„Soldaten sind in erster Linie zum Kämpfen da“
In den vergangenen Tagen meldet sich Verteidigungsminister Thomas de Maizière recht ausführlich zu Wort – seit seiner Rede am 18. Mai und der Veröffentlichung der Verteidigungspolitischen Richtlinien hat er wiederholt die verschiedenen Aspekte der Neuausrichtung der Bundeswehr, wie er sie sieht, erläutert.
Ergänzend zu seiner heutigen Regierungserklärung und zum Interview in der FAZ deshalb hier das Interview, dass das Magzin loyal des Reservistenverbandes mit dem Minister geführt hat (es wurde laut Redaktion bereits am 19. Mai geführt und erscheint in der Juni-Ausgabe, aber die Redaktion hat es dankenswerterweise vorab zur Verfügung gestellt):
Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, dass das Verteidigungsministerium und auch die Bundeswehr nicht zu führen sind, auch nicht vom Minister. Haben Sie vor dem Apparat kapituliert?
Nein, aber man kann nur dann gut führen, wenn die Strukturen schlank und die Verantwortungen gebündelt sind. Ein Ministerium mit 2000 Beschäftigten lässt sich besser führen als eines mit mehr als 3000. Mir kann niemand erzählen, dass wir wirklich 3000 Mitarbeiter für die ministerielle Arbeit brauchen. In der Umstrukturierung liegt die Chance. Wir müssen uns auf allen Ebenen wieder auf das Wesentliche konzentrieren und es ist mein Verständnis, dass das Ministerium hierbei vorangeht. Wir haben zu viel Aufsicht über zu wenige Arbeiter. Das heißt nicht, dass es zu wenig Arbeit gibt. Aber im Verhältnis zu denen, die etwas machen, gibt es zu viele, die diejenigen beaufsichtigen, die diese Arbeit machen. Das will ich ändern.
Sie sind nicht der erste Minister, der das versucht. Ihre Vorgänger sind gescheitert. Was wollen Sie anders machen?
Ich mache das auf meine Weise und ich hoffe, ich habe Erfolg damit.
Sie werden vor allem die Menschen in der Bundeswehr mitnehmen müssen, um eine Reform umsetzen zu können, die für viele Soldaten und Zivilbeschäftigte erneut Veränderung bedeutet. Wie wollen Sie diese Leute motivieren?
Ich werde den Umbau transparent gestalten. . Wir haben sehr gute Führer und Vorgesetzte auf allen Ebenen. Ich will, dass sie wieder nach dem Grundprinzip der Bundeswehr arbeiten können: Führen mit Auftrag. Das ist bewährt, aber in den vergangenen Jahren oftmals vernachlässigt worden. So entsteht vielleicht auch neue Freude an Verantwortung.
Sehen Sie diese Freude in der Bundeswehr abhanden gekommen?
Das scheint mir vielfach der Fall zu sein. Ich erlebe oft Vorgesetzte, die sagen, gern würde ich Entscheidungen eigenständig treffen, aber da gibt es eine Vorschrift, die mich einschränkt. Nicht jede Vorschrift ist unsinnig, aber zu viele in der Summe hemmen uns. Deswegen müssen wir das ändern. Wir haben genügend Soldaten, die Verantwortung übernehmen würden, aber Strukturen, die das verhindern. Die Bundeswehr braucht schlankere Strukturen, es dürfen nicht endlos Leute mitreden, bevor schließlich eine Entscheidung getroffen werden kann.
Auf diese Weise würden Sie besonders den Führern auf den unteren Ebenen den Rücken stärken. Ist das Ihr Ziel?
