Natürlich bleiben Kampftruppen.
Der Wortlaut des Interviews, das die Leipziger Volkszeitung mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière geführt hat, ist leider (noch?) nicht online. Deshalb bin ich vorerst wie alle auf die zusammenfassenden Meldungund die einzelnen Zitate angewiesen. Da finde ich eines besonders lustig:
“Sachlich falsch” sei im Übrigen die These, dass nach 2014 keine deutschen Kampftruppen mehr in Afghanistan stationiert sein würden. “Die weiter geplante Ausbildung von afghanischen Infanteriekräften machen bei uns nicht die Sanitäter, sondern natürlich Infanteristen. Und das sind kampffähige Truppen.” Es gehe also um deren Auftrag, nicht um deren Fähigkeiten. Es blieben kampffähige unterstützende Truppen, die weiter ausbildeten. Deren Zahl über das Jahr 2014 hinaus sei “völlig offen”.
Wer hat denn mit der sachlich falschen Formulierung Abzug der Kampftruppen angefangen? Nach meiner Erinnerung waren das nicht die Medien. Sondern – natürlich nach einer entsprechenden amerikanischen Vorlage – irgendjemand in der Bundesregierung. Mit dem redet der Verteidigungsminister aber bestimmt auch noch.
Nachtrag: In der heutigen Bundespressekonferenz habe ich den Sprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Peschke, danach gefragt. Der mir gemeinsam mit seinem Kollegen aus dem Verteidigungsministerium, Stefan Paris, geantwortet hat:
@Koffer:
Der Unterschied zum USMC: Dort wird auch entsprechend ausgebildet (auch wenn da auch nicht alles Gold ist) – im Gegensatz zu uns.
Da redet der jeweilige InspH (aktueller oder vorheriger) viel von der „Klammer des Heeres“ (=Kampf), aber ausgebildet wird es – auf seine Weisung hin – eben nicht (grüner Anteil in der Fhr- und EAKK-Ausbildung?).
PowerPoint-Heer eben.
Der beste Beweis für das Reden ist das Tun.
Und umgekehrt.
Die ganze Diskussion über BW „Kampftruppen nach 2014“ ist nur entstanden nachdem das Militär in den USA, entgegen der Politik der U.S. Regierung, entschieden hat dort nach 2014 wesentliche Kräfte zu halten.
Die Obama Regierung ist im Wahlkampf derart in Bedrängnis das sie sich gegen solche offensichtliche Einflussnahme der Militäres (und der Rüstungsindustrie) nicht wehren kann. Die Bundesregierung hat sich dieser Entwicklung angepasst. (In meinen Augen ein grober Fehler.)
Dieser WSJ Artikel vom 7. Dezember kommt zum Kern der Geschichte: Commander Seeks Delay in U.S. Troop Drawdown
Risking White House Clash, U.S. Commander Pushes for a 2013 Pause in Pulling Soldiers From War
Anders gesagt: Das Militär betreibt Lobbyismus im Kongress hinter dem Rücken der Regierung.
Der militärische Führer überstimmt hier den politischen Führer.
Wer steckt dahinter?
@b
„Anders gesagt: Das Militär betreibt Lobbyismus im Kongress hinter dem Rücken der Regierung. […] Der militärische Führer überstimmt hier den politischen Führer.“
Hochrangige amerikanische Offiziere haben ein vollkommen anderes Selbstverständnis als das was wir häufig in Deutschland als die „Lakeitel“ bezeichnen. Sie dienen als aller erstes einmal dem Staat an sich und erst in zweiter Linie der Regierung (in Amerika bezeichnenderweise „administration“ genannt).
Natürlich wird auch in Amerika der Primat der Politik anerkannt (wie man ja an relativ klaglosen Gang McCrystals in die Versenkung erkennen kann), aber dennoch hat jeder amerikanische General (vor allem wenn er in der in Amerika auch in der Politik hochanerkannten Riege der vier Viersterner/Befehlshaber/Oberbefehlshaber) ist eine Beraterpflicht, die er auch gegenüber dem Kongress wahrnimmt.
