Fotos: Unterwegs in Syrien
Syrien und die katastrophale Lage dort ist hier im Blog (bislang noch) kein Thema – nicht weil es nicht von Bedeutung wäre; aber die Vielzahl von Konflikten zwingt mich ein wenig, mich auf die Sicherheitspolitik aus deutscher Perspektive zu konzentrieren…
Dennoch an dieser Stelle ein Hinweis auf eine Fotoreportage aus Syrien, vom Widerstand gegen das Assad-Regime. Der Fotograf Timo Vogt, hier im Blog schon mal mit Afghanistan-Fotos präsent, war im Nordwesten Syriens unterwegs.
Blut auf den Stufen der Moschee in Kureen im Nordwesten Syriens – ein Ort unter Kontrolle der Opposition, bis er von der syrischen Armee angegriffen wurde.
Vogts Fotos sind hier anzuschauen, und er hat die drastischsten schon nicht in diese Reportage aufgenommen.
Zu seiner gefährlichen Reise schreibt er:
Der Aufstand in Syrien hat das ganze Land erfasst. Neben der Stadt Homs sind es mittlerweile viele Schauplätze, an denen die Regierungstruppen versuchen den Aufstand der Menschen gegen das Assad-Regime blutig niederzuschlagen.
Ich bin auf Schmugglerpfaden illegal über die grüne Grenze in die nordwestliche syrische Provinz Idlib gereist. Eine Region, die früh von Oppositionellen kontrolliert wurde. Doch meine Ankunft fiel mit dem Zeitpunkt zusammen, als die syrische Armee begann, verlorenes Gebiet zurück zu erobern. Wirklich halten kann sie die Orte nicht, sie werden nur tageweise erobert. Aber mit unfassbarer Brutalität sollen die Menschen eingeschüchtert werden. Die Armee der Deserteure kann mit ihren alten Kalschnikows und Jagdflinten mit selbstgebastelten Patronen gegen die modernen Schützenpanzer der Armee nichts ausrichten. Sie wollen die Bevölkerung schützen und können doch nur zusehen, wie das Morden weitergeht.
In einem Ort nahe der Stadt Idlib sollte ich einige Nächte verbringen. Er wurde von der Opposition als sicher eingeschätzt. Tagsüber sollte ich in die Stadt geschmuggelt werden. Einen Tag lang ging das auch gut. Als am Morgen des 22. Februar die Kinder zur Schule gingen, wurden sie plötzlich von Schnellfeuergewehrsalven und ersten Granat-Detonationen in Angst und Panik versetzt. Die Armee rollte an!
Sieben Stunden lag das Dorf unter schwerem Feuer, ein Kampfhubschrauber kreiste. Einige hundert Menschen entkamen in die umliegenden Olivenhaine, deren Bäume glücklicherweise hier ganzjährig Blätter tragen und wir uns verstecken konnten. Der Mehrzahl der Einwohner gelang die Flucht jedoch nicht. Der Ort wurde verwüstet, geplündert, gebrandschatzt. 20 Männer verhaftet, deren Überlebenschancen als sehr gering eingeschätzt werden. Eine Frau starb an einem Herzinfarkt während des Angriffs. 6 Männer wurden exekutiert. Zuvor wurden sie schwer misshandelt.
Mein Rückweg in die Türkei war versperrt! Ein wichtiger Ort auf meiner Route war ebenfalls unter Beschuß gekommen und es dauerte einige Tage, bis eine Alternative gefunden wurde. Nach einer Woche in der Hölle Syriens kletterte ich mit syrischen Flüchtlingen über den türkischen Stacheldraht. Ich wurde entdeckt und von der türkischen Gendarmerie verhaftet.
Syrien ist ein Land der lebenden Toten geworden. Für die Aufständischen, deren gemeinsames Ziel die „Freiheit“ ist, gibt es kein zurück mehr. Aufzugeben würde ihren Tod bedeuten. Und das Assad-Regime lässt daran auch keine Zweifel aufkommen. Was ich gesehen habe war kein Kampf Soldaten gegen Soldaten. Die Freie Syrische Armee der Deserteure ist nicht einmal in der Lage ein Dorf zu schützen. In Syrien werden Zivilisten, die nach wie vor meist unbewaffnet sind, von den Schergen der Regierung auf die brutalstmögliche Art und Weise gelyncht.
@Sascha Stoltenow
Danke für den Link.
Sie sollten eigentlich wissen, dass ohne VNSR Mandat keine UN Intervention erfolgen kann…….weil dadurch die Charta der VN zerstört würde und noch viel mehr.
@Sascha Stoltenow: Wir brauchen eine UN-Intervention. Für Syrien. Am besten mit saudischen Truppen. Die haben ja schon Erfahrung aus Bahrain, wie man den gerechten Protesten einer rechtlosen Mehrheit gegen die von einer religiösen Minderheit gestellte Regierung zu ihrem Recht verhilft. Ach nee, war ja andersrum – da war ja die sunnitische Minderheitenregierung über das vorwiegend schiitische Volk völlig in Ordnung. Und die saudische Intervention zugunsten des Regimes war in Ordnung weil, manchmal ist es halt die regionale Stabilität wert, dass man die Freiheitswünsche des Volkes niederschlägt.
Wie wärs mal damit. wir wissen nicht wirklich genau was außer einem Bürgerkrieg in Syrien los ist. Anhänger von Assad sagen, er wehrt nur die brutalen Aufständischen (Hinrichtungen/ Morde an vermeintlichen Loyalisten sind ja nun mal wie auch bei anderen gewalttätigen Aufstandsbewegungen belegt) ab, die übrigens von al-Qaida unterstützt und von der Muslimbruderschaft gesteuert werden. Leider fallen bedauerlicherwise den veralteten und daher eben nicht gerade präzisen Waffen und den bekanntlich alles andere hervorragend ausgebildeten Truppen auch Zivilisten als Kollateralschaden zum Opfer. Wie das ja auch unter ganz anderen Vorausstzungen in Falludscha, Gaza oder auch damals in Grosny der Fall war, ohne dass „wir“ eingegriffen hätten. Gegner von Assad, wie eben Schami und tausende andere (überwiegend linke und sunnitische) Intellektuelle behaupten das Gegenteil. Unsere Medien berichten das, was ihnen in den Redaktionen plausibel vorkommt plus das, was ein paar abenteuerlustige (wahlweise auch hochmotivierte oder auch nur sensationsgeile) Journalisten von den Aufständischen (!) zugesteckt bekommen – dem Regime glaubt man in den Medien kein Wort, den Aufständischen alles. Fazit jedenfalls: Wir wissen nicht was loß ist. Es riecht nach einem Bürgerkrieg mit Opfern auf beiden Seiten.
