Verfolgungsjagd: Fregatte „Lübeck“ und das Piraten-Mutterschiff (mit Foto)
Die deutsche Fregatte Lübeck steckt am Horn von Afrika mitten in der Verfolgungsjagd hinter einem Piraten-Mutterschiff: Nachdem eine Seeräuber-Gruppe am (gestrigen) 17. Januar den niederländischen Pipeline-Leger Flintstone angegriffen hatte und von einem Sicherheitsteam der niederländischen Marine zurückgeschlagen worden war, hatte die Lübeck die Verfolgung der Piratengruppe auf einer (vermutlich gekaperten) Dhau aufgenommen.
Die Fregatte hatte sich zum Zeitpunkt des Überfalls auf die Flintstone etwa 100 Seemeilen (rund 185 Kilometer) entfernt befunden, dann aber Kurs auf das Piraten-Mutterschiff genommen. Nach Angaben der Bundeswehr hat die Lübeck den Auftrag, das Piratenmutterschiff aufzuspüren und zu boarden.
Das allein dürfte schon – auch rechtlich – interessant werden, denn die Seeräuber zeigen offensichtlich keine Neigung, den Aufforderungen der EU-Seestreitkräfte (die Lübeck fährt unter dem Kommando der europäischen Antipiraterie-Mission Atalanta) nachzukommen. Auf Warnschüsse reagierte die Besatzung mit dem Hinweis über Funk, dass sie über Geiseln verfüge und sich einem Boarding mit Waffengewalt widersetzen werde. Das bedeutet, dass eigentlich nur opposed boarding infrage kommt, was die Deutsche Marine allerdings bislang per Definition nicht macht…
Also fährt die deutsche Fregatte seit mehr als einem Tag in Sichtweite der Dhau – sie schippert allerdings nicht nur nebenher:
Im Verlauf des 18. Januar hat die Fregatte Lübeck mit Scharfschützen und mit der Bordwaffe des Bordhubschraubers gezielt das Skiff an Oberdeck des Piratenmutterschiffs beschossen. Wiederum erfolgte keine erkennbare Reaktion der Besatzung.
Elf Personen konnten an Bord des Mutterschiffs bisher gezählt werden. Das Schiff hält mittlerweile nicht mehr auf die Insel Sokotra zu, sondern hat seinen Kurs bei reduzierter Geschwindigkeit in Richtung somalische Küste geändert. Bei derzeitiger Fahrt wird es die somalische Küste in etwa drei Tagen erreichen.
Die Fregatte Lübeck hat den Auftrag, sich bis auf Weiteres in Sichtweite zum Mutterschiff zu positionieren und dies zu begleiten.
Es wird spannend zu sehen, was daraus wird. Zur Einordnung – an dieser Position westlich der Insel Sokotra, die zum Jemen gehört, wurde die Flintstone angegriffen:
(Karte: OpenStreetMap)
Und so sieht das Mutterschiff aus – zu Herkunft bzw. Nationalität gibt es bislang keine Angaben:
Unter den bislang elf an Bord gesichteten Personen sollen auch Menschen mit hellerer Hautfarbe sein – was nicht unbedingt etwas aussagt, aber möglicherweise auf die von den Piraten genannten Geiseln hindeuten könnte. Die Lübeck beschattet in knapp einer Seemeile Entferung, also etwa 1.500 Meter entfernt.
In die ganzen Überlegungen für das weitere Vorgehen dürfte neben den militärischen Aspekten auch einfließen, was den Dänen jetzt passiert ist: Die Seychellen weigerten sich, Piraten zu übernehmen, die das dänische Schiff Absalon am 7. Januar festgesetzt hatte. Das steigert kaum die Bereitschaft, Seeräuber in Gewahrsam zu nehmen – oder lässt nur die schon mehrfach genutzte Möglichkeit, sie wieder an die Küste Somalias zu bringen. (Update: Auch die Briten werden offensichtlich die vergangene Woche arretierten Piraten nicht los.)
Nachtrag: Ein weiteres Foto des Piraten-Mutterschiffes – an dessen Bug der Name Mother angebracht ist… (allerdings wäre die Frage, in welcher Sprache).
(Foto: Bundeswehr)
Atalanta: Warnschüsse auf Piraten-Mutterschiff
„Die Besatzung des Piratenmutterschiffs meldete über Funk, dass sie über Geiseln verfüge und sich einem Boarding mit Waffengewalt widersetzen werde. Die Fregatte Lübeck stellte das Feuer ein. Sie legte sich mehrfach dem Piratenmutterschiff in den Weg, um es zu stoppen.“
Bedeutet das jetzt, dass sämtliche Bundeswehraktionen gegen Piratenmutterschiffe mit dem kurzen Funkspruch von Piratenseite: „Wir haben Geiseln und verbieten der Bundesmarine an Bord zu kommen“ schnell und elegant verhindert werden können ?
Passiert da außer hilflosem „vor der Nase herumfahren“ nichts mehr ?
Eigentlich könnten die Piraten konsequenterweise ihr Einsatzgebiet bis in die Deutsche Bucht ausdehnen, gegen die Wunderwaffe „Wir haben Geiseln und Waffen an Bord“ kann die Bundesmarine dann wohl auch vor der deutschen Küste nicht bestehen.