Wie sehr diese Beratungsfunktion ernst genommen wird und auch gemeinhin akzeptiert ist, kann man z.B. am Immediatrecht des Chairman of the joint Chiefs beim Präsidenten erkennen. Oder daran, dass die Empfehlungen der Joint Chiefs z.B. zu Afghanistan vom Kongress ernst genommen wurden und Obama erst nach langem Zögern einen abweichenden Kurs angeordnet hat.
Diese anerkannte Beraterfunktion hat ja THEORETISCH der deutsche Generalinspekteur auch (gem. Nomenklatur seit Adenauers Zeiten „ranghöchster deutscher General und Berater der Bundesregierung), aber PRAKTISCH ist das in DEU ja ein Flop.
Die letzten 50 Jahre hatte er ja noch nicht einmal unmittelbares Vortragsrecht beim Verteidigungsminister vom Kabinett oder der Kanzlerin ganz zu schweigen…
@b, Koffer
General Allen kann jederzeit seine Meinung aeussern, das hat General McCrystal auch getan…….. die Folgen sind bekannt!
Vor dem Kongress muss ein US General sogar seine persoenliche Meinung auessern und darf sich nicht hinter der Weisungslage des Praesidenten als Oberbefehlshaber verstecken! Das muss er einmal im Jahr unterschreiben, wenn er das nicht kann, geht er.
Und um im voraus zuviel Eigeninitiative zu unterbinden, unterstehen NORTHCOM per Gesetzeslage keine Truppen! ;-)
Unterschaetzen Sie die US Politiker nicht! Die Erfahrenen unter denen lassen sich von nichts und niemandem in der Administration auf der Nase herum tanzen.
Ein Undersecretary durfte sich auf den Versuch hin, argumentativ die Schliessung des US Joint Forces Command als innermilitaerische Angelegenheit zu definieren und damit im Verantwortungsbereich des Praesidenten liegend, anhoeren:
„Junger Mann, Entscheidungen dieser Dimension sind in diesem Land immer politsche Entscheidungen!“
Und die Virginia Politiker in D.C stellen seit Jahren (aus Eigenutz) sachlich und fachlich die militaerisch sinnvolle und nachvollziehbare Entscheidung des Insp der US Navy in Frage, aus Sicherheitsgruenden einen Flugzeugtraeger aus Norfolk, VA nach Mayport Florida zu verlegen. Man hat ihm sogar schon mal die Kompetenz abgesprochen so etwas ueberhaupt entscheiden zu koennen. Und wenn es die Navy mal wieder versucht, werden halt eben die Mittel im Infrastruktur Haushalt fuer Mayport gestrichen!
Es gibt derzeit zeitgleich eine politische bipartisan Initiative den Rueckzug aus Afghanistan sogar noch zu beschleungen.
@ SM
Sicher, wer dort Politiker in höheren Weihen ist, bezieht vermutlich viel mehr Habitus, Wissen und Beziehungen als der hier übliche Abgeordnete. Dennoch ist der Zugang des „Generalstabsvorsitzenden“ zum Präsidenten ein hohes Gut, das gelegentlich genutzt und auch respektiert wird. Dennoch ist der Präsident der Oberbefehlshaber und wird sich bei weitem nicht die Wurst von der Stulle klauen lassen. Aber ich finde es gut, das es diesen „Brauch“ gibt und ausgelebt wird. Ich glaube sogar, dass der „oberste“ Feldwebel der Armee auch einen Zugang zum Präsidenten besitzt (oder irre ich mich da?)
Die Anhörungen der Generalität im Kongress und Senat sind tlw. echte Medienereignisse und nicht wie hier ein X-beliebiger Punkt in der Tagesordnung.
Und natürlich bleibt der Träger in Virginia, dem Herzstück der USA und geht nicht nach „little cuba“ ^^