Wenn man nicht ganz genau weiß, was los ist, ist eine Einmischung in der Regel die schlechteste aller Ideen. Klar könnten wir das rein militärisch. Aber ist einfach eine grundsätzlich schlechte Idee. Muskeln ersetzen Augen, Ohren und Hirn nun mal nicht.
Also warten wir wie bei allen anderen Bürgerkriegen ab. Wenn die sunnitische Mehrheit, wie zu erwarten steht, die alawitische sowie die verbündeten Minderheiten stürzt, ist das deren Angelegenheit, nicht unsere. genausoweinig wie sich bitte schön Syrer oder Simbabwer in einen rein hypothetischen Unabhängigkeitskrieg Schottlands, Bayerns oder Ostfrieslands einzumischen hätten, auch wenn die unterlegene seite (tendenziell eher die Schotten, Bayern bzw. Ostfriesen) sich bitterlich über holokaustähnliche Massaker an der Zivilbevölkerung beschweren und ein neues Bosnien oder Ruanda heraufbeschwören würden. Und die Presse in Syrien und Simbabwe mit Berichten, exkulsiven Interviews und weinenden Waisenkindern fluten würden.
Genauso könnte uns jetzt auch die syrische Regierung um Hilfe bei der Bekämpfung der Aufständischen ersuchen – beim Zeitgeist 2002/03 hätte sie ihn wahrscheinlich bekommen. Und auch das wäre keine gute Idee gewesen.
UN-Intervention ohne Sicherheitsratsermächtigung ist immerhin ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Das brauchen wir nicht, das dürfen wir auch nicht und wenn wir schlau sind lassen wir es auch bleiben.
Vielleicht könnter der UN-Charta etwas Schumpeter nicht schaden. Wer sagt denn, dass Politik nicht auch unter Innovationsdruck steht?
Und ja, wir wissen nicht genau, was los ist, aber wenn sie mir nur ein Beispiel zeigen, dass irgendjemand vor einer Intervention genau wusste, was los ist, wäre ich sehr überrascht. „Was wir über die Welt wissen, wissen wir über die Medien“, sagte Luhmann. Das stimmt aber nicht erst seit Ende des 2. Weltkrieges, und gilt definitiv nicht nur für eine linke, interventionistische Medienclique, sondern ist ein Prinzip sozialer Systeme, die sich über einen medial vermittelten Diskurs etablieren. Der hört übrigens nicht mit einem Ereignis auf, sondern währt ewig. Das heißt dann – nicht ohne Grund – Geschichts-Schreibung.
Was soll dieser Meta-Kommunikations-Ausflug sagen: Wir alle haben ein Weltbild. Wir alle haben eine Ideologie (auch die, die sagen, sie seien völlig rational). Und wir können uns verständigen, was die Voraussetzung für Handlungen ist. Ich bin momentan soweit, dass ich sage, dass es Zeit wäre für eine wie auch immer geartete Intervention, sein es die Annan-Mission, sei es eine der arabischen Liga. Das Mindestkriterium dieser Intervention muss der Zugang für humanitäre Organisationen sowie internationale Presse sein. Wer das nicht zulässt, hat etwas zu verbergen. Und ja, das trifft auf viele Staaten zu, und ja, insbesondere traf es auf Tschetschenien zu. Und nein, Putin ist kein lupenreiner Demokrat.
Eine wie auch immer geartete Intervention wird vor allem eins bedeuten: Massive Beschädigungen und zahlreiche Verluste unter den Zivilisten, zumal der arabischen Liga ja kaum die Schlagkraft und Präzision der NATO zuzutrauen ist. Zudem wird dies vermutlich den syrisch-iranischen Bündnisfall auslösen, der dann auch den Irak mit reinziehen kann. Das Zündeln in Syrien kann schwerwiegende Folgen haben, zumal nun wirklich jedem Land klar sein sollte, das nur eine schöne Bombe oder andere Massenvernichtungswaffen wirklich Schutz vor interantionaler Willkür bedeuten.
Und Krieg sollte immer ohne Presse stattfinden. Dann werden Konflikte auch entgültig zuende geführt. So oder so wird es dann einen klaren Sieger geben und nicht irgend ein Drama jahrzehntelang konserviert.
@Sascha Stoltenow
„Vielleicht könnter der UN-Charta etwas Schumpeter nicht schaden. Wer sagt denn, dass Politik nicht auch unter Innovationsdruck steht?“
Schumpeter habe ich im Zusammenhang mit der dringend notwendigen, aber vermutlich noch lange ausstehenden Überarbeitung der VN-Charta noch nicht gehört! Ist aber ein interessanter Ansatz ;)
@Roman: Wo, genau, unterscheidet sich das von Ihnen beschriebene Szenario von der aktuellen Lage (soweit wir sie kennen)?
na ja, der Euro-Atlantische Power Raum hat ja genügend Schumpeter-Erfahrung mit Bibel, Koran, Verfassungen, Konventionen…..warum nicht auch die VN-Charta ? Klotzen, nicht kleckern !
Hau wech das Sch….Völkerrecht !
Himmel, hilf !!
Ob’s der Himmel richten wird? Nur so viel: Ich bin überzeugt, dass noch nicht alle politischen Daumenschrauben angezogen wurden, um Assad zu „überreden“, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, humanitäre Hilfe zuzulassen.
http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/verwirrung_um_ikrk-einsatz_in_syrien_1.15393115.html
wetten, dass das IKRK nur deswegen keinen Zugang zum eingekesselten Stadtteil in Homs bekommt, weil irgendein lokaler Roter Halbmond Depp 2 westliche Journalisten in den Konvoi geschmuggelt hat …..
Da ja heute quasi jeder zum Journalist werden kann, kann man auch unter Verweis auf die Möglichkeit des Bürgerreporters alles untersagen.
Und so ganz abwegig ist die Interventions-Diskussion nun auch nicht: http://de.wikipedia.org/wiki/Humanitäre_Intervention
@Sascha Stoltenow – Also weil uns das Töten nicht so gefällt eine Intervention (mit dem unvermeidlich dazugehörigen Töten) um Presse und Humanitären Organisationen den Zugang zum von uns angeheizten Töten ermöglichen. Damit wir dann den Parteien beim gegenseitigen Töten zugucken können und die jeweils unterversorgte Seite nachversorgt wird.
