Der Angriff auf die UN: Zu später Hilferuf an ISAF? (mit Update Bw)
Nachdem gestern von deutscher Seite nur sehr sparsame Antworten auf die Frage zu bekommen waren, ob, wie und wann ISAF und damit sowohl die schwedischen als auch die deutschen Truppen vom tödlichen Angriff auf das UN-Gebäude in Masar-i-Scharif informiert wurden, gibt es zunehmend Ungereimtheiten. Das Wall Street Journal hat sich (erneut) des Vorfalls angenommen und die verschiedenen Aussagen von UN-Offiziellen und ISAF gegeneinander gestellt: U.N. to Probe Delay in Afghan Response
Die wesentlichen Widersprüche, wie sie die Kollegen vom WSJ auflisten:
Laut ISAF waren Bundeswehrsoldaten gegen 1800 (Ortszeit) an dem angegriffenen Compound. Bereits gegen 1700 sei der Gebäudekomplex von einer Drohne überwacht worden. Gegen 1740 seien Soldaten in Marsch gesetzt worden, und erst nach deren Eintreffen habe es einen Notruf der UN-Mitarbeiter bei ISAF gegeben.
Diplomaten sagten nach Angaben des Blattes dagegen, ISAF-Soldaten seien erst gegen 1930 eingetroffen. Bereits gegen 1600, kurz nach der Erstürmung des Compounds, habe sich der örtliche UN-Sicherheitschef telefonisch an das schwedische PRT gewandt. Um 1630, als sich die Mitarbeiter in die Schutzräume geflüchtet hatten, habe er den nepalesischen Wachleuten Feuererlaubnis gegeben. Die UN-Mitarbeiter hätten mehrere Stunden in ihrem Bunker gewartet, bis Truppen vor Ort waren.
Die Vereinten Nationen untersuchen jetzt die mögliche Zeitverzögerung – und vermutlich auch die unterschiedlichen Angaben ihrer Leute und der ISAF. Vielleicht trägt die Bundeswehr ja auch noch offiziell zur Klarheit bei.
Nachtrag: Heute morgen hat die Bundeswehr reagiert: Nach jetzigem Kenntnisstand gab es, entgegen anderslautenden Presseverlautbarungen, keine Unterstützungsersuchen an den deutschen Regionalkommandeur Nord, weder durch UNAMA, den Provinzgouverneur Atta noch durch die afghanische Armee, Polizei oder sonstige Sicherheitskräfte.
Nachtrag 2: Habe gerade mit einem Kollegen von Svenska Dagbladet gesprochen. Nach seinen Informationen hatte das schwedische PRT zwar einen Hilferuf erhalten und bereitete sich auf Hilfeleistung vor; allerdings sähen ihre Vorschriften vor, dass sie dafür die Zustimmung der afghanischen Behörden bräuchten, die sie aber nicht bekommen hätten. Deshalb seien keine Soldaten des PRT in Marsch gesetzt worden.
Wenn sich das so bestätigt, muss ISAF vielleicht seine Regeln überprüfen…. Es ging ja nicht um eine innerafghanische Angelegenheit, sondern um einen Angriff auf die UN-Mission – und deren Unterstützung ist ausdrücklicher Bestandteil des ISAF-Mandats. Unabhängig davon, was sonst noch in der Meldekette falsch gelaufen sein mag.
(Ah, die Kollegen der großen Medien steigen jetzt auch langsam ein. Berufen sich aber alle auf das WSJ und haben sonst nichts Neues: Wo war die Bundeswehr, als der Mob wütete?, UN leiten Untersuchung gegen Bundeswehr ein)
Dann verweise ich nur kurz auf mein Statement im letzten Thema „Der Angriff auf die UN: Was machten die Deutschen?“
Zusatz: Ich denke, dass sich zeigen wird wie zögerlich die UN Vertreter reagieren und welch hohe Priorität dort die Distanz zum Militär einnimmt.
Die ISAF Berichte stimmen!
Also für mich hört sich die UN-Darstellung irgendwie schlüssiger an. Warum sollten die so lange mit dem Hilferuf warten?
Woraus entnimmst du daß die ISAF-Berichte der Wahrheit entsprechen?
Ich kann mir nur vorstellen daß der Kommandeur in MES wahrscheinlich das vorgehen erst mit Potsdam oder Berlin abstimmen wollte um für den Fall, daß was passiert abgesichert zu sein.
@ JCR
Zuständig für MeS ist das SWE PRT und deren Kommandeur muß nicht in Berlin nachfragen. Zudem ist das bei „in extremis“ Situationen sowieso nicht nötig.
Warum „die“ solange mit dem Hilferuf warten sollen. Das ist sicher extrem schwer zu verstehen wenn man nicht vor Ort damit zu tun und es selbst erlebt hat, aber „die“ scheuen die Nähe des Militärs wie der Teufel das Weihwasser.
Nicht mit Militär in Verbindung gebracht zu werden, ist auch normalerweise ein guter Schutz… aber eben nur normalerweise.
Und dazu zählt eben auch dieser Hilferuf, nachdem der Knabe schon in den Brunnen gefallen ist und sich die Situation nicht „von selbst“ erledigt hat. Denn die Angst bei „denen“, das Militär zur Hilfe zu rufen und dann mit Militär in Verbindung gebracht zu werden ist größer als die Sorge, dass etwas „passiert“.