Es geht um alle Ebenen. Es soll so viel wie möglich dort entschieden werden, wo es auch hingehört. . Schließlich bilden wir unsere Soldaten, unsere militärischen Führer, bewusst dazu aus, jeweils an ihrem Platz Verantwortung zu übernehmen. Ich möchte, dass sie dieser Verantwortung wieder umfassend gerecht werden können. Natürlich gibt es Entscheidungen, die nur ganz oben getroffen werden können. Das gilt für alle Organisationen, erst recht für eine Armee. Aber Führen mit Auftrag bedeutet, das Ziel vorzugeben, nicht aber auch noch die Art und Weise, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Das wissen unsere militärischen Führer schon selbst.
Mir hat der Chef einer Infanteriekompanie, die gerade aus Afghanistan zurückgekommen ist, gesagt, wir erwarten von unserem Dienstherrn nichts mehr, dann kann er uns auch nicht enttäuschen. Wie können Sie diesen Soldaten wieder motivieren?
Wenn sein Satz zynisch gemeint ist, dann ist das bitter. Wenn ich es positiv auslege, dass er also nicht bei allem, was er tut, auf eine Entscheidung des Ministers warten will, dann fände ich das gut. Die Missstimmung, die es geben mag, ist ja gerade eine Motivation dafür, die Bundeswehr neu auszurichten. Ich würde den Kompaniechef und seine Soldaten ermuntern, sich aktiv daran zu beteiligen.
Die Ursache für den Frust der Soldaten gründet zum Beispiel auf der Tatsache, dass sie keine Munition zum Schießtraining haben oder dass sie fähigen Mannschaftssoldaten keine Perspektive bieten können, weil es keine Stellen gibt. Können Sie zusagen, dass sich das durch die Reform ändern wird?
Es ist nicht nur die Munition, die fehlt. Wir haben Flugzeuge, aber zu wenig Flugstunden, wir haben Autos, aber zu wenig Benzin, wir haben Soldaten, aber zu wenig Gerät, mit dem sie trainieren können. Auf der anderen Seite haben wir zu viel von dem, was wir nicht mehr brauchen. Es wird sicherlich noch ein wenig dauern, bis wir alle diese Missstände behoben haben, aber ich bin sicher, dass wir das schaffen!
Herr Minister, warum sollte künftig noch jemand Soldat werden, wenn er mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, im Laufe seiner Dienstzeit in einen lebensgefährlichen Einsatz geschickt zu werden?
Die Bewerberzahlungen bei Zeit- und Berufssoldaten sind gut, sie haben sich auch durch die Debatte um die Aussetzung der Wehrpflicht oder im Zuge des Afghanistaneinsatzes nicht negativ verändert. Im Übrigen bekunden die meisten Soldaten, sie würden auch wieder in einen gefährlichen Einsatz gehen. Es ist eine der vornehmsten Aufgaben, für sein Land das Äußerste, sein Leben, einzusetzen , um damit dem Frieden und der Sicherheit zu dienen.
Glauben Sie, dass dieses Pathos in unserer Gesellschaft auf großen Widerhall stößt?
Gerade wenn wir so täten, als ob der Soldatenberuf ein Job wie jeder andere wäre, dann müssten wir diejenigen anwerben, die es ganz besonders auf das Geld abgesehen haben. Nur, dann entsteht eine Art von Armee, die ich zumindest nicht haben will. Mir schwebt eine Armee vor, die professionell, verantwortungsvoll und mit staatsbürgerlichem Bewusstsein in den Einsatz zieht. Das ist etwas anderes, als Leute zu schicken, die nur der „Spaß“ am Kampf für den Dienst motiviert. Ich gebe allerdings zu, mit Ethos und Pflichtgefühl allein geht es auch nicht. Der Soldat muss gut bezahlt sein und braucht gute und attraktive Arbeitsbedingungen.
Werden unsere Soldaten gut bezahlt?
Die neuen freiwilligen Wehrdienstleistenden im Vergleich zu ihren Altersgenossen auf jeden Fall. Bei den Zeit- und Berufssoldaten stellt sich eher die Frage, ob einzelne Tätigkeiten angemessen vergütet werden. Da gibt es noch Veränderungsbedarf, im Grundsatz aber halte ich den Verdient für angemessen.