Hmmm… Und wenn wir das nicht ur Saudi-Arabien überlassen, sondern selber mitmischen wollen, sollten wir den Eid erweitern:
„Ich schwöre der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen und den Zugang zu allen Kriegen und Bürgerkriegen für Medien, humanitäre Organisationen und selbsternannte Friedensstifter jederzeit auch durch den Einsatz von Krieg und Gewalt zu gewährleisten, jedenfalls dann wenn die überlegene Seite in der Mehrzahl der Medienberichte negativ dargestellt wird und gleichzeitig nicht so stark ist, dass wir vor ihr Angst haben müssen.“
Ich hab nichts gegen Krieg, aber mir kommt die Galle hoch wenn die Leute die ihn direkt oder indirekt fordern dann so unehrlich (oder kurzsichtig) sind, das mit Sorge „um die Menschen“ zu verbrämen. Wie gesagt, um die Gewalt in Syrien zu beenden können wir auch die stellungen der Aufständischen bombardieren. Dann ist der Krieg schneller vorbei und es gibt weniger Tote auf beiden Seiten.
@turan saheb
hiermit erkläre ich Sie zum Ehrenmitglied der Klabautermann-Gilde
;-))
Die TAZ, früher so pazifistisch, wittert heute russische Verschwörungen und wünscht sich Bomben herbei.
O tempora or mores.
Meine Herren, wenn wir so weitermachen gibt es uns in 20 Jahren nicht mehr.
@JCR
was mich persönlich so langsam nervös werden lässt, ist die Tatsache, dass selbst etablierte deutsche Medien, wie z.B. TAZ, die strategisch wichtige honest broker Position unserer Regierung demontieren.
@turan saheb
Eine Erweiterung UNSERES Eides ist nicht notwendig. Durch das treue Dienen ist alles abgedeckt, was die BReg in verfassungskonformerweise von uns fordert. Egal wo.
Wenn Sie wirklich kritisch hinterfragen wollen ob eine Eidesänderung notwendig ist, dann müssten Sie über den Amtseid der Regierung sinnieren.
Denn die Frage eines OB wir irgendwo in der Welt in den Krieg/Einsatz ziehen ist nicht eine Entscheidung die Soldaten zu rechtfertigen haben (oder mit Verweis auf soldatischen Grundsätze hinterfragt oder bestätigt werden sollte), sondern eine die der Politik zukommt.
Wir Soldaten sind nur für das WIE zuständig…
sorry @Koffer
da schrieben Sie nur für sich !
Das OB und das WIE kann man so nicht mehr trennen als deutscher Soldat !
@klabautermann
Da wir Staatsbürger in Uniform sind kann man es natürlich nicht vollständig von einander trennen. Jeder Soldat ist Bürger und hat sowohl als Soldat, als auch als Bürger seine eigenen Auffassungen und ein eigenes Gewissen. Natürlich muß es auch eine letzte Grenze geben, bei deren Überschreitung durch den Staat ein Soldat OB und WIE nicht mehr von einander trennen kann.
Außerdem liegt es in den dienstlichen Aufgaben jedes Soldaten (je höher der Dienstgrad desto umfangreicher diese Aufgabe und Verpflichtung) die Politik vollumfänglich zu beraten.
Aber das Primat der Politik bedeutet, dass wir Soldaten dort handeln wo es der Dienstherr gebietet und nicht dort wo wir es gerne hätten…
Deswegen müssen auch nicht wir Soldaten die Einsätze rechtfertigen (wie es heutzutage häufig die öffentliche Wahrnehmung ist), sondern die Mitglieder der BReg und des BT!
@klabautermann. Like oder +1,, nennt man auch Staatsbürger (ob) in Uniform ( wie). ;-)
Moin @Sönke ;-)
@Koffer
das WIE ist insofern entscheidend für das OB und umgekehrt, weil wir als Soldaten im bewaffneten Auslandseinsatz nicht nur unser deutsches Verbandsabzeichen tragen, sondern auch UN, NATO…..insofern ist das WIE und das OB nicht nur verfassungsrechtlich, sondern auch praktisch imho nicht so klar trennbar wie Sie das formuliert haben.
Ansonsten dürfen Sie gerne Ihre Auffassung als die Ihrige behalten.
@klabautermann
Wenn wie und ob nicht so trennbar sind, wie wollen Sie dann einerseits die Treuepflicht und andererseits das Primat der Politik erhalten?
@ Koffer – „in verfassungskonformer Weise“ sollte dann also einen (verfassungsmäßig verbotenen) Angriffskrieg ohne UN-Mandat, der noch nicht mal den Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient, sondern Journalisten und der Aid-Industry den direkteren Zugang zu einem Bürgerkrieg ermöglichen soll, NICHT mit einschließen. Mithin – und weils ehrlicher ist – wäre die neue Eidesfloskel zeitgleich mit Saschas Schumpeterei der UN-Charta doch eine feine Sache. Oder, um diese Diskussion zu vermeiden, wir überlassen den Job doch unseren Verbündeten in Saudi-Arabien. Wie gesagt, die haben wertvolle Erfahrungen aus Bahrain… Und wenn sie schon dabei sind können sie auch noch im Irak aufräumen und die Schiiten wieder von der Macht entfernen. Sind ja auch gottlose Häretiker, diese Schiiten… und erst die Alawiten, Christen, Juden und so… lang lebe Saudi-Arabien, der Wächter der Menschenrechte und Freiheit!
@koffer. Für mich entsteht der Widerspruch erst, wenn man das eine vom anderen trennt, bis dahin, bleibt es für mich ein aushaltbares Spannungsfeld! Nicht immer leicht, aber stets eine Herausforderung….. Oder aber, wenn es leicht wäre, könnte es jeder und dann bräuchte es keine Offiziere ….
@turan saheb
Einem verbotenen Angriffskrieg müßte sich jeder deutsche Soldat von verfassungswegen verweigern.
Allerdings ist nicht jeder Angriff ohne VN-Mandat ein verbotener Angriffskrieg.
Völkerrecht ist da (glücklicherweise) wesentlich flexibler :)
@ Turan Saheb
Fazit jedenfalls: Wir wissen nicht was loß ist.
Und das ist in dieser Pauschalität falsch.
Gerade der Einsatz von Militär und Waffengewalt gegen bis dahin friedliche Demonstrationen ist ziemlich gut belegt.
Die Entstehung der bewaffneten Oppossition ist sicherlich noch lückenhaft dokumentiert – auch wegen ihrer Zersplitterung wird das letzte Wort da noch auf sich warten lassen. Aber ihre Entstehung läßt sich im Groben schlüssig nachvollziehen.
Woran es letztlich fehlt ist eine detaillierte Lageeinschätzung: Wie sehr ist das Regime militärisch überlegen, wie gering ist der Rückhalt für das Assad, wie hoch sind die Opferzahlen?
Aber gerade das Einordnen der Gewalt ist mit den vorhandenen Informationen sehr gut möglich.
