alles ist das Deutsche Volk schuld !
Wenn die Afghanen keinen Anstand haben, ist dies nicht unsere Schuld !
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Wenn wir aber gesagt haben, das wir den Afghanen Anstand beibringen zu wollen, uns nun davon schleichen all die, die sich auf unsere Worte verlassen haben, im Stich lassen, dann laden wir Schuld auf uns.
Warum belohnt dann das deutsche Volk Politiker mit Wiederwahl, die ihnen so einen Unfug erzählen?
Noch heute will man doch dem Volk glauben machen, es würde alles gut in Afghanistan (oder wie markus treffend schreibt: „Der Endsieg steht vor der Tür!“).
Warum sagen unsere Politiker unserem Volk nicht die Wahrheit. Und noch viel schlimmer und genau hier gebe ich dem deutschen Volk eine Schuld: Warum lässt sich das Volk so schamlos belügen?
Hätte man 2002 rational entschieden, wäre es bei OEF geblieben. ISAF war ganz wesentlich eine Idee des deutschen Gutmenschen, wurde auf dem Petersberg erfunden und uns nicht von Bündnispartnern aufgedrängt. Deutschland war die treibende Kraft bei all den Dingen, die für uns nicht sicherheitspolitisch relevant waren, sich aber beim gutmenschlichen Sektempfang prima machen.
@Georg
„Wenn die Afghanen keinen Anstand haben, ist dies nicht unsere Schuld “ ???
Es gibt schon einen kleinen Unterschied, ob ein Volk (angeblich) keinen Anstand hat – oder ob man die Verbrecher zu Polizisten macht.
@ T.Wiegold
Meine Bemerkung bezog sich nicht auf die Tatsache, dass man Verbrecher zu Polizisten macht, sondern auf folgende Passage von Sun Tzu:
„Die Auffassung, dass sich „Sicherheitsorgane“ zwecks sexueller Befriedigung einfach bei der örtlichen Bevölkerung „bedienen“, gehört wahrscheinlich noch zu den eher harmlosen Vorkommnissen. Wie in früheren Zeiten werden sich auf den Schutz ihrer Untertanen bedachte Dorfälteste dafür ein paar Jungs und Mädchen von außerhalb „halten“, die dann entsprechend zum Bacha Bazi etc. zur Verfügung gestellt werden können – so als eine Art in „Naturalien“ gezahlte Steuer.“
Und dann der Vergleich mit afrikanischen, asiatischen und europäischen Bordellen !
@ Sun Tzu
Zitat:“Warum belohnt dann das deutsche Volk Politiker mit Wiederwahl, die ihnen so einen Unfug erzählen?“
Das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen. Vielleicht mangels Alternativen im politischen Spektrum der Parteien.
Eine Analogie sei erlaubt. Das Engagement in AFG hat uns vielleicht 10 – 15 Mrd Euro bis heute gekostet. Die Rettung der griechischen Staatsanleihen und damit der europäischen Banken, die die Kreditgeber der Griechen waren, kostet uns bis jetzt schon über 100 Mrd Euro. Der vielgeschmähte Herr Ackermann hat schon 2010 live in einer Talkshow vorausgesagt, dass die Griechen ihre Schulden nicht zurückzahlen werden können, selbst wenn sie es wollten.
Was ist danach passiert ?
Sowohl die jetzt an der Regierung stehenden politischen Parteien als auch die Oppositionsparteien haben uns die Unwahrheit gesagt. Im Gegenteil sie wollen noch mehr Volksvermögen dem schlechten Deal hinterherwerfen. Was wird voraussichtlich passieren ? Nichts, eine der beiden großen Parteienblöcke wird auch 2013 wieder regieren, event. auch eine Große Koalition, sie werden weiterhin unser Geld und das Geld unser Kinder verpulvern und nichts wird passieren. Also warum sollen wir uns über die „Kleinigkeit“ AFG aufregen, wenn die Zukunft unser Gesellschaft und unserer Kinder auf dem Spiel steht ?
und fraglich finde ich auch die interpretation, Deutschland hätte ISAF in die NATO geprügelt? Selbst mit ganz viel Nationalstolz und noch mehr Vertrauen in die Fähigkeiten des Außenfischers … so weit reicht mein Glaube nicht.