Man kann über vieles reden und jahrelang analysieren, aber es gibt Dinge die man nicht ändern kann und akzeptieren muß, auch wenn sie zum Haare raufen und nicht mit Logok zu erklären sind.
Mag sein, nur in letzter Zeit habe ich mir im Bezug auf deutsche Militärpolitik bei Auslandseinsätzen angewöhnt, zu erst einmal die beschämenste Variante anzunehmen, noch einen draufzusetzen und dann war man meistens so etwa bei der Wahrheit ;)
Was macht eigentlich zur Zeit die Bundeswehr in Afghanistan? Seit den Vorfällen vom Januar hört man praktisch nichts mehr.
Ist die Lage nach den Offensiven vom letzten Herbst, in Chah Darreh und Baghlan wirklich so ruhig geworden oder hat man schlichtweg nach den „Skandalen“ vom Winter „Ruhe verordnet“ und läßt die Dinge laufen wie vor 2008?
@jetflyer @all
Heute morgen (!) gab es eine Bundeswehr-Aktualisierung. Habe ich oben angehängt. Damit dann direkter Widerspruch UN – ISAF?
toll
„Uns hat niemand um Hilfe gebeten, also machen wir nichts“
Das ist natürlich ein Argument.
Ich denke mal formalistisch dürfte das richtig sein, aber daß ein UN-Mitarbeiter beim Eindringen eines Lynchmobs vielleicht nicht die örtlich und sachlich zuständige Behörde anruft sondern einfach irgendwen um Hilfe bittet, kommt denen wohl nicht in den Sinn.
QED
@T.Wiegold
keine Unterstützungsersuchen an den deutschen Regionalkommandeur Nord
mich macht die Formulierung im Zusammenhang mit der von @jetflyer gemachten Äußerung für MeS wäre SWE PRT zuständig stutzig.
Könnte auch einfach (überspitzt) heißen „der RC NORTH war gerade beim Dienstsport als es passierte“ und deswegen hat die UN eben nicht direkt den RC erwischt, sondern hat das Hilfegesuch an die SWE Kräfte gerichtet.
Kurz: Der RC North ist *nicht* die ISAF
@JCR: Kein Wunder, dass die Medienlage ruhig ist. Der Bio-Twitter KT hat seinen Account gelöscht ;-)
Als ich zum letzten Mal vor Ort war, gab es in Mazar ein von ANSF und ISAF besetztes OCCR („Operational Coordination Center Regional“) dessen Aufgabe ich so verstanden habe, dass entsprechende Meldungen und Anfragen dort eingehen und von dort aus koordiniert würden. Ich vermute, dass es diese OCCRs immer noch gibt, und dass dort weiterhin auch Soldaten der Bundeswehr eingesetzt sind, und ich wäre überrascht, wenn der Vorfall an der UNAMA-Einrichtung dort nicht frühzeitig bekannt gewesen wäre.
@Sascha
Gut aber welche der drei Gründe gibt es für die (relative) Ruhe?
1. Es ist wirklich ruhig weil durch die Operationen letztes Jahr eine echte Lageverbesserung eingetreten ist
2. Es ist nicht ruhig aber es wird, dank des Abganges von KTZG weniger gemeldet
3. Es ist keine Lageverbesserung eingetreten aber aus politischen Gründen werden keine Operationen durchgeführt.
Dienstsport… hört sich ein wenig spöttisch an für diejenigen, die vor Ort die Köpfe hinhalten. Aber gut!
Es hat nichts mit zuständig fühlen zu tun. Das SWE PRT hat seinen Job gemacht…. und ISAF sind nicht die Deutschen!!!!
1. Das SWE PRT MeS hat Kräfte IN (!) der Stadt.
2. Camp MARMAL und damit alle DEU Kräfte liegen ausserhalb von MeS.
3. Es würde mich nicht verwundern, wenn der UN-Sicherheitschef deshalb bei den Schweden angerufen hat, weil die innerhalb der ISAF Truppen immer noch einen besonderen Ruf haben.
4. Und sie, lieber JCR, sollten lieber froh sein, das man (bisher) noch nichts Neues über die Bw in Afghanistan gelesen hat, denn letztes Jahr um die Zeit hatten wir schon drei Gefallene…
@Voodoo: Haben Sie den 18. Februar vergessen?
Hoppla… den habe ich wegkonzerntriert, weil ich mich über einige Formulierungen hier geärgert habe… peinlich.
Vor jeder angekündigten Veröffentlichung von Karikaturen/Durchführung von Koranverbrennungen etc. gibt es bei den relevanten Stellen Arbeitsgruppen, die eventuell erforderliche Maßnahmen planen. Grundannahme ist dabei jeweils, daß eine sichtbare Beteiligung westlicher Kräfte kontraproduktiv wäre, weil die Identifikation des jeweiligen Vorfalls mit diesen Kräften dadurch gestärkt würde und in der Bevölkerung die Ablehnung dieser Kräfte verstärkt würde. Es würde diesem Ablauf zumindest nicht widersprechen, wenn man während der Unruhen in Mazar-e-Sharif beschlossen hätte, nicht in Erscheinung zu treten und sich auf logistische Unterstützung von ANA/ANP etc. zu beschränken. Hätte man eingegriffen und ggf. ein paar Demonstranten getötet, wären die Probleme jetzt vermutlich nicht geringer.
Was mir bei der bisherigen Diskussion etwas fehlt-verurteile ich als Einziger auch den Verursacher des ganzen, der durch seine „Hetze“ viele Menschen in Gefahr gebracht, und weitere Menschenleben gekostet hat?