Und das ist letztlich der Punkt, an dem die Diskussion hier unredlich wird. Gerade bei einem „Bürgerkrieg“ mit einem dermaßen unausgeglichenen Kräfteverhältnis müßte man genauer hinschauen. Aber das Gegenteil ist hier der Fall: Mit dem Argument „ist halt ein Bürgerkrieg“ wird mit dem Vorgriff auf „Damit will ich nichts zu tun haben“ das Wegschauen zum Programm: Weil man nicht intervenieren will darf es auch keine Massaker geben.
Die Bundeswehr hat in 10 Jahren Afghanistan gerade mal 362 Zwischenfälle gezählt (inklusive Verkehrsunfällen und Selbstmorden). Trotzdem wird das hier immer wieder als „Krieg“ bezeichnet. Im Homser Stadteil Baba Amro wurden 950 Krater gezählt. Das ist dann wohl erst recht Krieg? Falludscha und Grosny haben sie ja bereits genannt. Da können sie dann auch gleich noch Srebrenica und Sarajevo mit nennen.
@koffer
1. Das ist eben die Frage, die jeder Kommandeur für sich entscheiden muß. Ausbildung und Erziehung (Innere Führung) sollten jeden Berufssoldaten auf diesen persönlichen Entscheidungsbedarf vorbereiten……
2. Ein kleines Bsp aus der Praxis – ohne hier eine Oberst Klein Welle zu starten:
Ich bin zZt DDO/SNR und gleichzeitig DivisionChief an einer NATO-Kommandobehörde, deren 1. priority task die ISAF/ICJ HQ Ausbildungsunterstützung ist, inkls Afghan Key Leader Training usw… Unsere T/E capability/facility ist CAX (Computer Aided Exercise) basierend. Dazu gehören regelmäßige data capture Dienstreisen nach Kabul ….
Zum ISAF Training Team gehören auch deutsche Soldaten. National gibt es die protected flight Auflage (schriftlich aufgrund meiner Nachfrage seitens Potsdam bestätigt), NATO-seitig gibt es diese Auflage nicht. Der Vermerk aus Potsdam erhielt auch den Hinweis, dass deutsche capture team Mitglieder natürlich auf den protected flight verzichten können. Die Konsequenzen eines solchen Verzichts sind allerdings für jeden Soldaten versorgungsrechtlich absolut uneinschätzbar und somit eigentlich…
OK. Nun, was hab ich gemacht in der OB und WIE Abwägung. Ich hab sie meinen Jungs abgenommen und dem Chef des Stabes (US AF) mitgeteilt, dass meine Soldaten ‚on a NATO mission‘ nur nach ISAF reisen, wenn NATO protected flight stellt.
Koffer – das Völkerrecht ist zwar in vielen Bereichen flexibel, kennt aber nur zwei Ausnahmen zum absoluten Kriegsverbot: eine Autorisierung des Sicherheitsrates sowie die Selbstverteidigung bzw. Nothilfe. Selbst die Irakinvasion wurde über ein erweitertes Verständnis von Selbstverteidigung gerechtfertigt. Und in Libyen ist man über eine etwas erweiterte Auslegung der SR-Resolution gegangen. Da Russland und China sich diesmal nicht reinlegen lassen werden, wäre beides in absoluter Ferne. R2P ist noch kein geltendes Völkerrecht sondern nur eine Denkfigur/ Wunschvorstellung von Interventionisten. Eine Intervention wäre also völkerrechtswidrig. Damit hab ich auch kein Problem, wenn es wenigstens um deutsche Interessen (wie einstweilen Köhler verkündet hat) ginge. Oder um eine sinnvolle Gesamtstrategie („Wir stärken Saudi-Arabien und die sunnitischen Radikalen, weil…“). Aber dieses „Die armen Menschen in Syrien, da sterben ja welche! Da muss man doch was tun!“ macht mich wahnsinnig. Klar kann man was tun, aber dann sterben genauso Menschen. Und im Zweifelsfall bauen auswärtige Akteure mehr Mist, als ohnehin schon gebaut wird, weil sie sich geschickt von lokalen Akteuren manipulieren lassen. Siehe Irak. Siehe Afghanistan. Siehe Libyen.
@klabautermann
Interessantes Beispiel (kein Ironie!), aber das hat mit der entscheidenden Frage nichts zu tun.
Das ist eine klassische Frage des WIE, genau hierfür werden deutsche Offiziere ausgebildet.
Aber die Frage des OB eines Einsatzes liegt bei der BReg und bei niemandem sonst.
Wenn ein deutscher Soldat einen Einsatz vor seinem Gewissen nicht verantworten kann, dann muß er seinen Abschied einreichen oder ins Gefängnis gehen.
Ich persönlich hielt den ISAF Einsatz gerade mit fortschreitender Intensivierung der DEU Operationsführung seit 2008 für inhaltlich sinnvoll. Aber selbst wenn es anders gewesen wäre, hätte ich mich einem solchen Einsatz nicht widersetzen können, denn als Soldat habe ich meine Pflicht zu erfüllen.
Seit letztem Jahr habe ich erhebliche Zweifel am Einsatz (denn die derzeitige Exit-Strategie überzeugt mich nicht), aber auch das darf keinen Einfluss auf meine Bereitschaft haben DEU (wieder) in AFG zu dienen.
Mein Problem ist übrigens durchaus, dass die Politik sich zu häufig in Fragen des WIES einmischt und dadurch Entscheidungen trifft für die sie weder qualifiziert noch zuständig ist.
Um es nochmals deutlicher zu machen. Ich bin der allerletzte, der einem deutschen Offizier abspricht seinem Gewissen verantwortlich zu sein. Preußischer Gehorsam, Führen mit Auftrag und Abweichen vom Auftrag sind meines Erachtens nach integrale Bestandteile deutschen (Heeres-)Führungsdenkens (oder sollten es zumindest sein).
Aber in diesem Thread geht es nicht um militärische Fachfragen, sondern die Frage ging in die Richtung ob Deutschland eine militärische Intervention in Syrien unterstützen sollte.
Ich denke ja (allerdings sind bis dahin sicherlich noch ein oder zwei Eskalationsstufen denkbar), aber das ist meine persönliche Meinung.
