Große Koalition in NRW gegen „der Sack ist zu“
Wie hatte Verteidigungsminister Thomas de Maiziére im vergangenen Jahr bei der Vorstellung des neuen Stationierungskonzeptes für die Bundeswehr gesagt? Der Sack ist zu. Das wollen allerdings auch seine eigenen CDU-Parteifreunde nicht immer gelten lassen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende in Nordrhein-Westfalen hat sich mit der SPD-Ministerpräsidentin verbündet, und beide wollen für den Erhalt ihres CH-53-Standortes Rheine kämpfen. Eigentlich ein Regionalthema, aber wie man auf den Seiten des CH53-Blog lesen kann, mit Bedeutung weit über die Regionalpolitik hinaus…
Deshalb zur Dokumentation das Schreiben der informellen großen Koalition aus Düsseldorf an den Verteidigungsminister:
Das ist ja der Knaller. Bin gespannt wie viel Macht denn nun NRW hat, um den eigenen Willen durchzuboxen.
Ich denke aber es wird nicht ausreichen.
Dafür wird es aber wahrscheinlich irgendein andere Art der Zusage geben.
Welche denn, in NRW wird nicht allzu viel reduziert. Das was z.B. in AHLEN aufgelöst wird, das stellt man auch gleich neu auf.
Eigentlich nur vordergründig ein Regionalthema.
Letztes Jahr war man als Betroffener schon sehr überrascht, dass der Einfluß der Politik bezüglich der Standortentscheidungen doch sehr gering war. Scheinbar hatte der Minister die Politik gut im Griff und konnte sich bei der Standortwahl auf die militärischen Notwendigkeiten konzentrieren. Die militärischen Planer konnten sich nicht wie bei den letzten Reformen herausreden, dass ihre Entscheidungen stark von regionalpolitischen Erfordernissen beeinflusst wurden. Im Gegenzug wollte man auf Seiten des Ministeriums die Standortentscheidungen als ausschließlich militärisch geprägt und als auf Basis von Kriterienkatalogen getroffen darstellen und publizierte offensiv die 4 Kriterienkategorien für die sachgerechte Entscheidung.
Speziell in Rheine konnte man bei den Soldaten, aber auch bei der Bevölkerung einen Entscheidungsprozess anhand des selbst auferlegten Kriterienkatalogs nicht erkennen und forderte diesbezüglich Transparenz und Offenlegung.
Im weiteren Verlauf konnte das Ministerium ihren Auswahlprozess nicht schlüssig darlegen und dies gipfelte vor ein paar Tagen mit der Einlassung durch einen Staatssekretär des Verteidigungsministeriums , dass man die Kosten der jeweiligen Standortentscheidungen zum Entscheidungszeitpunkt nicht betrachtet hatte (obwohl die Kosten das 4. Kriterium der Standortauswahl gewesen sein sollte).
Diese Entwicklung wurde im Bezug auf den Standort Rheine im wesentlichen durch die zivile Politik vorangetrieben. Die Beweggründe der Politiker sind natürlich die Arbeitsplätze für die eigene Region, die Argumentation derselben Politiker erfolgte allerdings nicht über zivilpolitische Argumentationen sondern über die vom Ministerium selbst aufgestellten militärischen Kriterien. Dies finde ich recht einmalig und deshalb auch überregional interessant.
Die Politiker in Rheine haben dem Verteidigungsminister darauf hingewiesen, dass er aus ihrer Sicht gemäß seiner eigenen Kriterien eine falsche Entscheidung getroffen hat, die er in erster Linie zum Vorteil der Bundeswehr revidieren sollte. Die damit verbundenen Vorteile für die Region werden für diese Entscheidungsfindung bewußt in den Hintergrund gestellt.
In Anbetracht dessen, dass wir seit einigen Tagen wissen, das die Entscheidungen bezüglich der Sparreform allein im Bereich der zukünftigen Infrastruktur zusätzlich 1.2 Mrd. Euro kosten soll, ist Rheine vielleicht die Spitze rrdes Eisbergs aber bei weitem nicht nur ein regionales Problem.
@ bq
Die 4 Kriterien nach denen der VtgMin seine Entscheidungen „angeblich“ traf, sind „Gummikriterien“, die sich gegenseitig auszuschließen. Folgedessen kann man mit der Schwerpunktlegung auf eines der 4 Kriterien jegliche Entscheidung begründen. Das Problem ist nur inwieweit das jeweilige Kriterium zutreffend war und zur Entscheidung geführt hat.