Der Koran ist das (heilige) Buch des Muslime, so wie die Bibel das (heilige) Buch der Christen ist..
Bestimmte Dinge macht man einfach nicht…
Man verbrennt keine Bibeln, man uriniert nicht auf Grabsteine, und man besudelt auch keine Flaggen.
Ich würde nur zu gerne sehen, das der „Idiot“ und Verursacher des Ganzen ebenfalls zur Rechenschaft gezogen wird…
Wenn es irgendwo brennt, sollte man das Feuer löschen-und nicht auch noch Öl hineingießen.
@Huey
„Verurteile ich als Einziger auch den Verursacher des ganzen, der durch seine “Hetze” viele Menschen in Gefahr gebracht, und weitere Menschenleben gekostet hat?“
Meinen Sie die Prediger der „Blauen Moschee“? Die waren im konkreten Fall die einzigen Personen, die zu Gewalt aufgerufen und damit Opfer an Menschenleben zu verantworten haben.
„Man verbrennt keine Bibeln, man uriniert nicht auf Grabsteine, und man besudelt auch keine Flaggen.“
So etwas passiert auch in Deutschland ständig (was Flaggen angeht z.B. jüngst durch Nachwuchspolitiker von Bündnis90/Die Grünen), aber wenn jemand z.B. Mitglieder der Grünen wegen „Beleidigung Deutschlands“ töten würden, dann würden Sie doch auch den Täter dafür verantwortlich machen und nicht die Flaggenurinierer, so verwerflich deren Einstellung und Handeln auch sein mag.
Nichts kann das Scheitern von ISAF in MeS deutlicher dokumentieren, als diese Morde, denn sie machen, neben den menschlich tragischen Verlusten, in eindringlicher Weise klar, dass „wir“ dort politisch versagt haben. Damit meine ich nicht, wer wem was wann gesagt hat, sondern, dass im zehnten Jahr des Einsatzes, offenkundig kein lokales Netzwerk etabliert ist, aus dem die UN und ISAF gewarnt wurden. Das erinnert fatal an die Standardformulierung aus den deutschen Kontingentberichten, dass kein kollektives Gedächtnis vorhanden ist. Wir sind immer noch das 1. Einsatzkontingent – im n-ten Versuch.
@ Sacha Stoltenow
„dass “wir” dort politisch versagt haben.“
Wie gut, dass Sie formulierten „politisch“, denn darum geht es; es geht eher nicht um das militärische, denn das ist und bleibt das „tool“ des Politischen.
Vermuten Sie ernsthaft, dass vor zehn Jahren, als die Entscheidung unter den damals obwaltenden (partei-) politischen Bedienungen anstand, jemand gewagt hätte, das Projekt „ISAF“ von seinem Ende her zu bedenken und öffentlich zu formulieren?
Bei dem Statement von Struck haben die garnix gedacht, schon gar nicht vom Ende ;-)
Wenn man den Kommandeur des RC Nord kennt, dann kan man sich durchaus vorstellen, das er beim Sport war. Allerdings schleppt dann einer seiner Begleiter alle Arten von Funkgeräten und Telephonen mit. Und das Markus Maximus nun zögert und erst in Berlin anruft, das kann ich auch nicht glauben. Er müsste sich schon erheblich verändert haben. Allerdings ist er auch ein guter und knallharter Analytiker, der Risiken ohne Scheuklappen abwiegen kann und durchaus zu dem Schluss kommt, das es sich nicht (mehr) lohnt dort mit der Kavallerie einzurücken. Ob er aber gerade da war und auch wirklich führte und nicht irgendwo in der Provinz rumtingelte ist eine andere Frage.
@J. Kônig: Ach, Enden sind immer so weit weg. Und ja, der beste Zeitpunkt, einen Baum zu pflanzen, wäre vor 20 Jahren gewesen. Das ist aber kein Grund, es heute nicht zu tun.
@ Roman
Stimmt, er hat sich nicht verändert!
Ich denke, dass sich einige von der Vorstellung trennen müssen, dass da irgendwo ein deutscher General mit 5.000 Soldaten im Rücken steht und nur darauf wartet den „Angriff“ zu befehlen (oder anders einzugreifen).
Es gibt wie überall Verantwortlichkeiten die man auch und vor allem in Notfällen einhalten muss! Das sollte wohl jeder kennen der einen Beruf ausübt, dazu muß man kein Soldat (Polizist, etc.) sein.
Und „Krieg“ ist weder ein Sportfest, noch eine Wahlkampfveranstaltung (obwohl… ich mir bei dem letzteren nicht ganz sicher bin….)
@Sascha Stoltenow
„Damit meine ich nicht, wer wem was wann gesagt hat, sondern, dass im zehnten Jahr des Einsatzes, offenkundig kein lokales Netzwerk etabliert ist, aus dem die UN und ISAF gewarnt wurden.“
Die Fehler liegen vermutlich noch viel tiefer. Die Koranverbrennung war zuvor angekündigt worden, und Ausschreitungen (das PRT Meymana wurde z.B. 2006 von einem muslimischen Mob angegriffen und stand dem Vernehmen nach sehr unter Druck) sind bei solchen Vorfällen normal. Man braucht also keine besonderen Quellen in der Bevölkerung, um auf so etwas vorbereitet zu sein. Hier haben also entweder sehr viele Deutsche schlicht geschlafen oder hielten sich nicht für zuständig.
