Nicht nur die Deutschen lassen die Piraten laufen
Die jüngste Aktion der deutschen Fregatte Köln, die vor der Küste Somalias eine Dhau mit 19 Piraten gestellt hatte und sie dann wieder an der Küste ihres Heimatlandes absetzte, hat hier zu Lande zu teils ätzender Kritik geführt. Nun sind die Deutschen nicht alleine mit diesem Vorgehen: Die spanische Korvette Infanta Cristina, berichtet der Bloggerkollege von Bruxelles2, befreite ebenfalls eine Dhau – mit neun Piraten und 21 pakistanischen Besatzungsmitgliedern an Bord. Die Seeräuber sollten… an der Küste Somalias ausgesetzt werden.
Wie die Köln steht auch die Infanta Cristina unter dem Kommando der EU-Antipirateriemission Atalanta, und alle Kommandanten hatten und haben die gleichen Probleme: Wer ist denn überhaupt bereit zur Strafverfolgung festgenommener Piraten am Horn von Afrika? Die Seychellen sind an der Grenze ihrer Kapazität, Kenia nimmt Seeräuber zur Strafverfolgung nur im Einzelfall nach Absprache auf… und selbst wenn die mutmaßlichen Täter einem Anrainerstaat überstellt werden, droht immer noch, dass im Heimatland des jeweiligen Kriegsschiffs dieser Akt vor Gericht für unrechtmäßig erklärt wird (obwohl im fraglichen Fall, das wäre mal eine Aufgabe für eine juristische Arbeit, die Köln nicht als deutsches Kriegsschiff, sondern im EU-Rahmen agiert hat…). Andererseits sind auch die westlichen Nationen, die den Großteil der Seestreitkräfte am Horn von Afrika stellen, nicht gerade scharf darauf, sich diese Prozesse nach Hause zu holen.
Nichts Positives? Nun ja, halbwegs, diese aktuellen Zahlen von Atalanta, die ich heute bekommen habe:
Number of ships held by pirates:
September 2011: 13
October 2011: 10Attacks:
September 2011: 8
October 2011: 18Number of ships pirated by month:
September 2011: 1
October 2011: 0Attacks in 2011 (14/11/2011): 165, of which 24 have been successful.
Attacks in 2010: 195, of which 47 have been successful.Number of hostages held by pirates:
September 2011: 298
October 2011: 243
Number of prosecutions
October 2011: 11 Pirates in Seychelles (6 pirates ongoing trial in Kenya)Pirates imprisoned by EU NAVFOR from October 2008: 111, 55 in custody awaiting trial, 56 have been convicted.
(Die November-Zahlen sind da noch nicht drin, u.a. mit der Kaperung der Liquid Velvet.)
Unterm Strich: Die Erfolgsquote der Piraten sinkt. Das ist das Positive. Auf der anderen Seite: In drei Jahren 111 Verfahren in diesem riesigen Seegebiet, mit inzwischen mehreren hundert Piratenangriffen – das klingt wieder nicht nach einer echten Erfolgsbilanz.
Das Bundeskabinett hat übrigens heute eine Verlängerung der deutschen Beteiligung an Atalanta vorgeschlagen; der Bundestag muss das noch billigen.
Die Zahl der Fälle dürfte künftig wohl auch deshalb sinken, weil die Zahl der Bewegungen im GOA und am HOA zurückgehen wird: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/reeder-rasen-in-die-verluste/5845754.html
Als Ausgleich steigen dann die Lösegeldforderungen weiter. Sie sind ja auch schon ohne Wirtschaftskrise jedes Jahr zuverlässig gestiegen. Irgendwann gibt es dann die Versicherungen vielleicht nur noch, wenn man bewaffneten Schutz an Bord hat.