So oder so ist eine Änderung des Eides (und dies ist ja der Ausgangspunkt dieser kleinen „Zwischendiskussion gewesen) nicht notwendig, denn unser Eid verlangt treues Dienen, wir dienen Deutschlands Interessen und was Deutschlands außenpolitische Interessen sind legt die BReg fest. Also kann unser Eid sowohl einen Eingriff in Syrien decken, als auch das Abstand nehmen hiervon…
@turan saheb
„das Völkerrecht ist zwar in vielen Bereichen flexibel, kennt aber nur zwei Ausnahmen zum absoluten Kriegsverbot: eine Autorisierung des Sicherheitsrates sowie die Selbstverteidigung bzw. Nothilfe. “
Das stimmt so nicht. Die VN-Charta kennt nur diese beiden Optionen. Aber R2P ist sehr wohl im Vormarsch um Völkergewohnheitsrecht zu werden.
Und so oder so wäre ein Eingriff in Syrien VN-Charta technisch nur ein Problem, wenn der Sicherheitsrat einen entsprechenden Beschluss fassen würde. Und DAS wiederum lassen vermutlich die Stimmen von USA, GB und FRA nicht zu ;) Wie gesagt, das Völkerrecht ist flexibel…
@koffer
guter Gedankenaustausch. Sie sind nen büschen mehr Moltke, ich eben mehr Clausewitz mit einer Prise von Hammerstein,,,;-))
Schönes Wochenende
@klabautermann
In der Tat habe ich bei mir im Dienstzimmer einen Moltke und keinen Clausewitz hängen. Aber an der Prise Hammerstein „knabbere“ ich gerade etwas, weil der eigentlich auch eines meiner großen Vorbilder ist – da haben Sie einen guten Tusch gelandet :)
Auf jeden Fall war es in der Tat ein guter Gedankenaustausch! Werde mich jetzt einmal in „The Iron Lady“ begeben. Vielleicht muß ich danach ja auch noch eine Prise Bismarck mit in die Diskussion einführen ;)
Schönes WE!
@T.Wiegold – Und wenn Sie unbedingt die “verlogen und einseitig berichtenden Journalisten” bashen wollen, will ich jetzt Belege sehen. Jenseits des syrischen Staatsfernsehens.
Hier sind Beweise für gefälsche Videoaufnahmen von „Opfern“ die offenbar mit Hilfe der U.S. Organistaion AVAAZ in Baba Amr produziert wurden und u.a. auf CNN und AlJazeerah liefen (ich sehe kein deutsches Fernsehen, aber nehme an das es die Aufnahmen auch dort gab.)
Hier sind fünf Videos von Kahlid Abu Saleh der abwechselnd als „schwer verletzter Zivilist“ und dann als sehr munterer Aktivist auf Youttube zu sehen ist.
Hier ist der Zusammenhang mit Avaaz, einer „Aktivisten“gruppe die der Demokratischen Partei in den USA nahesteht, aufgezeigt.
Den Syrern sind zwei Videos in die Hände gefallen die die Vorbereitungen zu Auftritten von Kahaled und seinem Kumpel Danny bei CNN und AlJazeerah zeigen. Im ersten Video ist es vor der Live-Übertragung ruhig. Während der Liveübertragung werden dann im Hintergund zu hörenden Schüsse eingespeilt. Im zweiten Video wird ein „verletztes“ Kind für einen Auftritt bei Aljazeerah verbunden und instruiert. Die Vorbereitungen und der Auftritt sind zu sehen.
Nach meinem Dafürhalten ist die Lage eindeutig. Hier wird durch Desinformation eine illegale Intervention des „Westens“ vorbereitet weil dem „Westen“ die politische Ausrichtung des Landes nicht passt.
@Sascha Stoltenow
„Wir brauchen eine UN-Intervention…“
Warum brauchen „wir“ (Deutschland?) eine Intervention in Syrien? Welche Bedrohung für Deutschland geht von der Situation dort aus? Und was schlagen sie für den im Fall einer Intervention nicht unwahrscheinlichen Fall vor, dass erfolgreichen Sunniten danach (wie schon im Irak passiert) in noch extremerer Form gegen ihre früheren Unterdrücker in Form der Alawiten sowie (wie leider mittlerweile üblich) Christen vorgehen? Spätestens wenn es darum ginge die Bevölkerungsmehrheit dauerhaft zu kontrollieren, wären Interventionskräfte am Ende. Eine einfachere Situation bekommt man seit zehn Jahren in Afghanistan nicht in den Griff und beansprucht dabei die NATO und die Bundeswehr bis an ihre Grenzen. Warum sollte man ohne Not einen noch schwierigeren Einsatz oben drauf setzen?
Turan saheb hat dazu m.E. das wichtigste gesagt:
„Wenn man nicht ganz genau weiß, was los ist, ist eine Einmischung in der Regel die schlechteste aller Ideen.“
Zur Selektivität der Wahrnehmung und zur politisch und medial gesteuerten Empörungswelle nur ein Beispiel: Die Libanesen gingen 2007 gegen militante Sunniten im Palästinenserlager Nahr al-Bared vor. Die Umstände ähnelten sehr denen der aktuellen Gefechte in Homs. In Deutschland war das jedoch praktisch kein Thema. Das musste auch nicht sein, denn für die Sicherheit Deutschlands war die Entwicklung nur marginal relevant, und manche Beobachter sahen das Geschehen sogar positiv, weil die salafistische Szene im Libanon auch einige versuchte Anschläge in Europa vorzuweisen hatte.
http://en.wikipedia.org/wiki/2007_Lebanon_conflict
Ich will damit sagen: Man sollte in der Frage des Einsatzes der Bundeswehr nicht nur emotional auf Darstellungen über „humanitäre Krisen“ etc. reagieren, sondern nüchtern darüber diskutieren, ob und wie hier die Sicherheit Deutschlands berührt ist. Sonst führt man am Ende wieder für „afghanische Mädchenschulen“ und „Brunnenbau“ (bzw. amerikanische Interessen in Zentralasien), „Demokratie in Afrika“ (real für französische Kolonialpolitik) oder zur „Verhinderung eines zweiten Auschwitz“ (durch Vertreibung der Serben aus dem Kosovo im Rahmen der amerikanischen Balkanstrategie) Krieg.
@J.R.
„Gerade der Einsatz von Militär und Waffengewalt gegen bis dahin friedliche Demonstrationen ist ziemlich gut belegt.“
Ja, aber davon geht für Deutschland ebenso wenig eine Bedrohung aus wie von anderen unschönen Ereignissen in der Region, z.B. den Christen- und Sunnitenpogromen und dem auf niedriger Schwelle fortgesetzten Bürgerkrieg im demokratisch-befreiten Irak, der im befreiten Libyen von Banden verbreiteten Anarchie und Willkür (deutsche Medien berichten leider nur selten, wohl weil es nicht ins Drehbuch passt?), den Konflikten zwischen Tuareg und staatlichen Sicherheitskräften im Sahel, dem Bürgerkrieg im Jemen, ethnischen Spannungen und Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Opposition in Ägypten, dem Westsahara-Problem, der Instabilität im Tschad, dem Vorgehen der iranischen Regierung gegen Baha’i und Baluschen sowie Demokratieaktivisten und andere, den ethnischen Konflikten im Sudan, dem ab und an gewalttätig ausgetragenen Konflikt zwischen Sunniten/Schiiten/Maroniten im Libanon, dem zeitweiligen Vorgehen der Israelis im Gazastreifen und im Libanon…
Wer eine von deutschen Interessen losgelöste humanitäre Interventionspolitik propagiert, hat sich m.E. zu viel vorgenommen.