P.S. Iranische Behörden haben vor kurzem hunderte Bibeln verbrennen lassen. http://www.katholisches.info/?p=11422
Es liegen aber bislang keine Meldungen darüber vor, dass Christen als Reaktion wahllos Muslime enthauptet hätten.
Wer war schuld ? „georg“ hat vor einiger Zeit an anderer Stelle einmal geschrieben (oder zumindest habe ich ihn so verstanden), wir sollten zunächst einmal Fragen stellen, bevor wir uns über „richtige“ Antworten streiten. Dies halte ich für einen sehr guten Ansatz. Wenn die richtigen Fragen dabei herauskommen.
Nach meiner Erfahrung ist die Frage „Wer war schuld?“ die beliebteste in Deutschland. Antwort erfahrungsgemäß immer „die anderen“, niemals „ich“. Ist ja auch verständlich.
Aber hilft diese ewige „Schulddebatte“ irgendwie weiter? Im Ergebnis wird immer irgend ein Schuldiger gefunden -und dann können alle wieder ruhig ihrem Tagesgeschäft nachgehen (oder weiterschlafen), schlimmstenfalls ohne daß etwas gelernt wird.
Nachdem was ich hier den Kommentaren entnommen habe, war dieses Ereignis -als solches- vorhersehbar. Ort und Zeit kamen aber für die Betroffenen anscheinend überraschend. Wenn zutrifft, daß die UN-Mitarbeiter auf strikte Distanz zum Militär bedacht sind (eine Haltung die „unsereinem“ seit langem vertraut ist), dann ist nachvollziehbar, daß dort auch keine Neigung zu zivil-militärischen „Planspielen“ über evtl. Maßnahmen im Falle eines solchen Falles bestand. Es gibt aber Nuancen zwischen gemeinsamem öffentlichen Auftreten und (diskreter, weil unabdingbarer) Absprache. Wenn letztere auch für „zu militärisch“ gehalten wird, dann wird es bedenklich.. und Lernen manchmal schmerzhaft.
Durchaus denkbar ist auch, daß es -vor dem Hintergrund unzureichender Absprachen ?- in der beginnenden Hektik angesichts der Lageentwicklung zu weiteren Kommunikationsfehlern kam. Ebenso denkbar erscheint mir (zumindest wäre es menschlich verständlich), daß in einer derartigen Lage auf militärischer Seite nicht „blind“ agiert wird. Die Schlagzeile auf einem Spiegel-Titel „Neues Massaker durch Bundeswehr: xxx Tote bei „Befreiungsaktion“ in MeS“ ist nichts, was irgendjemand hierzulande wünschen kann.
Meine Vorschlag für Fragen (s. o.) wäre 1.“Was ist schief gelaufen?“ 2. „Was müssen wir ändern?“
Alles in allem wirken die Ereignisse auf mich nicht unbedingt als Beleg für ein funktionierendes Zusammenwirken im Sinne einer „Counterinsurgency“, aber ich lasse mich (nur allzugern) eines Besseren belehren.
Das Vermeidenwollen von Spiegel-Schlagzeilen ist eines der Grundprobleme.
Spiegel-Schlagzeilen töten niemanden, und in einer Abwägung zwischen negativen Schlagzeilen und dem Tod unschuldiger Menschen sollte wohl das Retten von Menschenleben eine Rolle spielen.
Was das Religiöse angeht: Afghanistan ist eben ein Land, das sich geistig im finstersten Mittelalter befindet.
Das irgendwie zu entschuldigen oder gar verstehen zu wollen ist Verrat an der Aufklärung. Selbst die meisten Muslime in anderen Ländern protestieren im Moment lieber gegen ihre eigenen Regierung als gegen Koranverbrennungen.
@JCR
„Afghanistan ist eben ein Land, das sich geistig im finstersten Mittelalter befindet.“
Und da sind wir beim Kern des Problems: Unsere politische Führung hat einen Auftrag erteilt, der auf der Annahme beruht, dass Afghanistan mit etwas Schutz und Ausbildung innerhalb kurzer Zeit zu einem funktionierenden modernen Staat inkl. Demokratie und Menschenrechten gemacht werden kann.
@ JCR: Wenn die Wahl so einfach wäre, entweder :negative Schlagzeilen, oder: Menschenleben gerettet, dann wäre jede Diskussion überflüssig, in der Tat.
Aber leider sieht es im Krieg meistens anders aus und das Ergebnis lautet „xxx tote Afghanen und KEIN UN-Mitarbeiter gerettet..“ Das war der Ausgangspunkt meiner Überlegung.
@ orontes Sie sind ein Optimist… :-)
Problem ist daß die Angst vor Negativschlagzeilen oft der bestimmende Faktor auf politischen Entscheidungsebenen zu sein scheint.
Daß man auch Positivschlagzeilen generieren kann scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben, dabei gab es die nach dem Freikämpfen von Isa Khel z.B. durchaus.
Das Problem ist daß es sich bei vielen in unserem Militär in höheren Dienstgradgruppen nicht herumgesprochen hat daß der Unterschied zwischen Dienst beim Militär oder bei einer anderen Behörde der ist, daß man beim Militär berufsmäßig Risiken eingehen muß: Risiken fürs eigene Leben, aber auch Risiken für das Leben und die Gesundheit von Untergebenen, Dritten aber auch für das eigenen berufliche Weiterkommen.
Was den Sinn von Freedom and Democracy in Afghanistan angeht glaube ich macht sich niemand mehr Illusionen.
