Der Angriff auf die UN: Zu später Hilferuf an ISAF? (mit Update Bw)

Nachdem gestern von deutscher Seite nur sehr sparsame Antworten auf die Frage zu bekommen waren, ob, wie und wann ISAF und damit sowohl die schwedischen als auch die deutschen Truppen vom tödlichen Angriff auf das UN-Gebäude in Masar-i-Scharif informiert wurden, gibt es zunehmend Ungereimtheiten. Das Wall Street Journal hat sich (erneut) des Vorfalls angenommen und die verschiedenen Aussagen von UN-Offiziellen und ISAF gegeneinander gestellt: U.N. to Probe Delay in Afghan Response

Die wesentlichen Widersprüche, wie sie die Kollegen vom WSJ auflisten:

Laut ISAF waren Bundeswehrsoldaten gegen 1800 (Ortszeit) an dem angegriffenen Compound. Bereits gegen 1700 sei der Gebäudekomplex von einer Drohne überwacht worden. Gegen 1740 seien Soldaten in Marsch gesetzt worden, und erst nach deren Eintreffen habe es einen Notruf der UN-Mitarbeiter bei ISAF gegeben.

Diplomaten sagten nach Angaben des Blattes dagegen, ISAF-Soldaten seien erst gegen 1930 eingetroffen. Bereits gegen 1600, kurz nach der Erstürmung des Compounds, habe sich der örtliche UN-Sicherheitschef telefonisch an das schwedische PRT gewandt. Um 1630, als sich die Mitarbeiter in die Schutzräume geflüchtet hatten, habe er den nepalesischen Wachleuten Feuererlaubnis gegeben. Die UN-Mitarbeiter hätten mehrere Stunden in ihrem Bunker gewartet, bis Truppen vor Ort waren.

Die Vereinten Nationen untersuchen jetzt die mögliche Zeitverzögerung – und vermutlich auch die unterschiedlichen Angaben ihrer Leute und der ISAF. Vielleicht trägt die Bundeswehr ja auch noch offiziell zur Klarheit bei.

Nachtrag: Heute morgen hat  die Bundeswehr reagiert: Nach jetzigem Kenntnisstand gab es, entgegen anderslautenden Presseverlautbarungen, keine Unterstützungsersuchen an den deutschen Regionalkommandeur Nord, weder durch UNAMA, den Provinzgouverneur Atta noch durch die afghanische Armee, Polizei oder sonstige Sicherheitskräfte.

Nachtrag 2: Habe gerade mit einem Kollegen von Svenska Dagbladet gesprochen. Nach seinen Informationen hatte das schwedische PRT zwar einen Hilferuf erhalten und bereitete sich auf Hilfeleistung vor; allerdings sähen ihre Vorschriften vor, dass sie dafür die Zustimmung der afghanischen Behörden bräuchten, die sie aber nicht bekommen hätten. Deshalb seien keine Soldaten des PRT in Marsch gesetzt worden.

Wenn sich das so bestätigt, muss ISAF vielleicht seine Regeln überprüfen…. Es ging ja nicht um eine innerafghanische Angelegenheit, sondern um einen Angriff auf die UN-Mission – und deren Unterstützung ist ausdrücklicher Bestandteil des ISAF-Mandats. Unabhängig davon, was sonst noch in der Meldekette falsch gelaufen sein mag.

(Ah, die Kollegen der großen Medien steigen jetzt auch langsam ein. Berufen sich aber alle auf das WSJ und haben sonst nichts Neues: Wo war die Bundeswehr, als der Mob wütete?, UN leiten Untersuchung gegen Bundeswehr ein)