Der IBUK in Afghanistan
Verteidigungsminister Thomas de Maizière ist zu seinem zweiten Besuch der deutschen ISAF-Truppen nach Afghanistan gereist. Wie bei Ministerbesuchen üblich (und sinnvoll), unter vorheriger großer Geheimhaltung.
Aber, und das ist unüblich: offensichtlich völlig ohne journalistische Begleitung, wie die Kollegin Simone Meyer von der Welt beobachtet hat, die derzeit zufällig zeitgleich in Masar-i-Scharif ist. Sie durfte bei der Minister-Rede vor Soldaten noch nicht mal zuhören.
Fast wirkt es, als wolle de Maizière nach den als inszeniert empfundenen Afghanistan-Reisen seines Vorgängers Karl-Theodor zu Guttenberg nun demonstrativ das andere Extrem zelebrieren…
Verteidigungsminister Thomas de Maizière mit Brigadegeneral Dirk Backen (r.), dem derzeitigen deutschen Kommandeur im ISAF-Regionalkommando Nord in Afghanistan, am Ehrenhain für die Gefallenen im Camp Marmal bei Masar-i-Scharif (Foto: Bundeswehr/Schmidt via flickr unter CC-Lizenz)
(Nachträgliche Überlegung: Wenn ich mich nicht sehr täusche, ist auch de Maizière einer der Politiker, die immer eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Bundeswehr und ihre Einsätze verlangen. Dann ist es schon merkwürdig, dass er sich gerade in Zeiten kräftiger Diskussion über die deutsche ISAF-Mission so abschottet. Dieser Besuch und damit ein Bericht über den Einsatz, dafür haben er und seine Leute gesorgt, findet jetzt – wenn überhaupt – als Kurzmeldung statt.)
Nachtrag: Ergänzende Informationen aus dem Verteidigungsministerium:
Der Bundesminister der Verteidigung grüßte bei seiner Ansprache die Soldaten von ihren verwundeten Kameraden, die er Tags zuvor im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz besucht hatte. In seiner Ansprache ging er auf die Neuausrichtung der Bundeswehr ein und beantwortete die Fragen der Soldaten und Soldatinnen. Abschließend mischte er sich unter die Soldaten, um das persönliche Gespräch zu suchen.
Zitate BM de Maizière:
„Ich bin heute hier her gekommen, ohne Begleitung, ohne Presse, um ein ungeschminktes Bild von der Lage zu erhalten.“
„Wichtig bei der Neuausrichtung der Bundeswehr ist, dass wir Mentalitäten und Denkweisen positiv ändern.“
„Die Bundeswehr bleibt , trotz Aussetzen der Wehrpflicht, eine Freiwilligenarmee.“
„Ich bitte sie bei der Neuausrichtung aktiv mitzumachen und zwar nicht, weil sie müssen, sondern weil sie wollen.“
Und ein weiterer Nachtrag des BMVg:
Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière setzte seinen Truppenbesuch in Afghanistan mit dem Weiterflug nach Kunduz fort. Auch in Kunduz gedachte der Minister der Gefallenen des ISAF-Einsatzes, bevor er sich nach einem Vier-Augen-Gespräch mit dem Kommandeur des Regionalen Wiederaufbauteams (Provincial Reconstruction Team – PRT) über die Lage der dort eingesetzten Kräfte informieren ließ. Sein besonderes Augenmerk lag dabei bei den Informationen durch die sogenannte Task Force 47.
Das persönliche Gespräch mit den Soldaten stand auch hier im Vordergrund. Wie bereits in Mazar-e Sharif unterrichtete de Maizière die Soldaten im Speisesaal zum aktuellen Stand der Neuausrichtung der Bundeswehr. Am frühen Abend fliegt der Minister wieder nach Deutschland zurück.
Falls nicht schon allgemein bekannt: Die Task Force 47 sind die unter ISAF-Mandat eingesetzten deutschen Spezialkräfte.
De Maiziere in Kundus (Foto: Bundeswehr/Kraft via flickr unter CC-Lizenz)
Inzwischen gibt’s auch ein Video dazu:
“Die Bundeswehr bleibt , trotz Aussetzen der Wehrpflicht, eine Freiwilligenarmee.”
Häh? Hat der etwa schon wieder getrunken???
Der Wille an der Basis ist erkennbar… nur leider endet das meist schon am ersten Schreibtisch in endloser Bürokratie und Sesselfurzer-Lösungen.
@Berufssoldat
Ihre Neigung zur drastischen Wortwahl in Ehren, aber bisweilen schießen Sie vielleicht ein wenig übers Ziel hinaus?