@ Georg | 04. Juni 2012 – 20:25
Ich stimme Ihnen weitgehend zu.
Eine saubere Analyse, wie es zu diesem Staats- bzw. Politikversagen kommt, wäre sicherlich interessant.
Trotzdem bin ich der Meinung, dass man sich über das Versagen unserer Legislative/Exekutive beim Thema Afghanistan sehr wohl aufregen kann, unabhängig von der Fragestellung, ob an anderen Stellen noch mehr Geld unnötig verbrannt und die Interessen unseren Landes verraten wurden.
@ markus | 04. Juni 2012 – 20:27
Schauen Sie sich mal die damalige politische/diplomatische Chronologie an (hab es leider nur auf diesem veraltetem Datenträger aus toten Bäumen…). Ohne deutschen Idealismus hätte man die bösen Buben gejagt und sich ansonsten rausgehalten. Man war damals auf deutscher Seite mächtig stolz darauf, den „amerikanischen Cowboys“ gezeigt zu haben, wie man denn gefälligst mit gescheiterten Staaten umzugehen habe. Heute sieht man: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen … hat wieder mal nicht funktioniert.
Das afghanische Volk ist in sich nicht mit unserem vergleichbar.
Ihr ganzen Gutmenschen und Kritiker habt überhaupt keine Ahnung.
Setzt euch nen Helm auf und fliegt da runter – dann seht ihr was Phase ist.
Vom warmen Stübchen aus blubbern „es wäre sinnlos“, was da gemacht wurde ist totaler Unsinn. Denken drücken sprechen. Alleine militärisch ist ein verlustreicher Einsatz sehr wertvoll, weil dort die Strategien und die Doktrin angpasst werden.
Eine Armee hat im Frieden grundsätzlich die falsche Strategie – und wenn es andere Staaten tun, dann sollten wir es auch machen. Nicht weil wir Kriegsgeil sind, sondern weil es das Richtige ist.
Nicht umsonst haben wir mit Schweiß und Blut bezahlt und in unzähligen Gefechten bestanden.
Der nächste Einsatz in Syrien steht vor der Tür und wenn man es nicht der Menschen wegen tut, weil man sich einmischt, wenn jemand sichtlich Hilfe braucht – vergleichbar mit Körperverletzungen in einer deutschen Großstadt; bspw. U-Bahn, dann wenigstens um militärisch up to date zu bleiben – kann man sich gleich hermetisch abriegeln.
Man mag es ja nicht glauben, aber es gibt noch Truppengattungen in der Bundeswehr die arbeiten nach der Einsatzdoktrin den großen vaterländischen Krieges – können also gar nichts mit einem Einsatz anfangen.
Wird die Bw nun in eine Konfliktsituation á la Syrien aufgrund von UN Mandat gerufen und bekommt dort richtig Feuer – kann sie auf jeden Fall auf die Erfahrungen von Afgh zurückgreifen was bspw. Waffen, Struktur, Versorgung, Ausrüstung (naja eher nicht) und Fahrzeuge betrifft.
Hört auf Pazifisten zu spielen. Manchmal muss man als Staat Eier haben, damit man von anderen Staaten überhaupt noch ernst genommen wird.
Und hört endlich auf über die Amerikaner zu meckern – ich kanns nicht mehr hören.
Wenn die nicht wären, würdet ihr alle noch die rechte Hand zum Gruße heben.