Was werden Sie tun, um den Dienst in den Streitkräften unabhängig von der Bezahlung attraktiver zu machen?
Es gibt bereits ein Attraktivitätsprogramm mit einer Vielzahl von Vorschlägen. Vieles davon kostet Geld, das wir bisher nicht haben. Zudem brauche ich für einige Maßnahmen auch die Unterstützung anderer Ministerien und der Bundesländer. Darüber müssen wir erst noch sprechen.
Herr Minister, Sie haben gesagt, die Bundeswehr habe zu viele Stäbe und zu viele Generalssterne. Was heißt das konkret?
Wenn man die Entwicklung der Personalstruktur über mehrere Jahrzehnte betrachtet, dann stellt man fest, dass die Anzahl der höchst dotierten Dienstposten relativ immer weiter zugenommen hat. Man könnte das damit begründen, dass die Aufgaben der Bundeswehr im Laufe der Jahrzehnte komplizierter und komplexer geworden sind. Aber das glaube ich nicht. Stäbe haben die wundersame Eigenschaft, sich zu vermehren. Dem werden wir jetzt begegnen, indem wir Führungsstäbe und Führungskommandos fusionieren und damit eine ganze Führungsebene streichen. Damit fallen nicht nur mehrere Generalsstellen weg, sondern auch andere hohe Dienstposten.
Im Umkehrschluss bedeutet das allerdings, dass die Aufstiegschancen vor allem für Offiziere geringer werden. Genau diese Leute benötigen Sie aber, um die Reform zum Erfolg zu führen.
In der eigentlichen Reformphase trifft das sicher zu. Deshalb müssen wir sehen, dass es nicht zu lange dauert, das Überhangpersonal abzubauen, um den Jüngeren nicht die Aufstiegschancen zu nehmen. Aber man kann nicht auf der einen Seite beklagen, dass die Truppe zu sehr belastet und die Stäbe zu groß sind, und sich auf der anderen Seite darüber beschweren, dass die Beförderungsmöglichkeiten schwinden, wenn wir die Stäbe reduzieren. Wir werden keine überflüssigen Stäbe unterhalten, nur damit unsere Soldaten bessere Aufstiegschancen haben.
Wie wollen Sie künftig Personal rekrutieren auf einem Arbeitsmarkt, der sehr viel stärker als bisher umkämpft sein wird?
Zunächst fusionieren wir die beiden Rekrutierungsorganisationen. Bisher warben die Nachwuchsrekrutierungszentren um Zeitsoldaten, während sich die Kreiswehrersatzämter um die Wehrpflichtigen kümmerten. Ab Juli gibt es keine Grundwehrdienstleistenden mehr, die Kreiswehrersatzämter in ihrer alten Struktur sind damit überflüssig geworden. Ihre Mitarbeiter werden zum Teil in die neue Organisation eingegliedert und haben dann die Aufgabe, in den Schulen, Universitäten, in Sportvereinen, Feuerwehren, überall im Land, wo Menschen sind, Nachwuchs für die Bundeswehr zu werben. Sie müssen dorthin , wo unser potenzieller Nachwuchs lebt. Die Zeiten sind vorbei, in denen die jungen Leute zu uns kommen.. Wir müssen aktiv werden, wir müssen um die jungen Menschen werben, auf Messen, an Infotagen, in Praktika. Wir denken sogar darüber nach, die Bundeswehruniversitäten für Abiturienten zu öffnen, die sich noch nicht in den Streitkräften verpflichtet haben.
Eine Organisation allein wird nicht ausreichen, um junge Leute vom Dienst in der Bundeswehr zu überzeugen.