Es klingt zwar „lustig“ :
„Sie legte sich mehrfach dem Piratenmutterschiff in den Weg, um es zu stoppen….Die Lübeck hat jetzt den Auftrag, das Piratenmutterschiff zu begleiten. Dieses befindet sich auf dem Weg in Richtung der jemenitischen Küste.“
Aber ist es definitiv nicht. –
Jemand muß der Lübeck ja diesen Auftrag gegeben haben. Und das ist afik nicht Potsdam.
Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, das das Schiff von deutschen geboardet wird. Der Skandal der sich aus Verwundeten bzw. Getöteten Geiseln ergeben könnte ist für Merkel wahrscheinlich nicht tragbar.
Tja, das klingt ziemlich hilf- und ratlos, was die Bundeswehr da unter „Warnschüsse auf Piratenmutterschiff“ veöffentlicht:
„….um das Piratenmutterschiff zum Anhalten zu bewegen.“
Ach bitte, liebe Piraten, haltet doch bitte mal an!
Bitten an Bord kommen zu dürfen!
Wann machen die endlich mal Ernst?
Andererseits: Der Kahn sieht wirklich aus wie ein Küstenfrachter, wie er in der Gegend häufig vorkommt. Kann also gut sein, dass der von Piraten gekapert wurde und dass die Besatzung als Geiseln an Bord sind.
Aber der Schlußsatz: „Der Vorfall ist noch nicht abgeschlossen“ lässt ja noch hoffen.
Warten wir also mal ab.
„später in den Bug des Piratenmutterschiffs ab“ Dann müsste es doch dort ein Leck geben und das Schiff wird über kurz ode lang sinken? Dann würde man auch sehen ob das Schiff wirklich Geiseln hat oder nicht.
Zum Thema Boarding, ich meine man sollte es zumindest versuchen, weil wirklich etwas passieren kann den dt. Soldaten nicht (Feuerkraft Fregatte + schnelle verwundeten Versorgung). Ich glaube man sollte hinfahren und versuchen an Bord zu gelangen, sollten sich die Piraten wehren, dann muss man die Operation natürlich auch abbrechen, doch weiß man dann wie ernst es die Piraten meinen und ob die wirklich Geiseln an Bord haben oder nicht. Falls nicht kann man dann das Schiff immernoch versenken.
@ Alpha
Also mit verlaub, ihr Statement klingt schon sehr naiv.
„man sollte es zumindest versuchen“ Naja das Versuchen bzw. Probieren sollte daheim geübt werden.
„sollten sich die Piraten wehren, dann muss man die Operation natürlich auch abbrechen“ natürlich, sonst könnte sich ein Bundeswehrsoldat womöglich noch weh tun …
„wie ernst es die Piraten meinen“ das weiss man jetzt schon; die Piraten meinen es ernst, denn sie haben der Bundeswehr ja verboten an Bord zu kommen …
@Heiko:
Nun zwischen Reden und Handeln liegen immer gewisse Unterschiede. Nun ich meine man muss Soldaten nicht befehlen, wenn sich die Piraten mit Waffengewalt wehren dieses Schiff trozdem zu stürmen. Denn wenn die Piraten auf eine Entferunung von z.B. 100m auf die Soldaten schießen so ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Soldaten verletzt werden deutlich geringer als wenn sie aus 3m auf die Soldaten schießen.
Ich gebe zu, dass „versuchen“ in diesem Zusammenhang ein schlecht gewählter Ausdruck ist.
Es scheint, das man bei Fregatte Lübeck nichts davon weiß, das es seit G8-Gipfel in Heiligenhafen (Ersteinsatz) in Deutschland das RGES-Kleinwasserfahrzeugstoppsystem gibt, mit dem Schiffe dieser Art ohne die Anwendung von Schußwaffen aus der Entfernung heraus gestoppt werden könnten.
Herr Fregattenkapitän, lassen Sie sich doch von diesen Kerlen nicht auf der Nase rumttanzen und fordern die notwenige Ausrüstung.
Auch in Eckernförde und Koblenz ist das System bekannt. Warum es „an der Front“ in Somalia nicht zur Verfügung steht, ist unbekannt.
Hoffentlich kommt es nicht so weit, das unsere „Jungs'“ losgeschickt und dabei vielleicht verletzt werden, weil man diese Kerle nicht halten kann.
Wenn man Bordwaffen hat, braucht man kein RGES – 76 mm, 27 mm, 12,7 mm wirken auch Wunder, wenn man ein Schiff ernsthaft zum Aufstoben zwingen möchte. Probleme sind aber:
a) Die Boardingteams sind für Geisellagen nicht ausgebildet, da werden KS oder GSG9 gebraucht (KSK fehlt die maritime Expertise).
b) Das Geschrei von SPD, Grünen, Linken und einem Großteil der Presse, falls die Operation nicht reibungslos klappt. Große Teile der Angesprochenen würden aber selbst bei Erfolg schreien.
@Alpha
Ein Beschuss über der Wasserlinie mit z.B. 12,7mm oder 7,62mm Munition
(Schweres MG, MG 3) muss nicht zwangsläufig zu Leckagen führen.