Die wahren Gründe für eine StO-Entscheidung wird man vielleicht niemals erfahren, bestenfalls kann man sie aus Annahmen bruchstückhaft rekonstruieren.
Das Drama „Verlegung Rheine nach Holzdorf“ beginnt mit der Entscheidung die CH 53 vom Heer zur Lw zu überführen. Dafür gibt es meiner Meinung nach keinen vernünftigen Grund. Wenn man die zu diesem Thema genannten Gründe jedoch akzeptiert, dann ist es in sich logisch, dass die Lw versucht ihre Standorte, Flugplätze usw. mit Personal und Technik zu füllen. Holzdorf als neu gebauter Riesenflugplatz mit 6000 Mann Unterkunftskapazität bietet sich dazu gerade an. Er wird mit der Verlegung der Lfz der Flugbereitschaft von Berlin / Tegel nach Holzdorf zum Regierungsflugplatz ausgebaut werden. Außerdem will die Lw die LwInsthGrp für Hubschrauber von Diepholz nach Holzdorf verlagern. Holzdorf soll also zum Lw Hubschrauberzentrum ausgebaut werden. Damit gehören natürlich auch die Hubschrauber CH-53 dorthin.
Vor allen wenn man an eine Nachfolgegeneration von Hubschraubern oder leichten Transportflugzeugen denkt.
Außerdem kommt es aufgrund der geringen Wirtschaftskraft der Region rund um Holzdort einem Wirtschaftsförderprogramm gleich, dass der VtgMin für diese Region startet und damit seine ostdeutschen Wahlversprechungen einlöst.
Das Heer revanchiert sich und versucht die technische Ausbildung für den zukünftig allein vom Heer genutzten NH-90 nach Bückeburg zu verlagern. Dumm ist nur, dass viele Millionen Euro für die NH-90 Infrastruktur in Holzdorf und Fassberg verbaut wurden. Die ist jetzt natürlich obsolet.
Vieles kann man rekonstruieren und korrelieren, wie Heimatwahlkreise von Spitzenpolitikern aus dem Verteidigungsbereich und Standortentscheidungen.
Was man mit Sicherheit nicht durchgerechnet hat vor den Entscheidungen waren die Kosten der Umsetzung der Maßnahmen.
Dies ist natürlich „der“ entscheidende Schwachpunkt der Reform, bzw der Strukturentscheidungen. Wenn der initiale Anstoß für die jetztige Verkleinerung der Bw u.a. die mittelfristig verfügbaren HH-Mittel im EP 14 waren, dann ist die Sicherstellung der HH-Mittel für die Umstrukturierung das „entscheidende“ Erfolgskriterium der Reform.
Ich fürchte diese Reform wird wegen fehlender HH-Mittel nicht bis zum Ende umgesetzt werden können und die Realisierung bleibt auf halbem Wege stecken.
Willkommen zur nächsten Bw-Reform, bzw. zur Reform der Reform !
Wieviel „Reformen“ haben wir seit 1990 eigentlich schon durchgemacht ?
Je nach Zählweise kommt man auf 5 bis 6 Reformen seit 1990. Diese Reform unterscheidet sich nicht durch die Überzeugung mit der die Planer die gefundene Lösung als die richtige und langfristig belastbare anpreisen. Sie unterscheidet sich vielleicht am ehesten dadurch, dass die angekündigte Unterfinanzierung aufgrund der Kraft des Faktischen später einsetzen wird und sie unterscheidet sich durch den Transfer eines einsatzwichtigen Waffensystems von einer Teilstreitkraft in eine andere. Dazu braucht die aufnehmende TSK das Material, das Personal, die Infrastruktur und das know how von der abgebenden. Also Alles! Der Stationierungskomplex ist ein besonderer Fall. Ich kann der Stationierungsbroschüre entnehmen, das Teile der Flugbereitschaft nach Schönefeld gehen. Vom Regierungsflugplatz Holzdorf/Schönewalde ist da nicht die Rede. Aber man ist gewohnt ständig neue Begründungsversuche zu lesen und es wird noch weitere geben.( Ich wusste gar nicht, dass Holzdorf für 6000 Personen Unterkunftskapazität hat. Da muss aber ein ganz großer Plan im Hintergrund stehen..nur gute Pläne kann man, wie ich schon mal erwähnte , darlegen.)