Dass der Herr Verteidigungsminister mal ohne den ganzen Pressekram reist finde ich gut. So kann er denjenigen, die die Rerform auch betrifft, nämlich uns Soldaten, mal ungeschmickt die Wahrheit sagen, ohne dass die Presse jedes Wort irgendwie interpretiert und so auslegt wie es am besten, oder schlechtesten, in das Meinungsbild passt.
@ Florian P
Was mit der Bundeswehr passiert geht uns alle an … aus dem Grunde sollte die Presse schon dabei sein. Oder gibt es eine „Geheim-Reform“?
“Ich bin heute hier her gekommen, ohne Begleitung, ohne Presse, um ein ungeschminktes Bild von der Lage zu erhalten.”
Was im Umkehrschluss heißt, für die Presse und Begleitung (also auch uns) gibt es ein geschminktes Bild? Gefällt mir der Mann, unabsichtlich ehrlich.
Ich finde es auch sehr schön, dass der Minister ohne die Presse zu den Soldaten gekommen ist. Dadurch merken die Soldaten, dass er nicht nur für die schönen Bilder nach Afghanistan kommt. Natürlich sollte es eine breite Diskussion in der ganzen Bevölkerung geben. Aber in erster Linie betrifft es die Soldaten. Daher finde ich es richtig, dass mal direkt mit ihnen gesprochen wird. Grad nach den Opfern der letzten Wochen finde ich es richtig. Es gibt andere Tage und andere Ort, an den die Presse wieder berichten kann.
Ich denke nicht, dass der Minister der Bevölkerung etwas vorenthalten möchte. Vielmehr möchte er denen, die von der Bundeswehrreform am meisten betroffen sein werden, exklusiven Einblick gewähren. Damit erreicht er, dass die Soldaten und Soldatinnen die Informationen aus erster Hand erhalten und nicht durch die von der Presse aufgebauschte Berichterstattung kirre gemacht werden.
Das Wählervolk wird in den nächsten Tagen umfassend informiert werden und die Presse wird sich mit Freude und Eiffer draufstürzen.
@ Nico
;-))
Ich denke man sollte diese Aktion nicht überbewerten. Wenn er jetzt dauerhaft die Presse und damit die Öffentlichkeit ausschließt wäre dies natürlich ein trauriges Signal. Sich und der Truppe aber mal vereinzelt die Möglichkeit zum offenen ungeschminkten Gespräch zu geben kann nicht verkehrt sein. Auch Privatsphäre und Diskretion müssen im Zeitalter des Internets nochihren Platz haben. Es sollte im Gesamtkontext jedoch eine angemessene Bedeutung einnehmen. Diese bleibt durch diesen bisher einmaligen Besuch ohne Pressetross gewahrt.
Uns hätte ein Thomas de Guttenberg gut getan ;)
@ Heike Kamann
Nein, natürlich ist es keine Geheim-Reform. Dass die Reform aber die Soldaten direkt und wesentlich mehr als die Zivilbevölkerung betrifft sollte auch klar sein. Damit möchte ich nicht behaupten, dass es eine reine Sache des Militärs ist. Die Reform stellt eine wesentliche Veränderung Deutschlands dar und betrifft damit alle.
Der Kern dessen, was ich oben ausdrücken wollte ist, dass man ohne Presse wesentlich freier Reden und Diskutieren kann. So schlimm es is leider ist, so war ist es auch.
Bin gespannt, ob er von der Generalität ein ungeschminktes Bild von der Lage erhält. Vor Ort haben die Soldaten doch meist ein eingeschränktes Blickfeld. Hoffe, er fragt sie, was bis 2014 machbar ist. Und welche er von den zu wenigen Truppen Guido zum Abzug präsentieren soll. Das ist doch alles total verworren!
Kann mir hier einer mal konkrete Ziele für ISAF nennen? Ist politisch ein end-state genannt? Ich habe nun die letzten Tage recherchiert. Ist gibt nur verschiedene und unzureichende Zieldefinitionen unserer Abgeordneten bzw. Regierung. Jeder sagt etwas anderes! Und vor allem ganz anders als die US Amerikaner! Wer koordiniert hier eigentlich was im politischen? Wie gesagt, vielleicht habt ihr etwas.
@T. Wiegold
Herr Wiegold, ich verstehe Ihren Einwand bzgl. fehlender Pressebegleitung nicht ganz. Da der Besuch des Ministers doch im Schwerpunkt dazu diente, sich bei der Task Force 47 vor Ort zu informieren, ist es doch folgerichtig, keine Medienvertreter mitzunehmen.