@Herrn Wiebergall
Die Beschaffung solcher Systeme ist sicherlich auf lange Sicht notwendig
aber die Beschaffung bei der derzeitigen Haushaltslage scheint schwierig;)
@Hohenstaufen: Die „Bundes“marine gibt’s schon über 20 Jahre nicht mehr.
@Alpha: Sie haben eine sehr einfache Sicht auf die Dinge geschildert.
Ein Boarding kann man nicht einfach abbrechen. Gerade, wenn der Hubschrauber eingesetzt ist.
Und einfach mal ran fahren oder -fliegen, gucken ob die Schießen oder nicht und dann ggfs wieder abdrehen ist echt keine Option.
Ganz oder gar nicht. Die eingesetzten Soldaten sind doch kein Lockmittel.
Da geht mir ein wenig die Hutschnur hoch.
Wenn man das Schiff boarden will (und vor allem kann: Personal, Material), dann sofort mit aller Härte, um eigene Verluste zu verhindern. Auch wenn die „eine Fregatte mit Lazarett in der Nähe haben“. *kopfschüttel*
Krieg gegen Deutschland führen für Dummies.
– Der Ratgeber –
1. Erklären Sie den Krieg am Freitag um 12 Uhr.
2. Beschädigen Sie keine Straßen! Solange es die gibt, beschäftigt die Bundeswehr einen Teil ihrer Kräfte mit Geschwindigkeitskontrollen.
3. Sparen Sie sich Munition gegen Kasernen – warten Sie, wie viele Panzer den Hof überhaupt fahrend verlassen können.
4. Sparen Sie Munition an Hindernissen: Warten Sie, bis der Rückwärts-Einweiser mit Warnweste aussteigt.
5. Sagen Sie, „wir haben Geiseln“. Egal ob es stimmt oder nicht. Funktioniert in Flugzeugen (war sogar schon vor dem BVerfG), Schiffen, Häusern vermutlich sogar in Panzern.
Kopf -> Tischplatte -> Aua!!
Wie kann man allen Ernstes als Deutscher glauben, Deutschland sei ein Staat von Weltrang… In Wirtschaft und Pseudomenschenfreundlichkeit vielleicht, sonst aber nichts. Wann gibt es ENDLICH mal solide Möglichkeiten! Da wird man ja sogar als Unterstützer solcher Sicherungseinsätze zum Pazifisten: Lieber kein Einsatz, als solche Blamage am laufenden Band! Das haben unsere Soldaten nicht verdient!
Warten wir mal die Nacht ab. Nachtkampffähigkeit haben die Piraten ja hoffentlich noch nicht…
„Unter den bislang elf an Bord gesichteten Personen sollen auch Menschen mit hellerer Hautfarbe sein – was nicht unbedingt etwas aussagt, aber möglicherweise auf die von den Piraten genannten Geiseln hindeuten könnte.“
Ist zwar total unsachlich, aber spontan fällt mir dazu unweigerlich diese Szene aus South Park ein: „Remember: Don’t hit the white ones!“
http://www.youtube.com/watch?v=CUTHktI8kJA
Müssen die Deutschen jetzt erst Kampfschwimmer oder Neuner einfliegen lassen, um solche eine Situation zu lösen? Andere Staaten scheinen geeignetes Personal immer an Deck zu haben, um schnell reagieren zu können.
Deutschland, was soll das?
Immer diese Korinthen … aber TomTom hat ja auch schon zugeschlagen:
@TW: Richtig schreiben Sie oben von 100 nm = 185 km, weiter unten im Text dann aber von 1 nm = 1.500 m … korrekter Weise müsste dann da ein (gern auch gerundeter Wert) von 1.852 m stehen ;-)
… wobei ich auch nur etwas von Sichtweite gelesen habe (bundeswehr.de) … und die ist abhängig von der Augenhöhe der Fregatte Lübeck (Nock bzw. MSP500) und der Höhe der Aufbauten der Dhau sowie dem Wetter… da ich alle Variablen nicht genau kenne, ist das aber etwas zwischen min. 2 und max. 10 nm …
Um es in anderen Worten auszudrücken, es wäre durchaus möglich, dass die Fregatte Lübeck bei max. Abstand auch den Eindruck erwecken könnte, sie wäre gar nicht mehr da (optisch) … schwer zu erkennen, ob die Dhau RADAR hat …
Ok, genug der Spekulationen und wir warten auf mehr „echte“ Nachrichten!
@mariner
Hm, mir ist da noch die Zusatz-Info zugeflogen, dass der Abstand zwischen 0,5 und 1 sm beträgt… deshalb die etwa 1.500 Meter ;-)
Ah … OpInfo, ich verstehe ;-)
Die werden dann eine zweite ziemlich unruhige Nacht haben! Aber man hält sich sicherlich bewusst aus der Wirkreichweite von Panzerfäusten, trotzdem, ich möchte da jetzt nicht WO auf der Brücke sein und der Kdt kann wohl auch auf seinem Stuhl nächtigen … die zweite Nacht in Folge …
@Mariner
der arme :-)
Oh Gott der arme…
Im Gegensatz zu Ihnen denke ich, dass er endlich einen Sinn in seinen Einsatz sieht und vielleicht, mit viel Glück, auch mal aktiv gegen Piraten vorgehen kann.