Richtig. Deswegen brauchen wir zum Beispiel die Reservisten. Allein der Reservistenverband hat 122.000 Mitglieder, hinzu kommen mehrere Millionen Männer in unserem Land, die Wehrdienst geleistet haben. Was spricht gegen den Versuch, diese Leute zu Fürsprechern der Bundeswehr zu machen? Wir benötigen die Hoheit über den Küchentischen. Wenn Vater, Opa, Tante oder Onkel dem Nachwuchs im Haus davon abraten würden, in den Streitkräften zu dienen, dann hätten wir verloren. Wir müssen also alles unternehmen, um – wo immer möglich – eine positive Grundstimmung für die Bundeswehr zu erzeugen. Der Aufbau einer wirkungsvollen Organisation für die Nachwuchswerbung gehört deshalb zu den wichtigsten Säulen der Bundeswehreform.
Wer soll um den Nachwuchs werben: Soldaten oder zivile Mitarbeiter?
Wir brauchen die Besten, egal, ob sie Uniform tragen oder nicht. Klar ist aber auch, dass nur der überzeugen kann, der etwas vom Alltag, vom Einsatz der Soldaten erzählen kann, und zwar aus eigenem Erleben. Deswegen werden wir insbesondere einsatzerfahrene Soldaten zumindest zeitweise in die Nachwuchswerbung einbinden.
Es gibt heute bereits Protest gegen Jugendoffiziere an Schulen. Auch an den Universitäten ist die Bundeswehr nicht überall willkommen. Wie wollen Sie gegen diese Widerstände angehen?
Jugendoffiziere informieren im Einvernehmen mit den Kultusministerien der Länder über die Sicherheits- und Verteidigungspolitik unseres Landes. Sicherlich gibt es dagegen vereinzelt Widerstände, aber nicht überall. Und klar ist auch: Man kann nicht einerseits beklagen, die Bundeswehr darf kein Staat im Staate werden, ihr andererseits aber den Zugang zu Schulen und Universitäten verweigern. Wer die Bundeswehr von den Schulen ausschließt, darf sich nicht wundern, wenn sie zum Staat im Staate wird.
Wird die Bundeswehr künftig am Brandenburger Tor oder in der Nähe anderer symbolischer Orte des Landes Rekrutierungsbüros eröffnen, wie wir das von einigen Verbündeten kennen?
Ich kann mir vorstellen, dass man so etwas vielleicht an einem Tag der Streitkräfte macht, den es allerdings in Deutschland noch nicht, in anderen Ländern dafür seit Jahrzehnten gibt. Aber wir stellen sicher nicht ständig Soldaten ans Brandenburger Tor, die Flyer für die Bundeswehr verteilen.
Herr Minister, Sie beabsichtigen, in wenigen Jahren nicht nur die Zahl der Soldaten, sondern auch die der Zivilbeschäftigten erheblich zu reduzieren. Wie wollen Sie das in so kurzer Zeit schaffen?
Von den derzeit 221.000 Soldaten haben nur 188.000 des Status eines Zeit- oder Berufssoldaten. Deren Zahl senken wir ab auf 170.000. Es geht also nur um 18.000 Soldaten weniger. Auch den Umfang der Zivilbeschäftigten im gesteckten Zeitrahmen zu verkleinern, halte ich für grundsätzlich machbar. Jedes Jahr scheiden drei- bis viertausend Beamte, Angestellte und Arbeiter aus Altersgründen aus dem Dienst, zugleich gilt seit zehn Jahren ein weitgehender Einstellungsstopp. Den werden wir sogar aufheben müssen, denn der Altersschnitt in der Verwaltung ist zu hoch.
Können Sie sich den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der UNO, der Nato oder der EU auch dann vorstellen, wenn damit nicht direkt deutsche Interessen verbunden sind?