Das ist nur anders, weil die sich eingemischt haben, genauso wie sie es bei allen anderen Konflikten gemacht haben. Im Syrien Fall halten sie sich zurück – und was fordern die Menschen?? HÄ? Genau – HELFT UNS – WIR STERBEN HIER! Ihr sitzt nur tatenlos da in eurem warmen Stübchen und bestellt euch Pizza Sonntag abends – und meint dann vom Rechner aus Außenpolitik machen zu wollen.
Ihr seit Verhinderer – ihr tut niemandem einen Gefallen.
Soldat wollen kämpfen – dafür sind sie da. Das drum herum ist wahrlich kein Geschenk, aber an einem Einsatz gibt es aus soldatischer Sicht gar nichts zu meckern.
Ach ich vergaß – 70% der Bw sind ja Unterstützer… nun ja – die wollen nicht kämpfen – sondern unterstützen… Team Hotel und so
@ Markus
Ja, das war damals so. Die Deutschen wollten unbedingt den „guten“ ISAF-Einsatz und die Amerikaner den OEF-Einsatz mit Spezialkräften, Luftunterstützung und den Kräften der Nordallianz als Bodentruppen. Schnell rein, Auftrag erledigen, Taliban verjagen, Al-Kaida töten und schnell wieder raus.
Die Deutschen haben sich auch dafür ausgesprochen, dass die Lead-Funktion des ISAF-Einsatzes auf die Nato übertragen wurde, nachdem verschiedene Nato-Länder bis dahin die Lead-Funktion übernommen hatten. Bis dahin, bis 2005 war der ISAF-Einsatz praktisch auf die Hauptstadt Kabul begrenzt. Erst danach begann die Ausfächerung auf das ganze Land. Ich kann mich noch gut erinnern, wie 2006, 2007 noch in den deutschen Medien vom „guten“ ISAF-Einsatz geschrieben wurde und vom „bösen“ OEF-Einsatz, wo die Amerikaner und die Briten Jagd auf die Taliban im Süden und Osten des Landes machten und dabei immer wieder unschuldige Hochzeitsgesellschaften weggebombt wurden.
Fakt ist, der ursprüngliche amerikanische OEF-Einsatz zur Vertreibung der Taliban und Tötung der Al-Kaida Terroristen wäre der richtige Ansatz gewesen. Mit dem Nation-Building hat sich die ganze NATO in diesem archaischen Land total verhoben.
Mkg | 04. Juni 2012 – 21:15
Ich habe keine Ahnung was Ihre Einlassung soll, aber ehrlich gesagt, ist sie sicherheitspolitischer Unsinn. Auch von der Bundeswehr, scheinen Sie sehr wenig Ahnung zu haben ….
Völlig richtig – ich habe keine Ahnung von der Bundeswehr – gut, dass Sie meine Fähig- und Fertigkeiten einschätzen können.
Wie oft waren Sie schon am Highway Triangle wenn ich fragen darf?
Mkg | 04. Juni 2012 – 21:29
Wenn Sie schon reagieren, sollten Sie vorher meine Einlassung lesen!
Ich schrieb: „Auch von der Bundeswehr, scheinen Sie sehr wenig Ahnung zu haben ….“
Das bedeutet, dass Ihre Aussagen den Anschein bergen, das dort ein Unwissender schreibt …!
Wen interessiert in dem Zusammenhang der Highway Triangle? Wie oft waren Sie im BMVg oder im Pentagon? Sehen Sie, irrelevant.
Ach was, ich versuche einfach nur herauszufinden, ob sie überhaupt ein Gesprächspartner auf Augenhöhe sind – Stichwort unwissender.
Wenn sie nicht wissen was das Highway Triangle ist, bzw. noch nicht mehr als 50 mal dort waren, ist die Diskussion an dieser Stelle von meiner Seite aus beendet. Glänzen mit Fachwissen bedeutet für mich nämlich nicht, aus Internetseiten und Studien zu zitieren.
Mkg | 04. Juni 2012 – 21:40
Genau, die Unterhaltung ist beendet … Sie haben nichts verstanden. Überlegen Sie mal, welcher art Blogg „augengeradeaus“ ist.