Deshalb freut er sich über die Abwechslung und die Daseinsberechtigung und ist motiviert seinen Auftrag zu 100% zu erfüllen!
Jetzt werde ich sogar sarkastisch und hoffe, dass die Lübeck von den Piraten beschossen wird, weil sie dann endlich richtig zurückschießen dürfen um das verdammte Piratenboot auf Grund zu schicken!
Anschließend sammeln sie die Menschen auf und gut ist!
Vielleicht schnappen sich die Kriminellen ja sobald sie wieder in Somalia an die Behörden übergeben werden gleich wieder einen Kutter und piratisieren die Gegend erneut/weiter. Aber dann hat der Deutsche da unten wenigstens aktiv beigetragen und nicht einfach nur seine Runden vor der Küste gedreht und sich gedacht: ob auf Übung oder hier im Indischen Ozean, ich mache nichts anderes, denn die schlauen Piraten bekommen jeden Tag Informationen wo wir uns im riesigen Küstenstreifen aufhalten und umgehen uns einfach!
Ist schon bescheuert wenn man etwas tun will, sich aber selbst einen Knoten ins Gewehr vorher reinmacht.
-Invisible
Naja, was wollen (sollen) wir denn da schon groß machen?
Das, was die deutsche Marine in den jahren seit 2001 am Horn von Afrika am besten gelernt hat, abstand halten und der Dinge harren die da kommen. Und wenns dcoh irgendwie brenzlig werden sollte, dann helfen uns schon verbündete Nationen mit ihren Spezialkräften oder so…
Bisher 100 mal so passiert (teilweise auch live dabei), und 100 mal ist nichts passiert…
Und um eines Klar zu stellen, ich bin auch kein Freund davon gleich zum äußersten zu greifen, aber was da unten schon so passiert ist, was nicht im Fokus der Öffentlichkeit abgelaufen ist, da fehlen einem manchmal die worte…
Um nur ein Beispiel zu nennen, siehe „Tribal Kat“…
http://augengeradeaus.net/2011/09/besatzungsmitglied-von-gekaperter-franzosischer-yacht-gerettet/
Die Jagdmetapher impliziert, dass dem Wild irgendwann der Fangstoß versetzt wird. Was die Marine hier macht, lässt sich metaphorisch bislang aber nicht einmal mit Fangen spielen vergleichen. Die Marine sollte aufpassen, dass die Piraten ihr Schiff ob derart zur Schau gestellter Schwäche nicht für attraktive Beute halten.
@T.Wiegold
Was seinerzeit hinter den kulissen abgelaufen ist, spricht bände…
Die Fregatte wird die Piraten so lange „begleiten“, bis die richtigen „Nato-Partner“ kommen – dann wird robust & konsequent vorgegangen.
Die Deutsche Marine übt hier eher den Job des „Ordnungsamts“ aus.
@T.Wiegold:
Sie schreiben oben im Blogeintrag: „Das bedeutet, dass eigentlich nur opposed boarding infrage kommt, was die Deutsche Marine allerdings bislang per Definition nicht macht…“
Gibt es für „per Definiton“ eine Quelle? Weil im aktuellen Bundestagsmandat finde ich keine derartige Beschränkung. Kommt das aus einer militärischen Selbstbindung? Wenn ja, durch wenn festgelegt?
@Tom
Es ist nicht im Mandat festgelegt, aber es ist mehrfach so kommuniziert worden, zeitweise auch als nationaler Vorbehalt Deutschlands für die Atalanta-Beteiligung (ob das aktuell noch gilt, weiß ich derzeit nicht). Ich meine, dass es auch offizielle Aussagen dazu gab, die ich aber erst suchen müsste…
Zum Heulen. Erinnert mich ein wenig an den Einsatz vollkommen ùberforderter Innendienstler als WaWe-Schützen und -Kommandanten in und um den G8-Gipfel in Heiligendamm.
Da sprach der Kommandant über Außenlautsprecher an die Störer: „Vorsicht, Sie da hinterm Baum. Wir spritzen gleich! Achtung es wird nass! Verzeihung, beiseite bitte. Hier kommt Wasser!“
Herzlich und kuschelig, die Deutschen. Auch dem Feinde gegenüber.
Was ist „opposed boarding“? Das „gegensätzliche Verschalen“?
Mit „opposed boarding“ ist wohl das boarding gegen den Willen des Kapitäns des verdächtigen Fahrzeugs gemeint. – Es wird ja immer erst höflich angefragt: Dürfen wir an Bord kommen. – Mir ist nicht bekannt, ob die Deutschen jemals ein „opposed boarding“ durchgeführt haben.
Nebenbei: die Bezeichnung „Verfolgungsjagd“ für diesen thread ist wohl ziemlich übertrieben, oder? Na ja, warten wir mal ab, vielleicht passiert ja doch noch was über Nacht.