Ich gehe davon aus, dass Deutschland künftig sehr viel mehr als bisher von den Vereinten Nationen, aber auch den anderen Organisationen gebeten wird, in Ländern oder Regionen militärisch einzugreifen, in denen unsere Interessen nicht direkt auf der Hand liegen. Wir haben das ja bereits im Kongo erlebt. Es gab kein unmittelbares nationales Interesse daran, dass dort halbwegs vernünftige Präsidentschaftswahlen stattfinden können. Man muss auch eine Weile suchen, um im Sudan die deutschen Interessen zu finden, die einen Einsatz von ca. 30 Militärbeobachtern rechtfertigen. Ich bin überzeugt davon, dass aus Wohlstand auch Verantwortung erwächst. Das ist ein Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft: Eigentum verpflichtet. Unser Reichtum entsteht durch Verflechtung in der Welt, durch Handel, durch Export und Import. Wir können nicht sagen, um die globale Sicherheit, von der wir sehr profitieren, sollen sich andere kümmern. Das politische Gewicht eines Staates wird sich künftig auch daran bemessen, ob er bereit ist, mit Streitkräften Verantwortung für die Sicherheit auf der Erde zu übernehmen.
Die Opposition wirft Ihnen vor, Sie wollten eine Interventionsarmee aufbauen.
Ich weiß, aber der Vorwurf ist unberechtigt. Denn die Streitkräfte auf den Einsatz fern der Landesgrenzen auszurichten, heißt nicht, zwingend jeder Bitte von UN, NATO und EU nachzukommen. Aber wir können es nicht allein deswegen ablehnen, weil wir da keine nationalen Interessen haben. Wir können es aus anderen Gründen ablehnen, weil wir etwa an der Grenze der Kapazität sind, weil wir einen Militäreinsatz für unangemessen halten oder weil unsere Soldaten in diesem Teil der Welt nicht willkommen sind. Wir bleiben verantwortungsvoll im Umgang mit Einsätzen. Und nach wie vor braucht jeder Einsatz einen Parlamentsbeschluss. Interessant ist, dass es heute vielfach Menschenrechtsorganisationen sind, die den Einsatz von Armeen fordern. Ich behaupte sogar, dass diese Organisationen die Wirkung von Militär überschätzen.
Herr Minister, Sie haben entschieden, den Sanitätsdienst als eigenständigen Organisationsbereich zu erhalten. Warum?
Ich hatte tatsächlich erwogen, die Sanität wieder in die Teilstreitkräfte einzugliedern. Doch das führt nicht zur Einsparung von Personal, sondern zum Gegenteil. Hinzu kommt, dass zu wenige Ärzte am Patienten und zu viele in Stäben arbeiten. Der Veränderungsdruck in der Sanität ist schon allein groß genug, den muss man nicht durch eine Neuorganisation noch zusätzlich verstärken.
Im Heer erhöhen Sie die Anzahl der Infanteriebataillone. Was führte zu dieser Entscheidung?
Die Einsätze, die wir für denkbar halten, erfordern einfach eine starke Infanteriekomponente.
Was für Einsätze sollen das sein?
Einsätze überall dort, wo nachhaltig und dauerhaft am Boden ein Frieden hergestellt oder gesichert werden muss. Man kann eine Pufferzone zwischen zwei verfeindeten Parteien nicht durch Schiffe oder Flugzeuge sichern. Dazu braucht man vor allem Heeressoldaten.
Sie sagen, der Kampf sei das prägende Element des künftigen Heeres.
Nicht nur des Heeres, sondern der Streitkräfte insgesamt. Die Befähigung zum Kampf ist ein Maßstab für den Einsatz. Das gilt für alle Truppen, und nicht erst seit heute. Ich habe das deshalb betont, um keine Zweifel daran aufkommen zu lassen, wozu Soldaten in erster Linie da sind: eben zum Kämpfen. Ich möchte, dass die Diskussion über unsere Bundeswehr ehrlich geführt wird.
Das Gespräch führte Marco Seliger.
