Keine Piraten mehr nach Kenia, jedenfalls auf dem Rechtsweg
Was war die Europäische Union froh, als dieses Abkommen endlich ausgehandelt war. Im März 2009 akzeptierte Kenia, nicht zuletzt aufgrund diskreten Drucks des damaligen deutschen Botschafters Walter Lindner, ein Abkommen mit der EU: Piraten aus Somalia, die von Kriegsschiffen der EU-Antipirateriemission Atalanta festgesetzt worden waren, konnten an den ostafrikanischen Staat übergeben werden. Der sollte sie dann vor Gericht stellen – was in etlichen Fällen auch passierte. Die Deutschen waren auch die ersten, die von diesem Abkommen Gebrauch machten: Nachdem die deutsche Fregatte Rheinland-Pfalz zusammen mit amerikanischen Einheiten im Golf von Aden einen Überfall auf den Frachter Courier einer deutschen Reederei verhindert und die Seeräuber ergriffen hatte, lieferte die Rheinland-Pfalz die neun mutmaßlichen Piraten in Mombasa ab. Das Foto der Aktion wurde seitdem immer wieder als Symbolbild für die deutsche Beteiligung am Kampf gegen die Piraterie verwendet.
(Foto: Bundeswehr/PIZ Djibouti)
Doch damit ist es jetzt vorbei. Das Verwaltungsgericht Köln entschied am 11.11.2011, dass zwar nicht die Festnahme der Piraten durch deutsche Soldaten rechtswidrig war – wohl aber ihre Übergabe an Kenia. (Az. 25 K 4280/09). (Hinweis: in Köln gibt es nur ein Verwaltungsgericht; nicht, wie Spiegel Online meldet, ein Oberverwaltungsgericht. Hat SpOn jetzt korrigiert.)
(Nachtrag: Die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts.)
Dabei ging es den Kölner Richtern vor allem um die Haftbedingungen in Kenia – die seien, jedenfalls zum Zeitpunkt der Übergabe 2009, nicht auf dem Standard der Menschenrechte gewesen, wie sie das Land der EU bei Unterzeichnung des Abkommens zugesichert hatte. Damit hätte der Kläger, einer der mutmaßlichen Piraten, jedenfalls nicht den Behörden in Mombasa übergeben werden dürfen.
Ein schwerer Schlag im Kampf gegen Piraterie? Nun, nicht unbedingt. Denn zum einen wäre die Frage, ob das Urteil des Verwaltungsgerichts vor dem Oberverwaltungsgerichts Bestand hätte. Unklar ist auch, ob und zu welcher Strafe der Kläger verurteilt wurde. Im Oktober vergangenen Jahres errangen er und seine Komplizen vor einem kenianischen Gericht einen Teilerfolg: Nach Ansicht des Gerichts, berichtete die kenianische Zeitung Daily Nation, seien die Piraten gegen ihren Willen und unter Zwang nach Kenia geschafft worden. Das Strafrecht des Landes erlaube jedoch kein Vorgehen, wenn die vorgeworfene Straftat außerhalb der Landesgrenzen begangen worden sei. Die neun mutmaßlichen Täter seien deshalb freizulassen und nicht der Polizei oder den Einwanderungsbehörden, sondern dem UN-Flüchtlingskommissar zu übergeben. Zwar wurden die Somalier dann denoch nicht auf freien Fuß gesetzt, der Fall scheint aber noch nicht ausgestanden. Ihr Anwalt in Kenia ist offensichtlich der gleiche, der auch andere Piraten vertritt und gegen niederländische Marinesoldaten den Vorwurf erhebt, Gefangene gefoltert und getötet zu haben.
Laut Spiegel Online soll der Pirat allerdings inzwischen in Kenia zu einer Haftstrafe verurteilt worden sein; überprüfen kann ich das nicht.
Darüber hinaus hatte Kenia in der Vergangenheit mehrfach angekündigt, keine von den internationalen Seestreitkräften festgenommenen Piraten mehr vor Gericht zu stellen.
Vor diesem juristischen Hintergrund – oder eher: Durcheinander – wird um so verständlicher, warum die Besatzung der deutschen Fregatte Köln gestern 19 Somalier, die recht eindeutig als Piraten einzuordnen waren, nach der Festsetzung auf See wieder an die Küste ihres Heimatlandes brachte. Auch wenn diese Probleme noch nicht allen Kollegen klar zu sein scheinen.
Übrigens: die Inder haben jetzt einen Piratenangriff vereitelt und 26 Seeräuber festgenommen. Allerdings fehlt in der Meldung jeglicher Hinweis, was mit diesen Piraten passiert.
Übrigens 2: Es gibt ein neues Video, das Geiseln der Piraten in Somalia zeigt – offensichtlich, wie schon im Juli, Seeleute des dänischen Frachters Leopard.