Übrigens: Wie ist das eigentlich geregelt, weiß das hier jemand: Darf der Kommandant nach persönlicher Einschätzung der Lage selbständig handeln bzw. entscheiden, wie er gegen das verdächtige Fahrzeug vorgeht? Oder wird alles „live“ und audiovisuell an den Kommandostab übertragen – und dort entscheiden die hochrangigen Generäle, Admirale – oder wer auch immer. Stichwort Video-Übertragung aus dem Helicopter, vom RIB-Boot aus, von den Helmcameras der Soldaten usw. Hollywood lässt grüßen.
Der Kommandant darf alles sofort befehlen, was die Sicherheit seiner Besatzung und seines Schiffes betrifft (Bei Beschuss o.Ä) Was den Eisatz der Boarding Teams bei opposed boardings etc betrifft werden das ROE (Rules of Engagement) sein, die auf höheren Kommandoebenen erlaubt/befohlen werden. Dies könnten z.B. der CTG (Commander Task Group), der Führungsstab oder weitere höher angeordnete Befehlshaber sein.
Ich finde, die sollten das Schiff einfach versenken – sind doch eh keine Deutschen an Bord!
Oder mit Kampftauchern entern und mit total schweren Waffen unter Feuerschutz der Bordkanonen angreifen.
Freiwillige gibt es hier in den Kommentare ja genug.
(Dieser Kommentar enthält Ironie.)
Boarding hin oder her …
Gab es in der Vergangenheit bereits Anstrengungen, ein ganzes Nest von Piraten, ein „HQ“, auszuheben ?
Beweise, dass dieses Boot ein Piratenboot ist, sind vorhanden – wäre es jetzt nicht sinnvoll, das Boot zu tracken, um so an mutmassliche Hintermänner (sollte es solche geben) zu gelangen ? In den Medien habe ich hiervon recht wenig gelesen, was aber nicht unbedingt an der Nicht-Existenz dieses Wissens liegen muß.
Ich glaube eher, dass dies nicht im Interesse von Atalanta ist – da eine breitere Veröffentlichung einige unbequeme Fragen aufwerfen könnte.
Letztendlich wird das Boot einen Hafen anlaufen müssen oder durch Treibstoffmangel manöverierunfähig. Sollte allerdings wieder ein Piratenboot unter den Augen der Deutschen Marine in einen Hafen einlaufen, ist die Blamage komplett.
Flusskiesel, sind Sie heute der Quotengutmensch?
Nur eine Frage, keine Beleidigung..
Atalanta ist eine Mission mit Schiffen und Seefernaufklärern. Da dürfte zwar festzustellen sein wo welcher Pirat wohnt und wo sie sich vor dem Auslaufen treffen, aber mit diesen Mitteln die Hintermänner zu finden ist doch recht unwahrscheinlich da es keine ausreichenden Aufklärungsmittel gibt. Es ist auch nicht der Auftrag von Atalanta Geheimdienstarbeit zu erledigen.
Mit Schiffen und Aufklärern. Auftrag, u.a. :
On Wednesday 24 February 2010, ministers of the defence of the European Union agreed that from the end of March they will expand the objectives of Operations Atalanta to include control of Somali ports where pirates are based, as well as ‘neutralising’ mother ships that allow the pirates to operate over 1,000km from the coast.
@ janmaat:
Beim „Opposed boarding“ wird bereits VOR dem Boarding davon ausgegangen, dass mit Waffengewalt versucht werden wird, das Boardingteam am Boarding zu hindern.
Dafuer braucht man andere Annaehrungs-und Vorgehensweisen, die im Bereich Bw nur die Spezialkraefte (Marine) beherrschen .
Sollte der Skipper nicht einverstanden sein, spricht man zunaechst von einem „Non-compliant“ boarding, auch fuer den Fall, dass er nicht antworten will.
@ Flieger:
Richtig, das ist nicht der Auftrag der Mission.
Im Bereich der (militaer.) Geheimdienste gibt es mtlw. sehr genaue Erkenntnisse ueber den Geldfluss und moegl. Koepfe der Piraterie – wobei hier auch noch ein Unterschied zwischen den „Gelegenheits-„Piraten an der Nordkueste, die gerade zB vom Menschenschmuggel aus Jemen/ dem Oman zureckkommen und quasi „im Vorbeigehen“ versuchen, zu kapern und den deutlich besser organisierten, ausgestatteten und „professioneller“ handelnden Piraten an der Ostkueste SOM unterschieden werden muss.
Der Geldstrom geht hier u.a. bis an den NW Rand Europas bzw. in das fast bevoelkerungsreichste Land der Erde bzw. umgekehrt, gerade auch, als das Ganze noch „anschubfinanziert“ werden musste. Sollte erst einmal reichen ;-)
Häfen, die Piraten unterstützen, fallen unter das Aufgabengebiet von Atalanta.
Sehr genaue Kenntnisse über Geldfluß und mögliche Köpfe der Piraten, hört sich vielversprechend an – gibt es hierzu auch offizielle Quellen ? Dann hätte ich gerne Informationen, bzgl. einer positiven Entwicklung der Vorkommnisse, welche mit dem Gewinn dieser Erkenntnisse in Zusammenhang gebracht werden können.