@ georg und sun tzu
das von deutscher seite eine „hilfskomponente“ gewünscht war steht außer frage. anders hätte man den krieg hier wohl auch nicht verkaufen können, schon gar nicht vor rot grünem selbstverständnis.
für mich hat sich das damals aber so dargestellt, als hätte man uns da im relativ ruhigen norden abgesetzt, damit „wir“ dort THW mit Knarre spielen können. In der Zeit in der wir dann vorgeben brunnen zu bohren jagen die anderen skalps im Süden und Osten.
Das wirkte eher wie ein zugeständnis an die deutsche Heimatfront, als eine breite Akzeptanz dieses ansatzes innerhalb der allianz.
die übernahme des Nationbuilding sehe ich eher als eingeständnis, das OEF auch nur bedingt erfolgreich war und man nun etwas anderes probieren muss (auch im hinblick auf einen möglichen abzug). Mit etwas glück halten sich die aktuellen staatliche nrohstrukturen ja lange genug um den Natostreitkräften einen weitgehend verlustfreien und geordneten rückzu zu ermöglichen.
Wer da parallelen zum Afgh. Abenteuer der Russen findet, darf sie behalten ( die haben sich ja auch mal am nationbuilding dort versucht, wenig erfolgreich wie man gerüchtet)
Ups, die Herren weiter oben im Thread… Wäre nett, wenn die persönliche Schärfe raus bleiben könnte. Danke.
@ markus
Zitat:“die übernahme des Nationbuilding sehe ich eher als eingeständnis, das OEF auch nur bedingt erfolgreich war und man nun etwas anderes probieren muss (auch im hinblick auf einen möglichen abzug). “
Die Amerikaner wollten keine „Nation-Building“ Mission. Schon allein weil sie zum damaligen Zeitpunkt keine militärischen Kräfte hatten, die so etwas leisten hätten können. Die Amerikaner hatten Kampftruppen. Vor allen Dingen wollten sie einen Einsatz mit kleinen „Footprint“, schnell rein, Einsatz von wenigen Spezialtruppen und schnell wieder raus, wie es damals die Neokonservativen rund um Präsident Bush auch für den Irak-Krieg geplant hatten. Der ISAF-Auftrag ist keineswegs das Eingeständnis, dass OEF nur bedingt erfolgreich war. OEF hatte den gestellten Auftrag erfüllt, die Taliban waren aus AFG vertrieben, die Al-Kaida Terroristen sind im Laufe der Jahre entweder gefasst worden oder im benachbarten Pakistan getötet worden. Das Problem war nur das zwischen 2002 und 2005 zuviel Zeit verstrichen ist, wo ISAF praktisch nur in Kabul vertreten war und die Taliban Zeit genug hatten sich zu reorganisieren und mit pakistanischer Hilfe wieder in das Land einsickern konnten. Es musste also nicht etwas anderes als OEF ausprobiert werden, sondern der Westen fühlte sich verantwortlich dem geschundenen Land nach 20 Jahren Krieg und Bürgerkrieg zu helfen und es zu unterstützen beim Wiederaufbau. Dabei machten wir aber viele Fehler, unter anderem gingen wir davon aus, was wir wollten und nicht was die Afghanen wollten. Also nicht Frauenrechte, Mädchenschulen und Demokratie wären angesagt gewesen, sondern AFG in Form einer feudalen Stammesgesellschaft mit einem Interessensausgleich für eine friedliche Koexistienz der verschiedenen Volksgruppen wieder aufbauen wäre angesagt gewesen. Statt dessen hat der Westen bei der verfassungsgebenden Versammlung der Loga Jirga 2002 auf die Warlords mit ihren Kämpfern gesetzt und oben drauf eine Zentralregierung in Kabul gesetzt, die eigentlich mit einer kurzen Ausnahme unter dem König, das ganze 20. Jahrhundert nicht funktioniert hat.