Es ist immerhin positiv daß sich die totale Idiotie in der Umma im Bezug auf Terry Jones auf die „üblichen Verdächtigen“ in Pakistan, Afghanistan und Westeuropa (:D) zu beschränken scheint während der große Teil der islamischen Welt sich lieber um echte Probleme kümmert
Auf Global Post äußert sich jetzt auch Jean MacKenzie zum Geschehen: Analysis: Burning the Quran in Kandahar, to protest the burning of the Quran in Florida.
Kernthese: „Religion ist die Begründung für die Gewalt, aber nicht die zugrundeliegende Ursache.“
Sie weist auch darauf hin, dass es ja leicht ist die Schuld bei Karzai, Jones, den Vorbetern oder irgendwelchen Anstiftern zu suchen.
Nur haben sich die, nüchtern betrachtet, so verhalten wie es zu erwarten war, wie sie das schon die letzten Jahre getan haben.
Warum die Sprengkraft diesmal um soviel stärker war ist glaub die eigentlich interessante Frage. (Und darauf geht der Artikel leider nur sehr knapp ein…)
@ JCR
Ich sehe das Problem eher bei denen die meinen besser zu wissen was man in höherer Führungsverantwortung zu machen bzw. zu lassen hat, ohne jemals selbst in einer solchen Situation verantwortlich gewesen zu sein.
Eine Schlagzeile scheue ich nicht… und auch nicht die kritischen Stimmen der nachher alles besser Könner.
Es kann auch jeder ganz toll über Risiken für Leib und Leben sprechen, der noch nie Truppen in eine „Operation“ geschickt und Soldaten verloren hat bzw. selbst noch nie diese Angst gespürt hat…
Ich brauche dazu keinen Applaus, aber es wäre an dieser Stelle klasse, wenn der niveaulose Spruch „Ihr habt es Euch ja selbst ausgesucht“ hier nicht erscheint.
Wir brauchen keinen besonderen Dank dafür, es würde völlig ausreichen keinen Tritt in den Arxxx zu bekommen.
@jetflyer
Das Argument „ihr habt doch keine Ahnung“ ist mindestens genauso ein Totschlagargument wie „ihr habt es euch ja selbst ausgesucht“.
Wenn solche Diskussionen nur unter Offizieren, die Truppen im Einsatz geführt haben, stattfinden dürfen können wir uns das hier auch sparen.
Das Problem scheint mir eher zu sein daß die BW nie gelernt hat mit Detailkritik umzugehen.
Die BW ist Fundamentalopposition a la „Soldaten sind Mörder“ gewöhnt, aber nicht die – oft vielleicht unberechtigte oder zumindest überzogene – Kritik von Menschen, die der Bundeswehr grundsätzlich positiv gegenüber stehen, aber aufgrund ihrer Informationslage von echten oder vermeintlichen Fehlentwicklungen ausgehen.
Und Zivilisten haben den Vorteil daß sie „Systemfragen“ stellen dürfen, die Offiziere nun in ihrem alltäglichen Dienst sich nicht stellen können.
Falls irgendwas an meinen Posts dich beleidigt haben sollte bitte ich hiermit um Entschuldigung.
@ JCR
Entschuldigung angenommen und ja, Sie haben zum Teil recht. Ich wollte es absichtlich so deutlich machen, dass man auch Meinungen/Erfahrungen von „vor Ort“ berücksichtigen kann und nicht generell nach Lücken im System suchen muß.
Die Bw als Institution tut sich schwer mit dieser Kritik… stimmt. Allerdings sollte man zwischen der Institution und den Soldaten unterscheiden… denn wir sind sehr wohl (normalerweise und ja, bestimmt nicht alle) kritikfähig, kritisch und daran interessiert besser zu werden.
Wenn etwas passiert kommen sofort die krtischen Stimmen aus allen Ecken und finden sofort die Fehler in allen Ecken. Mir fehlt ein wenig das Vertrauen in unsere Arbeit, in unseren Dienst. Läuft mal was gut, dann liest man es nirgends und wenn doch, dann kommen trotzdem die Fragen nach dem, was bestimmt wieder mal falsch gelaufen ist oder eben dass es Glück war. Und ich denke das bleibt so, bis wir mal Geiseln in Mogadischo befreien können.
Ich brauche kein Dankeschön und auch keine Orden… mir würde etwas mehr Vertrauen schon völlig ausreichen. Und ich denke, dass haben wir uns verdient!
PS: Und bitte nicht eingeschnappt sein wenn ich mal etwas provokant bin… ich kann auch mit Gegenwind umgehen.
@Jetflyer: Und genau deshalb vögelt es mich so an, dass das BMVg systematisch verhindert, dass Euch die Anerkennung zu Teil wird, die Ihr verdient.
@jetflyer
„Wenn etwas passiert kommen sofort die krtischen Stimmen aus allen Ecken und finden sofort die Fehler in allen Ecken. Mir fehlt ein wenig das Vertrauen in unsere Arbeit, in unseren Dienst.“
Die Formulierung „wir“ in Ihrem Beitrag erweckt den Eindruck, als würden Sie für alle Soldaten sprechen und nicht nur für sich persönlich.