Ministerpräsidentin und Oppositionsführer haben sich in NRW zu einem bemerkenswerten Schritt entschlossen. Und sie haben das bestimmt nicht allein deswegen getan, weil Ihnen ein Papier aus der Region vorgelegt wurde. Und ein CDU Abgeordneter hat nicht ohne Grund öffentlich das Ministerium kritisiert, in dem er schreibt, dass er den Eindruck habe, dort wisse die linke Hand nicht, was die rechte tut. Der Minister wird abzuwägen haben, auch angesichts der neuen Entwicklungen in Afghanistan und der zu Tage getretenen Kosten, ob es noch sinnvoll ist, Hubschrauberkräfte während des laufenden Einsatzes zu verschieben. Und das ist keine Frage der regionalen Standortbetroffenheit, denn mögliche Folgen reichen bis nach Afghanistan. Das hatte schon der Wehrbeauftragte in seinem Bericht gezeigt.
@schleppi und @georg
Ich weiß nicht, woher diese angeblich so große Anzahl an Reformen in letzter Zeit kommt.
Zwar hatten wir in den neunziger drei Strukturen, aber die aktuelle Struktur ist von 2001. Von daher hat sie 10 Jahre gehalten und das war in den „gut alten Zeiten“ eine normale Haltbarkeit für eine Heeresstruktur.
Also von daher liegen wir doch eigentlich gut im Plan…
;)
Was mich stört ist nicht die Reform, sondern das immer noch fehlende strategische Konzept HINTER der Reform…
@Koffer:
Die aktuelle Struktur („Neues Heer“ bzw. Heer 2010) wurde im Rahmen der sog. Transformation ab 2006 eingenommen. Grundlage bildeten VPR (2003) und KdB (2004).
Davor gab es ab 2001 die Struktur „Heer der Zukunft“ (u.a. Aufstellung SKB).
Also doch eher eine Halbwertzeit…
@Memoria
Sie haben natürlich recht. Ich nehme meine Aussage zurück und behaupte das Gegenteil.
„Spiegel online“ berichtet heute über den „Blitzbesuch“ de Maizières in Afghanistan. Da heißt es unter anderem: „Für die anderen Bündnispartner würde die Beschleunigung des US-Abzugs weitreichende Folgen zeitigen. Zum einen verlassen sich andere Isaf-Nationen wie auch die Bundeswehr in Afghanistan auf wichtige Logistik der Amerikaner wie beispielsweise die dringend benötigten Hubschrauber der USA im Einsatzgebiet der Bundeswehr (…)“ Ich frage mich: Sollen die deutschen ISAF-Kräfte Afghanistan zu Fuß verlassen? Der NH 90 kommt wohl nicht mehr rechtzeitig am Hindukusch an, und die einzig zurzeit ernst zu nehmende deutsche Ressource in Sachen Luftbeweglichkeit wird zu Hause bei einem fragwürdigen Fähigkeitstransfer zerrieben. Wie nannte der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus bereits vor einem Jahr den Fähigkeitstransfer? Ich zitiere: „Unfug!“
@Guotgoahn
OT: Sehr schönes Beispiel für die Umsetzung der Link-Policy, danke!
Nun sind die Karten neu gemischt! Ohne Hannelore Kraft sieht das wieder anders aus! Ggfs. kann eine wahre große Koalition den Standort noch retten!
Da schau mal einer an, erst laufen alle dem blaublütigen Kopierer hinterher, wenn es um die Abschaffung der Wehrpflicht und des Zivildienstes geht und dann stellen sie fest, dass es sie selbst massiv betrifft, wenn die Standort zugemacht werden.
SHAME ON YOU! Die Politik verrät das Volk. Jetzt gibt es keinen Weg zurück, dann sollen sie gefälligst den Ar….. in der Hose haben und sagen, dass sie es mitverbockt haben.
SHAME ON YOU! Soviele Schuhe kann man nicht werfen. Jetzt könnte man noch Tucholski zitieren (genau das mit dem Essen und dem …….).
@SapperTom
Solche hochgeistigen Kommentare kann man im Forum der Bildzeitung posten. Hier ist dafür der falsche Blog.
Politisch wird sich in Nordrhein-Westfalen nur insoweit etwas ändern, als es nunmehr eine stabile, rot-grüne Regierung geben wird. FDP und vermutlich auch die Linke fliegen aus dem Landtag, die CDU wird alleinige Oppositionspartei.