Für den geschichtlichen Abriss empfehle ich das Buch des Taliban-Kenners Ahmed Rashid, „Sturz ins Chaos – Afghanistan, Pakistan und die Rückkehr der Taliban“ in dem die historischen Vorgänge im letzten Jahrzent detailliert dargestellt werden.
slightly OT, aber eine doku über die talibs/hizbs im Norden.
http://www.youtube.com/watch?NR=1&feature=endscreen&v=9vpAwqGd6g8
Dass bei solchen Streitigkeiten in Afghanistan z.T. gewaltsam Rache an Mitgliedern der anderen Großfamilie genommen wird gehört ebenso zur lokalen Norm wie die jetzt zu erwartende Tötung des Vergewaltigungsopfers durch seine eigene Familie. Tut diese Familie dies nicht, ist sie sozial erledigt. Es gibt keinen praktikablen Weg, dies von Außen zu ändern. Wo man es versucht hat, hat dies ähnlich negative Reaktionen aus der Bevölkerung hervorgerufen wie die Beschädigung von Koranexemplaren etc.
Kulturelle Gegebenheiten muss man schon deshalb respektieren weil man mit real verfügbaren Mitteln nichts an ihnen ändern kann, und man sollte m.E. ebenfalls anerkennen, dass Kultur nicht nur aus netten und schönen Dingen wie Respekt vor Koranexemplaren besteht, sondern auch Aspekte hat, die dem Durchschnittsdeutschen weniger gefallen. Es steckt eben nicht in jedem Afghanen ein kleiner Europäer, der nur darauf wartet von uns befreit zu werden.
@Orontes
Dann sollte man vielleicht nicht bestimmten Leuten als Sicherheitskräfte auch noch die Macht geben. Und Verbrechen halte ich, pardon, nicht für eine kulturelle Gegebenheit.
@ T.Wiegold | 05. Juni 2012 – 0:16
Zitat: „Und Verbrechen halte ich, pardon, nicht für eine kulturelle Gegebenheit.“
Haben Sie sich schon mal längere Zeit außerhalb saturierter Staaten aufgehalten? Würde Ihre Aussage glaubwürdiger machen.
Leider gibt es auf dieser Welt soziale Gemeinschaften, bei denen es kulturell gefestigt gesellschaftliche Selbstverständlichkeit ist, Ressourcen nach Mechanismen zu verteilen, die wir als Verbrechen bezeichnen.
@T. Wiegold
„Und Verbrechen halte ich, pardon, nicht für eine kulturelle Gegebenheit.“
Der westliche Anspruch, universelle Geltung für die Regeln der eigenen Kultur (bzw. deren postmodern-liberalistischen Flügel) zu beanspruchen und für andere zu definieren, was Verbrechen ist und was nicht, wird von der großen Mehrheit der Afghanen in zentralen Fragen nicht geteilt und ist einer (nicht der einzige) der Gründe für verbreitete Aversionen gegen den Westen. Wenn Sie von „Verbrechen“ sprechen: Wo endet der Bedarf zur „Zivilisierung“ der Afghanen? Müssen diese auch die Homoehe oder Glaubensfreiheit bis hin zur Zulassung von Atheismus oder Apostasie einführen? Ich prophezeie interessante und erhellende Reaktionen, falls Sie sich trauen, dies vor einem afghanischen Publikum zu fordern. Falls nicht: Warum sollte das angeblich universelle Recht afghanischer Homosexueller auf sexuelle Selbstbestimmung oder Glaubensfreiheit afghanischer Atheisten weniger absolut gelten als das vermutete universelle Recht afghanischer Frauen auf körperliche Unversehrtheit?