Ich hoffe nur, dass dem Minister während dieses Besuchs klargeworden ist, dass die Organisation der deutschen Spezialkräfte – auch und gerade wie es derzeit geplant ist – weltweit einmalig, da absolut ineffizient, ist.
@ Jeffe
“ …absolut ineffizient, ist.“
Und warum?
Die Gründe würden doch mehr interessieren als die abschließende bewertende Feststellung ihrerseits.
@Jeffe
Schwerpunkt TF47? Kann ich so nicht erkennen. Erklärt außerdem nicht, warum eine im Camp Marmal ohnehin anwesende Kollegin bei der Minister-Rede nicht dabei sein durfte…
@J. König
Die Gründe liegen in der Zersplitterung von Führung, Kräften und Mitteln sowie Verantwortlichkeiten. Soll heißen, solange die Kräfte, welche für einen Spezialkräfteeinsatz benötigt werden (dazu reicht eben bei weitem nicht das KSK), in den verschiedenen Teilstreitkräften getrennt geführt, organisiert und weiterentwickelt werden, kann sich kein effizienter Einsatzverband bilden.
Die USA haben diese tragische Erfahrung während der Operation Eagle Claw, andere Nationen ebenfalls im Rahmen ihrer Operationen.
Ich könnte jetzt hier seitenweise referieren, u.a. bezugnehmend auf eine „NATO SOF-Studie, aber das würde wohl den Rahmen sprengen.
Wen es interessiert, der kann einige Hintergründe auf der Seite http://www.nshq.nato.int/nshq/ recherchieren. Dort ist auch besagte Studie heruterzuladen.
Einerseits empfinde ich es als positiv, dass der neue BM auf diese schrecklichen Inszenierungen a la Guttenberg verzichtet. Da werden durchaus Organisationsmittel, -zeit und vor allem -personal eingespart, die sonst zur Betreuung gebraucht wuerden.
Das alles ist immer noch auf hoechstem Niveau, aber immerhin etwas eingespart wird sicher.
Andererseits frage ich mich, was der Minister Wichtiges den Soldatinnen und Soldaten zum Thema „Strukturreform“ mittgeteilt hat, dass die Presse nicht anwesend sein durfte.
Die Strukturreform wird sehr oeffentlich und progressiv im IntranetBw und in vielen anderen zivilen Medien „verkauft“; in Berlin in der Julius-Leber-Kaserne fanden mit hohem Aufwand zwei Grossveranstaltungen vor wichtigen und wichtigsten Verantwortlichen statt.
Was also gibt es jetzt zu sagen, das die Presse nicht hoeren soll (darf?)? Und diese „ungeschminkte Lage“, die ausschliesslich nur dann zu hoeren sei, wenn Journalisten nicht da sind, naja … das ueberzeugt mich nicht.
Fazit: Finde ich grundsaetzlich gut solche Besuche ohne Riesentross, aber so richtig nachvollziehen kann ich die Begruendungen letztlich nicht und deshalb finde ich „mit Presse im angemessenen, nicht ueberkandidelten Rahmen“ einfach besser.
Hoffentlich fliegt der BM in Zukunft nicht oefter „ohne“.
@ Jeffe
Ich danke sehr. Das hilft weiter.
Gute Idee.
Genauso wie ein Minister auch Bundeswehrkasernen in Deutschland besuchen kann ohne das die Presse dabei ist sollte er das auch im Ausland machen können.
Wo bitte ist denn der Unterschied zwischen den Soldaten in Deutschland ( die entweder schon mal im Ausland waren oder demnächst gehen werden) und den aktuell stationierten Truppen?
Lasst ihm doch mal ein paar Stunden mit den Soldaten, lasst ihn reden und sich mit den Soldaten unterhalten ohne dass alles in der Presse steht.
Mir als ehemaligen Soldat wäre so ein Besuch mehr wert als einer bei dem mir von Kameramännern gesagt wird wo ich wie zu stehen habe.
Ich denke, Herr Wiegold, man sollte nicht gleich überreagieren, wenn der Minister sich gegen einen Medientroß entscheidet. Man sollte auch mal respektieren, wenn schon nicht honorieren, daß er den Versuch unternimmt, dem Boden der Tatsachen näher zu kommen. Wie weit die Wolkenschieber des BMVg das Bild dann wieder ‚gerade‘ rücken, bleibt dahin gestellt. Jedenfalls tut die Ruhe und die besonnene Vorgehensweise gut.