Zur Völkerrechtsthematik: Wenn es aus oder durch Syrien eine Bedrohung für Deutschland gäbe, müsste die Bundesregierung handeln, egal was die VN dazu sagen. Dass dies laut VN-Charta legitim wäre, wäre politisch-philosophisch betrachtet vollkommen gleichgültig, denn kein verantwortlich handelnder Staat würde jemals Selbstverteidigung von der Zustimmung anderer abhängig machen.
@klabautermann gar nicht O.T……und eine gute Nachricht wie ich persönlich glaube
Ahmedinejad, eher ein Sozialdemokrat und in Bezug z.B. auf Frauenrechte eher Liberaler, verliert gegen die klerikalen Konservativen. Was soll daran gut sein?
slightly O.T. AP Sources: CIA-led force may speed Afghan exit
Veräppelung der Wähler nenne ich soetwas.
@Orontes
darf ich Sie zitieren ?
Ihre Konfliktlandkarte könnte ich noch um einiges an Auflösung ergänzen, werd ich hier aber nicht.
Im loss-of-aristotalian-control Zeitalter sollte man Darwin noch mal lesen. Das tut leider heute keiner mehr, denn Windooof 8 muss man nicht lesen, sondern nur einschalten und der blue screen of death wird garantiert durch einen animierten Klammeraffen so lange überdeckt bis das System wieder neu gestartet ist ;-))
@klabautermann
„darf ich Sie zitieren ?“
Sie Schmeichler! ;-)
@b
die iranische Gesellschaft hat zumindest den Nachweis erbracht, dass trotz aller Manipulationstricks der Iran eine eher ziviil-islamische als militant-islamistische Basis hat.
@Roman
Es ist zwar ein Randaspekt, aber…
Und Krieg sollte immer ohne Presse stattfinden. Dann werden Konflikte auch entgültig zuende geführt
Schon klar, wie das endgültig zu Ende geführt nach Vorstellung der Konfliktparteien dann aussieht. Natürlich möchte niemand im Fall eines Kriegsverbrechens einen Beobachter dabei haben.
Endlösungen zeichnen sich dadurch aus, dass es Lösungen mit endlicher Wirksamkeit sind, sowie dadurch, dass anschließend das Problem größer ist als vor dem Endlösungsansatz.
@T. Wiegold
„Schon klar, wie das endgültig zu Ende geführt nach Vorstellung der Konfliktparteien dann aussieht. Natürlich möchte niemand im Fall eines Kriegsverbrechens einen Beobachter dabei haben.“
Dank der 2001 nur spärlich vorhandenen Journalisten konnte z.B. die Bundeswehr bis ca. 2009 so tun, als habe sie eine gewisse Stabilität im Raum Kunduz geschaffen und nicht Dostum mit seinen Containern. Wäre Dostum nicht gewesen, hätte die Bundeswehr möglicherweise weit früher die Probleme gehabt, die erst 2009 sichtbar wurden.
Es dürfte sehr schwierig sein, Beispiele für erfolgreiches „zu Ende führen“ irregulärer Konflikte zu finden, bei denen die Details der Durchführung einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland gefallen würden. Dabei muss es sich nicht einmal um Verbrechen bzw. Verstöße gegen irgendwelche Texte handeln, denn auch legales oder legitimes militärisches Vorgehen erzeugt Leid und Tod, die bei entsprechender Darstellung emotionale Reaktionen in der Öffentlichkeit nach sich ziehen.
Selbst beim gerne als Beispiel für „humanes“ Vorgehen genannten Nordirlandkonflikt wurde mancher wichtige Aspekt lange Zeit erfolgreich aus den Medien herausgehalten, z.B. dieser http://cryptome.org/0003/fru-2/fru-portrait-2.htm Das trug möglicherweise zu der international verbreiteten Wahrnehmung bei, dass es sich hier um ein „sauberes“ Beispiel für COIN gehandelt habe.
@Klabauermann
„Endlösungen zeichnen sich dadurch aus, dass es Lösungen mit endlicher Wirksamkeit sind, sowie dadurch, dass anschließend das Problem größer ist als vor dem Endlösungsansatz.“
In den USA wurde mal diskutiert, ob diese den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätten, wenn die Bevölkerung damals schon die heutigen Informationsmöglichkeiten gehabt hätte. Der Einsatz von Nuklearwaffen gegen japanische Zivilbevölkerung war z.B. ein sehr endgültiges und auch erfolgreiches Mittel, dass in der US-Bevölkerung heute schlechtes Gewissen erzeugen würde, wenn diese die Bilder von Toten und Überlebenden zu sehen bekäme. Auch die im „Strategic Bombing Survey“ später veröffentlichten Bilder und Beschreibungen darüber, wie sich z.B. der durch Luftangriffe gezielt herbeigeführte Feuersturm auf deutsche Zivilisten auswirkte, hätten vermutlich unter Amerikanern Zweifel an der eigenen moralischen Überlegenheit geweckt, wenn sie damals veröffentlicht worden wären.
@Orontes
mit Blick auf die ( u.a. insbesondere deutsche) Geschichte möchte ich nicht näher auf das Tema ‚Endlösung‘ und historisch/strategische Konsequenz jetzt und hier einsteigen. Das wäre echt o.t.
Ich unterstütze nur T,W. und Sie in der Fragestellung mit Blick auf das statement von Roman.
@klabautermann
„Das wäre echt o.t.“
Ich lasse mich auch immer wieder zu gerne zu OT-Diskussion hinreissen…
@ Orontes
Ja, aber davon geht für Deutschland ebenso wenig eine Bedrohung aus wie von anderen unschönen Ereignissen in der Region
Ansichtssache.
Riskiert ein werteloses Deutschland nicht mittel- bis langfristig seine Stabilität? Garantiert letztlich eine auf Vertrauen und Werten basierende Sicherheitsstruktur die Sicherheits Deutschland nicht am nachhaltigsten?
Ist deutsche Glaubwürdigkeit noch etwas wert, und deren Verlust eine Gefahr? (Und kann man die Rolle des „ehrlichen Maklers“ nach dem deutschen Libyen-Fiasko überhaupt noch ausfüllen?)