Selbst wenn solche Beweise (!) wirklich existieren, ist auf dieser Schiene kein schneller Erfolg zu erwarten. Was schnelle Wirkung zeigen würde, wäre eine Aufdeckung und mögliche „Bestrafung“ der Hintermänner und deren Warehouses in den Häfen, welche die Piraten mit Brennstoff und Munition versorgen. Und dazu wäre eine entsprechende Fregatte durchaus in der Lage.
Dies ist den Atalanta-Ländern schon lange klar, doch es fehlt, wie so oft in unserer Zeit, der politische Wille dies durchzusetzen.
Ich gehe stark davon aus, dass die Hintermänner sehr wohl bekannt sind.
Ich schrieb es schon einmal: Hierbei handelt es sich um international vernetzten Terrorismus mit ebenso internationalen Geldströmen / Waffenströmen (in beide Richtungen).
Die Frage wäre also, wem man ggfs auf die Füße träte, wäre ein politischer Konsens zu finden um die genannten Hintermänner zu belangen.
Oder gilt: „Better the enemy you know“?
Zum Boarding: Wenn schon, dann richtig. Aber den deutschen Aufschrei möchte ich sehen, wenn plötzlich 10 tote Somalis da liegen, vermeintliche Piraten.
Am Ende des Tages ist Anti-Piraterie sicherlich nicht grundsätzlich unterschiedlich zu Counter-Insurgency.
Streitkräfte können nur ein Umfeld schaffen, in denen andere (wirtschaftliche und governance) Maßnahmen greifen und somit das Übel an der Wurzel beseitigen. Diese sind mithin nicht in der Verantwortung eines Verteidigungsministeriums umzusetzen, sonden im Bereich Außen- und Entwicklungspolitik zu sehen. Niedergelegt für DEU im Aktionsplan der Bundesregierung (aus dem Jahr 2004!). Vgl.: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Friedenspolitik/Krisenpraevention/Grundlagen/Aktionsplan_node.html
Im Falle Somalia scheitert es jedoch schon im Ansatz, da es m.W. keine konzentrierten (oder überhaupt ?) Ansätze gibt das Gebiet wieder in etwas umzuwandeln, was Ähnlichkeit zu einem Staat ausweist.
Insofern versucht das Militär die Symptome (hier Piraten) im Griff zu behalten, ohne auf Dauer etwas bewirken zu können……
@Ralf G.
„Am Ende des Tages ist Anti-Piraterie sicherlich nicht grundsätzlich unterschiedlich zu Counter-Insurgency.“
Da gibt es durchaus andere Vorstellungen zu. Ein Bündnis aus Entwicklungshilfelobby und handlungsunwilligen Politikern stellt das Problem zwar so dar, als sei es nur durch umfangreiche „Hilfe“ für Somalia bzw. „Nation-Buildung“ dort lösbar. Das ist jedoch so unrealistisch (man hat das mit gigantischem Aufwand und vergleichsweise besseren Bedingungen auch in Afghanistan nicht geschafft), dass diese Forderung letztlich bedeutet, nichts wirksames zu tun. Die Forderung entspricht jedoch dem allgemeinen Stimmungsklima in Deutschland, das gerne alle politischen Probleme zum Thema der Sozialpolitik macht. Wohl auch deshalb stellen die Medien diese Forderung als scheinbar alternativlos statt, und alternative Diskussionen finden entweder außerhalb Deutschlands dar oder im kleinen Kreis statt. Man will sich schließlich nicht die Karriere durch „politisch heikle“ Diskussionen verbauen. Das Ergebis sind so irrelevante Beiträge wie der genannte Krisenpräventionsplan der Bundesregierung, die auf zahlreichen ungeprüften Annahmen und völliger Überschätzung der eigenen Möglichkeiten beruhen, aber alle Floskeln bzgl. „Frieden“, „Gerechtigkeit“ und „basisnaher Zivilgesellschaft“ bedienen. Gäbe es ein sicherheitspolitisches Phrasenschwein, wären die AutorInnen arme Leute.
Tatsächlich jedoch gibt es funktionierende und bewährte Ansätze zur Bekämpfung solcher Netzwerke. Es liegen einige Beispiele dazu aus den Bereichen Bekämpfung der OK bzw. Terrorismus vor. Der finanzielle und militärische Aufwand wäre vergleichbar minimal, die militärischen Risiken gering, und der Zeithorizont begrenzt. Die physische Infrastruktur der Piraten innerhalb und außerhalb Somalias ist ebenso bekannt wie ihre taktischen Schwächen. Verbliebene Risken betreffen Geiseln und Schiffe, wobei deren Zahl erst soweit eskaliert ist, weil man zu Beginn des Problems vor jeglichem Risiko zurückgeschreckt ist. Auch hier gäbe es jedoch Lösungsansätze, die u.a. ausnutzen würden, dass die Piratenbanden kein einheitlicher Akteur sind und man z.B. im ersten Schritt eine kleinere Bande vernichten könnte, wobei die Zahl der zu befreienden Geiseln gering wäre (und die Aufgabe daher leistbar wäre), ohne dass es wahrscheinlich wäre, dass die anderen Banden ihre Geiseln töten oder verletzen. Man hätte danach eine Grundlage für Druck auf die anderen Banden, deren Führer primär am eigenen Überleben interessiert und daher ansprechbar für physischen Druck sind.