Ihre Gleichsetzung des Diensts deutscher Soldaten mit diesem im Kern fehlgestalteten Einsatz teile ich jedoch nicht. Ich habe insgesamt rund 16 Monate in Afghanistan meinen Dienst versehen und als Folge davon das Vertrauen in die Entscheidungen unserer politischen und militärischen Führung weitestgehend verloren. Es läuft tatsächlich sehr vieles falsch in diesem Einsatz. Ich würde es begrüßen, wenn diese Schwächen konsequent angesprochen und abgestellt würden. Kritik, die dazu beiträgt dass die Bundeswehr sinnvoller und wirksamer eingesetzt wird, begrüße ich ausdrücklich.
Ich vertraue hingegen dem deutschen Soldaten, dem ich zutraue, wesentlich mehr leisten zu können als unsere Führung meint.
@Sascha Stoltenow
„dass das BMVg systematisch verhindert, dass Euch die Anerkennung zu Teil wird, die Ihr verdient.“
Das BMVg bzw. die Bundesregierung verhindert in erster Linie, dass deutsche Soldaten in Afghanistan militärisch sinnvoll eingesetzt werden, und dass seit fast zehn Jahren.
Forderungen nach besonderer Anerkennung halte ich davon abgesehen für einen Ausdruck unangemessener Eitelkeit. Man kann von deutschen Soldaten verlangen, Belastungen wie die in Afghanistan (und noch größere) ohne solche Allüren zu tragen.
Für das, was in Afghanistan militärisch getan werden müsste, würde diese deutsche Öffentlichkeit ohnehin kaum positive Gefühle entwickeln, und ich kenne keinen Politiker, dem ich den Mut zutraue, diese Erfordernisse der Öffentlichkeit zu erklären. Es würde mir vollkommen reichen, wenn unser Staat den Soldaten nicht aktiv in den Rücken fällt uns sie dem Plebs ausliefert wie Oberst Klein, sie als „Mörder“diffamieren lässt oder applaudiert, wenn Frau Käßmann wegen ihrer durch Geschwätz demonstrierten mutmaßlichen „Zivilcourage“ geehrt wird.
Zufällig gefunden.
Eine eindrucksvolle Fleißarbeit, die ungemein informativ ist
http://www.hsu-hh.de/studbereich/index_djQ4rLliDFz8kVBR.html
@ Orontes
Erstmal meine Anerkennung für die 16 Monate AFG!
Ich spreche aus meiner Sicht für über Themen, die mich und meine Kameraden gerade betreffen. Da wir in AFG unterschiedlich eingesetzt sind und uns verschiedene Dinge bewegen/beschäftigen, kann und werde ich nicht für alle Sodaten sprechen.
In welcher Form war dieser Einsatz von Anfang an fehlgestaltet? Ich frage nur deshalb, weil es auch hier sehr viele verschiedene Meinungen gibt und ich mich gerade mit dem hier/jetzt und der Zukunft beschäftige. Beides liegt mir derzeit näher, als die Fehler der Vergangenheit zu analysieren und persönliche Meinungen abzuwägen, was m.E. schon genug Leute machen. (die Gegenwart und Zukunft bezieht natürlich die „Lessons identified“ und -soweit es das gibt- auch die „Lessons learned“ der Vergangenheit mit ein!)
Ausserdem beschäftige ich mich ebenfalls derzeit nicht damit, das System zu bekämpfen und die Schwierigkeiten anzuprangern, die wir durch politische und auch militärische Führung immer wieder haben.
Ich beeinflusse die Faktoren die ich auch beeinflussen kann und ändere die Dinge, auf die ich (derzeit) Einfluss habe. Und das hat einen einfachen Grund, denn nur so kann ich meinen Job vernünftig machen und damit das Risiko (für alle) etwas reduzieren… vielleicht sogar „einen Unterschied machen“ und einige Fehler beseitigen bevor er/sie zur Wirkung kommt.
Damit überlasse ich die Aufarbeitung der vergangenen Fehler sehr gerne denjenigen, die das deutlich besser können als ich und darüber auch noch Bücher schreiben können…. die Zeit fehlt mir hier eindeutig!
@ Orontes
„Für das, was in Afghanistan militärisch getan werden müsste, würde diese deutsche Öffentlichkeit ohnehin kaum positive Gefühle entwickeln“
So interessehalber: Was wäre das militärisch Notwendige?
Danke J.R., genau das interessiert mich auch.
Klassische Partisanenbekämpfung wie damals an der Ostfront. Zieht man das nur konsequent durch, funktioniert das auch. Ist nur eine Frage des Willens.
Ich persönlich will das nicht.
Mit der „klassischen Partisanenbekämpfung“ hat die Wehrmacht in der Ukraine z.B. in kürzester Zeit sämtlichen Kredit verspielt, die sie beim Einmarsch hatte. Übrigens haben die Sowjets das in den 1980ern auch in AFG versucht und so prickelnd waren die Erfolge ebenfalls nicht.
Man hätte viel früher offensiv aus dem Feldlager gemusst, meiner Meinung nach. Aber ein nicht näher genannter Minister hat die Kontingente ja in die Feldlager gesperrt und nur mit gepanzerten Fahrzeugen rausgelassen; aber nicht müde immer zu versichern, das wir nur stabilisieren… Ich denke, ohne diesen Schwachsinn wäre aus „Bad Kunduz“ niemals das geworden, was es jetzt ist / hoffentlich war.
@Voodoo: Die Sowjets haben das aber halbgar und nicht offiziell gemacht. Genügend Härte bricht jeden Widerstand.