Was eine mögliche Tötung des Vergewaltigungsopfers durch ihre Familie angeht, würden die meisten Afghanen das nicht nur für richtig halten, sondern würden unter den gleichen Umständen ebenso handeln. Die betroffene afghanische Familie gilt jetzt als schwach, weil sie ihre Tochter und damit die Familienehre nicht beschützen konnte und die Tochter diese Schwäche auch noch öffentlich gemacht hat. Gelingt es dieser Familie jetzt nicht zu beweisen, dass sie wenigstens ihre Tochter im Griff hat, wird sie mangels funktionierender Justiz und Polizei Ziel weiterer Übergriffe werden, wie es nun einmal das Schicksal der Schwachen ist. Wäre die Tochter nicht an die Öffentlichkeit gegangen, hätte man sie immerhin noch mit dem Vergewaltiger verheiraten können, wie es nicht selten geschieht.
@Orontes
Mit anderen Worten, Vergewaltigungen sind Afghanistan straffrei? Da habe ich begründete Zweifel (dass es bei der Verfolgung ein Vollzugsdefizit gibt, ist etwas anderes).
Ich hab‘ übrigens keine Lust, wieder übers Stöckchen zu springen. Wer Vergewaltigung etc. nicht als eine Art Ordnungswidrigkeit betrachtet, muss ja wohl auch dafür sein, dass mit militärischer Gewalt die Homoehe eingeführt wird, oder wie soll ich die obige Argumentation verstehen? Manchmal fehlt einfach das richtige Maß.
@T. Wiegold
Ich bezog mich ausdrücklich auf die traditionelle Austragung von Konflikten durch Gewalt gegen Mitglieder anderer Familien sowie die Tötung von Vergewaltigungsopfern. Da gibt es in Afghanistan in der Tat mehr als ein rein verwaltungstechnisches „Vollzugsdefizit“, sondern kulturelle Faktoren, deren Ignorierung u.a. bei der Formulierung der vollkommen unrealistische Ziele von ISAF zu den Problemen beigetragen hat, die man heute in Afghanistan hat. Es war nicht die Tötung und Gefangennahme von Al-Qaida dort die gescheitert ist, sondern im westlich-universalistischen Überschwang entworfene utopische Pläne zur Transformation Afghanistans. Wenn man jetzt auf deren Umsetzung verzichtet, dann leider nicht aus Einsicht, sondern nur aus Schwäche. Beim nächsten Einsatz (vielleicht in Syrien?) ist man dann wieder erstaunt, warum die „befreiten“ Menschen sich so seltsam fremd verhalten.
P.S. Kleine Jungs werden in Afghanistan übrigens von allen Kräften routinemäßig und in großer Zahl als Prostituierte benutzt. Auch das mag irgendwo in einem irrelevanten Gesetzestext für illegal erklärt worden sein, aber an der Realität vor Ort ändert das nichts, und dieses Verhalten wird es noch geben, wenn die gegenwärtige Regierung und ihre fiktiven Gesetze schon lange vergessen sind.
P.P.S. @T. Wiegold
„Mit anderen Worten, Vergewaltigungen sind Afghanistan straffrei? Da habe ich begründete Zweifel“
Fiel mir gerade wieder ein: Zu meiner aktiven Zeit hieß es, dass der Großteil der Frauen in afghanischen Gefängnissen Vergewaltigungsopfer seien, die wegen außerehelichem Geschlechtsverkehrs verurteilt worden seien. Grund seien die Vorkehrungen im islamischen Recht, denen zufolge die Frau mehrere männliche Zeugen vorweisen müsse, um Vergewaltigung zu belegen. Könne sie das nicht, würde sie als Täterin angeklagt. Die Situation ist also aus westlicher Sicht noch übler, als Sie vermuten, aber dies entspricht dem Willen der großen Mehrheit der Afghanen, die jeden Versuch islamisches Recht einzuschränken oder abzuschaffen entschlossen ablehnen. Es gab vor nicht langer Zeit z.B. Massendemonstrationen von Schiiten u.a. in Kabul, nachdem westliche Regierungen Änderungen in einem Gesetz gefordert hatten, das „Vergewaltigung in der Ehe“ (laut Rechtgelehrten unter Berufung auf entsprechende Ahadith kann der Ehemann frei über die Frau verfügen) legalisiert hatte.