Aber die öffentliche Diskussion in Deutschland kreist lieber um Luftschlösser „globaler Gerechtigkeit“ anstatt sich mit pragmatischen Lösungen (hier bezeichnet als Behandeln bloßer Symptome) zu befassen, weshalb das Piratenproblem ungelöst bleiben wird.
@dallisfaction:
Nein, ich bin kein Gutmensch – ich finde nur, dass man mal so richtig hart durchgreifen muss!
Es sollte doch wohl möglich sein, mal ordentlich ein paar Leute abzuknallen! Dann wird das bestimmt besser werden!
Ist doch egal, wenn dabei sog. „Unschuldige“ mit draufgehen! Zum einen, weil sich ja jeder irgendwie mal schuldig gemacht hat und zum anderen, weil man damit ja zukünftige Geiseln schützt.
Ich bin bei Geiselnahmen generell dafür, dass so schnell wie möglich gestürmt und geschossen wird. Mich wird es schon nicht erwischen …
(Dieser Kommentar enthält Ironie.)
@Orontes
ich stimme grundsätzlich zu.
Nur ist es am Ende eben so, dass Militär alleine keine Lösung schaffen kann, was beileibe nicht heißt, dass dies Intrument verzichtbar wäre. Ganz im Gegenteil! Aber ohne die Untermauerung von Nicht-Militärischer Seite wird es langfristig eben auch nichts.
Wenn die Abhängigkeiten in der Politik bekannt wären und man dann auch Willens wäre die eigenen Konzepte umzusetzen, dann müsste es eben auch „expeditionsfähige“ Kontingente der anderen Ressorts geben, die Seite an Seite mit dem Militär die Dinge in Angriff (nicht im kinetischen Sinne) nehmen. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Das GTZ leistet sicherlich gute Arbeit, aber das alleine kann es m.E. nicht sein.
Und wie Sie so richtig schreiben – ein idealisierendes Weltbild der Entscheider mit gleichzeitiger tiefsitzender Abneigung gegen eine zu enge Kooperation mit dem Militär ist auch nicht wirklich hilfreich…..
@Orontes:
die öffentliche Diskussion in Deutschland kreist lieber um Luftschlösser “globaler Gerechtigkeit” anstatt sich mit pragmatischen Lösungen (hier bezeichnet als Behandeln bloßer Symptome) zu befassen, weshalb das Piratenproblem ungelöst bleiben wird“
Damit könnte ich mich schon anfreunden, wenn das „anstatt“ nicht wäre. Müssen wir denn die Hoffnung aufgeben, dass man „pragmatisch“, eben auch konsequent militärisch, vorgehen kann um letztlich mehr Gerechtigkeit in der Welt anzustreben?
Der Fehler der Politik ist es m.E. doch nicht, größere Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt als Zielsetzung zu formulieren. Den Fehler sehe ich im mangelnden Willen bzw. mangelnden Mut zuzugeben, dass die dazu nötigen Anstrengungen Opfer verlangen – auch gerade weil politische Lösungen wohl immer wieder militärisch zu begleiten sein werden (dann allerdings, hier ist offenbar ein Problem, bitte pragmatisch und eben nicht halbherzig).
Wie ist die aktuelle Lage, wo befindet sich die „Mother jetzt?
Darf die Bundesmarine überhaupt in die 12-Meilen-Hoheitszone von Somalien rein, oder muß sie an dieser Stelle ihre Eskorte einstellen und sich verabschieden?
@mwk
Leider gibt es dazu mW nach keine offiziellen Verlautbarungen.
@ Orontes:
Volle Zustimmung, gut zusammengefasst!
Die Kombination aus Unfaehigen, Unwilligen und scheinbar Unentbehrlichen in Politik und diversen Wort- und Federfuehrerschaften laesst eine pragmatische Loesung nicht zu, das klare Wort und die offene Diskussion wird gescheut.
Scheint aber mE symptomatisch fuer alle Diskussion, die die Sicherheits- und Verteidigungspolitik (auf strategischem Niveau) betreffen.
Ihr/ unser Ansatz waere ja viel zu effektiv/ effizient (militaerisch), bloss nicht auf diese Weise! Dem Zivilen ist immer der Vorrang einzuraeumen (auch wenn das durchaus bis zum St. Nimmerleinstag dauern kann) *raeusper*. Das Zivile kann nachfolgen, aber nicht von Anfang an im „Lead“ sein.
Von daher wuerde es nicht lange dauern, bis wieder alles von sog. Diplomaten und Entwicklern zerredet und weichgespuelt wird. Daseinsberechtigung und Pfruende spielen mE eine gewaltige Rolle, der fehlende Hintern in der Hose verstaerkt iVm karrierebezogener Erpressbarkeit das Problem.
Hoffen wir, dass zunaechst die inhaltiche „Verstaerkung“ des ATALANTA-Mandats erfolgreich umgesetzt werden kann, unseren Truppen vor Ort brauchen dringend etwas Robusteres.