@jetflyer, J.R., Nico
Ich kann nur meine persönliche Ansicht widergeben, aber ich aus meiner Sicht hat man auf das Qaida-Probleme (damals eine niedrige vierstellige Zahl von Kämpfern, aktiv unterstützt durch pakistanische Behörden und u.a. saudische Spender) falsch reagiert, als man das Problem nicht militärisch lösen wollte, sondern sich mit Nation-Building in Afghanistan ohne zwingenden Grund eine Aufgabe aufgeladen hat, die mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und dem vorhandenen politischen Willen auch dauerhaft kaum lösbar sein wird und zudem in keinem Zusammenhang zum ursprünglichen Problem steht.
ISAF war mit dieser Aufgabe überfordert und ist praktisch schon gescheitert. Was die Amerikaner ab 2009 versucht haben, hätte zu einem früheren Zeitpunkt zwar auch nicht ausgereicht, um einen stabilen demokratischen Nationalstaat zu schaffen, hätte aber bei längerem Engagement aus einer günstigeren Ausgangsposition vielleicht eine eigermaßen handlungsfähige Zentralregierung mit vergleichsweise leistungsfähigen Sicherheitskräften schaffen können. Die Amerikaner werden jedoch u.a. aus innenpolitischen Gründen nicht lange genug durchhalten können, und die Chancen von 2001 und 2002 wurden vergeben.
Was die Bundeswehr angeht, so hätte diese bis ca. Ende 2008 die Chance gehabt, die Ausweitung des Einflusses der Aufständischen in Teilen des Nordens durch Präsenz in der Fläche und Zerschlagung der bis zu diesem Zeitpunkt noch relativ schwachen Netzwerke (Tötung und Gefangennahme) zu verhindern. Vor allem unsere politische Führung wollte aber in erster Linie schlechte Presse vermeiden und hat der deutschen Öffentlichkeit gegenüber aktiv die Unwahrheit über die Situation im Norden gesagt. Die Bundeswehr hat auf Grundlage einer falschen Strategie in Nordafghanistan militärisch größtenteils versagt, wofür ich Scham empfinde und nicht Bedürfnis nach mehr öffentlicher Anerkennung.
Was jetzt noch militärisch geleistet werden könnte (und direkten Bezug zur Sicherheit Deutschlands hat), wäre die Zerschlagung internationaler Netzwerke unter den Aufständischen. Daran könnten sich auch deutsche Stellen beteiligen, wenn die Bundesregierung und alle Parteien nicht über Jahre so getan hätten, als sei der gesamte Vorgang unmoralisch und illegal. Und glauben Sie, die Bundeswehr würde im unwahrscheinlichen Fall der aktiveren Beteiligung an solchem Vorgehen Anerkennung für eventuelle militärische Leistungen erhalten? Es würde die üblichen Anfragen des Herrn Ströbele und die üblichen Verurteilungen von SPD-„Verteidigungsexperten“ geben, auf die unsere Regierung wie üblich apologetisch und passiv reagieren würde. Auch gutwillige Kräfte in der Politik wollen sich mit so etwas nicht die Finger verbrennen. Der Soldat findet in unserer Gesellschaft allenfalls noch als Traumatisierungsopfer Anerkennung, aber nicht, wenn er seine Arbeit macht.
@Orontes: Mir geht es nicht um Überhöhung, mir geht es um die grundsätzliche Anerkennung. Diese ist auch militärische relevant, weil in einem Kampfkraftvergleich auch die Moral der Truppe eine Rolle spielt. Dazu gehört – unbestreitbar – auch vernünftige Ausrüstung, etc. pp, aber auch eine ganze Zahl weicher Faktoren. Angefangen bei der kommunikativen Anbindung an die Heimat bis zu angemessenen Anerkennung, bei der auch die mediale Repräsentation eine Rolle spielt, denn die Bundeswehr ist eine Armee in der Mediengesellschaft.
Ein Beispiel: Wenn nach dem Anschlag in Baghlan ein professionelles Kamerateam vor Ort gewesen wäre, wären Bilder von solcher Intensität entstanden, dass sich danach niemand hätte damit rausreden können, nicht zu wissen, was in AFG gerade so los ist. Genau das aber wurde verhindert. Dabei geht es nicht darum, dass die ganze Gesellschaft auf einmal Hurra schreit. Im Gegenteil: Es geht darum die relevanten sozialen und professionellen Netzwerke der Soldatinnen und Soldaten zu stärken, zu stabilisieren und auszuweiten.
Zitat Orontes: „Der Soldat findet in unserer Gesellschaft allenfalls noch als Traumatisierungsopfer Anerkennung, aber nicht, wenn er seine Arbeit macht.“
Das ist im Ergebnis richtig, ist meinem Eindruck aber weitgehend den Uniformträgern mit besonders vielen Ärmelstreifen anzulasten. Da hat sich eine Kultur der Verweigerung von Öffentlichkeit etabliert, die zwangsläufig zu einer Entfremdung zwischen Bevölkerung und Militär führen muss. Bestes Beispiel aus jüngerer Zeit sind die Feldpostbriefe aus Afghanistan. Warum in aller Welt, haben die versucht, dieses Projekt zu sabotieren? Und wenn den Militärs die Nasen der Macher und deren Richtung nicht gefallen haben, warum hat es dann keine eigenständige Umsetzung der guten Idee mit den „richtigen“ Leuten gegeben?
Und gleichzeitig der Druck nach Innen hin auf die eigenen Leute, nichts rauszulassen. Gab es da nicht den Fotowettbewerb für die Soldaten in AFG, an dem die BW-Kameraden nicht teilnehmen durften? Typisch.
