PsyOps, Taliban Style
Am (heutigen) Samstag wurde auf Youtube ein Video hochgeladen, das an und für sich (leider) nicht so bemerkenswert ist: Der gut drei Minuten lange Clip zeigt die Situation nach einem Anschlag mit einer Sprengfalle (Improvised Explosive Device, IED) auf Soldaten der afghanischen Nationalarmee (ANA) und möglicherweise auch US-Soldaten (so eindeutig ist das nicht zu erkennen). Unklar ist, wann und wo der Anschlag geschah und aufgenommen wurde.
Viel interessanter ist der Kontext dieses Videos: Es wurde von einem Youtube-Nutzer hochgeladen, der – seinen anderen Videos nach zu urteilen – aus dem Taliban-Umfeld kommt, es wurde über einen Taliban-nahen Twitter-Account bekannt gemacht, und der Erklärungstext lautet: aftermath of IED attack on US tank on Kandahar-Herat main highway recorded by ANA. (Hervorhebung von mir, T.W.)
Der Clip ist eine offensichtliche PsyOps-Aktion der Insurgents. Nicht die Tatsache, dass er existiert und veröffentlicht wurde, macht ihn so brisant. Sondern dass ein solches Video, das nur von Beteiligten unmittelbar am – vermutlich abgeriegelten – Anschlagsort aufgenommen worden sein kann, in die Hand der Taliban gerät. Und der Hinweis recorded by ANA ist die eigentliche Botschaft: Wir sind nahe dran, wir haben die ANA unterwandert – wer so ein Video aufnehmen kann, kann auch ISAF-Soldaten erschießen.
Wobei es sicherlich nicht sehr intelligent von ihm war, sein Gesicht zu zeigen.
Es ist also ggf. nicht unbedingt gesagt, dass er wirklich zu den Taliban gehört, in Zeiten von Youtube und nationalen Videowebseiten.
Und wenn er es doch war – Anhand des Gesichts würde man ihn wohl finden.
Ich glaube kaum, dass der erkennbare Soldat auch der ist, der das Video aufgenommen hat. Und der das Video aufgenommen hat, muss ja nicht zu den Insurgents gehören. Aber ein offensichtlich von der ANA aufgenommenes Video ist in der Hand der Insurgents, wie auch immer, und wird für deren Propaganda genutzt – darum geht es.
Oder ganz anders: sie haben bei einer Aktion die Kamera in die Hände bekommen und nun – mit PsyOps-Gedanken – dies veröffentlicht. Es ist ziemlich bekannt, dass die Taliban immer auf der Suche nach Technologiegütern sind. So nehmen Sie beispielsweise von zerstörten oder brennenden Fahrzeugen Funkgeräte, Waffen, Munition und vor allem Nachtsichtgeräte an sich. Nach den zehn toten Franzosen im District Surobi waren viele Bilder der Taliban veröffentlicht worden, wo sie mit französischen FAMAS-Gewehren posieren.
Man weiß es halt nicht…
Das geht doch ganz einfach und wird gerade jetzt in der Syrienkrise jeden Tag vorgemacht.
Man läd ein Video von Youtube herunter, editiert es und lädt es unter anderem Namen wieder hoch. So werden aus einer Demonstration dann schnell „hunderte“, aus ein paar übergelaufenen Soldaten „Bataillone“ und aus einem Opfer „Zwanzig“.
Bei der Menge an Videomaterial das pro Tag ins Netz gestellt wird ist kaum mehr prüfbar ob das sichtbaren Geschehens wirklich zu dem angegebenen Zeit/Ort/textuellem Umfeld passt.
Hier sind sämtliche Interpretationen möglich:
Im elektronischen Zeitalter muss man ja nicht mehr erst mit einem 16 mm Film unter dem Arm in eine Kopieranstalt laufen, um (ggfls. unautorisiert) Aufnahmen zu vervielfältigen und zu verbreiten.
Und es gibt natürlich auch genügend Maulwürfe und Sympathisanten in der ANA.
Sowei muss es ja gar nicht gekommen sein. Der Clip kann auch zu Ausbildugnszwecken innerhalb der ANSF verteilt worden sein oder aus Mittel, die Medienanstalten zur Verfügung gestellt worden sind. Bedauerlicherweise filtert Youtube sowas nicht heraus und sperrt die Accounts dieser Nutzer.