Wenn Piraten durch deutsche Marineschiffe als einzige Konsequenz ihres Handelns ein Zurückbringen in den Piraten- Heimathafen zu befürchten haben stellt sich die Frage, ob man die deutsche Beteiligung an der UN-Mission Atalanta nicht besser beenden sollte.
Vom gesparten Geld könnte man dann einige private Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen finanzieren – diese könnten dann bei Piratenangriffen von ihrem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch machen und wären eine wesentlich größere Abschreckung als die nun mehr oder weniger symbolischen Aktionen der Marine.
Deutschland droht sich lächerlich zu machen – dank eines Verwaltungsgerichtes. So schützt eine Exportnation seine lebenswichtigen Handelswege sicher nicht nachhaltig.
Kielholen und an der Rah aufknüpfen war zumindest einfacher… Aber selbst dabei war das Abschreckungspotential begrenzt. Soll heißen: eine Patentlösung gibts wohl nicht.
Ist Deutschland wirklich das einzige (!) Land, das sich selbst immer und immer wieder Steine in den Weg legt? Wie machen es denn die anderen Nationen. Das gibt es doch nicht.
Wenn die Piraten zu einem Strafverfahren nach D gebracht worden waeren, wuerde die Bild-Zeitung genauso Schwachsinnig rumschwafeln. Nur eben fuer ein paar Monate.
Zur Abschreckung, da geht es doch nicht darum einzelne Piraten abzuschrecken, sondern die Hintermaenner. Fuer die ist der Verlust der Boote und Ausruestung vermutlich deutlich schlimmer als der von ein paar Haenden.
@sd
„….sondern die Hintermaenner. Fuer die ist der Verlust der Boote und Ausruestung vermutlich deutlich schlimmer als der von ein paar Haenden.“
Beziehen Sie sich am Ende des Satzes auf die traditionelle islamische Bestrafung von Dieben? Ich fände ein kultursensibles Vorgehen gegen die Piraten, das deren Traditionen respektiert und diesen auch auf der Umsetzungsebene Rechnung trägt, ebenfalls bedenkenswert, nachdem eurozentrische Ansätze dort ja offensichtlich nicht funktionieren.
Ansonsten habe ich zum absurden Theater des deutschen Marineeinsatzes am Horn von Afrika und im Golf von Aden nichts mehr zu sagen.
Wie ich immer propagiere, Aussetzen auf einer unbewohnten Insel, a la Robinson Crusoe !
Nun ergibt sich ja die Frage,was haben denn unsere Politiker für Rechtsgrundlagen geschaffen für die Aktion Atalanta? Wie immer,keine.An eine solche Klage oder rechtliche Möglichkeit hatte nun wieder keiner gedacht.Aber was hat den Köln mit der Seefahrt zu tun? Ich wette diese Verwaltungsrichter können keinen Tender von einer Fregatte unterscheiden;aber als Gericht können sie angerufen werden. Man sieht alles Fragen die vor einem solchen Einsatz rechtlich abgeklärt werden müssen. was wäre denn passiert,wenn die Piraten an die Niederländer oder US-Amerikaner übergeben worden wären? Auch hier hätten sich sicher einfallsreiche Anwälte gefunden um sich einen Namen zu machen,denn ein finanzieller Gewinn ist es für sie ja nicht
Bei der ganzen Diskussion über den Erfolg von Atalanta werden aus meiner Sicht viel zu wenig die Grenzen des Mandats berücksichtigt. Wer sich einmal näher damit befasst, wird feststellen, dass die derzeit sechs europäischen Kriegsschiffe nicht nur „Piraten jagen“ sondern vielmehr den Schutz von WFP und AMISOM-Schiffen sicherstellen, die nahezu täglich an der Küste Somalias unterwegs sind. Den Erfolg dieser Mission einzig daran zu messen, wieviele Piraten festgenommen werden, ist schlichtweg falsch. Dieser Ansatz findet bei der BILD und den restlichen deutschen Medien nur leider kaum bis gar keine Berücksichtigung.
Atalanta ist wieder ein Beispiel für die mangelnde Entschlusskraft der deutschen Politik und deswegen ist es sehr wohl angebracht, den Erfolg der Mission an konkreten Erfolgen zu messen.
Wenn diese Seewege für unsere Wirtschaft wichtig sind, muss man sie auch schützen. Schutz bedeutet nicht, zweifelsfrei identifizierte Piraten nach der Festsetzung an die Küste zu schippern und sie zwei Tage später wieder einzusammeln.
Wenn nur der Wille für den halbgaren Weg aufgebracht wird, kann die Straße von Aden für uns soooo wichtig ja nicht sein. /Sarkasmus