Zitat Minister: „Es ist eine der vornehmsten Aufgaben, für sein Land das Äußerste, sein Leben, einzusetzen…“
Weniger vornehm ich es hingegen, jungen Männern gegenüber so zu tun, als ob der Dienst in der Bundeswehr so eine Aufgabe darstelle, in Wirklichkeit aber das Leben deutscher Soldaten für fremde Interessen „auf Anfrage“ einzusetzen.
Die Diskussion um die Reduzierung ist doch scheinheilig. In Wirklichkeit werden die Inspekteure und deren Stäbe einfach ausgelagert und zählen somit nicht mehr unter den Mitarbeitern des Ministeriums. Sprich, der Wasserkopf wird nur ausgelagert, aber nicht abgeschafft!
@Limpo – wie kommen Sie darauf die Inspekteure der TSKs abzuschaffen? Reduzierung von Stäben in allen Ehren…aber man kann auch über das Ziel hinaus schießen.
Die wirklich unnötigen Stäbe werden sich in den TSK Strukturen verbergen. Wie z.b Btl`s die eigentlich Regimenter sind. usw…
Da hauen sie jetzt was durcheinander, Rgt sind schon immer größer als Btl, das erkennt man auch am „Größe – Zeichen“ des taktischen Zeichens.
Sie meinten sicher „Rgt, die eigentlich nur Btl sind“ sprich eigentlich zu wenig Kompanien und generelle Kopfstärke haben, um als Rgt zu gelten (siehe Sanitäts-, Lazarettregimenter, die nur so aufgeblasen bezeichnet werden, damit die Divisionsebende aka. Sanitätskommandos gerechtfertigt ist… die wären nämlich eigentlich nur Brigaden).
@ Voodoo – ähhhh!! Ja danke so habe ich das gedacht gehabt…bin heute etwas gaga…(jaja ich weis! Steilvorlage *grins*)
Eine spannende und beinahe umwerfende Richtungsänderung in der deutschen Politik!
Wenn wir nun zügig aus der Nato austreten, kauft die Bevölkerung der Regierung auch endlich einmal ab, dass wir künftig ausschließlich im deutschen Interesse zum Schwert greifen.
Naja, ob die InspTSK wirklich so wichtig sind, wie die sich nehmen (und genommen werden), sei mal dahingestellt. Dies eindeutig zu beurteilen, ist schwierig.
Fakt ist, die Aussage, dass BMVg werde um 1.500 Koepfe reduziert, ist Augenwischerei. Tatsaechlich werden sehr viele Dienstposten abgeschichtet (ausgelagert) werden, bestehen de facto aber nach wie vor.
Die Dienstwege werden im Zweifel laenger und verschachtelter – ob so die erhoffte Effizienzsteigerung kommt … abwarten.
Wieviele Stellen durch die Umwandlung z. B. der Wehrbereichskommandos in Faehigkeitskommandos eingespart werden und ob hier ebenfalls nun die grosse Effizienz kommt … auch hier gilt, abwarten.
Ich bin von jeher skeptisch gegenueber Organisationsaenderungen, die ganz wichtig zunaechst mit Aenderungen im Namen der Dienststelle einhergehen. Warum bleiben nicht die Namen, aber es kommt tatsaechlich zu einer deutlichen Aenderung der reinen Struktur? Weil die Dienstposteninhaber Menschen sind und sich menschlich mit dem ganzen Gewicht ihrer Sterne fuer den Erhalt des Bestehenden aussprechen.
Hoffentlich gelingt jetzt mal wirklich ein guter, positiver Schnitt. Mit dem Wissen, wie die Reformen trotz hehrer Worte von bester Planung in der Vergangenheit immer wirkungslos verpufften, faellt mir hoffen zwar schwer, aber ich will es versuchen.
Der Minister macht keinen gar so schrecklich schlechten Eindruck, es gab schlimmere. Einige Aussagen allerdings sind andererseits auch erschreckend bemerkenswert.