Deutschland ist das Weltsozialamt. Wozu die ein Kriegsschiff losschicken, ist mir sowieso schleierhaft.
@Herbert Meyer-Bade
„Müssen wir denn die Hoffnung aufgeben, dass man “pragmatisch”, eben auch konsequent militärisch, vorgehen kann um letztlich mehr Gerechtigkeit in der Welt anzustreben? “
Ich bin in den frühen 90ern selbst unter dem Eindruck des bosnischen Bürgerkriegs Soldat geworden, weil ich dachte, auf diesem Wege etwas mehr zu „Gerechtigkeit in der Welt“ beitragen zu können. Nachdem ich an allen auf diese Weise legitimierten Einsätzen (von Balkan über Afghanistan bis Kongo) teilgenommen habe und danach auch zivil mit der entsprechend motivierten Helferszene an diversen Krisenherden zu tun hatte, empfinde ich diese Hoffnung im Rückblick als illusorisch.
Was würde es denn praktisch bedeuten, „größere Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt“ mit Bezug auf Somalia anzustreben? Würde „größere Gerechtigkeit“ denn die Organisierte Kriminalität der Piraten davon abhalten, auf diesem Wege Profite anzustreben? Glauben Sie dass analog z.B. die russische OK primär durch mangelnde Gerechtigkeit in Russland motiviert wird? Wird ein durch OK reich gewordener Multimillionär plötzlich auf legitime Geschäfte umsteigen, nur weil in Somalia etwas mehr „Gerechtigkeit“ in Form von etwas mehr zentraler Verwaltung herrscht? Oder wird der Multimillionär einfach die Verwaltung bestechen und weitermachen wie bisher, zur großen Überraschung der Helfer? Würde der seinen Status und sein Einkommen genießende individuelle Pirat freiwillig auf beides verzichten, wenn er als hart arbeitender Fischer ein Zehntel seines früheren Einkommens verdienen könnte? Und wie stark müssten die Einkommen in Somalia steigen, damit sich Kriminalität nicht mehr lohnt? Es soll ja selbst in so reichen Staaten wie Deutschland noch Kriminalität geben. Und wie könnte man in Somalia „Gerechtigkeit“ von Außen schaffen? Wie viele Soldaten müsste ein Einsatz umfassen, der diese „Gerechtigkeit“ schafft, und wie lange würde der Einsatz dauern müssen? Und wer meint, dies ginge ohne Waffen: Wo sind denn die Hilfsorganisationen in Somalia, die immer behaupten, dass militärischer Schutz völlig kontraproduktiv sei und sie ihne diesen besser operieren könnten? Die angeblich Gerechtigkeit bringenden Helfer, die überhaupt noch in Somalia aktiv sind, schaffen dies nur, weil sie die Konfliktparteien logistisch direkt oder indirekt unterstützen. Ich habe nie größere Zyniker getroffen als diese Leute.
Hat die Masse der Somalis überhaupt die gleiche Vorstellung von „Gerechtigkeit“ wie die Deutschen, die solche Ideen formulieren? Der letzte Versuch, „Gerechtigkeit“ in Somalia zu schaffen, rettete zwar hunderttausende Somalis vor dem Hungertod, aber die Somalis verstanden unter „Gerechtigkeit“ zur großen Enttäuschung der Helfer dennoch eine starke Rolle des eigenen Clans und nicht möglichst großes individuelles Wohlergehen einer möglichst großen Zahl von Menschen. Offenbar waren die Helfer so in ihrem Sendungsbewusstsein gefangen, dass sie sich mit den realen Menschen nicht mehr beschäftigen wollten. In Afghanistan und an einem Dutzend anderer Orte passierte genau das gleiche.
Mittlerweile glaube ich daher, dass hinter solchen Gerechtigkeitsforderungen eine gewisse Hybris steht, die ihre eigenen Fähigkeiten überschätzt und deren universeller moralischer Anspruch nichts mit den realen Wünschen und Hoffnungen der angeblich zu befreienden, zu rettenden oder zu zivilisierenden Menschen zu tun hat. Wenn es nur gelänge, die für uns schädlichen Dinge wie Piraterie zu neutralisieren, wäre m.E. schon viel geschafft.
@ Reinhard:
Die Bundesmarine ist nie in diese Gewaesser bzw. diese Zone gekommen – die deutsche Marine schon :-)
@Orontes:
Vielen Dank – ich lese zum ersten mal einen evtl. möglichen Weg.
Viele Menschen denken, es wäre demokratisch sich zu möglichst vielen Dingen zu äußern. Es mag demokratisch sein – ist aber nicht gut. Wichtig wäre, dass wieder akzeptiert wird, das Recht nicht eine Funktion von Demokratie ist. So ist die wichtigste Voraussetzung für Recht die Wahrheit – und die lässt sich nicht beschließen. Ein Schritt dahin ist mehr Respekt für Menschen die mehr Wissen und Qualitäten habe, für konkrete Situationen klug zu urteilen.
Ich plädiere also dafür, eher zu schauen WER Entscheidungen fällt, als WELCHE Entscheidungen gefällt werden – gerade auch im Kriseneinsatz.