Ganz pragmatisch-realpolitisch: Letztlich ist auch jenseits moralischer Überlegungen die Stabilität in der Region auch im Deutschen Interesse. (War ja bisher auch einiges an deutschem Geld für zweifelhafte Regime wert.) Dass Diktaturen diese nicht bieten können hat der arabische Frühling anschaulich gezeigt.
Aber um ehrlich zu sein: Humanitäre Interessen sind in meinen Augen ein sehr valider Grund für Interventionen. Aber da werden wir wohl nie einer Meinung sein. Letztlich muss man sie aber mit anderen Interessen und vor allem den eigenen Möglichkeiten abwägen. Und da siehts sehr düster aus.
Die deutsche Sicherheitspolitik wird von einigen wenigen Zielen dominiert (Flüchtlingsbekämpfung, Rüstungsförderung, Exportförderung), und wenn eine Situation nicht dazu passen will ist die deutsche Regierung maßlos überfordert.
Wer eine von deutschen Interessen losgelöste humanitäre Interventionspolitik propagiert, hat sich m.E. zu viel vorgenommen.
Besteht in Ihren Augen ein Zusammenhang zwischen den deutschen Interessen und dem Grundgesetz?
Davon ab: Wer derzeit überhaupt eine deutsche Interventionspolitik fordert hat sich zu viel vorgenommen. Das Bischen an militärischem Fähigkeiten und politischem Willen, das Deutschland aufbieten könnte, ist schon in Afghanistan überstrapaziert.
Das heißt nicht, dass politisch nicht einiges möglich wäre. Aber Deutschland hat ja für die Region so gar keinen Plan. Wo man vorher blind Diktatoren unterstützte (Flüchtlingsbekämpfung, Rüstungsförderung, Exportförderung) gibt es nach dem arabischen Frühling immer noch noch keinen angestrebten Zustand. Auch keine Partner – jenseits von „Wir halten an Saudi-Arabien fest“ ist da nichts.
Deutschland ist in der Region handlungsunfähig, und das aus eigener Unfähigkeit. Angesichts immer weiter steigender Todeszahlen ist das frustrierend.
Zurück zu Syrien.
Ich habe das von Anfang an verfolgt. Die ersten Demonstrationen im März waren relativ breit in der Beteiligung und friedlich. Es ging dabei auch um einen generelle Stimmung gegen die zu Repressalien neigenden Staatskräfte aber im wesentlich um wirtschaftliche Probleme. Nach fünf Jahren Trockenheit sind viele Bauern in die Slums der Vorstädte (z.B. Baba Amr in Homs) gezogen und führen da ein eher erbärmliches Leben. Zudem sind noch Millionen Irakflüchtlinge im Land. Ein Kürzung der Subventionen für Benzin und Kochgas kam hinzu. Der allgemeine Trend zu neoliberaler Politik hat auch in Syrien die Kluft zwischen arm und reich vergrößert.
Bereits am 10. April letzten Jahres gab es einen Kommandoeinsatz der Rebellen gegen einen kleinen Konvoi des Militärs. Ein Oberstleutnant der Armee und zehn weitere Soldaten wurden dabei getötet (der Vorfall ist von Professor Joshua Landis (kein Regimefreund)der mit dem Oberstleutnant verschwägert war belegt. (siehe http://www.joshualandis.com/blog/ Archiv April 2011)
Das war der erste Einsatz der Rebellen.
Mitte April gab es Vorfälle bei denen Demonstranten anscheinend von Scharfschützen getötet wurden. Es ist unklar wer diese Scharfschützen waren. Es schein nicht plausibl das dieses Staatskräfte waren. Was, ausser einer Eskalation, sollte das bewirken?
Es sind andere Umsturzversuche (z.B. Venezuela 2002) bekannt bei denen radikale anti-Regierungskräfte auf anti-Regierungsdemonstrationen geschossen haben um die Stimmung anzuheizen und mehr Leute gegen die Regierung aufzubringen. Es gibt inzwischen auch Bilder die Rebellen mit Dragunov Scharfschützengewehren zeigen.
Es ist also durchaus unklar wer da im April geschossen hat.
Die Rebellen sind zumeist eher radikale Sunnis mit diversen Einsprenkelungen von Salafisten. Ihre Batallione benennen sie nach historischen radikalen anti-Shia Sunnis. AlQaida und Hamas habe denen ihre Unterstützung zugesagt. Das Syrian National Council besteht zu einem Großteil aus Mitgliedern der Muslim Brüder (deren syrischer Flügel besonders radikal ist.)
Auf seiten Assads stehen die Allawiten, Drusen, Christen sowie die sunnitischen Stadtbevölkerungen die die Kaufmannschaft und Verwaltung bilden. Die Kurden verhalten sich neutral.
Assad hat seit Beginn der Demonstrationen erhebliche Änderungen im System (Aufhebung der Notstandsgesetze, Mehrparteiensystem) durchgefürht die insgesamt zu einer Demokratisierung des Landes führen. (Er wollte das schon länger aber die herrschende Klasse war dagegen Jetzt hatte er den Anlass.)
Was sich in Syrien seit April letzten Jahres entwickelt ist
a. Ein System das sich im positiven Sinne reformiert
b. Ein System das im Kampf mit einer radikalen sunnnitischen Rebellentruppe steht
Warum sich der „Westen“ in diesem Konflikt auf die Seite der Rebellen, der Saudis, Hammas und alQaeda stellt ist mir unklar.
Es ist aber offensichtlcih das in den „westlichen“ Medien eine Interventionsstimmung erzeugt wird die nicht auf Wahrheiten beruht sondern auf eine sehr einseitige Darstellung der Situation sowie auf manipulierten Bildern und Berichten aus Sicht der Rebellen. Da ist immer noch von „freidlichen Demonstranten“ die Rede wenn die offensichtlich RPGs auf der Schulter tragen und anti-Shia Slogans rufen.
tja
@T.W.
so langsam bildet sich hier eine strategic community. Hut ab ;-)
@J.R. – Ist deutsche Glaubwürdigkeit noch etwas wert, und deren Verlust eine Gefahr? (Und kann man die Rolle des “ehrlichen Maklers” nach dem deutschen Libyen-Fiasko überhaupt noch ausfüllen?)
Was für ein Libyen Fiasko? Deutschland hatte da recht. Lesen sie mal den UN Menschenrechtsbericht zu Libya durch der gerade herausgekommen ist. (Und auch NATO Einsätze auf nicht-militärische Ziele mit erheblichen Opferzahlen beschreibt).