Von außen betrachtet klingt das schnell so: ich reduziere die Anzahl der Stäbe, gebe dieses Personal wieder in die „richtige“ Truppe und so sind Redundanzen und Reserven geschaffen, die auch Krisen überstehen können… Nur so leicht geht das nicht.
Der Hinweis auf die Beförderungsaussichten geschaffen durch Stäbe stimmt ja, aber leider ist die Dienstgradstruktur falsch für die neue Organisation. Das bedeutet das Herauslösen, Entlassen nach Einverständnis, aus alle Jahrgängen – fraglich. Die Beamtenbesoldung und einige im Soldatengesetz befindliche Grenzen werden das zunächst verhindern.
Mit der Reform gehört sich auch eine Verwaltungs(gesetz)reform, weg von Wehrpflichtigenarmee mit ihren zum Teil komischen Bestimmungen, die Zeit- und Berufssoldfaten voll ausbaden mussten, hin zu einer modernen Verwaltung mit Zahlungen von Pauschalen, Verantwortlichkeiten für Budget bis auf die untere Ebene (Kameralistik wird grüßen)..
Dumm ist es nur für den zum Teil demotivierten Bodensatz der heute 35-45 jährigen, die einige Chancen verpassen werden. Und diese zu motivieren, wird nicht leicht. Self-fulfilling-profacy wird um sich greifen. Die Finanzierung muss abgewartet werden, sonst geht da die Puste aus.
Insgesamt spricht der Minister, sehr unprätentiös aber hart in der Sache, einige Wahrheiten an und ist sich nicht zu schade, das Feuer auf sich zu ziehen.
Zitat des Ministers: Wir benötigen die Hoheit über den Küchentischen. Wenn Vater, Opa, Tante oder Onkel dem Nachwuchs im Haus davon abraten würden, in den Streitkräften zu dienen, dann hätten wir verloren.
Tja, das machen nicht nur Vater und Opa sondern auch schon seit geraumer Zeit die aktiven Soldaten.
Ich habe immer das Gefühl das unsere Führung gar nicht weiss wie schlecht die Stimmung in der Truppe ist oder es auch gar nicht wissen will, weil sie sonst dringend etwas unternehmen müsste. Daher dürfen bei Besuchen von Politikern oder Generälen
immer nur „Ausgewählte“ Soldaten ihre „positiven“ Beiträge zum Besten geben.
Ich habe erlebt wie ein Pilot der Luftwaffe im Kosovo den Minister beim Verlassen des Hubschraubers einfach gefragt hat, ob er ihn mal kurz sprechen dürfte. Die Offiziere die den Minister begleiteten waren sprachlos. Dann gab es ein kurzes
Gespräch und auf wundersame Weise waren die Probleme eine Woche später gelöst. Damals ging es dabei um die Unterbringung der Soldaten.
Ich kann wirklich nur hoffen das es TdM schafft unseren Wasserkopf stark zu reduzieren. Woher dabei aber mehr Soldaten für die Arbeitsebene kommen sollen ist mir aber nicht klar. Denn z.B. bei den Soldaten des Ministeriums oder in sonstigen höheren Kommandobehörden findet man doch fast niemanden unterhalb der Besoldungsgruppe
A11. Wohin will ich denn mit den unzähligen OTL die seit Ewigkeiten in Stäben sitzen und seit 15 Jahren keinen TrÜbPl mehr gesehen haben und für die Übungen nur aus Computersimulationen bestehen bei denen virtuelle Verbände durch Rot und Blauland geschickt werden.