Da kann schon der Verdacht entstehen, dass ein paar flecktarnfarbene Obermohren den Karren offenbar gezielt an die Wand fahren wollen. Aus dem lange aufgestauten und sachlich wohl auch berechtigten Frust heraus wird da mittlerweile eine ziemlich kindische Hoffnung auf den großen Knall gehegt, mit dem dann alles besser wird.
@Sascha Stoltenow
„Wenn nach dem Anschlag in Baghlan ein professionelles Kamerateam vor Ort gewesen wäre, wären Bilder von solcher Intensität entstanden, dass sich danach niemand hätte damit rausreden können, nicht zu wissen, was in AFG gerade so los ist. “
Was wäre denn die Wirkung von solchen Bildern gewesen, bzw. in welche Richtung hätten sie die Diskussion beeinflusst?
Ich würde mir Darstellungen wünschen, die zeigen, dass Soldaten nicht nur passive Opfer sind, mit denen man aus Mitleid vielleicht Sympathie empfindet. Eine vollständige Auseinandersetzung, die in der Bevölkerung mehr erzeugt als ein „holt unsere Jungs nach Hause“-Gefühl, müsste m.E. den Soldaten auch als jemanden zeigen, der solche Belastungen nicht nur erleidet, sondern zumindest tapfer erträgt und im Idealfall auch meistert. Eine Sympathie, die darauf beruht, dass man deutschen Soldaten die Bewältigung berufsbedingter Standardbelastungen (um diese handelt es sich leider) nicht zutraut, empfinde ich weder persönlich noch auftragsbezogen als hilfreich.
Kleiner Nachtrag zur „Klassischen Partisanenbekämpfung“. Gerade hier liegt einer der Hauptgründe für die Weigerung der politischen (und militärischen?) Führung, sich auch nur auf eine öffentliche Debatte über counterinsurgency einzulassen (von einer Umsetzung in die militärische Praxis ganz zu schweigen)
Es würde den Rahmen dieses blogs sprengen, darauf jetzt detailliert einzugehen. Nur soviel: die Jahrgänge in der „oberen Etage“ sind (wie meinereiner) in einer Zeit Soldat geworden, wo der „große Krieg“ (im Clausewitzschen Sinne) Gegenstand der geistigen Auseinandersetzung mit dem Soldatenberuf war. Die Bundeswehr hatte einen defensiven Auftrag. Von daher konnte man sich auf die Kenntnis der Genfer Konvention beschränken und brauchte sich mit „Partisanen“ nicht auseinanderzusetzen. Das Thema war tabu, da hatten die Väter Schuld auf sich geladen (das ist Fakt – Fosse Ardeatine, Kephalonia, Oradour-sur-Glane, Kragujevac und weitere zighunderte Ortschaften und Städte im Osten), da hatten wir „nichts mehr mit am Hut“. Soweit zumindest der mainstream. Und das ist auch nichts, wessen diese Generation sich schämen müßte.
Aber auch die Generation jener, die diesen „Partisanenkampf“ führen mußte (ob sie es wollten, lieber nico, hat keiner gefragt!!), liessen die vergangenen Ereignisse nicht zur Ruhe kommen. Es gibt ein Buch zum Thema („Partisanenkampf“). Der Autor (Rentsch) kommt (Ende der fünfziger Jahre) zu gleichen Schlußfolgerungen, wie Galula, Thompson, Nagl, Kilcullen usw. nach ihm:
Die Lösung für eine erfolgreiche Bekämpfung des Phänomens („Kleiner Krieg“-guerilla)liegt im politischen Bereich. Nur durch eine andere Besatzungspolitik -die aber systembedingt von den Nazis nicht zu leisten war- hätte dem Kampf der Partisanen -um in Mao’s Bild vom Guerillero als „Fisch im Wasser“ zu bleiben- ebendieses Wasser, nämlich die Unterstützung der Bevölkerung, abgegraben werden können.
Militär spielt selbstverständlich eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang (so wie jener Gebirgsjägerfeldwebel, der eines Tages verschwand um nach 2 Wochen wieder aufzutauchen – mit dem örtlichen Partisanenführer gefesselt auf einem Esel im Schlepptau). Aber mit solchen Aktionen allein ist der Konflikt nicht zu lösen. Der Nachfolger für den Verschleppten steht schon bereit.
Die Poltiker, die nunmehr in Amt und Würden sind, entstammen einer Generation, die ihrerseits Militär nie als Ansprechpartner für Konfliktlösungen wahrgenommen, geschweige denn kennengelernt hat.
Sowohl für die militärische als vielmehr noch für die politische Ebene waren Bosnien und Kosovo schon „unvorstellbar“ (wer die Entwicklung miterlebt hat, weiß, das dies nicht nur für deutsche Entscheidungsträger galt).
Und jetzt Afghanistan.. Counterinsurgency. Jetzt müssten beide Ebenen, Politik und Militärführung nicht nur Seit an Seit, sondern auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Mit einer Bevölkerung im Rücken, die mit den Problemen zuhause schon überfordert ist und von Pashtunen und Tadschiken und irgendwelchen Stammesfehden nichts weiß (und auch nichts wissen will?).
Am Ende wird die Erkenntnis stehen (fürchte ich): „wären wir doch besser zuhause geblieben“. Bitter für alle, die hingeschickt wurden. Aber das ist Soldatenlos (mir ist es erspart geblieben, nicht mein Verdienst).