Was dort jetzt herrscht ist Anarchie im schlimmsten Sinne. Menschen dunkler Hautfarbe im Zookäfig eingesperrt und gezwungen die alte Libische Flagge zu essen
Da muss man froh sein nicht zu den Verursachern dieser Staatszerstörung zu gehören.
Da gerade von Libyen die Rede ist:
In Bengasi wurde ein britischer Soldatenfriedhof, auf dem alliierte Gefallene des 2. Weltkriegs liegen, geschändet:
http://www.youtube.com/watch?v=ZawXJANkL-A
@J.R.
„Riskiert ein werteloses Deutschland nicht mittel- bis langfristig seine Stabilität? Garantiert letztlich eine auf Vertrauen und Werten basierende Sicherheitsstruktur die Sicherheits Deutschland nicht am nachhaltigsten?“
Die Begriff der „Werte“ ist offen definiert. Es reicht m.E. nicht aus, sich nur auf „Werte“ zu berufen, sondern man sollte erklären, was diese Werte sind. Es stellt ja auch einen Ausdruck bestimmter Wertvorstellungen dar, eine defensive Sicherheitspolitik zu betreiben. In unserem Fall stehen sich die Werte „Schutz von Bevölkerung und Territorium Deutschlands“ sowie der Wert „Durchsetzung westlicher Menschenrechtskonzepte“ (ich glaube Ihnen, dass Sie dies ernsthaft wollen und nicht wie insbesondere US-amerikanische Zyniker nur als Mantel für andere Dinge nutzen) gegenüber.
„Letztlich ist auch jenseits moralischer Überlegungen die Stabilität in der Region auch im Deutschen Interesse. “
Wie turan saheb schon sagte: Aus diesem Grund müsste man eher die syrische Regierung unterstützen, die über Jahrzehnte Stabilität innerhalb Syriens garantiert hat und auch regional vermutlich eher zu Stabilität beiträgt als es eine möglicherweise von radikalen Sunniten gebildete Regierung tun würde, wenn man z.B. an das Israelthema denkt.
„Besteht in Ihren Augen ein Zusammenhang zwischen den deutschen Interessen und dem Grundgesetz?“
Ich bin ein großer Unterstützer des GG, insbesondere Art. 56 Abs. 2, demzufolge die politische Führung ihre „Kraft dem Wohle des deutschen Volkes [zu] widmen, seinen Nutzen [zu] mehren, Schaden von ihm [zu] wenden“ habe; und Art. 87a Abs. 1, der dem Parlament dazu „Streitkräfte zur Verteidung“ als Mittel in die Hand gibt. Das GG geht von einer streng auf Verteidigung nationaler Interessen beschränkten Sicherheitspolitik aus. Dass muss man natürlich nicht unterstützen, aber zumindest zur Kenntnis nehmen.
„Humanitäre Interessen sind in meinen Augen ein sehr valider Grund für Interventionen.“
Warum dann in Syrien wegen Homs und nicht im erwähnten Beispiel des Libanons wegen Nahr al-Bared? Warum in Afghanistan wegen Mangels an Mädchenschulen, aber nicht in Saudi-Arabien? Warum im Kosovo wegen Vertreibung der Albaner, aber nicht gegen die Albaner wegen Vertreibung der Serben? Ich behaupte, dass „humanitäre Interessen“ letztlich schwer von einem amorphen moralischen Anspruch unterscheidbar sind, der möglicherweise durchaus anerkennenswert ist, aber eine schelchte Grundlage für Sicherheitspolitik bilden würde.
@ turan saheb,
Sie behaupten: „R2P ist noch kein geltendes Völkerrecht sondern nur eine Denkfigur/ Wunschvorstellung von Interventionisten.“
Das Gegenteil ist richtig!
Deutschland hat die R2P 2005 im Rahmen des Millennium-Gipfels der UN anerkannt. Bereits im Weißbuch 2006 ist das berücksichtigt(S.53f). Am 29.06.2011 hat Frau Wieczorek-Zeul im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage Auskunft verlangt, welche Schritte die Bundesregerung zur Umsetzung der Schutzverantwortung unternommen habe. http://www.schutzverantwortung.de/rtop—deutschland/bundesregierung/index.html
Fragt man sich doch, was Sie uns hier „erzählen“ wollen.
@Politikverdruss
Wie die Verweise auf angebliche „Verpflichtung“ zur Intervention in Libyen m.E. zeigt, ist das Thema R2P in erster Linie ein moralisches Druckmittel, um Staaten zur Unterstützung US-amerikanischer Interventionen zu nötigen. Das amerikanische Kalkül, dass sich die Politik und öffentliche Diskussion nicht trauen würden, mit ausreichend moralischer Rhetorik aufgeladene Konzepte in Frage zu stellen, ist scheinbar aufgegangen. Wer möchte schon den Vorwurf auf sich ziehen, gegen den Schutz von Zivilisten zu sein? Die Bundesregierung sollte so konsequent sein und ihrer praktischen Verweigerung auch die formelle Aufkündigung der Unterstützung dieses Konzepts folgen lassen. So bindend, dass es für Deutschland irgendwelche negativen völkerrechtlichen Folgen gehabt hätte sich der Libyen-Intervention zu verweigern, scheint das R2P-Konzept nicht zu sein, wie turan saheb schon betonte.
@ b
Zu Libyen:
Deutschland hat schlicht keinen Standpunkt vertreten. Weder hat sie politisch gegen Gadaffi eingesetzt, noch sich für die Flugverbotszone engagiert, noch gegen die Ausweitung des Nato-Einsatzes zum Regime-Change ausgesprochen. Außer Schockstarre war da nichts. Und Engagement in der Nach-Gadaffi-Ära ist auch nicht zu erkennen.
zu Syrien:
Ihre Darstellung der Sunniten widerspricht u.a. den Beschreibungen von Nir Rosen und diversen anderen Berichterstattern. Von daher wäre eine Quelle vielleicht nicht schlecht. Und auch die Position der Christen in Syrien ist wohl mittlerweile deutlich differenzierter, als sie es vor den Gewaltakten des Regimes war.
Auch gerade was die „demokratischen Reformen“ angeht: Wie glaubwürdig sind diese, wenn die bisherige Verfassung ignoriert und das Verfassungsreferendum eine Farce ist? Mit das größte Problem Syriens ist derzeit die Person Assad, dessen persönliches Klammern an die Macht mittlerweile den Kern der Krise ausmacht.
Diesen Aspekt blenden Sie leider aus, und machen sich es mit der Einschätzung der Konfliktparteien leider etwas zu einfach. Sunnitische Radikale gegen den demokratischen Rest geht nach allem was bekannt ist ziemlich an der Situation vorbei.