@Insider:
Die Führung will es doch auch garnicht wissen, weil die Froschperspektive der Truppe für sie ja auch garnicht objektiv ist, weil man sich oben durchaus gewisser Probleme bewusst ist, die aber im Gesamtkontext den die Truppe „unten“ nicht einschätzen kann als hinzunehmen definiert – oder so ähnlich ;)
Mag in manchen Fällen sogar zutreffen. Der Unwille Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen um die knappen Chancen für Karrieren nicht zu versauen (die wohl auch nicht besser werden mit der Reform) und das Verwendungssystem – Breite vor Tiefe tragen da wohl auch nicht dazu bei. Wenn jemand von allem ein bisschen kann, aber nichts richtig und dies auch nicht zuegeben kann… wie soll der denn bitteschön die richtigen Entscheidungen treffen? Die Generale sind ihrerseits von Ihrem Unterbau umgeben, der für sie Filtert… man muss ja nach oben hin gut aussehen… ist in der Wirtschaft ja auch nicht anders wie ich gesehen habe.
Die Bundeswehr hat ja das Konzept des FachOffiziers, aber eben keinen Fachstabsoffizier – ich denke es gäbe genug Leute die sich von vornherein auf eine Perspektive A14/15 einlassen würden wenn dies mehr Tiefe im Job und damit mehr Standortsicherheit und Berufszufriedenheit bedeuten würde.
Simulationen sind auch nicht das Problem… die sind eher die Zukunft. Problematisch ist wohl eher die Frage wo die Daten dafür herkommen – wenn man immer noch kalter Kriegs Szenarien damit beackert, dann wäre das mal arg fragwürdig.
Ich denke mal da gibt es einen Generationenkonflikt zwischen denen, die in den letzten 20 Jahren zur Truppe kamen und nun mit Einsatzrealität und dieversen Transformationen leben müssen und den alteingesessenen, die dem Schichtbetrieb und dem geregelten Leben nachhängen.
@Volker
„Die Bundeswehr hat ja das Konzept des FachOffiziers, aber eben keinen Fachstabsoffizier – ich denke es gäbe genug Leute die sich von vornherein auf eine Perspektive A14/15 einlassen würden wenn dies mehr Tiefe im Job und damit mehr Standortsicherheit und Berufszufriedenheit bedeuten würde.“
Der Fach-Offz wird, wenn es um die Nachteile geht behandelt wie ein Truppen-Offz, wenn es dann um die Vorteile geht ist er dann wieder FD.
Abschaffen => Es gibt Offiziere und die sollte man nach Eignung, Leistung und Befähigung in Kombination mit den Interessen des Soldaten und der Bw einsetzen.
Die Bw muss durchlässiger werden!
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„Umso mehr ist bei einem Einsatz immer auch zu prüfen, wie gefährlich ist er, wie sind die Ziele, kann man die Ziele mit angemessenen Mitteln erreichen, ist es verantwortbar?“ TDM
Macht er das für AGF? Wie sind die Ziele? Können wir sie erreichen? Was sind die angemessenen Mittel? Macht es die BRD sicherer?
Wie wäre das im Fall Jemen? Somalia? Wo bleibt die vernetzte Sicherheit?
Der Überschrift ist zweifellos zuzustimmen. Dies muss jedoch auch Bundeswehr intern mehr als bisher verdeutlicht werden. Kämpfen ist kein Spezialistenthema!
Gleichzeitig werde aber auch ich den Eindruck nicht los, dass TdM mit Versatzstücken seiner FüAk-geprägten Umgebung einen wenig überzeugenden geistigen Überbau über die zu kleine Reform zusammenzimmern will. Bei genauerem Hinsehen paßt das n.m.E. jedoch noch nicht wirklich. Das fortlaufende Betonen von Interessen, um dann wieder zu sagen man werde auch ohne Interessen an Einsätzen teilnehmen ohne dies z.B. mit einem Wertebezug zu verbinden, kann nicht wirklich überzeugen, sondern erinnert eher an alt bekanntes pseudointellektuelles Geschwurbel aus dem Fü S III.
Auch das technokratische Level of Ambition ist nur ein weiter so, wenn nicht sogar ein Schritt zurück (single set of forces, statt Kräftekategorien).
Wieder ne Chance vertan. Schade.