(Eine in München erscheinende überregionale Tageszeitung erläutert dies aktuell in einem Artikel, in dessen Überschrift das Wort „Panne“ vorkommt. Ich hoffe, durch diesen Hinweis die strengen Linkvorschriften nicht verletzt zu haben… ;-)
Ich rechne dem keinerlei Chancen zu. TdM wird bzgl. Rheine keinen Präzedenzfall schaffen.
Reform der Reform der Reform…
Hinterher ist alles anders….oder doch wie vorher?
Diese ganze „Reform“ ist doch schon wieder mal „im Ansatz gestorben“..
@ sachlicher, bei allem Respekt, aber einen Präzedenzfall würde man auf Grund der Einzigartigkeit in diesem Fall sicher nicht schaffen. Das größere Problem wird wohl eher sein, das zuzugeben, was immer offensichtlicher zu Tage tritt. Nämlich das hier eine ganze Menge falsch gedacht und gemacht wurde.
@huey
Wieso? Nur weil uns gewisse Aspekte nicht gefallen, ist die Reform doch nicht „gestorben“
Das ist doch unlautere Übertreibung.
Das Ministerium wird umgebaut, der komplette Mittelbau, neu organisiert, Fähigkeitstransfers vorgenommen, die Wehrpflicht abgeschafft…
Da kann man doch nicht davon sprechen, dass die Reform gestorben sei!
@Koffer: Richtig, gestorben ist hier nichts. Die Pflöcke werden schon noch zeitig genug vor dem Ende der Legislaturperiode so tief eingerammt sein, dass nichts mehr zurück geht. Und ehrlich, Ich als Betroffener bin es auch leid jeden Tag in der Truppe neue Gerüchte zu hören und vertröstet zu werden.
Da bei der Planung der Reform der zu erbringende Sparbeitrag durch die militärischen Planner schlichtweg ignoriert worden ist und bereits in der Anordnung der Planung keine Streitkräftegemeinsame Harmonisierung vorgesehen war, hat jede Teilstreitkraft jeweils für sich geplant. Mit dem Motto „Breite vor Tiefe“ wurde auch keiner gezwungen, sich zur Erbringung von Sparvorgaben von nicht einsatzrelevanten Fähigkeiten zu trennen. Die damit verbundenen Probleme werden insbesondere beim Fähigkeitstransfer deutlich. Im Endergebnis leidet die Durchhaltefähigkeit und es steigen d ie planerisch notwendigen Kosten. Das Geld wird für die jetzt vorgestellte Ausplanung nicht zur Verfügung stehen und muss bei der bereits auf Rand genähten Planung zeitlich priorisiert werden. Im Klartext heisst dass, das die Zielstruktur nur auf dem Papier existiert und an den fehlenden Mitteln scheitern werden. Den jetzigen Planern geht es deshalb nur noch darum, möglichst viele alte Strukturen über die nächste Wahl zu retten.
Wenn man einige Standortentscheidungen (Diepholz, Rheine, Kaufbeuren, Kiel, (Hohn), …..) genauer unter die Lupe nimmt, wird man feststellen, dass die den Entscheidungsträgern vorgelegten Zahlen Luftbuchungen und wenig seriös ermittelte Daten – und dies sollte das Kriterium Nr. 1 sein – waren. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass der RP schon lange vorgelegt werden sollte, dieses aber an der fehlenden Finanzierbarkeit vieler Entscheidungen in die Verlängerung bis vielleicht Ende Mai/Anfang Juni geht, kann man erkennen, dass jetzt Feuer unter dem Dach, auf dem Berg der Erkenntnis, ist.
Die Frage bleibt, wer verliert sein Gesicht? Ich tippe, mal dass es der VM nicht ist (die Sache mit dem Sack). Spannende Frage, oder? Ob dabei ein Heilen der objektiv getroffenen Fehlentscheidungen zu Stande kommt (angeraten wäre zumindest eine Revisionsklausur), hoffe ich zwar, wage aber zu zweifeln.
Wenn es zu Änderungen kommt, winkt enigen Würdenträgern des inneren Zirkels der „einstweilige Ruhestand“.
Soviel zu offenisiven Informationspolitik des hohen Hauses.
Die ganze Sache wir einfach bis nach der nächsten Bundestagswahl ausgesessen. Per Haushaltssperre können z.B. einfach die Ausschreibungen für die Baumaßnahmen am neuen Standort blockiert werden.