„Grund seien die Vorkehrungen im islamischen Recht, denen zufolge die Frau mehrere männliche Zeugen vorweisen müsse, um Vergewaltigung zu belegen.“
Tatsächlich ist es umgekehrt, es sind vier Zeugen notwendig, um vor Gericht den tatsächlichen Sexualverkehr bezeugen zu können.
Dass dies in Afghanistan anders gehandhabt wird, ist den dortigen Traditionen geschuldet. Dass Menschen versuchen, ihre Traditionen mit ihrer Religion in Einklang zu bringen und/oder zu rechtfertigen, selbst wenn sich beide widersprechen, ist ein weltweites Phänomen. Von der kosheren Schweinezucht in Israel über pakistanisch-stämmige Zuhältern in Großbritannien bis hin zu pädophilen Bischöfen. Wahrlich menschlich.
Etwas OT: Major General Erich Pfeffer erklärt die Taliban in Nordafghanistan für geschlagen: http://tolonews.com/en/afghanistan/6447-taliban-beaten-in-north-isaf-major-says
Ganz OT: Angeblich wurde Yahya al-Libi bei einem Drohnenangriff getötet.
Man wird sehen.
@zog
„Tatsächlich ist es umgekehrt…“
Das hängt u.a. von der Rechtsschule und den von Ihnen erwähnten Traditionen ab. Eine einzelne „wahre“ Darstellung gibt es nicht. Versuche von Nichtmuslimen, afghanische Islamgelehrte bzw. Afghanen über den „wahren“ Inhalt islamischer Rechtsquellen zu belehren, waren bislang allerdings relativ erfolglos. Würden Sie umgekehrt einem saudischen Islamgelehrten glauben, der Sie über die „wahre“ (d.h. für seine Interessen günstige) Interpretation des Christentums aufklären will?
Die Traditionen sind für die islamische Rechtslehre in dem Zusammenhang irrelevant (theologisch gesehen, die Realität schafft ihre eigenen Fakten).
Unterschiedliche Ansichten in den verschiedenen Rechtsschulen sind in vielen Fragen vorhanden, aber wo Sie es gerade erwähnen: Sicherlich würde kaum ein Afghane die Belehrung durch einen Nichtmuslim auch nur in Erwägung ziehen. Jedoch erweisen sie sich oftmals auch gegenüber Belehrungen durch islamischen Gelehrten erstaunlich starrsinnig. Was durchaus gut für ISAF ist.
Zu Ihrer Frage: Eher weniger. Wobei ich als Nichtchrist nicht einmal sicher definieren könnte, welche Gruppierungen zum Christentum zählen und welche nicht (was ja auch durch die verschiedenen Kirchen unterschiedlich gesehen wird). Insofern würden in einer solchen Situation wohl zwei Blinde über Farben diskutieren. ;-)
Also 50x Highway Triangle hab ich noch nicht auf dem Buckel aber wenn man jeden Tag nach PEK zum Mittag fährt kann man die Zahl natürlich schaffen.
@TW
Die ethische Fragwürdigkeit der ganzen Sache ist mir klar. Uns sollte aber auch klar sein, dass die derzeitige Strategie funkioniert. Wir können uns wieder frei bewegen und die Angriffe gehen in Qualität und Quantität stark zurück.
Als ISAF haben wir kein Interesse mehr irgendetwas hier positiv zu verändern. Ruhe zu melden heißt Erfolg gehabt zu haben. Dieser Erfolg kommt ausgerechnet zum großen Abzug. Also werden wir die ganze Geschichte auch noch dreist als Sieg verkaufen.
Schade um die Frauen (die übrigens nicht nur südl. PEK zu sehen sind) aber für Deutschland geht die Welt nicht unter wenn wir sie nicht retten. Das ist ne Generationenaufgabe und wird intern gelöst werden müssen.
pi